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04.01.2010 - dradio.de
 


Kulturkalender

 

Opernintendanz Hannover

   
 
Zitat aus der HAZ vom 28. Januar 2017

Von Ronald Meyer-ArIt

Relevanzverstärker gesucht

Das kann man fast alles unterschreiben: Die neue Intendanz für die Oper soll das Haus „künstlerisch anspruchsvoll und repräsentativ leiten". Und sie soll „Freude am Musiktheater verbreiten". Das fordert die Bürgerintiative Opernintendanz", die sich mit dem Ziel gegründet hat, die Wahl des neuen Opernintendanten in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Mitglieder fordern auch ‚respektvollen Umgang mit den Werten unserer Theaterkultur: Ihren Aufruf schließen sie mit den Worten: „Für die Zukunft unserer Oper!" und ‚Damit Hannover wieder glänzt!'

Die Frage wäre, ob eine Opernintendanz, die den „respektvollen Umgang mit den Werten unserer Theaterkultur" ins Zentrum ihrer Anstrengungen stellt, es wirklich schaffen könnte, die Oper zum Glänzen zu bringen. Solch eine Intendanz stünde für ein Theater von gestern, das keine Strahlkraft besitzt, sondern gemütlich vor sich hin funzelt. Die Oper darf kein Theatermuseum sein. Man braucht als Leiter keinen Museumswärter. Schon gar nicht nach Michael Klügl und Lars-Ole Walburg, die Oper und Schauspiel auf ihre eigene (manchmal unbequeme) Art vorangebracht haben.

Bei der Wahl der Intendanten für Oper und Schauspiel kommt es darauf an, jeman­den zu finden, der das Wagnis liebt und die Herausforderung, der leidenschaftlich ist und kühn, und der weiß, dass das Theater eine Institution des steten Wandels ist. Es kommt nicht darauf an, jemanden zu installieren, der das Geschäft so verwaltet, dass sich keiner gestört fühlt. Mit 61 Millionen Euro werden Oper und Schauspiel in Hannover jedes Jahr vom Land gefördert. Das Geld sollte zu mehr gut sein als allein zur Bewahrung der Hochkultur. Es sollte auch dazu dienen, Gold zu schürfen und Neuland zu betreten. Theater ist ein Experimentierfeld und ein Ort, an dem das Scheitern gefeiert werden darf. Insofern muss jemand kommen, der das Scheitern nicht fürchtet. Einen Allesrichtigmacher wird es als Intendanten sowieso nicht geben. Und einen Patriarchen auch nicht.

Die oder der Neue muss Vernetzer, Ermöglicher, Visionär sein. Sie oder er muss uns mitnehmen auf eine Reise ins Unbekannte. Und nicht nur uns, die wir ohnehin an Bord sind. Er muss neue Zuschauer gewinnen, die Jun­gen, die Skeptischen und die, die neu sind im Land. Das Theater ist heute nicht mehr so wichtig wie früher. Also müsste der neue Chef, die neue Chefin vor allem ein Relevanzverstärker sein. Das kann keiner allein. Das schafft nur ein Teamspieler.

Zitatende
 


Bemerkungen zu o.a. Artikel

Es freut mich, dass die HAZ dem Thema ’Opernintendanz’ in der Ausgabe vom Sa. 28.1.2017 so viel Raum einräumte.

Mit aller Entschiedenheit muss ich widersprechen, dass von mir ein Theater von gestern gewünscht wird, das keine Strahlkraft besitzt, sondern gemütlich vor sich hinfunzelt.

Opernfreunde, die das Überstülpen privater Probleme der Regisseure, die meist vom Schauspiel kommen, über die Meisterwerke der Musiktheaterliteratur ablehnen, sind keine 'senilen Trottel'.

’Der Freischütz’, ’Rusalka’, jetzt gerade ’Die verkaufte Braut’, ’Werther’, ’Macht des Schicksals’, die ’NVA-Tosca’, in der das Te Deum singende junge Pioniere der DDR mit Schildern ’Viva il re’ herumlaufen - dokumentieren inszenatorische Mätzchen am Bildungsauftrag vorbei zu Lasten des Steuerzahlers.

Dies alles unter der Leitung des Herrn Dr. Klügl, dessen Vertrag ja gerade von der Grünen-Ministerin mit Hinweis auf dessen künstlerische und wirtschaftliche Qualitäten verlängert wurde.

Dass Produktionen nicht die Bedürfnisse des Publikums in Hannover treffen, zeigen die schwachen Auslastungszahlen, der oft geschlossene dritte Rang, das Verschenken von Karten nach der Devise ’buy one, get one free’, vorzeitiges Absetzen der Produktionen mangels Publikum – und dabei spielt das Haus ja überhaupt nur an 20 von 30 Tagen im Monat. Der Apparat läuft aber unter Volldampf ’ohne Passagiere’, sprich Zuschauer/Zuhörer weiter.
Die Kapelle an Bord der Titanic spielte auch noch, obwohl den Menschen das Wasser ’bis zum Hals’ stand.
Läuft das unter ’gute wirtschaftliche Unternehmensführung’?

Das ehemalige Publikum der Nds. Staatsoper Hannover trifft sich heute im Cinemaxx zu Übertragungen aus der Met und Covent Garden.

Für die Besetzung der Planstelle der Opernleitung ab 2019 hat eine öffentliche Ausschreibung zu erfolgen. Es geht nicht an, dass der künstlerische Stil und die wirtschaftliche Leistungskraft der Oper der Landeshauptstadt mit Wahl der Intendanz von einer Juristin und einem früheren Verwaltungsangestellten vom Theater Ulm in irgendeinem Hinterzimmer entschieden wird.
Die Bevölkerung verlangt Transparenz.

 
 
 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Marie-Louise Gilles