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Zitat
Manon Lescaut*
Oper von Giacomo Puccini
Text von Ruggero Leoncavallo,
Marco Praga, Domenico Oliva,
Luigi Illica, Giuseppe Giacosa,
Giulio Ricordi, Giuseppe Adami
und Giacomo Puccini nach der
Histoire du chevalier Des Grieux
et de Manon Lescaut
(1731) von Abbé Prévost
In italienischer Sprache mit
deutschen Übertiteln
Premiere der Inszenierung am 10.
September 2016
Premiere
| anschl. Premierenfeier im
Foyer | Sa 10.09.16 | 19:30 |
Opernhaus
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Nach der eher bescheidenen
Resonanz, die seine beiden
Opernerstlinge
Le Villi und
Edgar fanden,
stürzte sich Puccini für seine
dritte Oper auf einen Stoff,
dessen Wahl seinem Verleger
Giulio Ricordi höchst riskant
erschien. Denn die 1731
publizierte
Geschichte des Chevalier Des
Grieux und der Manon Lescaut
von Abbé Prévost
diente schon 1884 Jules Massenet
als Sujet seiner Oper
Manon, die sehr
populär war. Puccini lief somit
Gefahr, mit dem bereits als
Opernkomponist etablierten
Massenet in Konkurrenz zu
treten, und Ricordi beschwor
seinen Schützling deshalb, von
dem Plan abzulassen. Puccini war
jedoch von der Geschichte so
begeistert, dass er sich
schließlich durchsetzte, wobei
er demonstrativ auf Distanz zu
seinem Kollegen ging, dessen
Werk er vorwarf, es behandle das
Thema auf typisch französische
Weise »mit Puder und Menuett«.
Puccini aber strebte nach
»verzweifelter Leidenschaft«; er
wollte eine italienische
Manon schaffen mit
glutvollen Melodien und
dramatischem Furor. Der Erfolg
der Uraufführung 1893 in Turin
gab Puccini Recht. Mit
Manon Lescaut gelang
ihm der internationale
Durchbruch, und von vielen wurde
Puccini seither als Erbe des
alten Verdi gefeiert.
Im Mittelpunkt steht die fatale
Liebesbeziehung zwischen dem
Adeligen Des Grieux und der
jungen Manon Lescaut, die von
ihrer Familie ins Kloster
geschickt wird. Als Des Grieux
erfährt, dass Manons
Reisebegleiter, der alternde
Lebemann Geronte, die Entführung
des jungen Mädchens plant, kommt
er diesem zuvor und brennt
seinerseits mit Manon durch.
Doch Manon liebt auch den Luxus,
den ihr Des Grieux auf Dauer
nicht bieten kann, und so kehrt
sie zu Geronte zurück,
allerdings ohne Des Grieux
vergessen zu können. Der
Zwiespalt zwischen Liebe und
Reichtum wird ihr zum
Verhängnis, als sie ein zweites
Mal mit Des Grieux fliehen will,
beim Einsammeln der Juwelen aber
erwischt und als Diebin
verhaftet wird. Vor ihrer
Deportation nach Übersee erhält
der verzweifelte Des Grieux die
Einwilligung des
Schiffskapitäns, Manon begleiten
zu dürfen. Im fremden Land
angekommen, sind die beiden
Liebenden verelendet und erneut
auf der Flucht durch die Wüste.
Manon ist zu Tode erschöpft, und
als Des Grieux kein Wasser
findet, stirbt sie.
Der Versuch Puccinis, sich vom
Werk Massenets deutlich
abzusetzen, hatte seine Tücken.
Die Umarbeitung des Romans von
Prévost in ein Opernlibretto, an
dem sich Puccinis
Eigenständigkeit bewähren
konnte, erwies sich als
außerordentlich schwierig. Nicht
weniger als acht Autoren
zimmerten nacheinander und
gleichzeitig an dem Text, unter
ihnen auch Ricordi und Puccini
selbst, so dass Puccini in
späteren Jahren sagen konnte,
das Textbuch stamme »von allen
und keinem«. Vermutlich erklären
sich aus diesem Durcheinander
auch die Brüche des Librettos,
das mit Prévosts Geschichte
zuweilen sehr episodisch und
sprunghaft verfährt. Dennoch
schlägt die emotionale Kraft von
Puccinis Musik die Brücke über
manche dramaturgischen Abgründe
und schafft die Nähe zu den in
ihren Widersprüchen verstrickten
und an ihnen scheiternden
Figuren.
Die Premiere wird übertragen auf
NDR Kultur
Mit freundlicher Unterstützung
der Gesellschaft der Freunde des
Opernhauses Hannover e.V.
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Da
gab es vor Puccini schon zwei andere,
die sich des Themas des Abbé Prévost
annahmen.
Die Uraufführung der 'Manon' von Daniel
Francois Esprit Auber fand 1856 in Paris
statt, das Libretto schrieb Eugène
Scribe.
1833 war von Auber schon dessen
'Maskenball', auch unter dem Titel
'Gustav III.' oder 'Die Ballnacht'
geführt, damals ein Hit, uraufgeführt
worden. Verdi komponierte ihn 26 Jahre
später nach.
Von Aubers 'Maskenball' blieb nur der
'Gustav-Galopp'.
Auber, einer der erfolgreichsten
Komponisten Frankreichs - er erlebte
1789 die französische Revolution, 1793
die Hinrichtung Ludwig XVI. und die
seiner Frau Marie Antoinette, 1815
Napoleons Aufstieg und Ende, die
'Tannhäuser Pleite' von 1861 in Paris.
Erst 1871 starb er und meinte zum Ende
seines Lebens, man müsse nicht
übertreiben, auch nicht mit einem langen
Leben.
Seines währte immerhin 89 Jahre.
Aubers 'Manon', die heute nicht mehr im
Repertoire der großen Bühnen ist, geht
von einem anderen - als dem von Massenet
und Puccini - Handlungsstrang aus.
Neben der Trägerin der Titelrolle gibt
es ihren Liebhaber Chevalier des Grieux.
Beide führen ein lustiges Leben in
Paris, wobei Des Grieux möglichst wenig
arbeiten will und gerade soeben Geld am
Spieltisch verdiente. Die beiden
Liebenden laden Manons Freundin
Marguerite und ihren Verlobten Gervais
zum Essen ein. Als man bezahlen will,
ist das Geld weg. Lescaut, Manons
Vetter, hat es an sich genommen und
verspielt. Als die Polizei erscheint,
zahlt ein Marquis die Zeche. Des Grieux
aber wird verhaftet.
Ein Ball im Hause des Marquis. Ihn
bittet Manon, sich für Des Grieux
einzusetzen. Der verspricht, dies zu
tun, wenn sie sich ihm zuwendet. Dann
geht er wieder in den Ballsaal zu seinen
Gästen.
Des Grieux erscheint, er ist aus der
Haft ausgebrochen. Manon ist glücklich,
ihn wiederzusehen. Da kehrt überraschend
der Marquis zurück. Es kommt zu einem
Degengefecht. Manon und Des Grieux
werden verhaftet.
Marguerite und Gervais sind nach Amerika
ausgewandert und bearbeiten in Louisiana
eine Plantage. Während ihrer
Hochzeitsfeier wird eine Gruppe
Deportierter vorbeigeführt. Marguerite
erkennt Manon und Des Grieux unter den
Gefangenen. Sie besticht den Wärter, die
beiden freizulassen. Sie fliehen und
geraten völlig erschöpft in eine öde
Gegend. Manon bricht zusammen und
stirbt.
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Gelegentlich sieht man die 'Manon' von
Jules Massenet noch auf den
internationalen Bühnen. Eine Produktion
mit Anna Netrebko und Rolando Villazon
wurde 2007 im Fernsehen gezeigt.
https://www.youtube.com/watch?v=GpeQNKrNbbw
Hier schrieben Henri Meilhac und
Philippe Gille das Libretto für die 1884
uraufgeführte Oper. Sie spielt
ausschließlich in Frankreich und
verzichtet auf das exotische Kolorit
einer angeblichen Wüste in Louisiana.
In einer Gastwirtschaft in Amiens wartet
man auf die Ankunft der Postkutsche aus
Arras. Lescaut, Manons Vetter, ein
Gardeoffizier, wartet auf Manon, die er
in ein Kloster bringen soll.
Während des Mittagessens, Lescaut ist zu
den Spieltischen in die Gastwirtschaft
gegangen, begegnet Des Grieux der Manon,
verliebt sich sofort in sie und flieht
mit ihr nach Paris.
Dort leben beide in einer kleinen
Mansarde. Des Grieux hat einen Brief an
seinen Vater geschrieben und ihn
gebeten, Manon heiraten zu dürfen. Der
aber lässt Des Grieux von seinen Leuten
festnehmen, als der gerade von der Post
zurückkommt, wo er den Brief an den
Vater aufgegeben hat.
In Paris findet ein Volksfest statt.
Gäste berichten, Des Grieux wolle in ein
Kloster eintreten und Priester werden.
Manon - in der Menge sich aufhaltend -
erfährt davon und eilt, sich mit dem
ehemaligen Geliebten zu treffen.
Der hat inzwischen seinem Vater das
Versprechen gegeben, sich nur noch Gott
zu widmen. Da erscheint Manon und Des
Grieux verfällt ihr wieder.
Manon und Des Grieux haben das
mütterliche Erbe verlebt. Nun geht er in
die Spielsäle der Stadt, um Geld zu
beschaffen. Er und Manon werden des
Falschspiels bezichtigt und verhaftet.
Des Grieux ist durch die Fürsprache
seines Vaters aus der Haft entlassen
worden. Manon schmachtet immer noch in
den Verließen. Des Grieux gelingt es -
mit der Hilfe von Lescaut - Manon zu
befreien. Die aber ist von den Strapazen
der Haft völlig entkräftet, dass sie in
den Armen von Des Grieux stirbt.
In der 'Manon' von Massenet sang vor
Jahrzehnten Dora Koschak die Titelrolle
in Hannover.
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Puccinis Oper wurde 1908 zur ersten Mal
in Deutschland an der Komischen Oper
Berlin gegeben.
Nun meint die Nds. Staatsoper Hannover,
sich auch wieder einreihen zu sollen,
das Stück zu spielen.
Das Libretto von Puccinis 'Manon', an
dem viele Autoren mitwirkten, gebe nach
Meinung von Herrn Angermann, dem
Dramaturgen, 'zuweilen sehr episodisch'
vor und Puccini entwickle 'einen
diskontinuierlichen Bilderbogen, der mit
seinen filmschnittartigen Techniken aus
heutiger Sicht geradezu modern' anmute.
Aus der sprunghaften Dramaturgie könne
man auf das Scheitern der Manon
schließen. Sie scheitere in einer Art
Nirgendwo. Aber Puccini schaffe mit
seiner Musik die Brücke 'über die
dramaturgischen Brüche' und schaffe 'die
Nähe zu den in ihren Widersprüchen
verstrickten und an ihnen scheiternden
Figuren.'
(Zitate aus 'Verzweifelte Leidenschaft'
in 'Spielzeit, das Magazin mit dem
Programm der Bühnen in Hannover', Heft
9, Seite 8, vom Freitag, 26. August
2016)
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Nach der Einführung, die Olivier Tambosi
den Opernfreunden in einer gesonderten
Veranstaltung am 2. September 2016 gab –
anlässlich derer man auch schon einen
Blick auf den dritten Akt als szenische
Probe werfen durfte – hoffte man.
Dieser Regisseur hat solide Erfahrung -
geht auch mal seltsame Wege wie beim
Hannover’schen ’Maskenball’ – liebt nach
eigener Aussage sein Metier, was bei den
Extremvertretern des Regisseurtheaters
ganz offensichtlich nicht der Fall ist.
So haben zwei Intendanzen der Staatsoper
Hannover den Besuchern so viele
Schrecknisse geboten - ersterer in der
Ära der jüngst verstorbenen 'Anwältin
der Kultur' (HAZ vom 11. Oktober 2016),
dass die sich den Besuch des
traditionsreichen Hauses, des ehemaligen
kulturellen Mittelpunktes der Stadt,
größtenteils abgewöhnt haben. Wie oft
ist der dritte Rang mangels Nachfrage
geschlossen, gerade jetzt wieder bei der
Wiederaufnahme ’Tosca’ am 2. Oktober
2016.
Da wurde ein Gast im Foyer vor Beginn
der Vorstellung dieser 'Tosca' aus den
wenigen Zuschauern herausgerufen:
“Ist hier ein Herr Hansing?“
“Ja, hier!“
“Sie sind der Einzige, der Karten für
den dritten Rang gekauft hat, hier sind
ihre Ersatzkarten für den zweiten Rang.
Es sind nur 600 Karten insgesamt
verkauft, bei 1202 Plätzen!
Ob die 600 auch alle kommen, ist nicht
gesichert“
So war es dann auch: gähnende Leere im
Zuschauerraum.
Alles kein Wunder.
Denken wir an den hasserfüllten,
ekelerregenden ’Freischütz’, die
unappetitliche, nekrophile ’Rusalka’,
den vom grell-bunten Graffiti-Bühnenbild
erschlagenen ’Falstaff’, den in
hässliche Container gezwängten
’Werther’, die holzhammerpolitisierte
’NVA-Tosca’ und davor den frühzeitig
abgesetzten ’Ring’, die ’nimm zwei –
zahl eine’ verscherbelten Karten für
’Meistersinger’ und ’Don Giovanni’ – so
setzt man sich mit verständlicher
Skepsis auf seinen Sitz, ob nicht doch
wieder intellektuelles
Ausgrenzungsgeschwafel die Besucher
getäuscht hat.
Aber welch Wunder, ’Manon Lescaut’, nach
dem 1731 erschienenen Roman, spielt in
Hannover tatsächlich im Rokoko, die
Darsteller dürfen zeitgemäße, schöne
Kostüme tragen, eine Häuserwand ragt mit
erleuchteten Fenstern im Hintergrund,
die aber völlig entbehrlich ist. Dies
vor allem im vierten Akt. Da eine
’Steinwüste’ zu kreieren bedeutet wieder
ein krampfhaftes ’Verheutigen’.
Aktionen sind durchdacht – ob es sich
nun um den Aufbau des Restaurants, dann
dessen Umwandlung für die Spielerszene
im ersten Akt handelt – die Charaktere
sind herausgearbeitet, die Stimmen
kraftvoll, was auch sein muss, denn die
vorzügliche Akustik des Opernhauses
schleudert Klangmassen aus dem weit
geöffneten Orchestergraben.
Der hochgeschätzte Liedbegleiter Gerald
Moore hat sein Buch ’Bin ich zu laut?’
betitelt, und bei allem Verständnis für
die Lust des Dirigenten, einen so
wuchtigen Apparat zu leiten, sollte die
Partitur nach Pianostellen untersucht,
Assistenten müssen zur Beobachtung der
Lautstärke in die Ränge geschickt
werden.
Kürzlich habe ich die Oper in München
unter Kirill Petrenko mit Christine
Opolais und Jonas Kaufmann erlebt – das
Publikum konnte sich am Schluss der
Tränen wegen des differenzierten
Musizierens nicht erwehren.
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