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'Eine Mitteilung an meine Freunde'

Ausgabe Mai 2017

 

   
   

Vorwort


Es ist erstaunlich, wie viele Mitbürger voller Sorge um die Oper in Hannover sind!
Selbst auf einem fröhlichen Fest zum 1. Mai in meinem dörflichen Stadtteil Groß-Buchholz kommt am hölzernen Biertisch bald die Sprache auf die katastrophalen Leerstände im Opernhaus aufgrund der szenischen Scheußlichkeiten, die die Intendanz mit ihrem Regisseurstheater bietet.

Wie die HAZ auf Seite 25 ihrer Ausgabe vom 28. April 2017 berichtete, soll dieser Stil hartnäckig fortgesetzt, Regisseure wieder verpflichtet werden und Produktionen, die das Publikum vertrieben, wieder aufgenommen werden, wohl in der Hoffnung, die Leute ins Theater zu holen , die meinen:
“Weil so viel darüber geredet wird, muss ich mir die Sauerei auch mal ansehen!“

Allen plausiblen Argumenten zum Trotz und entgegen der Mahnungen von Rolf Bolwin, dem langjährigen geschäftsführenden Direktor des Deutschen Bühnenvereins auf der Podiumsdiskussion am 26. April 2014 im Theater Regensburg, dass es gerade an größeren Häusern üblich sei, dass die Verwaltung mal den, mal jenen anruft: “Weißt du nicht ’nen Intendanten für mich“ - bleibt das Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur dabei, die neue Intendanz nach diesem Motto weiter ’diskret’ im Hinterzimmer auszukungeln.

Am o.a. Biertisch meinte ein kluger Mitbürger:
“Kunst braucht Experimente, aber Experimente sind keine Kunst!“

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THEMA DES MONATS
Hannovers Staatsoper am Scheideweg
 

Mozarts ’Don Giovanni’ als vergewaltigender Vorstadt-Rocker, singende DDR-Pioniere in Verdis ’Tosca’ oder eine Penis-Amputation in Webers ’Freischütz’ - viele Darbietungen auf Hannovers Opernbühne inszenieren den Tabubruch, immer wieder begleitet von heftigen Protesten des Publikums. 2019 endet der Vertrag von Intendant Michael Klügl, die Vorbereitungen für seine Nachfolge laufen auf Hochtouren. Und schon im Vorfeld gibt es Streit über die künstlerische Ausrichtung.

Hannovers Theaterkritiker überbieten sich in feuilletonistischem Enthusiasmus. Der neue Intendant müsse “Neuland betreten", das “Wagnis lieben" und “nach Gold schürfen", lauten die Forderungen. Sie sollten an den Erfahrungen der Vergangenheit gemessen werden. Viele Gastregisseure hinterließen auf der Suche nach ihrem künstlerischen Dorado verbrannte Erde, trieben die Besucher gleich scharenweise aus dem Saal. Schon nach der Giovanni-lnszenierung von Skandal-Regisseur Calixto Bieito hatten 3.500 Opernfreunde ihre Abonnements gekündigt. Und der wirtschaftliche Niedergang geht weiter:

Produktionen werden vorzeitig abgesetzt.
Der dritte Rang ist häufig geschlossen.
Der Spielplan für März 2017 zeigt nur noch eine Auslastung des Hauses von 54,8 Prozent.
Zwei von vier hochqualifizierten Solisten haben nur noch fünf Auftritte im Monat, die anderen gar keinen Einsatz. Der Rest des Monats wird mit Opernhausführungen, Kinder-Workshops oder Koch-Shows gefüllt.

Niedersachsens Staatstheater soll sicher kein Opernmuseum werden, das nur romantische Gefühle und das ewig Gestrige befriedigt. Wenn Kunst nur noch zum ästhetischen Erlebnis wird, nicht mehr aufstört und zu neuem Denken anregt, hat sie ihren Sinn verfehlt. Ebenso verfehlt sind jedoch auch Holzhammer-Inszenierungen, die klassische Stücke aus dem höfischen Pomp vergangener Jahrhunderte in den Schmutz der Gegenwart ziehen und dem Publikum auf brutale Weise die politische oder psychoanalytische Sichtweise des Regisseurs aufzwingen. Was ist das für eine Kunst, wenn die Darsteller auf der Bühne für etwas gefeiert werden, was im normalen Leben strafrechtlich verfolgt wird?

Eine Kunst, die das Land angesichts sinkender Besucherzahlen aus Steuergeldern auch noch mit jährlich 61 Millionen Euro subventioniert und die Skandale dadurch erst ermöglicht und fördert. Ganz zu schweigen vom kulturellen Bildungsauftrag, der vor allem jungen Menschen sittliche Werte vermitteln soll.

Jede Inszenierung lebt von der Interpretation des Werkes. Sie muss die unverfälschte Wahrheit des Autors vermitteln - egal, ob in historischen oder modernen Bildern. Die Bühne ist jedoch keine Plattform für die Selbstverwirklichung zeitgeistbeseelter Spielleiter. Künstlerische Freiheit muss sich immer auch an den Bedürfnissen des Besuchers orientieren. Sie findet spätestens dort ihre Grenzen, wo die Interpretation zur Zerstörung wird, sich das Publikum angewidert abwendet und die wirtschaftliche Existenz des Theaters gefährdet ist.

Die Neubesetzung der Intendanz darf deshalb nicht länger von Verwaltungsmitarbeitern hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden. Sie erfordert, anders als bisher, eine öffentliche Ausschreibung.

Bei Suche und Auswahl geeigneter Kandidaten muss das Fachministerium außerdem von qualifizierten Theater-Experten beraten werden. Opernhäuser sind Unternehmen mit Millionen Umsätzen und Millionen Kosten. Das Land darf sich deshalb nicht schweigend zum Zahlmeister degradieren und mit Geld alle künstlerischen Konzepte absegnen, nur weil sie den Verantwortlichen keine Vorschriften machen will. Sie muss Rahmenbedingungen setzen. Nur so wird der Anspruch der Besucher und der finanzierenden Steuerzahler gleichermaßen garantiert: lebendiges und aktuelles Musiktheater mit anspruchsvollen Inszenierungen, das die Werte unserer Theaterkultur angemessen respektiert.

Rainer Beckmann
Vorsitzender  Haus- und Grundeigentum

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“Hannovers Staatsoper muss endlich wieder glänzen!”
 

Kultur-Professorin fordert Bürgerbeteiligung bei Auswahl des neuen Intendanten

Zwei Jahre vor dem Intendanten-Wechsel werden die künstlerischen Weichen für das Niedersächsische Staatstheater neu gestellt. Seit 2006 wird Hannovers Opernhaus von Dr. Michael Klügl geleitet, seitdem sorgen Skandal-Inszenierungen ’progressiver’ Regisseure immer wieder für Zuschauerproteste und Abo-Kündigungen. Die Palette der Kritik reicht vom Vorwurf gezielter Provokationen, mit denen klassische Stücke bis zur Unkenntlichkeit verzerrt werden, über jugendgefährdende Sex- und Gewaltszenen bis zur Steuergeldverschwendung der öffentlichen Kultureinrichtung, die vom Land jährlich mit über 60 Millionen Euro subventioniert wird. Die Suche nach dem neuen Intendanten wird deshalb auch zur Richtungsentscheidung über die kreative und ökonomische Zukunft des 1.200 Plätze umfassenden Opernhauses, das 1852 von Georg Friedrich Laves als ’Königliches Hoftheater’ errichtet wurde.

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Engagierteste Streiterin für eine kulturpolitische Wende ist die Kulturwissenschaftlerin Prof. Marie-Luise Gilles. Die Kammersängerin, langjährige Dozentin an der Musikhochschule Hannover und Ex-Beiratsmitglied im Kulturausschuss der Landeshauptstadt gilt als ausgewiesene Kennerin der hannoverschen Opern- und Theaterszene. Mit der von ihr gegründeten ’Bürgerinitiative Opernintendanz' stellt sie die bisherige Aufführungspraxis infrage, bemängelt die Wirtschaftlichkeit der Staatsoper, fordert die Rückkehr zum künstlerisch anspruchsvollen Musiktheater und mehr Transparenz im Auswahlverfahren des neuen Intendanten. In der WohnArt erläutert sie ihre Standpunkte, ihre Ziele und Vorstellungen.

WohnArt: Frau Professor Gilles, Sie kritisieren die mangelhafte künstlerische und wirtschaftliche Leistung der Theaterleitung und die sich daraus ergebende mangelhafte Nutzung der Staatsoper. Können Sie das durch Zahlen und Fakten belegen?

Prof. Gilles: Schauen Sie in den Spielplan. Die Oper steht an zehn von 30 Tagen im Monat leer, im Vormonat März sogar noch mehr - die Nutzung lag nur noch bei knapp 55 Prozent. In den Vorstellungen ist der dritte Rang fast immer geschlossen, der zweite Rang halb leer. Das ist viel zu wenig und liegt allein an der schlechten Spielplan-Gestaltung.

WohnArt: Klassische Stücke sollten immer auch einen Gegenwartsbezug haben und zeitgemäß in Szene gesetzt werden. Wie weit darf diese Modernisierung in der Darstellung und Gestaltung gehen?

Prof. Gilles: Klassische Stücke haben immer menschliche Probleme zum Inhalt, sie han­deln vom Zwiespalt zwischen Machtstreben und der Suche nach persönlichem Glück. Diese Probleme sind zeitlos, nur die Gegebenheiten und Kostüme ändern sich. Ein Klassiker in die Gegenwart zu projizieren. ist deshalb vollkommen gerechtfertigt. Aber bitte nicht so verfälscht, dass man nicht mehr weiß, in welchem Stück man sich befindet.

Die Kernaussage des Autors muss respektiert werden.

WohnArt: Ist der inszenierte Tabubruch auf der Bühne als künstlerisches Stilmittel erlaubt?

Prof. Gilles: Wer auf Ekelelemente wie Blut, Sex und Gewalt setzt, appelliert an den Voyeurismus des Publikums. Das hat aber in der Oper nichts zu suchen. Die Schöpfer dieser Werke haben ihre Botschaft mit Musik auf höchstem Niveau veredelt. Schon deshalb können Tabubrüche nicht als künstlerisches Stilmittel für Opern gelten. Schon gar nicht, um die Vorstellungen voll zu kriegen. Das gilt auch für das Schauspiel.

WohnArt: Wo verläuft denn die Grenze zwischen der künstlerischen Freiheit des Regisseurs und der unternehmerischen Wirtschaftlichkeit des Theaters?

Prof. Gilles: Die ergibt sich ja schon aus der Tatsache, dass das Haus leer ist. Die Leute gehen doch nicht in die Oper, um sich drei Stunden lang zu ekeln. Mit sowas locken sie kein Publikum, sondern mit Schönheit und innerem Gewinn. Die Leute wollen Emotionen durchleben und vor Rührung weinen, um als Zuschauer der Tragödie eine Reinigung ihrer Seelen zu erfahren. Eine Katharsis, wie sie schon die alten Griechen anstrebten.

WohnArt: Spielt die Überlegung, mit einer Inszenierung das “Haus voll zu kriegen" bei den Verantwortlichen heute überhaupt noch eine Rolle?

Prof. Gilles: Nein, die sitzen wohldotiert in ihren Büros und lassen den Dingen ihren
Lauf. Ihnen geht es vornehmlich um die Provokation nach dem Motto “denen haben wir es jetzt mal wieder richtig gezeigt". Das ist aber kein Argument für einen Opern-Chef, der öffentliche Subventionen verwaltet. Sie dienen schließlich dazu, dem Publikum einen schönen, erhabenen und geistvollen Abend zu bescheren. Und nicht dazu, es anzuwidern und zu schocken. Dann können wir auf der Bühne auch gleich Hundekämpfe veranstalten.

WohnArt: Wo liegt die Verantwortung des Landes Niedersachsen als Träger des Staatstheaters?

Prof. Gilles: Darin, jemanden vom Fach für die Intendanz zu berufen, der die klassische Oper schätzt und dafür sorgt, dass sich die Menschen wieder angesprochen fühlen. Stattdessen hält sich das Land raus, um dem Vorwurf zu entgehen, sich in die Kunst einzumischen und Vorschriften zu machen.

Es sollte endlich den Mut aufbringen, sich zu einer Opernkultur zu bekennen, die den Freunden des Musiktheaters wieder eine innere Bereicherung bringt.

WohnArt: Opernaufführungen haben eine unterhaltende, aber auch eine Bildungskomponente. Wie definiert sich dieser öffentliche Bildungsauftrag?

Prof. Gilles: Zum Beispiel durch die Zusammenarbeit zwischen dem Staatstheater und den hannoverschen Gymnasien. Und auch hier zeigt sich ein Problem: Der Musiklehrer bespricht mit seinen Schülern im Unterricht laut Lehrplan eine Oper. Da sehen sie dann auf der Bühne jedoch etwas völlig anderes, was sie häufig gar nicht verstehen oder sehen wollen. Die Schüler sind verwirrt und konsterniert. Die Arbeit des Lehrers ist völlig sinnlos.

WohnArt: Opernaufführungen werden auch von vielen Schulklassen und Jugendlichen besucht. Sie erleben auf der Bühne teilweise Szenen, die im normalen Leben als Straftaten gewertet werden. Wie wichtig ist der Jugendschutz bei den Inszenierungen?
Prof. Gilles: Sehr wichtig. Wenn wir selbst in der Hochkultur zur Verrohung beitragen, ist das für junge Menschen, die auf der Suche nach sittlich-moralischer Orientierung sind, weder nachvollziehbar noch förderlich. Auch das Argument, Jugendliche würden die
auf der Schauspielbühne erleben, noch in der Oper mit der Musik von Mozart, Weber und Wagner.

WohnArt: Warum denn nicht auch in der Form des Musiktheaters?

Prof. Gilles: Weil die Oper eine eigenständige Kunstform ist. Alles ist zeitlich genau festgelegt, jeder Schritt vorgegeben. Seelische Vorgänge werden in Noten ausgedrückt und durch Gesang umgesetzt. Und eine geschulte Belcanto-Stimme ist ein kostbares Instrument und etwas ganz anderes als die Sprechstimme im Schauspiel. Dort darf gebrüllt und geröchelt, Textpassagen beliebig verkürzt oder verlängert werden, es gibt mehr Freiraum für Interpretationen. Schauspiel-Regisseure sollten deshalb auch keine Opern inszenieren.


WohnArt: Sollte das Land gegebenenfalls durch Subventionskürzungen Einfluss auf die Art der Inszenierungen nehmen?

Prof. Gilles: Nur wenn das Geld verschwendet wird, die Ausgaben sollten deshalb durch ein Controlling überwacht werden. Geld ist ja genug da, es wird im Hause nur falsch verteilt. Anstatt es für die Sänger und Akteure an der Front aufzuwenden, wird es für blödsinnige Bühnenbilder ausgegeben, wie die Shopping-Mall mit Rolltreppe im ’Fliegenden Holländer’ in Hannover. Was dann künstlerisch ’freie Assoziation’ genannt wird. Das ist geradezu grotesk.

WohnArt: Die Oper wird mit Steuergeldern subventioniert. Sollte der Zuschauer als Steuerzahler deshalb auch ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Leitungsposi­tionen haben?

Prof. Gilles Ja, es sollte einen Bürgerbeirat geben, besetzt mit erfahrenen Opernfreunden und Theaterexperten. Zum Beispiel Frauen, die beurteilen können, wes Geistes Kind die künftige Intendanz ist und den Aufsichtsrat beraten, der dann letztlich die Entscheidung fällt.


WohnArt:
Die Umstände der Intendantensuche blieben der Öffentlichkeit bisher weitgehend verborgen, die Entscheidung fiel hinter verschlossenen Türen. Wie transparent muss das Auswahlverfahren sein?

Prof. Gilles: Es sollte völlig neu strukturiert werden. Keine einsame Entscheidung mehr in irgendwelchen Hinterzimmern wie bisher. Stattdessen muss die Stelle öffentlich ausgeschrieben werden und die Bewerber müssen sich einer Anhörung stellen, an der alle Gremien einschließlich der Presse beteiligt sind. Auch der Aufsichtsrat muss kompetenter besetzt werden. Seine gegenwärtige Zusammensetzung besteht fast ausnahmslos aus Juristen, Politologen, Wirtschafts-, Finanz- und Verwaltungsleuten.

WohnArt: Sie haben wegen der Neuwahl der Intendanz eine Petition an die Landesregierung gerichtet. Mit welchem Erfolg?

Prof. Gilles: Sie wurde mit der Begründung abgelehnt, das Gefallen einer Produktion sei eine Frage des “individuellen Geschmacks", sie dürfe deshalb nicht an “allgemeinen Massstäben" gemessen werden. Und die Zuschauerzahlen würden seit Jahren den “Erwartungen des Landes" entsprechen. Mit anderen Worten: Was in der Oper passiert, ist dem Land völlig egal.

WohnArt: Was erwarten Sie sich von der neuen Opern-Intendanz?

Prof. Gilles: Einen abwechslungsreichen Spielplan, wie wir ihn in Hannover jahrzehntelang hatten. Es wurde bis auf wenige Tage, wie Heiligabend, jeden Abend gespielt und das Haus war jedesmal voll. Es hat also geklappt, der Beweis ist erbracht. Und wir sollten alles tun, um dort wieder anzuknüpfen. Hannovers Staatsoper muss endlich wieder glänzen!
 


Jörg Hillmer (50), kulturpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion unterstützt die Forderungen:

“Die Staatsoper in Hannover ist ein Ort der Hochkultur. Die niedersächsischen Steuerzahler zahlen jährlich 60 Mio Euro an das Staatstheater Hannover. Bei knapp 380.000 Besuchern wird jeder Besuch mit über 150 Euro subventioniert.
Dafür erwarten wir ein attraktives Angebot, das dem Anspruch an Hochkultur und gleichsam dem Interesse möglichst vieler Besucher entspricht. Bei einer Neubesetzung der Intendanz sind daher zwingend die Wünsche der Nutzer in die Entscheidung einzubeziehen."

 

 

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Der fliegende Holländer

Repertoirevorstellung Nds. Staatsoper Hannover – 26. März 2017


 


Charles Baudelaire,
Richard Wagner et Tannhauser (1861)

Der Gedanke, einen Unglücklichen gerade um dieses seines Unglücks willen zu lieben, ist so groß, daß er nur in einem völlig reinen und unbefangenen Herzen Raum finden kann; und es ist wahrlich ein schöner Einfall, die Erlösung eines Verdammten für die leidenschaftliche Selbstaufopferung eines jungen Mädchens aufzusparen. Das ganze Drama ist mit sicherer Hand klar und unmittelbar aufgebaut, jede Szene steht an richtiger Stelle, die Gestalt der Senta zeigt eine so übernatürlich romantische Größe, daß sie im gleichen Maße zu bezaubern wie Furcht einzuflößen vermag. Die schlichte Einfachheit der Dichtung trägt wesentlich zu ihrem Eindruck bei. Alles ist auf das Beste überlegt, klar ausgedrückt und von wohlberechneter Wirkung. Die Ouvertüre, die man anlässlich des Konzertes im Italienischen Theater zu hören be­kam, ist schaurig-geheimnisvoll wie das Meer mit seinen Stürmen und Nebeln selbst.

 


Und was macht die Intendanz der Niedersächsischen Staatsoper Hannover daraus?
Ein
'Junge komm bald wieder!'

Es ist ihr wieder mal gelungen, mit Hilfe eines Teams aus dem 'Regisseurstheater' - unter Aufsicht des Theaterdirektors - eine große romantische Oper zu albernem Entertainment zu degradieren.
Das Staatsorchester unter der wachsamen Leitung von Mark Rohde, der am Vormittag engagiert und kompetent für die Uraufführung der Oper 'Lot' geworben hatte, führte bei dieser Nachmittagsvorstellung dem Publikum im gut durch Besucherorganisationen gefüllten Haus die Schicksale der Personen um den Verfemten und die unermesslichen Kräfte der Natur vor.
(Die sonst so prachtvollen Hörner hatten aber keinen guten Tag - also: “Gute Besserung!“)

Vorbereitet durch die Einführung des munter plaudernden Dramaturgen Christopher Baumann, der nach Informationen über das Leben Richard Wagners, grausiger Erfahrung gestützten Inspiration zum Werk, uns allen einen assoziationsreichen Abend wünschte, fordere ich nun auch Sie zum munteren Assoziieren auf.

Die Ouvertüre wird vor geschlossenem Vorhang gespielt.
Wenn dieser sich dann hebt, sehen wir zunächst nichts, denn die Bühne ist dunkel.

Für die Nr. 1 erscheint eine Gruppe – wohl Männer – aus dem Hintergrund, mit Taschenlampen in der Gegend herumfuchtelnd, um dann einen von hinten auftretenden schlanken Mann mit kleinem Rollkoffer anzuleuchten.

Es ist der Handlungsreisende Daland, früher bei Richard Wagner ein norwegischer Kapitän,
Sandwike ist's! Genau kenn' ich die Bucht,
der hierher mit seinem Schiff vom Sturm abgetrieben wurde.

Die Taschenlampenleuchter lenken den Schein auf einen Menschen oben an der Reling, der behauptet
Wir haben sich’ren Grund.
worauf der Handlungsreisende, der vorher den Jüngling links oben fragend mahnte,
…. Die Wache nimmst du wohl für mich?
Der Chor ist inzwischen nach links abgegangen.
Der Handlungsreisende -
Tobias Schabel ist dieser, er singt schön und agiert keck und flinkfüßig als ein so ganz anderer Daland als die sonst üblichen Bass-Schwergewichte. Es ist überzeugend - also warum nicht - folgt mit seinem Rollkoffer auch nach links.

Die Bühne wird nun stärker erhellt.
Man sieht ein monströses Bauwerk.
Assoziiere:
- Die Lobby eines Urlauberschiffs?
- Eine Shopping-Mall, wie das Programmheft berichtet?
- Die Bauruine einer Pleitefirma?
In der Mitte prangt eine mit feinem Edelstahl umkleideter Treppenlauf, dahinter eine Rolltreppe, die aber offensichtlich nicht funktioniert, denn die sie Betretenden müssen ganz normal Stiegen steigen.

Dicke Säulen ragen auf, das Monstrum wohl ein Schiffsrumpf, der auf Land gestrandet ist und hier rechts im Dreck eines Ufers endete. Wie aber soll von hier aus die Weiterfahrt Dalands gelingen?

Der erste Stock mit der Geländerumrandung ist abgebrochen, links steht eine blonde Schaufensterpuppe, am Ende des Abbruchs liegt rechts eine tote Kuh, die, wie mir meine empfindsame Nase sagt, bald heftig stinken wird.
Rechts unten 'an Land' ein weißer Container, der wohl ein Wohnhaus oder das Büro der Zollabfertigung sein soll.
Unter der Rolltreppe in der Mitte führt eine Stiege auf die Unterbühne in den Bauch des Schiffes oder in den Keller des Kaufhauses.

Die Werkstätten der Staatsoper haben wie immer - man erinnere sich nur an die zum Stück nicht passende, aber handwerklich hervorragende Bühnen-Einrichtung bei 'Rusalka' - ausgezeichnete Arbeit geleistet, aber wir müssen wohl noch fleißig assoziieren, um irgendeinen Sinn in diesem teuren Bühnenbild zu entdecken.

An der oberen Reling des Monsterbaus torkelt eine spastisch zuckende Gestalt -
Pawel Brozek - und macht sich in sexuellem Überdruck an der Schaufensterpuppe zu schaffen, dann darf der arme Kerl in verdreckter Pennerkluft das bezaubernde Lied des Steuermanns
Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer
singen. Eigentlich soll ein hübscher junger Tenor damit die Herzen zum Schmelzen bringen, so wie es Fritz Wunderlich einst tat, aber wir sind ja im Regisseurstheater, da muss man sich möglichst beschränkt geben.

Die Bühne wird ’immer lichter’ beleuchtet.
Finstere Schattengestalten nahen sich von hinten und bleiben in der Mitte unter dem Vorbau stehen.

Im portugiesischen Kostüm aus Vasco da Gamas Zeit tritt der Held des Abends auf: ’Der fliegende Holländer'.
Mit perfekt geführter Stimme singt
Stefan Adam, seinen mordsschweren Monolog, die Nr. 2
Die Frist ist um
und erfreut unsere Ohren darüber hinaus während der ganzen Vorstellung.

Mitten in der Holländer-Arie beginnen die finsteren Gestalten aus der Mitte und über die Rolltreppe nach links unten abzugehen. Sie tragen Allerlei, alte Waffen und Kostüme, einer hat das Geweih des Jägers Herne aus dem Falstaff auf dem Kopf – sie stören den Gesamteindruck, der hier tatsächlich einmal gelungen sein könnte.

Für das
Nur eine Hoffnung soll mir bleiben
steigt der Holländer die Rolltreppe hinauf und geht einmal um die Reling herum, kurz vor der toten Kuh rechts bleibt er stehen, um am Ende der Arie linksrumdrehend die Rolltreppe wieder herunterzusteigen.


Szene, Duett und Chor- Nr. 3
Die Bühne verdunkelt sich und links die Szene hinter Rollos erhellt sich dafür. Toller Regieeinfall. Als der Holländer dem Vater Daland aufzeigt
Die seltensten Schätze sollst du sehn;
kostbare Perlen edelsten Gestein

rennt der nach links über die Bühne und singt der beleuchteten Rollos ansichtig werdend mit großem Echauffement
Wie! Ist’s möglich! Diese Schätze!
Worauf der Holländer einwirft
Doch, was du siehst, ist nur der kleinste Teil
von dem, was meines Schiffes Raum verschließt …


Die beiden Männer werden – die Rolltreppe nach Vorgabe des Regisseur Mottls rauf- und runterlaufend – und nach Vorgabe Richard Wagners zum Ende der Nr. 3
Weit komm ich her, verwehrt bei Sturm und Wetter
[…]
Ja! Dem Mann mit Gut und hohem Sinn
gab froh ich Haus und Tochter dahin
handelseinig: Tochter gegen Piratenschätze. Die beiden planen die Heimfahrt, der Wind steht günstig.
So jedenfalls meldet der Steuermann, jetzt wohl wieder bei Sinnen:
Südwind! Südwind!
Ach, lieber Südwind blas noch mehr!


Für die Matrosen zum Ende des ersten Aufzugs stellt die Choreografin
Anastasiya Bobrykowa den Herrenchor auf den Befehl

Frisch! Jungen, greifet an!
in Reihen mit Schaufeln in der Hand für das
Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer
auf. Heißt das:
- sie schaufeln das gestrandete Schiff frei oder
- sie werden gleich zur ’Internationale’ wechseln?
Oder sind es die armen ’Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor!’
Schaufel hoch, Schaufel runter, Schritt links, Schritt rechts – alles im Takt, dabei wird wie immer prächtig gesungen, während ich assoziiere was mein Normal-Gehirn hergibt. Dann noch ein paar Spatenstiche in den Dreck der Küste vor dem Wohncontainer rechts.
Oben hampelt der Steuermann-Tenor herum, schlingt sich einem Musselinschleier um den Hals hebt den Arm zum Gruß.

Der Vorhang fällt.
Keine Pause, denn die Gefahr besteht, dass etliche der Zuschauer das Weite suchen, es finden und nicht mehr wiederkommen.
Also nahtloser Übergang.

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Vorhang hoch für den Damenchor.
Der Monsterbau bleibt auch für den zweiten Akt stehen. Bei Richard Wagner wären wir jetzt für die Nr. 4 in der Spinnstube, dem angenehm heimeligen Kontrast zu rauer Welt der Seeleute. Aber wieder schlägt das Regisseurstheater zu und wohldressiert traben die Chordamen mit Schrittchen und Knickschen, in Pelzmäntel gehüllt - da hingen wohl noch viele in den Kühlhäusern der pleitegegangenen Pelzhäuser - jede eine große Einkaufstüte schwenkend, auf den Köpfen einheitsblonde Perücken, in Kreisen herum und singen dazu vom Rädchen, vom Fädchen und vom Spinnen.
Es ist zu blöd!

Das Programmheft – und das braucht das Publikum mit der vor der Vorstellung notwendigen Lektüre, um zu erkennen, was dieses kostenträchtige Bühnenbild überhaupt darstellt.
Nochmal: Dies soll angeblich das Innere eines Kaufhauses darstellen, neudeutsch eine ’shopping-mall’, der verderbliche Tempel westlicher Konsumsucht, und ich assoziiere:
daher der Bühnenaufbau mit Rolltreppe, die nicht funktioniert.
Und noch mal: Es könnte natürlich auch auf einem der großen Kreuzfahrtschiffe der Shopping-Bereich sein, in welchem sich die Chordamen einkleideten, in Pelz und Fummel.
Da hampeln und trippeln sie nun herum, der Musik folgend, schwingen ihre Einkaufstüten.
…. Man weiß ja, was ein Jäger gilt!
Beim komponierten Lachen knicken sie alle devot zusammen.
Warum? Nichts steht darüber im Programmheft und auch der wonnige Dramaturg verschwieg des Inszenators Gedankengänge.

Seitlich vor der Rolltreppe steht links ein Bänkchen mit der Figur des holzbeinigen Piraten aus der 'Schatzinsel'. Neben ihm hockt eine schwarz-gothic vermummte Gestalt, die Kapuze vor das Gesicht mit Reißverschluss gezogen, den sie, o welche Offenbarung, zum Singen für – noch immer die Nr. 4 - das
Traft ihr das Schiff im Meere an
öffnet.
Ich assoziiere:
- pubertierendes Mädchen, Hormonschwierigkeiten, lebensverneinend, aha, schwarze Klamotten im ’gothic-style’.
Frau Mary in hellblau mit blondem Zopf und Haushaltsbuch,
Julie-Marie Sundal, klingt hübsch, hat aber keine Chance gegen die pelzbemäntelten Damen, die sich unter den Baldachin zurückziehen, stehen und warten - wahrscheinlich, um bald die Klamotten aus den Einkaufstüten auszuprobieren.
Senta stürzt nach vorne, hockt sich an das ’Gestade’ -
Karine Babajanyan – singt jugendlich und fein nuanciert ihre Ballade, rennt zurück zum Bänkchen, die Hand zärtlich auf dem Holzbein der dort positionierten Piraten-Holz-Puppe positionierend.
Die Chordamen kommen beim
Vor Anker alle sieben Jahr
nach links vorne, ziehen ihre Pelzmäntel aus, lassen sie auf den Bühnenboden fallen und heben zum frommen Gebet die Arme in die Luft um das
Ach! Wo weilt sie, die dir Gottes Engel einst könne zeigen?
zu unterstreichen.
Oder wie? Oder was?

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Inzwischen ist eine männliche Gestalt links herangeschlichen, einen Kanister auf dem Rücken, die mit einer langen Spritze die Ränder der Säulen und den Boden besprüht - und ich assoziiere:
Ein Kammerjäger zur Vertilgung von Kakerlaken und sonstigem Ungeziefer.

Beim
Senta! Senta! Willst du mich verderben
entreißt dieser Kammerjäger den Chordamen die Pelzmäntel und wirft sie auf den Boden.
Die Damen klauben dann beim
Sie sind daheim
und im turbulenten Ensemble:
Das Schiffsvolk kommt mit leerem Magen,
um das
Bleib Senta! Bleib nur einen Augenblick
nicht zu stören, die Mäntel auf und enteilen schnurstracks in ihre Kabinen, wohl um die vorhin gekauften Sachen aus der schiffseigenen Mode-Boutique anzuziehen.

Als der Kammerjäger dann mit dem
Der Vater kommt
anfängt zu singen, stellt sich heraus, dass es Erik ist. Bei Richard Wagner von Beruf Jäger, ein ehrlicher Naturbursche als wohlbedachter Kontrast zum schicksalsbeladenen Holländer.
Erich Laporte singt kernig und kraftvoll seine sehr unangenehme hoch angelegte Partie. - Hochachtung! - Dann stürzt er hinaus, wohl an die frische Luft nach der ich mich auch sehne.

Im Regisseurstheater von Bernd Mottl - sein Urahn Felix Mottl dreht sich im Grabe um - und der Jäger Erik wird zum Kammerjäger umfunktioniert.
Blöder geht's nimmer.
Das war daneben wie in Bremen beim ’Rienzi’ mit dem Saugbläser in der Regie der Wagner-Urenkelin. Seitdem heißt es bei der Benutzung dieses Gartengeräts in meinem Haus: “Nimm doch den Rienzi!“

Unauffällig sind Daland und der Holländer auf die Szene gekommen und - ach! - vertan vom Regisseurstheater ist der von Richard Wagner geplante Moment, wo neben dem alten Bild der echte Holländer auftritt, so dass Senta bei seinem Erscheinen ihren Schrei ausstößt.
Der charmante Tobias Schabel preist als Daland den reichen holländischen Schwiegersohn in spe an, muss aber mangels
Sieh dieses Band, sieh diese Spange!
mit dem Knopf an der Manschette seines Hemdes vorlieb nehmen.

Die Tochter zerrt Vater Daland die Gummistiefel von den Beinen, drauf putzt der seine Schuhe, die er im Koffer mit sich führte.
Senta hat sich inzwischen ihrer Gothic-Kluft entledigt und sieht im schwarzen spitzenbesetzten Unterrock recht attraktiv aus.

Da während des Zwiegesangs der Nr. 6 mit
Wie aus der Ferne längst vergangner Zeiten
zwischen Holländer und Senta und beim Terzett Daland, Holländer, Senta
Verzeiht! Mein Volk hält draußen sich nicht mehr
kein inszenatorischer Unfug – bis auf das einfältige Rolltreppe rauf, Rolltreppe runter, mal Senta, mal Holländer oben am Geländer und Sentas Kerzchen Aufstellen auf der rechten Seite. rings um den Holländer herum - passiert, freut man sich, welch vorzügliches Ensemble und welch stimmgewaltigen Chor die Staatsoper Hannover doch hat, mit dem man großartiges Theater machen könnte.
Der Vorhang fällt schnell.

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Für den eigentlich dritten Aufzug erscheint der Chor für sein
Steuermann! Laß die Wacht!
adrett gekleidet in Matrosenanzügen und putzigen Matrosenkleidchen, das scheinen die Klamotten zu sein, die der Damenchor in der ’Spinnstube’ in den Einkaufstüren mit sich führte.

Wäre der Ort dieser Inszenesetzung nicht die Niedersächsische Staatsoper Hannover, sondern ein Musicaltheater in Hamburg an der Reeperbahn, könnte man seine Freude haben, denn die ’show-moves’ sind professionell einstudiert, rechtes Bein, linkes Bein, rechter Arm, linker Arm und rundherum, das ist nicht schwer.
Jetzt wünscht man sich, das Freddy Quinn unter allgemeinem Schunkeln:
"Junge, komm bald wieder" singt.

Körbe mit Baguettes werden aus dem Bühnenhimmel heruntergelassen und Schnapsflaschen verteilt.
Eigentlich folgte jetzt eine der grandiosesten Chorszenen der Opernliteratur zwischen den Matrosen und dem Geisterchor auf dem Holländerschiff.

Zur Erinnerung:
Die konzertante Aufführung im Kuppelsaal am Tage der Bundestagswahl 2013 wo Gänsehaut einem über den Rücken rieselte.
Wenn es szenisch so kommt wie jetzt in Hannovers Staatsoper zu Lasten der Steuerzahler, dann besser und werkgetreuer in einer konzertanten Aufführung.

Dem hochbezahlten Team des Regisseurtheaters aber fällt nur der Auftritt eines Statisten von rechts ein, der die Rolltreppe mit einer flammenden Fackel hinauf rennt und die er in das ’Schiff’ oder in den Keller fallen lässt, worauf ein bisschen rotes Licht und etwas 'Qualm' auf der Treppe, aus dem Unterbau erscheint.
Dies führte dann zur Überschrift in der HAZ:
’Leichen im Keller!’

Der verteilte hochprozentige Fusel tut seine Wirkung, alle Choristen liegen flach auf dem Bühnenboden und stehlen sich dann doch torkelnd davon.

Auch Senta liegt im Dreck als Erik nun in schwarzem kleidsamen Hemd und Hose äußerst lebhaft agierend in der Nr. 8 mit Senta
Was muss ich hören
und mit seinem
Willst jenes Tags du nicht dich mehr entsinnen
Senta wieder zu gewinnen sucht.

Die Kavatine gelingt, aber Senta bleibt ablehnend. Trotzdem versteht der Holländer die Situation falsch,
Verloren! Ach verloren! Ewig verlornes Heil!
fühlt sich trotz Sentas
Was ich gelobte, halte ich!
betrogen und beschließt mit seinem Geisterschiff die nächste Reise. Er steigt hierfür hinab auf die Unterbühne, um Glut in die Kessel zu bringen – oder wie oder was?

Senta folgt ihm.
Die Musik von Richard Wagner deutet Erlösung an - (es wird in Hannover die 'Erlösungsfassung' gespielt.)

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Der spastische Steuermann hat inzwischen die Schaufensterpuppe in eine verschleierte Muslima verkleidet und schmust vorne rechts mit einer weißen Taube oder sonstigem Vogel aus dem Repertoire des Regisseurstheaters.

Das Publikum beklatscht die Leistung der Solisten, des Chores und des Orchesters.

Viele haben sich nicht begeistert gezeigt, wie ein Stück großer Opernliteratur hier in Hannover wieder einmal platt gemacht wurde.

Die anderen haben sich darüber amüsiert, dass man doch so leicht - durch den hannoverschen Theaterdirektor Klügl - Spaß haben kann, und ich assoziiere, dass die Couch eines Psychoanalytikers der bessere Ort zur Aufarbeitung solch wirren Unsinns ist, als die Nds. Staatsoper Hannover.


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I
n vorhergehenden Ausgaben hatten wir Ihnen Schriftverkehr mit Landesbehörden zur Kenntnis gebracht.
Sie konnten an den Absendedaten erkennen, dass unsere Schreiben monatelang in niedersächsischen Schreibstuben der Dienststellen lagen, ohne bearbeitet und beantwortet zu werden.

Inzwischen ging ein Schreiben datiert auf den 20.03.2017 ein.
Unterzeichnet von Detlef Lehmbruck, der im Bühnenjahrbuch des Jahres 2002 als Verwaltungsdirektor vom Theater Ulm geführt wurde und dieses Amt gemäß Artikel in der Augsburger Allgemeinen vom 24. Juni 2009, 04:46 Uhr zum Hochsommer des Jahres 2009 bereits wieder verließ. Seitdem sitzt er bei Frau Dr. Gabriele Heinen-Kljajic im Vorzimmer.

Dieses durfte nicht unkommentiert bleiben.
So sandten wir unsere Antwort auf diese Mitteilung an zuständige die Ministerin, nicht ohne wichtige Dienststellen des Landes und mit dem Theater befasste Institutionen zu informieren.
Sie können sich auf diese Weise ein Bild machen, wie das Land Niedersachsen argumentiert.
Fragen, wie die Auslastung eines Hauses berechnet wird, sind noch nicht abschließend geklärt.
Der Schriftverkehr muss folglich fortgesetzt werden.


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Ks. Prof.
Marie-Louise Gilles
Dipl.- Kulturwissenschaftlerin
Fehrsweg 2
30655 Hannover
Tel. / Fax 0511 – 56 26 37
E-Mail info@marie-louise-gilles.de
www.marie-louise-gilles.de

Abs. ML Gilles – Fehrsweg 2 – 30655 Hannover

Frau
Dr. Gabriele Heinen-Kljajic                                                     05.04. 2017
Nds. Ministerin für Wissenschaft und Kultur
Leibnizufer 9
30169 Hannover

 

Betrifft: Nds. Staatsoper Hannover

Bezug: Schreiben des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 20.03.2017
 

Sehr geehrte Frau Dr. Heinen-Kljajic,

Ihr o.a. Schreiben in Beantwortung meiner Eingabe vom 27.01.2017 – immerhin auch nach fast acht Wochen Bearbeitungszeit – zeigt verschiedene Argumente aus Ihrer Sicht auf, geht aber auf die Problematik im Detail nicht ein.

Dass Sie und Ihr Haus sich vor die Nds. Staatsoper Hannover zu stellen versuchen, ist völlig legitim. Was allerdings nicht nachvollziehbar ist, dass Sie das Lob der Verlage hervorheben - wie es in der HAZ am 07.10.2016 veröffentlicht wurde.
Leben diese doch davon, ihre Produkte abzusetzen, was aber nicht als Qualitätsurteil für die Leistungen der Nds. Staatsoper Hannover gelten kann.

Leider sind darüber hinaus Ihre Ausführungen auf Seite 3 in Bezug auf die exorbitanten Einnahmensteigerungen durch Herrn Dr. Klügl in Höhe von jährlich 1,500.000 Euro nicht nachvollziehbar. In den Jahren seiner Dienstzeit in Hannover würde dies mehr als 15 Millionen Euro bedeuten.

Es dürfte die Öffentlichkeit doch sehr interessieren, wie dieser Betrag zustande kommt.



Konkrete Fragen, die unsere Gleichgesinnten stellen, möchte ich hier kurz gefasst noch einmal aufzeigen:

a.) Warum wurde die Nds. Staatsoper Hannover im März 2017 nur an 17 Tagen vor Publikum bespielt?
Das Haus dümpelte an 14 Tagen unter voller Kostenlast leer vor sich hin.
Warum stand im März 2017 dabei nur eine Oper auf dem Spielplan?

b.) Warum wurden Karten z.B. am 17.03.2017 für Candide nach dem Motto ’buy one, get one free’ verschenkt, wenn denn die Freunde der Oper die Produktion in einem Artikel der HAZ vier Wochen vorher - am 18.02.2017 - als “die beste aller möglichen Produktionen“ würdigen?

c.) Warum gibt es für Lot schon im Vorfeld ein Sonderangebot mit dem Hinweis, für jede gekaufte Karte bekomme man für die nächste Vorstellung eine frei zur Verfügung gestellt?

 

d.) Warum behauptete Herr Dr. Klügl in einer Veröffentlichung der HAZ vom 22.03.2012, die Nds. Staatsoper Hannover entlasse “jeden Tag 1200 glückliche Menschen“?
Definiert man dies, dann bedeutet es im Sinne der Worte:
’jeden Tag’, also im Schnitt 30 Tage / Monat und ’1.200’ heißt, jeden Tag volles Haus.

 

Wenn dem so war, was es noch zu überprüfen gilt, dann hat die Akzeptanz des damals angebotenen Spielplans in kürzester Zeit rapide abgenommen, denn bereits 2014 wurden Werke der Hochkultur mangels Publikumsinteresses abgesetzt, siehe
Google: Neues_vom_Tage_22._Juli_2014_'Meistersinger'

Das Sonderangebot galt auch für Giovanni. Ich selber besuchte eine Vorstellung auf der Basis: ’Kauf’ste eine, krieg’ste ’ne zweite gratis dazu!’

e.) Die Frage nach den Auslastungszahlen ist meinerseits noch nicht abschließend untersucht, wobei dann auf die Aussage vom 05.02.2016 auf dem offiziellen Portal der Region und der Landeshauptstadt Hannover mit folgendem Wortlaut:

Zitat
Die Staatsoper Hannover -
Im Dezember 2015 lag die durchschnittliche Auslastung bei 88 Prozent, im Januar sogar bei 90 Prozent. Der überaus positive Besuchertrend scheint sich auch im laufenden Monat Februar ungebrochen fortzusetzen. Bereits jetzt, in den ersten Februartagen, liegt die Auslastung bei 80 Prozent.

Zitatende

zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen werden muss.
 

Erinnert sei in dem Zusammenhang an die Nichtnutzung der Nds. Staatsoper Hannover vor Publikum im Januar 2016 mit 10 Tagen und im Februar 2016 mit 13 Tagen.
Die entsprechenden ’Leporellos’ oder statistischen Auswertungen derselben liegen Ihrem Haus sicherlich vor.



Abschließend noch ein Wort zum Vorgang Nds. Landesrechnungshof.
Meine Eingabe erfolgte am 16.04.2016 –
– nachgefragt wurde meinerseits am 08.08.2016,
– nachgefragt wurde durch RA Wahner am 25.01.2017.

Am 09.02.2017 teilte der Nds. Landesrechnungshof dann nach knapp neun Monaten Bearbeitungszeit mit, dass er keine Auskünfte gebe.

Es ist außerordentlich zu bedauern, dass dieser Vorgang innerhalb der Nds. Landesregierung Ihnen nicht zur Kenntnis gebracht wurde.



Folgende Personen bzw. Institutionen erhalten Ihr Schreiben vom 20.03.2017:

- Frau Prof. Dr. Rode-Breymann
- Herr Stefan Weil, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen
- Herr Peter-Jürgen Schneider, Nds. Minister für Finanzen
- Bund der Steuerzahler
- GDBA
- Herr RA Frank Wahner




Beigelegt finden Sie und alle im Verteiler Erwähnten ein Exemplar der April-Ausgabe der Zeitschrift WohnArt.

Mit freundlichen Grüßen

ML Gilles

im Bund der Steuerzahler


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Frauenfiguren in der Literatur oder

“Seien wir froh, dass wir heute leben!“

„Literatur“: Mit Lettern, Buchstaben, festgehaltene Geschichten! – Wozu braucht man so etwas? –

In der Zauberflöte beschreibt sich Papageno im zweiten Aufzug 3. Auftritt: „Ich verlange auch im Grunde gar keine Weisheit. Ich bin so ein Naturmensch, der sich mit Schlaf, Speise und Trank begnügt; - und wenn es ja sein könnte, dass ich mir einmal ein schönes Weibchen fange ...“

Also: Ein Dach über dem Kopf, Essen und Trinken und eine Frau zum Kochen, Waschen, Putzen, Sex, und wie er auch sagt für die „gesellschaftliche Unterhaltung.“ Die Grundbedürfnisse, - Unterhaltung, - aber noch keine Weisheit! Im Übergang zwischen den Grundbedürfnissen und der Weisheit liegt die Unterhaltung und danach zeigen sich einfache und gebildete Menschen unersättlich. Rund um die Welt und in allen Altersklassen und zu allen Zeiten hatten und haben die Menschen einen unstillbaren Hunger nach Geschichten. Ob Gruselmärchen von der Oma erzählt oder Krimi, uns überläuft wohlig die Gänsehaut darüber, dass es uns nicht betrifft. Ob Ilias, Nibelungenlied, James Bond oder Tatort, wir sind gespannt wie die Helden aus dem Schlamassel wieder rauskommen. Ob Iphigenie, Dido, Maria Stuart, Elsa oder Julia in der Telenovela, wir leiden mit den Liebenden, lassen uns zu Tränen rühren und nähren unseren Zorn auf die bösen Intrigantinnen.

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Über Jahrhunderte wurden Geschichten erzählt, tradiert den jeweiligen Verhältnissen angepasst und verändert bis durch die Erfindung der Schrift, - nach der Keilschrift und Bilderschrift in Mesopotamien und Ägypten. – Phönizier und Griechen die Grundlagen unseres west- und osteuropäischen Alphabetes schufen, und damit die Möglichkeit geschaffen wurde sowohl Geschichte, also Geschehenes und Geschichten aufzuschreiben. Nun sind viele Mitmenschen richtig stolz darauf, dass sie den ganzen Quatsch aus Büchern nicht brauchen. Sie halten sich an das tägliche Leben, Gelderwerb, Probleme am Arbeitsplatz, Kräche in der Familie, - quer durch die sozialen Schichten geht die Ablehnung von Literatur, vom simplen Biertrinker in der Männerrunde bis zum staubtrockenen Raffke, der wie Fafner denkt: ich lieg und besitz. – Aber das Gehirn spielt diesen Typen jede Nacht einen Streich, indem es um die Ereignisse des Tages abzuarbeiten, Szenen höchst dichterisch-poetischer Art erfindet, - seien sie nun beängstigend oder aufregend erfreulich oder sexy.

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Das menschliche und tierische Sozialleben zeigt, wie die Verhaltensforschung beweist, hohe Übereinstimmung. Wer genügend Humor besitzt, kann die Geschichte des homo sapiens auf Dominanz-Verhalten, Territorial-Verhalten und Fortpflanzungs-Verhalten reduzieren. Den Kampf um die Position des Alphamännchens oder –weibchens in Rudel und Herde, ausgeführt mit Geweihen, Hörnern, Hufen und Zähnen, praktiziert der edle Mensch mit Keule, Schwert, schmucken Schusswaffen aller Art, Gift, Rufmord oder wilden Redeschlachten. Daraus entstehen Königsdramen, Politiker und Vermögen. Das Territorialverhalten, bei Tier und Mensch durch kräftigen Geburtenüberschuss ausgelöst, führt zu Herdenwanderungen, Einbruch in fremde Reviere, die durch Duftmarken gekennzeichnet sind, beim Menschen zu Grenzverletzungen, Völkerwanderungen, Eroberungskriegen, Unterwerfung und Vernichtung vermeintlich minderwertiger Mitmenschen und immer hübsch dekoriert mit dem Segen einer Gottheit. Daraus entstehen die Heldenlieder.

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Das Fortpflanzungs-Verhalten zeigt die vielfältigsten Varianten, von der groben Vergewaltigung, bei menschlichen Kriegern, Patriarchen und Machos als Waffe üblich, - bis zu Balzritualen wie Tänzen und Gesängen bei eleganten Vögeln, Imponiergehabe von Hengsten, Hirschen, Gockeln, Überreichung von Futtergeschenken und Hinweise auf Fähigkeiten wie Verteidigungsbereitschaft und Nestbau. Unübertrefflich ist beim Menschen das künstlerisch sublimierte Werbespiel.

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Daraus entsteht die Herz erwärmende Romanliteratur von Longos‘ Daphnis und Cloë bis Rosamunde Pilcher. Aber auch die Lyrik, das Drama, die Oper, die Operette, das Musical, Schlager und Songs. Die Übergänge zwischen Kunst und Kitsch sind fließend, aber der Hunger nach love-stories ist riesig und ernährt manchen Berufszweig.

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Auch ich habe davon gelebt und habe auf der Bühne viele Leben gelebt, denn jede Rolle bietet Einblick in ein heftiges Gefühlsleben.

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Während nun der Theatermensch die Aufgabe hat, den vorgegebenen Text des Dichters und die Noten des Komponisten lebendig auf die Bühne zu bringen, hat die Wissenschaft die Aufgabe hinter dem Text den Begriff zu erarbeiten. Welche Begriffe sind es denn, die uns hinter einem Text interessieren? Zuerst einmal sagt sich jeder entweder: es interessiert mich, es ist spannend, es rührt mich, es macht mich an – wie man heute sagt, - oder es ist mir gleichgültig, es ist mir zu hoch oder zu blöd, oder: es bringt mich zu einer wertvollen Selbsterkenntnis. Die Aufgeschlossenheit für literarische Situationen, Personen, ihre Handlungen und die dahinter liegenden Begriffe wie Schönheit und Hässlichkeit, Güte und Brutalität, Moral und Verbrechen, Klugheit und Dummheit, Sympathie und Aversion sind höchst unterschiedlich und hängen von der Disposition des Einzelnen, seiner Sozialisation und dem Grundkonsens seiner Umgebung ab.

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Gierig nach Geschichten sind wir alle, und der Geschichte der Geschichten nachzuforschen und wie ich es heute einmal wenigstens an einigen markanten Beispielen aufzeigen möchte, ist für die edle Selbsterkenntnis sehr nützlich. Eine Disziplin, die erst seit etwa zwei Jahrzehnten den Blick auf Geschichte und Kulturgeschichte in eine andere Richtung gelenkt hat, ist die Gender-Forschung. Den Anteil der Frauen in den wechselnden Epochen, die durch die Überbetonung des Wertes männlicher Aggression in Eroberungen und Kriegen zum vorherrschenden Stoff der Historiographie wurden, aufzuzeigen, ist inzwischen nach Ablehnung, Hohn und Spott zum anerkannten Forschungszweig geworden und deckt die Machenschaften auf, die die Frauen in eine mehrtausendjährige Entmündigung und Unterdrückung brachten.

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Die Veränderung der wandernden hominiden Gruppen, bei denen aller Besitz allen gehörte und alle Kinder der Gruppenmitglieder erbberechtigt waren, zu sesshaften Ackerbauern und Viehzüchtern (im lateinischen pecus (Vieh) gleich pecunia: Geld) ergab eine sich über lange Zeiträume radikal verschlechternde Stellung der Frauen von der geachteten Lebensspenderin, die in vielen Göttinnen verehrt wurde, zum versklavten Besitz des Patriarchen, mit dem einzigen Zweck, unter strengster Bewachung legale Söhne und Erben zu gebären und rechtlos die verachteten Arbeiten zu erledigen. Aus dem matrilinearen Recht wurde das patrilineare Recht, aus der bunten Göttinnen- und Göttergesellschaft wurde der unfrohe Monotheismus, dessen Verkünder alles daran setzten, die Frau, von der sie gezwungenermaßen sexuell abhängig waren, im Namen des Vatergottes als Nicht-Mensch und personifizierte Sünde darzustellen. Dazu die berühmten Sätze von Friedrich Engels aus seinem Buch: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ von 1884: „Der Umsturz des Mutterrechts war die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts. Der Mann ergriff das Steuer auch im Hause, die Frau wurde entwürdigt, geknechtet, Sklavin seiner Lust und bloßes Werkzeug der Kinderzeugung. Diese erniedrigte Stellung der Frau, wie sie namentlich bei den Griechen der heroischen und noch mehr der klassischen Zeit offen hervortritt, ist allmählich beschönigt und verheuchelt, auch stellenweise in mildere Form gekleidet worden; beseitigt ist sie keineswegs.“

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Für die Literatur und das Theater waren nun die Grenzen abgesteckt, zwischen denen sich Männer und Frauen begegnen, und das von 535 v. d. Zeitrechnung, als Thespis auf Geheiß des Peisistratos zum erstenmal bei den Dionysien dem Chor gegenüber einen einzelnen Schauspieler, den Antworter, verwendete, damit die Tragodia erfand, die bis heute vom Leiden und Sterben des Menschen, vor allem von Frauen berichtet.

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Eine Generation später stehen wir schon vor der Hochblüte der griechischen Tragödie der drei großen Dichter: Aischylos, Sophokles und Euripides, deren Werke dem abendländischen Theater bis heute unter Verschmelzung mit den jeweiligen Zeitströmungen starke Impulse gaben.

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Aischylos 525 v. d. Z. bis 456, ist der erste uns bekannte Dramatiker, der aus Chören, Hymnen, Sprechgesängen eine dramatische Handlung formte, den zweiten Schauspieler einführte, was die Voraussetzung für den Dialog ergab. Ihm werden 90 Stücke zugeschrieben, von denen 7 erhalten sind. Seine Themen sind Vorgänge aus Mythos, Sage und Historie. Zum ersten Mal tritt bei ihm der Begriff des Tragischen im Sinne von Trotz und Auflehnung gegen göttliche Gebote deutlich in Erscheinung.

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Sophokles 496 v. d. Z. bis 406. Er förderte die Entwicklung des griechischen Theaters durch die Einführung des dritten Schauspielers, er stellte den Menschen als Individuum in den Mittelpunkt der Handlung und erhob die nach rückwärts aufgerollte Analysis zum dramaturgischen Prinzip und erklärt damit die Motivierung der Personen. Sein ethisches Postulat ist die Aufforderung zur Besonnenheit, denn sobald der Mensch seinen Leidenschaften nachgibt, führt er seinen Untergang herbei. Von seinen 123 Stücken sind 7 überliefert.

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Euripides lebte von etwa 480 v. d. Z. bis 407. Sein Werk, von seinen 92 Stücken sind 18 überliefert, ist Höhepunkt und Ende der griechischen Tragödie. Als kennzeichnende Neuerung schildert er den Menschen, unabhängig von Schicksals- und Göttervorstellungen als von seinen Leiden und Leidenschaften geschlagen mit psycho-logischem Blick. Zu Lebzeiten wegen seines kritischen, dialektischen Denkens angefeindet, hat sein Werk die größte Nachwirkung, indem seine Stücke immer wieder neu- und nachgedichtet wurden, angefangen von den römischen Dichtern über das klassische Theater der Franzosen (Racine: Phaedra (Gymnasium!) und die deutscher Klassiker (Goethe: Iphigenie) bis zum Theater der Gegenwart.

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Welche Frauenfiguren behandeln nun die griechischen Tragödiendichter und welches Verständnis bringen sie für sie auf? Hinzu kommt, dass Dichter, Komponisten, Maler, Bildhauer, Architekten, Gärtner, auch Angehörige von pflegerischen Berufen, also Ärzte, Pflegerinnen, Hebammen in krassem Gegensatz zu den realistischen Berufszweigen, die mit Macht, Krieg und Geld zu tun hatten und haben, stehen. –

Ich hoffe, ich fordere ihren Widerspruch heraus!

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Also einige Beispiele:

Aischylos. Die Perser: Atossa, die Mutter, die angstvoll die Nachricht vom Kriegsschauplatz erwartet, das leidende Opfer.

Der gefesselte Prometheus: Jo, die wahnsinnig gewordene Königstochter, von Zeus geliebt und von Hera in eine weiße Kuh verwandelt (durchaus eine Wertschätzung), von einer Bremse gequält den angeschmiedeten Prometheus besucht, bevor sie in Ägypten in menschliche Gestalt zurück verwandelt Ruhe findet und dem Gründer von Memphis, Epaphos das Leben schenkt. – ein Opfer ihrer Reize.

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Die Orestie: Klytaimnestra: Königin von Argos, Gattin des Heerführers Agamemnon. Tötet ihn bei seiner Rückkehr aus dem trojanischen Krieg, während dessen zehnjähriger Dauer sie die Staatsgeschäfte führte, bei dessen Beginn ihre Tochter Iphigenie zur Besänftigung der Götter geopfert wurde und der Kriegsherr als Beute Kassandra ihr ins Haus brachte.

- Bitte: Lesen Sie unbedingt: Christine Brückner: Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen, was Klytemnästra an der Bahre des toten Agamemnon wohl gesagt haben könnte. (In: Wenn du geredet hättest Desdemona). – Sie wird von ihrem Sohn Orestes getötet, aber er wird entsühnt, weil Muttermord weniger sträflich ist als Vatermord. -

Das Patriarchat siegt juristisch! Diese Figur regt uns bis heute auf, - ich finde, sie hatte Recht, das alte Ekel, den Kriegstreiber, umzubringen! Sie ist also eine Täterin, eine böse Frau.

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Sophokles: Antigone. Sie ist eine antike Heilige, sie beerdigt gegen den Befehl des Königs Kreon ihren Bruder Polyneikes, wird zum Tode verurteilt und als sie begnadigt werden soll, hat sie sich schon erhängt. Sie folgt dem göttlichen Gebot des Gewissens und bewahrt durch ihre Selbsttötung den König davor zum Mörder zu werden. Eine gute Frau.

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Elektra: Tochter Agamemnons, Schwester des Orestes. Sie lebt nur durch den Hass auf ihre Mutter Klytemnästra und treibt ihren Bruder zum Mord an ihr und ihrem Lebensgefährten Ägist, aus Rache für ihren erschlagenen Vater. Alle drei großen Tragiker haben diese Figur verlebendigt und sie wurde in Dramen, Erzählungen und Opern im Barock bis zu Sartre, vor allem von Hofmannsthal als Text für Richard Strauss verwendet. Ist sie nun eine gute Frau, die Gerechtigkeit übt oder eine böse Frau, die planvoll und kaltblütig ihre Mutter umbringt? Dies ist eine Frage des Rechtssystems, das sich stark verändert hat und Selbstjustiz heute nicht mehr zulässt.

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Euripides: Medea: Sie half Jason in ihrer Heimat Kolchis das goldene Vlies zu gewinnen, verliebt sich in ihn, tötet ihren Bruder, um der Verfolgung zu entgehen, vernichtet für ihn den Riesen Talos, räumt für ihn die Mörder seiner Familie aus dem Weg, flieht mit ihm nach Korinth, wo Jason sie nach kurzer, glücklicher Zeit verstößt, um Glauke, die Tochter König Kreons zu heiraten. Nachdem diese mit einem vergifteten Gewand zu Tode gebracht wurde, tötet sie die Kinder aus der Verbindung mit Jason und kann auf einem Drachenwagen ihres göttlichen Großvaters Helios fliehen. Die zauberkundige Rächerin, die der unheimlichen Hekate nahe stand, ist der motivische Urkern aller Zauberinnen und Hexen und wirkt bis heute zum Beispiel im Pasolini-Film mit Maria Callas nach, eine böse Frau.

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Alkestis: Der König Admet von Pherä hat ein Opferritual vergessen, er soll sterben, es sei denn, jemand opfert sich für ihn. Alkestis, seine Gattin geht für ihn in den Tod, wird aber vom starken Helden Herakles in einem gewaltigen Ringkampf in der Unterwelt dem Thanatos entrissen und wieder den Lebenden zugeführt. Eine gute Frau und ein „happy end“! Unzählige Dichter von Hans Sachs bis Thornton Wilder, viele barocke Komponisten: Lully, Händel, Gluck, Calzabigi schrieben über sie und für Richard Wagner war sie wohl ein Vorbild für seine liebestodsüchtigen Frauen.

Wie aber war das reale Leben der griechischen Frauen zur Zeit der Entstehung dieser Stücke, deren Themen ja aus vorpatriarchalen Zeiten stammen?

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Kurz gesagt, es war äußerst unerfreulich! Das Paradox der Hochkultur Athens im 5. Jahrh. v. u. Z. liegt darin, dass sie einerseits eine der ersten echten Volkskulturen war, andererseits aber den größten Teil des Volkes unbeteiligt ließ. Das kulturelle Leben war zwar nicht mehr das Reservat einer dünnen Oberschicht, sondern eine Angelegenheit der großen Masse aller Freien. Diese Freien erhielten aber ihre Existenzmittel vornehmlich durch die Arbeit von Sklaven und konnten sich deshalb um ihre Kultur kümmern, weil ihre Frauen ihnen die Arbeit im Haushalt und bei der Erziehung der kleinen Kinder abnahmen. Die Frauen aber waren ebenso rechtlos wie die Sklaven und ebensowenig an der Schöpfung der kulturellen Werte oder deren Nutznießung beteiligt. Politische Rechte besaßen die Frauen nicht, da diese an die Wehrfähigkeit geknüpft waren, sie vererbten politische Rechte zwar an die Söhne, nicht aber an die Töchter. Diese lernten von ihren Müttern, sofern sie nicht Analphabeten waren, bestenfalls die Rudimente des Lesens und Schreibens, dazu Kochen, Weben, Spinnen, Flicken und Putzen. Der gemeinsame Nenner zahlloser Philosophen über die Minderwertigkeit der Frau liegt in dem Syllogismus, dass Frauen minderwertig seien, weil sie weder das Feingefühl noch die Tugend der Männer besäßen. Deshalb seien sie auch nicht der Erziehung würdig, die man den Knaben angedeihen ließ. Da es aber gerade diese Erziehung war, die den Knaben ästhetisches Feingefühl und ethisches Denken beibringen sollte, lief die männliche Logik darauf hinaus, dass die Frauen minderwertig seien, weil sie keine Erziehung hatten, und dass man ihnen keine Erziehung zu geben brauche, da sie minderwertig seien. Bei ihren ehrbaren aber dumm gehaltenen Frauen langweilten sich die Männer, flüchteten zu den Hetären, die zumindest ein Minimum an Erziehung genossen hatten. Da sie aber unehrenhafte, käufliche Frauen waren, blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu den alten Sexualidealen der Vorfahren zurückzukehren: zu den Knaben, denen sie nicht nur Liebe, sondern auch Wissen schenken konnten.

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Was blieb den Frauen, die mit 16 Jahren in eine Ehe gegeben und ins Haus eingesperrt wurden, an Überlebensstrategie und Lebensfreude? Einige Feste und Riten, die ihnen allein gehörten, Klatsch und Tratsch, Kleidung und Putz und die Freude mit List ihren Tyrannen zu hintergehen. Außer bei der Erzieherin und Dichterin Sappho hätte wohl keine von uns im klassischen Griechenland eine Frau sein mögen, sondern: seien wir froh, dass wir heute leben!

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Gemeinwesen, deren Ehre nur in Kämpfen und Töten besteht, um als Held zu glänzen, die sich in spitzfindigen, philosophischen Gedankengängen ausbreiten, zweifellos schöne Spiele des Geistes, die aber nützliche Arbeiten wie das Herstellen von Nahrung und Kleidung zutiefst verachten, können auf die Dauer nicht gedeihen. Und so kam es denn, dass die Helden der Stadtstaaten sich in Bruderkämpfen zerfleischten.

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Gemeinwesen, wir sehen es jetzt an den islamistischen Ländern, die ihre Frauen verabscheuen und quälen, werden an ihrer Aggressivität zu Grunde gehen. Gemeinwesen, deren Vordenker zur Verachtung der Frauen aufrufen, sind von Gift durchzogen. Mag Aristoteles ein noch so großer Philosoph gewesen sein, ich kann ihm seine Behauptung nicht verzeihen: „Die Frau ist ein verstümmelter Mann. Es gibt eine Sache, die die Frau nicht hat, das Prinzip der Seele.“

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Von den großen griechischen Dichtern war es nur Euripides, der in seinen Frauengestalten: Iphigenie, Helena, Troerinnen, Hekabe, Andromache, Phaedra, Elektra, - das Theater zum Forum im Kampf der Frauen um ein menschenwürdiges Leben machte, dafür aber sofort der Gottlosigkeit und Schamlosigkeit angeklagt wurde. Ein einmaliges Dokument seines so völlig anderen Denkens ist der große Monolog der Medea von 431 v. u. Z. (lesen).      (Buch)

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Die Tragödie war ein festliches Ereignis, eine Welt der Kunst, die Reinigung Katharsis durch Mitleid und Schrecken bewirken sollte. Die Komödie aber schilderte viel mehr vom wirklichen Leben, war derb und zotig, deshalb hatten die Frauen, weil es ja was zu lachen gab, keinen Zutritt. Drei Formen der Komödie gab es: 1.) die theatralische Travestie des Außermenschlichen, - also ein Verulken der Götter, 2.) die Karikatur des Zwischenmenschlichen, - also das Bloßstellen von Verhalten wie Betrug, Geiz, Angeberei u. ä., 3.) die aktuelle Polemik, - also das Eingehen auf politische Machenschaften, - die Themen der Kabarettisten bis heute.

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Aus der Vielzahl der Komödiendichter im Zeitalter der „alten“ attischen Komödie ragen heraus: Krates, Kratinos, Eupolis und der bis heute noch aufgeführte Aristophanes. Nicht singuläre Frauenfiguren wie bei Euripides agieren, sondern Typen mit den ihnen zugehörigen Masken: die keifende Alte, die beschränkte, ewig Staunende, die verfressene Dicke, die ewig Heulende, und das unbekümmert lachende, junge Mädchen.

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Es wird leidenschaftlich-komisch getanzt, die Körper sind grotesk ausgestopft, Kostüme, der Phallos, Kopfputz und Schuhwerk tragen zur Charakterisierung bei, so dass die Zuschauer sofort erkennen, wer die Szene betritt.

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Die Komödie des Aristophanes „Lysistrate“, in der die Frauen Athens und Spartas einen Sex-Streik durchführen, um die Männer vom unsinnigen Krieg der beiden besten Hellenenvölker abzubringen, könnte doch bei den heutigen Kommunikationsmöglichkeiten in den technisierten Ländern und der größeren Solidarität der Frauen ein Vorbild für Frieden schaffende Maßnahmen sein! Nachhaltig war die Abstinenz leider damals nicht. Man prügelte sich in Kleinasien, man prügelte sich in Makedonien, man prügelte sich in Sizilien und es prügelten sich die Stadtstaaten untereinander, bis der lachende Dritte, die aufstrebende Weltmacht Rom zu Hilfe gerufen wurde, 148 v. u. Z. wird Makedonien römische Provinz. 146 wird Griechenland als Achaia römische Provinz, 133 wird das Reich Pergamon als Asia römische Provinz, Pontos und Syrien werden einverleibt, im J. 30 bringt sich Kleopatra um, Ägypten wird römische Provinz. In Hellas wurde das politische Potential vom Geist her geformt mit der demokratisch regierten Polis als Mittelpunkt. In Rom ging der Impetus aller staatsbildenden Kräfte von militärischen und ökonomischen Machtbestrebungen aus, deren kulturelle Ausformung zwar erfreulich, aber keineswegs lebensnotwendig war. Die „Polis“ und die „res publica“ waren grundverschieden. Im von oben regierten Imperium Romanum hatte die Bevölkerung keine Gelegenheit zu öffentlichen Kundgebungen, sondern nutzte die Prunkaufführungen im Theater zu gemeinsamer Zustimmung oder Beschwerde, von den Herrschenden aufmerksam beobachtet. Prachtvolle Theaterbauten entstanden nach griechischem Vorbild, die wie z. B. Orange heute noch genutzt werden, in Nordafrika z. B. Dougga, in Syrien Bosra, in Germanien Xanten und Trier. Auch das römische Theater hat kultische Ursprünge und entwickelte sich zunächst aus regionalen Festen. Bei den Oskern in Campanien, im Städtchen Atella entstanden die Atellanen-Spiele, von Berufsschauspielern aufgeführte Tragödien mit heiterem Nachspiel.

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Ein Stehgreifspiel, von Pomponius und Novius in literarische Form gerettet, ein Typentheater, wie die später von Carlo Goldoni im 18. Jahrh. gerettete Commedia dell’arte. Komische Situationen, vor allem aber geschmeidiger Wortwitz zeichneten die Atellanen-Spiele aus. Die großen, bleibenden römischen Komödiendichter sind Titus Maccius Plautus (ca. 244 – 189 v. u. Z.) und Publius Terentius Afer (200 – 159 v. u. Z.). Mit ihnen erringt das römische Theater Weltrang und bis zum heutigen Tage weiterlebende Wirkung. Unvergessen ist des Plautus Komödie „Miles gloriosus“. Der Bramarbas, Uraufführung im Jahr 204 v. u. Z., der Typ des Prahlhals und Maulhelden, der überlistet wird vom jugendlichen Liebespaar. Er lebt fort im Falstaff und im Ochs von Lerchenau.

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Die Frauenfiguren im „Miles“ sind: die junge Griechin Philocomasium, von Pyropolinices entführt, aber in Pleusicles verliebt. Sie spielt auch die Doppelrolle einer vorgetäuschten Schwester. Dann die Dirne Acroteleutium, die eine tugendsame Dame vortäuscht, die in den Bramabars verliebt ist. Natürlich bleibt der Schwätzer am Schluss blamiert und verprügelt zurück. Plautus war selbst Atellanen-Spieler, weitgereister Kaufmann, in schlechten Zeiten Müllerknecht und Theaterdiener, bis seine Stücke, - 130 schreibt man ihm zu, - großen Erfolg hatten.

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Der Bedarf an Komödien war groß und mancher Autor ist vergessen. Großen Erfolg hatte der keltische freigelassene Caecilius, gut „gemanagt“ von Truppendirektor und Spielleiter Ambivos, der danach den bedeutendsten, nämlich Terenz, unterstützte, den Dichter der Nobiles, auch ein freigelassener Sklave, der in Aristokratenkreisen verkehrte, von dem 6 Stücke erhalten sind. Das bekannteste ist: „Der Eunuch“, Uraufführung i. J. 161 v. u. Z., eine quirlige Liebeskomödie, deren Frauenfiguren die Hetäre Thais, die junge Pamphilia, die schlaue Dienerin Pythias, sind. Das männliche Personal sind: der bramabarsierende reiche Soldat Thraso, der hübsche Liebhaber Phaedria, der als Eunuch verkleidete Chaerea, der schlaue Sklave Parmeno. – Nur sechs Jahre konnte er seine Erfolge genießen, aber seine Wirkung geht über die Jahrhunderte, denn besonders die Humanisten der Renaissance befassten sich mit ihm. Sein Frauenbild ist zart, er ist voll Verständnis, während Plautus ein derber Frauenverächter ist, seine Sexualität ist grob, während Terenz Rührung, Gemüthaftigkeit und bei aller Komik einen feinen Zug zur Empfindsamkeit zeigt.

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Die Feinheiten der Sprache wurden vom Völkergemisch des römischen Weltreiches natürlich nicht überall verstanden, und so wurde eine Theaterform, die ohne Worte auskam, äußerst populär: der „Mimus“. Es war eine ausdrucksvolle Tanz-Pantomime, in der ein Tänzer oft ganze Tragödien aus der Mythologie darstellte. Namen großer Tänzer sind bekannt, da die ordnungsliebenden Römer für eine korrekte Aktenlage sorgten, auch wer die Spiele finanzierte, organisierte, inszenierte. Die Pantomimen-Tänzer Mnester, Pylades, Bathyllus waren hoch geachtet, wurden gefeiert wie heute Popstars. In diesem Genre gab es auch Berufs-Tänzerinnen, auch sie tanzten die großen klassischen Tragödien und Komödien, manchmal sogar als Hosenrolle, wie Helladia, deren Spezialität der „Hektor“ war. Eine wurde sogar Kaiserin: Theodora an der Seite Justinians (527 – 565 n. d. Z.).

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Inzwischen trat in Galiäa ein bescheidener, liebenswerter Wanderprediger auf, umgab sich mit armen, einfachen Leuten und, - wie abscheulich, - mit Frauen. Er predigte Sanftmut und Nächstenliebe, sogar Feindesliebe und versprach den Menschen guten Willens statt des grauen Hades ein Paradies nach dem Tode. Das Leben der Frauen in Rom unter der Knute des pater familias, des Ehemanns, des Bruders verlief in Recht- und Besitzlosigkeit, sie durften zwar die Theater besuchen, aber sie waren Sachen wie Tiere und Sklaven. Beglückt nahmen viele die neue Lehre auf, dürften sich als Menschen fühlen, organisierten Gemeinden, lehrten und taten Gutes. Die Atmosphäre der Zeitenwende schildert äußerst lebendig Oscar Wilde in seiner „Salome“. Die Dichter Catull, Sallust, Horaz, Ovid schrieben perfekte Lyrik, bleibende Frauenfiguren schufen sie nicht. Das römische Weltreich hatte sich überdehnt und trotz der fabelhaften Organisation, der einheitlich eleganten Bauweise, der Transportwege, der schönen Kleidung (wenn man Geld hatte) hätte ich, - bei aller Bewunderung, - in dieser knallharten Männerwelt als stumme rechtlose Sache nicht leben mögen! Also: Seien wir froh, dass wir heute leben!

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Das Kaisertum pervertierte, die Völkerwanderung brach herein, bescherte uns das Nibelungenlied, das Urchristentum brachte den Frauen ein paar Jahrzehnte Wertschätzung, aber schon geiferten die Kirchenväter. Paulus verbot ihnen das Lehren und das Reden, aber ich werde mich hüten, Weiteres zu zitieren, es könnte ja noch Rest-Patriarchen geben ...!

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Im Jahre 312 siegte Constantin über Maxentius, 313 wurde im Toleranzedikt von Mailand das Ende der Christenverfolgung proklamiert, das Christentum wurde Staatsreligion, das Theater wurde christlich, Westrom endete durch Odoakar, Ost-Rom, Byzanz blühte auf unter Justinian, der ja schließlich mit einer Theaterfrau verheiratet war. Alle griechisch-römischen Theaterformen waren lebendig, aber aus den kirchlichen Feiern zu Ostern und Weihnachten entwickelten sich die geistlichen Spiele aus den beweglichen Teilen der Messe, die nach und nach nicht nur gesungen, sondern auch dargestellt wurden. Urpflanze des Versuchs innerhalb der liturgischen Schranke eine Versinnlichung mit mimisch-dramatischen Mitteln herbeizuführen ist der Tropus zum Oster-Introitus: „Quem quaeritis o christicolae?“ Aus der visitatio der drei Marien am Grabe Jesu und dem Gespräch mit dem Engel und Jesu Erscheinung als Gärtner erwuchs im Laufe der Jahrhunderte der vielästige Baum des abendländisch religiösen Kirchenraum-Theaters. Sehr zum Ärger des Patriarchen Joh. Chrysostomus, der wider das „Theater des Teufels“ predigte und zum Erstaunen von Bischof Liutprand, der 968 / 69 als Gesandter Otto I. die Verwandlung der Hagia Sophia in ein Theater erlebte.

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Wie ein Mosaik gestaltete sich das geistliche Theater aus der Überschichtung von griechischer Antike und neuem Christentum. Ein unbekannter Verfasser im 11. Jahr-hundert lässt Maria und alle die anderen heiligen Gestalten umgeformte Verse aus den Werken des Euripides sprechen und so lebt Medea versteckt unter dem Mantel der Muttergottes weiter!

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Was immer man über das Stück „Christus paschon“ denken mag, es hatte Erfolg und zeugt von genauer Kenntnis der griechischen Tragiker und ihrer Lebendigkeit. Die geistlichen Spiele wachsen über den Kirchenraum hinaus auf die Marktplätze, aus dem fröhlichen Dionysos wird der Teufel, es entwickeln sich Passions-Propheten- und Legendenspiele und hin und wieder darf sogar eine weibliche Darstellerin mitspielen. Die wichtigsten Frauenfiguren waren Maria, die Mutter Jesu und Maria Magdalena. Wo alle Rollen Typen sind, ist Magdalena die erste mittelalterliche Bühnengestalt, die eine seelisch-charakterliche Entwicklung, einen Auffassungswandel des Weltbildes, eine grundlegende Umkehr ihrer Seinsweise zu spielen hatte.

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Aber die Leute wollten auch lachen und so schlugen die Spielleute und Gaukler im Bereich des weltlichen Theaters die Brücke zwischen Antike und Mittelalter. In Süd-Frankreich entstand die Kunst der Troubadours, von deren Galanterie wir heute sogar manchmal noch etwas profitieren.

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Aus den Frühlings-Reigen und kultischen Frühlingsläufen – zum Winter austreiben – vorchristlich germanischer Zeit entwickelten sich die Fastnachtsspiele und die deftigen Farcen, von Burschenbünden organisiert und gespielt, Alltagsgeschichten in Kurzform mit viel politischer Satire, Übertreibung der Leidenschaften in Zornesausbrüchen, grellem Lachen und Weinen. Eben dadurch wird das Fastnachtspiel, das in seinen Anfängen völlig unliterarisch und nur als Anstoß zur komisch-theatralischen Verkörperung erfassbar ist, auch von seinem holzschnittartigen Aufführungsstil her vollendeter Ausdruck einer ganzen Epoche. Beispiel: Hans Sachs (1494 – 1576). An Plautus und Terenz geschult, schrieb er 4275 Meisterschulgedichte, 1700 Erzählungen, 208 dramatische Dichtungen.

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Im 14. und 15. Jahrhundert existierten noch zwei wichtige, ernsthaft moralische Theaterformen: die Totentänze und die Moralitäten-Spiele, deren Figuren Abstracta in ihren Gegensätzen waren; der Kampf der guten und der bösen Seelenkräfte: Fides streitet gegen Idolatria, Pudicitia gegen Libido, Patientia gegen Ira, Superbia gegen Humilitas. Ein noch lebendes Moralitäten-Spiel ist H. v. Hofmannsthals „Jedermann“, das jährliche große Ereignis vor dem Dom in Salzburg, prominenteste Frauenfigur ist die „Buhlschaft“. Kathedralen und Dämonenwahn, Frauenfeindschaft und Jungfrauenkult, Kreuzzüge und Raubritter, feinste Handwerkskunst und verkotete Straßen, Pest und Minnegesang, edle Heiligenbildnisse und Hexenverbrennungen, also: Seien wir froh, dass wir heute leben!

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Kaum ist jemals ein neues Zeitalter so jubelnd und mit so viel Erwartungen begrüßt worden wie die Renaissance. Seit Cimabuë, der Vorläufer Giottos, um 1300 vermutlich zum ersten Mal den Ausdruck „rinascimento“ als Kennwort der neuen Bewegung brauchte, wurde es zum Schlachtruf an der Wende zweier Weltalter und zum Symbol einer in mehreren großen Wellen vorangetragenen Kulturentwicklung, die in ihrer wandelnden Kraft nicht nur alle Künste, sondern den gesamten Lebensstil, einschließlich der politischen Lebensform erfasste. Die Perspektive, die naturwissenschaftliche Forschung im Kampf mit der Kirche, das Individuum erhob sich über den Typus, spanische und englische Dichter schrieben Stücke, die heute noch lebendig sind. „Lope de Vega“, „Tirso de Molina“, der den Don Juan-Stoff zum ersten Mal dramatisierte, und dessen quirliger „Don Gil von den grünen Hosen“, ein Mantel- und Degen-Stück immer noch ein Leckerbissen im Spielplan ist, dazu Calderon de la Barca, Spaniens größter Dichter, von dessen etwa 400 Bühnenstücken 108 überliefert sind, und der sowohl die geistlichen Festspiele als auch die pfiffigen Komödien beherrschte, z. B. Dame Kobold, in der Dona Angela mit vorgetäuschtem Spuk und viel Schlauheit sich den Mann ihres Herzens erkämpft. Aber immer noch sind Frauen Sachen, Verhandlungsmasse des Patriarchen , der sie nach Gutdünken in eine Ehe geben konnte, wie der ehrbare „Richter von Zalamea“, der seine Tochter Isabel zur Herstellung der Familienehre ihrem Vergewaltiger in die Ehe gibt, was uns an die Zwangsehen heutiger muslimischer Mädchen erinnert.

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Das größte, fruchtbarste Genie der Zeit war natürlich William Shakespeare (1564 – 1616), der einen wahren Kosmos von Werken unterschiedlichster Art, vom bluttriefenden Geschichtsdrama, der Verarbeitung antiker Vorlagen, trauriger Liebesgeschichten und pikanter Komödien schuf. Er war wie Euripides ein Praktiker und seine Frauenfiguren sind keine Typen, sondern Charaktere, die eine Entwicklung durchlaufen. Da ist die jugendlich liebende Julia im Zwang der Familienfehde, die mit ihrem Tod uns auch heute noch rührt, die machtbesessene Lady Macbeth, deren Gewissen sie in den Wahnsinn treibt, die lichte Desdemona, die das Opfer von Othellos Eifersucht wird, - es lohnt sich, in seine Welt einzutauchen und zu lesen, da heutige hirnrissige Regisseure die Stücke ja derartig entstellen, dass man sich nur noch ekelt, - jammerschade!

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Um 1600 entstand auch eine Kunstform, in der die „camerata“ um den Grafen Bardi in Florenz das antike, musikalisch geschmückte Drama wiedererwecken wollte. Es entstand die „Oper“, der schönste Irrtum der Kulturgeschichte, der uns bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts die unterschiedlichsten Frauenfiguren schenkte. Während im 17. Jahrhundert in Deutschland der 30-jährige Krieg tobte, entstand in Frankreich eine große dramatische Literatur, die Klassiker Corneille und Racine führten die Schönheit der Sprache zum höchsten Gipfel, aber ihre Themen sind wiederum der Antike oder der Geschichte entnommen, wie die großartige „Phädra“ von Racine. Sie verblassten im Laufe der Zeit, aber höchst lebendig geblieben sind die in der französischen Farce wurzelnden Werke von Molière, der durch zugespitzte Charakteristik, Herausmeißelung bestimmter menschlicher Eigenschaften: Geiz, Heuchelei, Misanthropie, Hypochondrie die Kunst der Komödie auf einen weithin leuchtenden Gipfel führte. Seine Frauenfiguren: Ehefrauen, Töchter, Kammerzofen, -sind schlau und kokett, - die Überlebensstrategie der Zeit, - in der die kulturelle Entfaltung nicht mehr Sache der Bürger, sondern der Höfe war. „Trionfi“ zu Ehren der Herrscher mit fantastischen Maschineneffekten, an denen in Italien selbst ein Genie wie Leonardo da Vinci beteiligt war, ließen die Stände auseinander brechen. Der Hof lebte im Luxus, das Volk verarmte und wurde dumm gehalten, bis sich am Ende des 18. Jahrhunderts nach dem unglaublichen Pomp des Barockzeitalters - des überfeinerten Rokoko - die französische Revolution – Beaumarchais schrieb „Ein toller Tag“ -, den freien Bürger in liberté, égalité, fraternité nach grausamen Wirren hervorbringt, - natürlich nicht die freie Bürgerin, das dauerte noch mehr als 150 Jahre.

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Die Frauenfiguren der deutschen Klassik sind blass, an den Tugenden der Antike oder des Pietismus orientiert: Leidensfähigkeit, Schweigsamkeit, Liebesfähigkeit, also echte Patriarchengeschöpfe wie Goethes Gretchen und Iphigenie, Schillers Jungfrau von Orleans und Luise Miller. Vielleicht wäre es reizvoll gewesen als adlige Dame an einem italienischen Musenhof in Florenz oder Ferrara im 16. und 17. Jahrhundert gelebt zu haben, Gift und Dolch waren aber schnell bei der Hand, die Inquisition war mächtig, und wehe auch der schönsten, klügsten Frau, wenn sie in Ungnade fiel. Also beenden wir auch das 16., 17. und 18. Jahrhundert mit dem Satz: Seien wir froh, dass wir heute leben!

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Hatte die Aufklärung die Menschen - natürlich nur die Männer und einige wenige Frauen - das wissenschaftliche Denken, den methodischen Zweifel gelehrt und ihn aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“, wie Kant es sagte, geführt, so setzte das 19. Jahrhundert die Industrialisierung in die Tat um, kämpften freiheitliche Kreise um die parlamentarische Demokratie, aber gleichzeitig gab es Strömungen von Romantik, biedermeierlicher Zurückgezogenheit und den Historismus. Die Macht der Religion war wenigstens so weit zurückgedrängt, dass nicht jede Ungerechtigkeit als gottgewollt akzeptiert wurde, die ständische Ordnung wankte, nach und nach wurde die Sklaverei abgeschafft und endlich erkannten einige Dichter, dass auch Frauen Individuen mit speziellen Eigenschaften und Bedürfnissen sind. Zaghaft verlangen die Frauen ein Recht auf Bildung; der Freiheitskampf nach Jahrtausenden patriarchaler Herrschaft begann, natürlich auf das Heftigste hintertrieben, auch von R. Wagner, für den das Weib ein Gattungswesen war, nur dazu bestimmt, dem Mann zu dienen und ihn geradezu zwanghaft zu lieben.

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Die Frauenfiguren des 19. Jahrhunderts spiegeln die unterschiedlichen Strömungen in der Sicht der Dichter. Da ist Kleist’s somnambul liebendes „Käthchen von Heilbronn“, aber auch seine lebenstüchtige „Marthe Rull“ im „Zerbrochenen Krug“, eine ältere, robuste Frau, eine Figur, die bisher nur negativ verzeichnet als keifende, böse Alte in den Komödien fürs Volk erschien. Diese „patente Frau“ aus dem Volk kommt wieder im Naturalismus Gerhard Hauptmanns als „Frau Wolff“ im Biberpelz, als Brechts harte „Mutter Courage“ bis zu den Fernseh-Serien wie „Die Unverbesserlichen“. In den Romanen der Zeit beginnen die Dichter und später Siegmund Freud zu entdecken, dass Frauen auch erotische Bedürfnisse haben, und dass deren gewaltsame Unterdrückung zu gesundheitlichen Katastrophen führt. Georg Büchners Fragment „Woyzek“ zeigt uns in der Figur der lebenshungrigen „Marie“ die Zwänge der Standesgesellschaft und die Zwänge religiöser Indoktrination, und so muss sie vernichtet werden. – Ich habe es in der Oper am eigenen Leibe erlebt!

Vernichtet wurden auch die liebenden Frauen: Flauberts Madame Bovary. Dostojewskis Anna Karenina, Walter Scotts Lucia di Lammermoor, Alexandre Dumas Cameliendame, Hebbels Mariamne, Brunhild und Kriemhild, Ibsens Nora und Strindbergs Albtraumfrauen, alle Frauenfiguren R. Wagners bis auf das heitere Meistersinger-Evchen und die zähe Ortrud, Prosper Merrimés Carmen, Oscar Wildes Salome, Wedekinds Erdgeist-Lulu. Wie zu bemerken ist, sind viele in die Opernliteratur eingegangen, weil es doch so poetisch ist, wenn eine schöne Frau stirbt. Angesichts dieser Leichenberge toter Frauen, deren Verbrechen darin bestand, dass sie liebten, wiederhole ich mein Rondo: Seien wir froh, dass wir heute leben!

Im zweiten Weltkrieg brach das männliche Heldenideal im Inferno der Zerstörung zusammen und die Töchter und Enkelinnen der Überlebenden lassen sich nicht mehr ihre Inferiorität indoktrinieren. Unsere Zeit ist zwar unpoetisch, dafür können wir aber ein recht selbstbestimmtes Leben führen, denn die Erklärung der Menschenrechte der UN von 1948 und das deutsche Gleichheitsgesetz von 1957 – das noch etlicher Verbesserungen bedurfte -, sind Grundlagen, die hoffentlich bald zu einem globalen Konsens führen.

Das Fernsehen hat Bühne und Buch beerbt und bietet uns Frauenfiguren so vielfältig wie die Menschen nun mal sind. Aber wer nicht hinschauen mag, drückt den Knopf. Die Kunst hat sich aufgespalten in unendlich viele Richtungen, von der immensen Unterhaltungs-Industrie bis zur „Neuen Musik“, die nachts aus dem Radio fiept. Aber auf Tonträgern und DVD kann sich jeder in die Nähe holen, was seine Seele braucht. Die Technik ist das Medium unserer Zeit, hilft uns die alten Schätze zu hüten und neue Klänge und Farbenspiele zu erfinden. Keine kreative Frau wird mehr daran gehindert: Also: Freuen wir uns, dass wir hier und heute leben!

 

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Leserbrief
 

Sehr verehrte Frau Prof. Gilles,

nach einer kurzen Reise möchte ich Ihnen meine Eindrücke von dem Leipziger Abend schreiben. Wir hatten ja nach der Veranstaltung keine Möglichkeit zum Austausch mehr.

Ich fand es gut, dass nach langem Anlauf diese Veranstaltung zustande kam. Es war sehr interessant, die Meinungen im Podium zu hören. Da hat mich einiges schon überrascht, vor allem wie Herr Scholz und auch Herr Heinicke sich doch zunächst scheinbar eindeutig positioniert hatten. Ich kenne die Musiktheaterkritiken von Herrn Scholz und ich kenne einige Inszenierungen von Herrn Heinicke in Chemnitz. Da glaubte ich zeitweise, meinen Ohren nicht zu trauen. So nach und nach wurde aber doch deutlich, wie viel Respekt Regisseuren wie Konwitschny, Herheim und selbst Kosky doch entgegengebracht wird. Dass Herr Heinicke nicht nur sich sondern gleich seinen Berufsstand angegriffen sah als ich mich als Gegner des Regietheaters zu erkennen gab, war für mich nicht nachvollziehbar aber aufschlussreich.

Für mein Empfinden kam das Publikum zu wenig zu Wort, kein Wunder wenn der Moderator alles das tut, was ein Moderator unbedingt zu unterlassen hat: Publikumsbeiträge kommentieren bzw. werten, Publikumsbeiträge abwürgen, dem Sprechenden ins Wort fallen, ständig unterbrechen.

Ich hätte auch noch einige Fragen bzw. einiges beizutragen gehabt, fühlte mich aber ausgebremst. Allerdings musste ich einige Fragen an Herrn Heinicke dann wenigstens im Anschluss noch loswerden. Ich wollte schon gerne wissen, warum er seinen Chemnitzer Tristan in der Villa Wahnfried verortet. Er meinte, dass sei symbolisch, Wagner sei doch Tristan. Ich bestätigte ihm, dass mir das bekannt sei und Isolde Mathilde ist - dass ich aber keinen Bezug zur Villa Wahnfried sehe.... und ich es nicht nur irritierend, sondern falsch finde, wenn Tristan auf einem Sofa in der Bibliothek von Wahnfried seine Qualen leidet und Kurwenal überm Flügel gebeugt. Ich äußerte auch meine Meinung zu den Meistersingern, die im Museum spielen u. erklärte mich mit seiner Charakterzeichnung des Hans Sachs nicht einverstanden, der als lustiger Greis auch gleich mal den Pinsel und das Tanzbein schwingt. Na ja, wir waren sehr unterschiedlicher Meinung.

Herr Voigtländer und ich kamen dann noch mit einem jüngeren Mann kurz über die Welser Inszenierung ins Gespräch, die dieser nur abwertend kitschig fand. Für uns waren es Sternstunden, wie auch die Inszenierungen von Otto Schenk.

Es ist schon interessant, mal die Geschichte der Kritik des Regie /Regisseurstheaters zu verfolgen. Wenn man bedenkt daß schon in den fünfziger Jahren (12.Febr. 1954) Kurt Overhoff einen Entwurf für ein ’Gesetz zum Schutz für Geistesprodukte vergangener Jahrhunderte’ an die Bundestagsabgeordneten, die Kultusminister und an Intendanten westdeutscher Theater geschickt hat:

"Im Nachfolgenden erlaubt sich ein Künstler allen Persönlichkeiten, die zum Schutz und zur Betreuung der kulturellen Güter der Nation eingesetzt sind, eine ernste und dringende Anregung zu unterbreiten: es müsste ein Gesetz zum Schutz für Geistesprodukte einer vergangenen Epoche geben, durch das einer nachweislich groben Entstellung von Werken der Literatur und Musik ein Riegel vorgeschoben wird, genau so, wie das Gesetz Beschädigungen oder Verstümmelungen alter Bilder und Bauten verbietet.

Dieses Gesetz müsste einem Kläger die Möglichkeit geben, beweisbaren Verfälschungen eines dramatischen Werkes, die durch Mißachtung oder Verkehrung der vom Schöpfer des Werkes unmissverständlich vorgeschriebenen Anweisungen entstehen, entgegentreten zu können. Denn es kann durchaus klar abgegrenzt werden, wo die Dinge aufhören, Fragen des Geschmacks, der Auffassung und der sogenannten künstlerischen Freiheit zu sein, und wo sie angefangen haben, Verunglimpfung höchster Kulturgüter zu werden. Die klar gezogene Grenzlinie liegt dort, wo unmissverständlich deutliche Vorschriften des Schöpfers bewusst missachtet oder pervertiert werden. ... Schließlich ist auch die schriftliche Fixierung des Schöpferwillens eine Verpflichtung für die Nachwelt, die den gleichen Rechtsschutz wie jede andere Willensbekundung einer verstorbenen Person zu genießen hat."

Overhoff hatte keinen Erfolg wie auch 60 Jahre später Bernd Weikl mit seiner Strafanzeige gegen den Intendanten der Düsseldorfer Oper und gegen den Regisseur des Nazi - Tannhäuser ins Leere lief. 1982 äußerte Marcel Prawy die Hoffnung "durch die selbst herausgeforderte Notwendigkeit der Regisseure, ununterbrochen neue Ideen oder Ideechen zu erfinden, werden sich diese bald totgelaufen haben. Dem Regisseur des Jahres 2000 wird hoffentlich nichts mehr übrigbleiben, als das Werk des Autors zu inszenieren. Das wird als kühne Avantgarde gelten."

Noch 20 Jahre musste Prawy unter seinem Irrtum leiden, weiteres blieb ihm erspart, nicht so den späteren bis heute.

Sehr gerne hätte ich an dem Leipziger Abend noch Kurt Pahlen zitiert, aber wie schon gesagt....

"Ich klage an: die Regisseure, die um ihres persönlichen ’Ruhms’, ihrer oft maßlos überhöhten Gagen und ihrer zumeist negativen Lebenseinstellung willen Werke missachten, der Lächerlichkeit aussetzen, verfälschen und im tiefsten Grunde unverstanden auf die Bühne bringen.
Ich klage an: die Direktoren und Intendanten, die oft ihre eigene - bessere - Überzeugung unterdrücken und verleugnen, um ein erhöhtes Echo in den Medien zu erzielen. Und
ich klage diese Medien selbst an, die dieses gefährliche, oft schändliche Tun, das für die Kunst keinen Fortschritt bringen kann, unterstützen.
Ich klage sie an im Namen ungezählter Opernfreunde, die geliebte Werke nicht mehr so hören können, wie ihre Autoren sie sich zweifellos gewünscht haben. Und im Namen der jungen Generation, die Opernwerke zum ersten Mal im Leben vernimmt und nicht ahnen kann, daß sie manchmal der Sensation zuliebe statt bewundernswerter Meisterwerke nur Fälschungen vorgesetzt erhält."

Dem kann ich mich nur vollinhaltlich anschließen.

Nun soll’s genügen.

Ihnen und Ihrem Mann die herzlichsten Grüße

Marion Veit - Leipzig


 
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Kommentar

 


“Das kostet uns richtig viel Geld.
Mit welchem Recht sagen wir, die Infrastruktur-
Einrichtung Theater ist wichtiger als die
 Infrastruktur-Einrichtung Stadion?”,
fragte er rhetorisch in den Saal,
der mit großem Applaus antwortete."

Regensburger Wochenblatt am 16.11.2010 über eine
 Aussage von Bürgermeister Wolbergs während einer
 Podiumsdiskussion zum Neubau eines Fußballstadions in Regensburg.


 


Inzwischen steht das Stadion in Regensburg und ist im Schwarzbuch vom Bund der Steuerzahler kritisch vermerkt.
Die Stadt hat nun ein kaum besuchtes Stadion und ein teilweise akzeptiertes Theater.
Ein Kongresszentrum, über das sei dem Ende des letzten Jahrhunderts diskutiert wird, ist auch wieder im Gespräch. Nun nicht mehr am Donaumarkt, sondern direkt gegenüber dem Hauptbahnhof.
Der Name ’RKK’ wird trotz der Nähe zur Akürzung der ’Reichskulturkammer’ beibehalten, nachdem man den ersten Begriff ’RKZ’ dann doch verwarf.
Wie die Regensburger Bevölkerung in Bezug auf das Theater reagierte, lässt sich unschwer aus dem o.a. Kommentar ableiten.

In einem öffentlichen Symposium am 25. Oktober 2016 erläuterte der damals noch nicht suspendierte Oberbürgermeister aber:
’Sollte es der Stadt Regensburg einmal finanziell schlechter gehen, müsse man eben eine Sparte schließen.’

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Die Medien berichten schon seit vielen Jahren über Sparprogramme und sogar Schließungen von Theatern.

Im Juli 2013 schrieben verschiedene Zeitung, so auch der ’Spiegel’ über das Ende des Schauspiels in Wuppertal.

Das Theater Rostock soll im Streit um die Gelder nur noch zwei von damals vier Sparten führen. Das Schauspiel solle erhalten bleiben, sogar mehr Stellen bekommen, dafür müsse das Orchester Planstellen abgeben.
Von der Stadt Senftenberg wechselte daraufhin der Sprechtheater- Spezialist Sewan Latchinian nach Rostock. Er war für diese neue Konstellation - Schauspiel und Orchester – der richtige Mann.
Dann aber änderte die Stadt ihre Pläne: Es sollte nun in Rostock ein reines Opernhaus mit entsprechendem Ensemble und Spielplan eingerichtet werden. Die Idee kam von Stefan Rosinski, dem Volkstheater-Geschäftsführer. Tanz und Schauspiel sollten als Gastspiele in die Stadt geholt werden.

Günstige Gelegenheit, dem schwierigen Intendanten Latchinian – er hatte die Kulturpolitik Theaterpolitik in Mecklenburg-Vorpommern mit der Kulturzerstörung durch den IS verglichen - zu kündigen, denn als Schauspielmann war er für die Oper überflüssig – so Bürgermeister Methling.

Die Stadt stimmte Juni 2016 zu, alles was in der Ära Latchinian schon schief gelaufen war, wurde aufgezählt, um den Vertrag aufzulösen.
http://www.tagesspiegel.de/kultur/volkstheater-rostock-sewan-latchinian-intendant-soll-nach-is-vergleich-entlassen-werden/11559064.html

Das Arbeitsgericht hob die Kündigung im Dezember 2016 auf, der Intendant müsse weiter beschäftigt werden.
Nun will die Stadt erneut eine Beendigungs des Arbeitsverhältnisses durchsetzen, da der Intendant in einem Interview auf Youtube die Bürger Rostocks als ’Hansel’ bezeichnete, außerdem sei die Politik der Stadt und des Landes ’kulturlos’.

Daraufhin Sybille Bachmann, Aufsichtsratschefin des Volkstheaters und Fraktionsvorsitzende des Rostocker Bunds “Er wird nie mehr Intendant in Rostock sein. Es geht ihm im Rechtsstreit gegen das Theater nur ums Geld, um eine Abfindung.“
(06.02.2017 20:32 Uhr – Ostsee-Zeitung.de)
http://www.ostsee-zeitung.de/Region-Rostock/Rostock/Kultur/Volkstheater/Ex-Intendant-Sewan-Latchinian-beleidigt-Hansestadt

Zu dem Querelen um den Intendanten kamen noch geldpolitische Probleme. So berichtete die Ostsee-Zeitung am 18.06.2016:

Zitat
Das Gesellenstück des Kulturministers, Mathias Brodkorb (SPD, 38), soll es werden: eine Theater-Reform, die den Bühnen des Landes Bestand und Angebotsvielfalt sichert – bei stabilen Kosten. Nun dreht der Wind: Die Reform stecke fest, nach der Landtagswahl werde neu sortiert, ist auch aus SPD und CDU zu hören. Offiziell steht man zu Brodkorb. Die Opposition aber fordert Korrektur. Das Land hat den Zuschuss für Theater jetzt von 35,8 auf 38,1 Millionen Euro erhöht, um nicht ständig Defizite ausgleichen zu müssen. Dennoch reicht das Geld nicht.

2,4 Millionen Euro fehlen dem Theater Vorpommern im kommenden Jahr, da Haustarife auslaufen. In Neubrandenburg/Neustrelitz fehlen fast 480000 Euro in 2016. Rund 60 der insgesamt 480 Mitarbeiter sollen beim fusionierten ’Staatstheater Nordost’ gehen. In Rostock stehen 35 von 270 Beschäftigten noch in diesem Jahr auf der Streichliste. Das Volkstheater versinkt im Chaos: Intendant Sewan Latchinian ist gefeuert, Noch-Geschäftsführer Stefan Rosinski nach eigenen Angaben nicht an aktuellen Gesprächen zur Umstrukturierung des Hauses beteiligt. Neuer Intendant soll Joachim Kümmritz, bisher aktiv in Schwerin und Neustrelitz, sein. „Ich versuche, Ruhe und Struktur in den Laden zu bringen“, sagt er. Es fehle an „Besuchern, Verträgen, klaren Entscheidungen“. Auch im Staatstheater Schwerin, das im August mit dem Landestheater Parchim fusionieren soll, klaffen Lücken im Etat. Für 2018 fehlen laut Plan fast 800000 Euro.
Zitatende
http://www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/MV-aktuell/Politik/Reform-geplatzt-Den-Theatern-laufen-Kosten-aus-dem-Ruder

http://www.zeit.de/kultur/musik/2015-04/volkstheater-rostock-latchinian-kulturpolitik


Das sind nur drei Beispiele wie in Deutschland immer wieder die Theater in die Schlagzeilen geraten.
Das ist allerdings nicht neu.
Doch ist inzwischen in manchen Ratsstuben eine gewisse Müdigkeit festzustellen, sich immer und immer wieder mit den lokalen Kulturstätten auseinanderzusetzen.

So kommt es auch zu rigorosen Überlegungen:

Da geht der Düsseldorfer OB (SPD) davon aus, man könne doch das denkmalgeschützte Schauspielhaus abreißen statt es zu sanieren und wenn was Neues an der Stelle wieder gebaut würde, könnte man doch ein Kongress- oder ein Einkaufszentrum dort hinstellen. Das Schauspiel komme dann im Stadtgebiet irgendwo hin. Inzwischen sind 60 Millionen Euro in die Sanierung geflossen – und dabei wird es nicht bleiben, denn nun ’bröckelt’ auch die Fassade.

In Augsburg wollten Bürger eine Theatersanierung verhindern, da die Finanzierung nicht eindeutig geklärt sei. Das Quorum kam nicht zustande, es waren ’irrtümlich’ Minderjährige mit ihren Unterschriften dabei oder Nicht-EU-Bürger oder Personen nannten ihre Namen, die dann in ihrer Zuordnung zu Personen nicht möglich waren. Nun kann also saniert werden. Kostenpunkt aus heutiger Sicht 186 Millionen Euro.

Sprengen wollte in Frankfurt am Main der ’rote Rudi’ (Rudi Arndt, SPD, ist gemeint) die Ruine der Alten Oper.
Eine Bürgerinitiative setzte sich für den Wiederaufbau ein – heute ist der Konzertsaal eines der schönsten Gebäude in Frankfurt.

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Auch in Trier müsste das Haus renoviert werden.
Was aber passiert, wenn man einer Verwaltung die Erfüllung von Aufgaben überlässt, die sie nicht bewältigen kann, zeigt sich dort.

Es wird jemand als Generalintendant engagiert, der im ländlichen Raum in Bayern ein kleines Theater führt. Sein Vorgänger dort war Peter Nuësch, er davor Leiter des Turmtheaters in Regensburg.

2015 also kam der aus Rott am Inn und übernahm die künstlerische Leitung in Trier.
Vom Sommer 2016 ab wurde er per Dienstordnung auch zuständig für die kaufmännische Leitung des 3-Sparten-Hauses. Man sagt, dass der neue Theaterdirektor
für beide Aufgaben zusammen nicht genügend qualifiziert war, er aber dennoch die Unterstützung des Kulturreferates genoss. Alle Vorgänge – auch die kaufmännischen – wurden dort abgesegnet.
Als sich dann herausstellte, dass im Theater einiges nicht so lief wie es sein sollte, war eine Ablösung des Theaterdirektors nicht möglich und – als weitere Draufgabe – die Verwaltung verlängerte den Vertrag des Theaterdirektors auch noch in diesen unruhigen Tagen.

Eine hohe Ablösungssumme für den Theaterdirektor ist nun fällig, will man ihn lossein.


Quintessenz:
Zitat:
Wie häufig ist auch in Trier das Problem, dass Fehlleistungen Einzelner zu einer Generalabrechnung mit der Institution Theater genutzt werden.
Zitatende
(Aus dem Fachblatt der Genossenschaft Deutscher Bühnenagehöriger – Ausgabe 12/16)



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Michael Ostendorfer -

Der Regensburger Maler der Reformation
erfährt seine überfällige Würdigung


Galt Ostendorfer lange Zeit als Künstler der zweiten Reihe, so wird sein Schaffen heute neu bewertet: Er zählt aufgrund seiner individuellen und erzählenden Motivauffassung und wegen seiner Bilderfindungsgabe, die neue Sichtweisen auf Themen und Motive erschließt, zur ersten Garde der Künstler der Donauschule.
Allein schon seine Fähigkeiten als Porträtist heben ihn in den Rang eines Meisters. Selbstbewusst und unübersehbar signiert Ostendorfer seine Bilder mit seinem Monogramm M. O.

   M.O.

Anlässlich des Jubiläums „500 Jahre Reformation“ widmet das Historische Museum dem Regensburger Künstler Michael Ostendorfer (1490/96-1559) eine große Ausstellung, die zugleich auch als seine erste Retrospektive bezeichnet werden kann. Die Schau zeichnet nicht nur den künstlerischen Werdegang Ostendorfers nach, sie beschäftigt sich auch mit der Entstehungszeit seiner Werke, die in die Jahrzehnte der Reformation in Regensburg fällt. Eines der wichtigsten Exponate bildet der Reformationsaltar, den Ostendorfer in seinen letzten Lebensjahren 1554/55 für die Neupfarrkirche in Regensburg geschaffen hat.

Das protestantische Bildprogramm des Flügelaltars, das wohl von Nikolaus Gallus entworfen wurde, ist einmalig. Dass Ostendorfer bereits um 1519/20 in Regensburg hohes Ansehen als Künstler genoss, zeigt seine Zusammenarbeit mit Hans Hieber bei der Bemalung des repräsentativen Architekturmodells der Wallfahrtskirche zur „Schönen Maria“, der späteren evangelischen Neupfarrkirche.

 

 


Michael Ostendorfer: Apokalypse, 1543, Öl auf Holz, 89 x 82 cm, Leihgabe der Bayerischen Staatsgemälde Sammlungen WEA 751, Museen der Stadt Regensburg

Dieses großartige Tafelbild zeigt deutlich Ostendorfers individuelle Herangehensweise an ein Thema. Bilder des „jüngsten Gerichts“ jener Zeit nehmen sich in der Regel deutlich drastischer aus, andere Künstler lassen es sich nicht nehmen, Höllenqualen brutal und grausam auszuformulieren. Ostendorfer jedoch interpretiert das Geschehen streng nach der Offenbarung des Johannes Kapitel 7, Vers 1 bis 17 in der Luther-Übersetzung. Er zeigt nur, was die Textvorlage vorgibt, das aber bis ins Kleinste. So die Siegelung der Stirn der Gottesknechte, die vier Engel, welche die Winde anhalten und „das Lamm mitten im Stuhl“. Er erfindet keine Nebenschauplätze und setzt bildlich den theologischen Grundsatz „sola scriptura“ (allein durch die Schrift) um, nach dem die Heilsbotschaft hinreichend durch die Bibel vermittelt wird und keiner Ergänzung durch kirchliche Überlieferungen bedarf.

 


Die Ikonografie seiner Werke legt einen definitiven Konfessionswechsel Ostendorfers in den 1530er-Jahren nahe, zudem wäre es für Katholiken nahezu unmöglich gewesen, vom Magistrat der Stadt Aufträge zu erhalten. Der Künstler schuf Holzschnitte für die Flugblatt- und Buchillustration und war wahrscheinlich Schüler in der Werkstatt von Albrecht Altdorfer, was unter anderem seine Landschaftsauffassung und seine Behandlung von Miniaturen nahe legen.

Mit über 100 Objekten zeichnet die Ausstellung das Leben Michael Ostendorfers und das Fußfassen der Reformation in der Freien Reichsstadt nach. 14 Ölgemälde Ostendorfers sind zu sehen und 23 seiner Grafiken. Daneben wird die Schau ergänzt um Schlüsselwerke seiner Regensburger Zeitgenossen Albrecht Altdorfer, Wolf Huber und Melchior Feselen sowie des Malerprotagonisten der Reformation schlechthin, Lucas Cranach, des Älteren. Leihgaben des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg sowie des Diözesanmuseums und der Neupfarrkirche Regensburg komplettieren die Fülle der Exponate. Interaktive Stationen wie Hologramme der Neupfarrkirche in all ihren Phasen der Entstehung oder animierte Erläuterungen zum Reformationsaltar sowie Virtual-Reality-Headsets zur Entwicklung des Neupfarrplatzes ab dem Pogrom von 1519 und digitale „Blätterstationen“ mit Büchern von Nikolaus Gallus und Johannes Eck, zu denen Ostendorfer die Illustrationen fertigte, erlauben ein vertieftes Einsteigen in Ostendorfers Welt, sein Glaubensverständnis und in seine Zeit. Des Weiteren gibt es Stationen, an denen Musik der Ostendorfer zu hören ist. Repräsentative Objekte wie Kelche, Prunkgefäße, Bücher und Briefe (so auch welche von Martin Luthers Hand) dokumentieren das protestantische Selbstverständnis Regensburgs, das sich inmitten eines gesellschaftlichen Umbruchs erst allmählich, dann aber klar und überzeugt herausbildet
.
 

 


Zur Ausstellung nach einem Konzept von Kurator Dr. Wolfgang Neiser vom Historischen Museum Regensburg erscheint ein 116 Seiten starker Kurzführer mit Texten von Carola Kupfer und Illustrationen von Kathrin Frank, der für drei Euro erhältlich ist. Schirmherr der Ausstellung ist Regionalbischof Dr. Hans-Martin Weiss.

 

Michael Ostendorfer und die Reformation in Regensburg

So, 21. Mai bis So, 5. November 2017


Historisches Museum Regensburg, Dachauplatz 2–4, www.regensburg.de/kultur

 

 

Wann genau und wo Michael Ostendorfer geboren wurde, ist nicht gesichert, ob 1490 oder 1494 und ob in Osterdorf im Oberallgäu, in Ostendorf in Schwaben oder in Hemau, wissen wir nicht. 1520 erwirbt Ostendorfer in Regensburg das Bürgerrecht als angesehener „Maler und Meister“.

Er ist in erster Ehe verheiratet und gilt als ehrlicher und treuer Familienvater. Um 1530 wird Ostendorfer von Pfalzgraf Friedrich II. verpflichtet und unternimmt mit ihm eine Reise nach Wien, wo er Inspiration zu seinen berühmten Türkenzug-Illustrationen bezieht. Schließlich geht er mit dem Pfalzgrafen 1536 nach Neumarkt, wo er eine Anstellung als Hofmaler bekleidet. In einem Verkaufsbrief von 1540 wird Ostendorfer als „Maler und Bürger von Neumarkt“ genannt. 1544 zieht er mit dem Haushalt des Pfalzgrafen nach Amberg und ist möglicherweise auch zeitweise in Heidelberg und Nürnberg tätig, ehe er 1549 wieder Bürger in Regensburg wird. Nach dem Tod seiner ersten Frau geht er eine zweite und – wie es heißt – unglückliche Ehe ein, sodass er zeitweise ein armseliges Leben im Bruderhaus führen muss.

Die Quellenlage zu Ostendorfers Leben ist dürftig. Um Aufträge zu erhalten, liegt nahe, dass er zum Protestantismus konvertierte.

Im Gegensatz zu Albrecht Altdorfer, der selbst im Magistrat saß, musste Ostendorfer um künstlerische Aufgaben nachsuchen. In Ratsherrn Hiltner hatte er einen Mentor, der ihm unter anderem den Auftrag zukommen ließ, drei Brunnen zu fassen, den Fortitudobrunnen am Fischmarkt, den Justitiabrunnen am Haidplatz und den Friedensbrunnen am Neupfarrplatz, was Ostendorfer als seinem Talent nicht angemessen empfand und nur zähneknirschend ausführte.

Überliefert ist, dass es wegen Streitigkeiten mit Nachbarn zu mehreren Prozessen kam und dass sich der Maler für die Mitgift seiner Töchter verschuldete. Ihm wird ein impulsives Wesen nachgesagt, dass er gegen Ende seines Lebens verbittert und wegen ausbleibender Aufträge zum Trinker geworden sei. Schließlich mittellos im Armenhaus, untersagte ihm und seinen mitarbeitenden Söhnen der Magistrat der Stadt Regensburg jegliche Kunstausübung: Sobald er Honorar erhalten hätte, hätte er das Bruderhaus verlassen müssen.

Der Maler, Zeichner und Holzschneider stirbt am 14. Dezember 1559 in Regensburg. Über seine Grablege existieren keine Hinweise. Ostendorfers erhaltene Werke sind in zahlreichen Museen und Sammlungen zu finden: So zeigt die Prager Nationalgalerie seinen „Büßenden König David“ und das Germanische Museum Nürnberg die „Eligius-Legende“ von 1520. Ostendorfers Ausführungen des Motivs „Judith mit dem Haupt des Holofernes“ befinden sich in Budapest, Düsseldorf, im Wallraf-Richartz-Museum Köln sowie in einer Londoner Privatsammlung. Ein Ostendorfer befindet sich im Privatbesitz der Queen und das großartige Selbstporträt des Künstlers mit Malerutensilien und Nelke (Bild oben, Zuschreibung aktuell umstritten) ist im Bestand des Museums Gartenpalais Liechtenstein in Wien. Der Großteil des Schaffens Ostendorfers (mit Dauerleihgaben der Bayerischen Staatsgemäldesammlung) findet sich im Historischen Museum der Stadt Regensburg, so auch sein Hauptwerk: der Reformationsaltar. Das umfangreiche grafische Werk Ostendorfers (Holzschnitte, Kupferstiche) befindet sich in Sammlungen in Berlin, Coburg, Darmstadt, Gotha, Karlsruhe, Nürnberg und Wien.

Nach dem Renaissancemaler ist das Ostendorfer-Gymnasium in Neumarkt benannt. Die Regensburger Ostendorferstraße befindet sich im Stadtteil Kumpfmühl, sie verbindet die Bischof-Wittmann-Straße mit der Kirchmeierstraße.

Zum 475-jährigen Jubiläum der Reformation in Regensburg hat das Kulturreferat eine Münze entwerfen lassen, die an Ostendorfer erinnert.





Zum letzten Mal!

Tausende von Opernfreunden aus aller Welt pilgerten in die Deutsche Oper Berlin zum ’Ring des Nibelungen’ in der Inszenierung von Götz Friedruch aus dem Jahr 1984.

Hatte diese uns heute im Zeitalter der Digitalisierung noch etwas zu sagen?
Offensichtlich: Ja!
Der Kampf um Macht und Sex hat einen Zyklus von Werden und Vergehen derWelt beherrscht, die Erde so zerstört, dass alles Geschehen um Götter, Menschen und Dämonen sich in einem Bunker, einem Tunnel zurückgezogen hat.

Mythen, Märchen und Legenden deuten die Rätsel der Welt je nach klimatischen Gegebenheiten: der Eisriese Ymir im Norden und die Feuergöttin Pelé auf Hawaii. Menschliche Eigenschaften konkretisieren sich in Göttern und Helden. Sie verändern sich, werden immer wieder neu erzählt, denn der Hunger nach Geschichten lässt nie nach.

Die Zugangswege zum ’Ring des Nibelungen’ können höchst unterschiedlich sein. Die Bewun-derung der gewaltigen Musik, die Freude an dramatischen Stimmen, der spannende Inhalt, die spezielle Sprache, die Philosophie, die Mythologie, das Frauenbild, die Charakterisierung der Figuren und Situationen durch Motive, das Gewebe dieser Motive, die Tonartensymbolik, die Kunst der Instrumentation – es hört nicht auf mit den Wundern.

Das alles auf der Theaterbühne erlebbar zu machen , ist eine fast unlösbare Aufgabe und ich erinnere mich an Proben mit Götze Friedrich, die seinerseits fundiert vorbereitet waren und für uns Sängerdarsteller so spannend, dass die Vorbereitungszeit verflog.
Immer wider beteuerte er, der penible Realist, er werde nie Wagner inszenieren – und er tat es doch!
Die Idee zum ’Ring im Tunnel’ soll in der U-Bahn in San Francisco entstanden sein, die Sonderpublikation der Deutschen Oper Berlin zeigt auf, welche großen Sänger die Vorstellungen gestalteten und dass‚ ’der Ring’ auf Gastspielreise in Yokohama, Tokyo und Washington gezeigt wurde.

Vor jeder Vorstellung gibt der erfahrene Dramaturg Curt A. Roesler eine charmante Einführung, bei der er fundiertes Wissen und viel Erfahrung dokumentiert. Diese Einführung ist beim Publikum so beliebt, dass es die vielen Treppen zum Hörsaal so hurtig es geht hinaufspurtet, um einen Platz zu ergattern. Es tut wohl, vertraute Gesichter aus Hannover oder Leipzig zu sehen und plötzlich steht eine ehemalige Studentin, Mitglied des Chores der Deutsche Oper Berlin vor mir und es gibt ein herzliches Wiedersehen.

Nun ist man gespannt, wie der Bühnenbildner Peter Sykora und der Regisseur Götz Friedrich mit den Anforderungen der drei Ebenen: Unterwelt, Menschenwelt und Götterwelten in der Enge des Tunnels fertig werden.

Der Zuschauerraum ist bis auf den letzten Platz gefüllt, die Karten waren schon vor zwei Jahren vergriffen, die 54. und letzte Vorstellung beginnt vor einem hochkonzentrierten Publikum.
Donald Runnicles, der wie Thielemann, die Laufbahn als Dirigent anständig als Korrepetitor in Hannover begann  lässt das tiefe Es raunen und es beginnt für ihn und das Orchester ein strapaziöses Abenteuer. Beide, Dirigent  und Orchester, werden nach der ’Götterdämmerung’ bei ihrem Erscheinen auf der Bühne mit berechtigtem Jubel gefeiert.

Bodentücher, aus denen geheimnisvolle Gestalten ragen, wedelnde, blauglänzende, hoch oben eingehängte Tücher sind die Materialien der damaligen Zeit, um die Wasser des Rheins oder einen Wald zu symbolisieren.
Die drei, stimmlich gut auf einander abgestimmten Rheintöchter – Meechot Marrero, Christina Sidak und Annika Schlicht singen mit verlockendem Wohllaut. Alberich, der aus seinem rotleuchtenden Höllenspalt am vorderen Bühnenrand kriecht, hat in Werner von Mechelen einen markigen Darsteller.
’Das Rheingold mit dem Auge von ’Frau Sonne’ in der Mitte ist ein so schön gearbeitetes Gebilde, dass es eine Goldschmiedin als Anhänger gestalten und dann im Souveniershop verkaufen sollte. Aber nun ist es zu spät, das Gold ist geraubt, die Liebe verflucht, die Mädels klagen “Weh“, der 'Tücher-Rhein' wird weggezogen, auf dem platten Bühnenboden legt eine Gestalt, im Hintergrund ein buntes Bild in matten Farben: Walhall.

Eine weißgewandete, elegante Dame – Fricka – mit weißer Gesichtsmaske eilt herbei und weckt die im weißen Mantel mit ebenfalls weißer Gesichtsmaske am Boden liegende Gestalt: Wotan.
Daniela Sindram als Fricka und später als Waltraute zuzuhören und zuzuschauen ist eine ungetrübte Freude und Derek Walton ist ein Belcanto-Wotan, wie man ihn sich wünscht.
Vorsichtig hoffe ich, dass das übrige Sängerpersonal auch diese Qualität haben möge.

Im Zwiegespräch zwischen Wotan und Fricka schildert uns der präzise Menschenbeobachter Wagner die Misere zwischen Gier und Vernunft, zwischen Mann und Frau und des bleibt nicht aus, über die Kriege nachzudenken, die die großen Führer angerichtet haben und die Trümmer, die dann von den blöden Weiber dann wieder aufräumen dürfen. Heute ist es nicht anders, denn das dumme Volk rennt den großmäuligen Möchtegern-Wotanen hinterher.
Auch hier auf der Bühne im 'Berliner-Tunnel' nimmt das Unheil seinen Lauf, denn Wotan, der Prototyp des Mannes behauptet:
“Wandel und Wechsel liebt, wer lebt, das Spiel drum kann ich nicht sparen!“
Zur Charakterisierung der Figuren und Situationen stellt Richard Wagner die Grundmaterialien seiner Motivik vor.
Seine Kenntnis der barocken Affektenlehre, die aussagekräftige Funktion der Intervalle, der Tonart, Rhythmus, Instrumentation, Tempo, innere Bewegung, Harmonik, durch die eine Person gekennzeichnet wird.
Gleichmäßig schreitende, mit starken Akzenten versehen Viertel, oft im Marschcharakter und starker Blechbläsereinsatz gehören zu den Mitteln der Heroenbeschreibung .
Der bürgerliche Mann ist der Erbe Gottes. Die Frau ist unterlegen, auf das Gebiet der Liebe und Sexualität beschränkt, was mit Opfer, Schmerz und Verzichtsbereitschaft verbunden ist. Aufwärtsstrebende Motive in großen Intervallen sind männlich konnotiert, kleine Intervalle, die meist wieder abwärts gerichtet sind, dazu Holzbläser und Flöten gehören zum sich für den Mann aufopfernden Weibe.
So einfach ist das im Patriarchat! - Ein Mann ist ein Krieger, also ist dieFrau kein Mensch.

Da kommt ängstlich jammernd die süße Freie herangeweht, Martina Welschenbach, mit leuchtend lyrischem Sopran, dahinter stapfen die Riesen herein, Basswohlklang verbreitend – und ich freue mich schon auf Albrecht Pesendorfers Hagen.

“Endlich Loge!“
Aber wer tänzelt denn dort herein? Richard Wagner mit Barrett und rotgefüttertem Mantel – Burkhard Ulrich mit sehr hellem Tenor. Das Publikum kichert vergnügt über den Regiescherz, aber Barrett und Mantel werden schnell abgelegt.
Nun aber gilt es, einen Trick zu finden, um die Riesen zu entlohnen, denn sie verschleppen die arme Freia und die Götter welken dahin, da ihnen die Jugend erhaltenden Äpfel der Göttin Freia fehlen.
Durch die ’Schwefelkluft’- hier eine runde Öffnung im Bühnenboden - seilen Wotan und Loge sich hinab in die Unterwelt.
Alberichs Werkstatt fährt hoch, es flackert und zischt, die Schmiede hämmern, Alberich steht am Schaltpult. Der arme Mime wird gequält, das Tarngeflecht funktioniert.
Wotan und Loge treten auf und Loge, der sich musikalisch mit seinem Flacker-Motiv vorgesellt hat, verspricht Mime zu helfen und der beginnt die Schilderung seines Elends mit einem jammervollen Tritonus abwärts: “Wer helfe mir!“
Seine Geschwätzigkeit, die auch dem sächsischen Meister eigen war – verrät den beiden ungebetenen Gästen die Wirksamkeit von Tarnhelm, Ring und von der Macht des Goldes.
Brutal führt Alberich die von ihm ausgeübte Gewalt über die armen, versklavten Bergleute vor, aber schließlich wird ihm seine Prahlerei zum Verhängnis.
Verwandelt als Riesenwurm, der hier aus Krallen bestehend sichtbar wird, und schließlich als putzige Kröte zur Freude des Publikums, wird er überwältigt und - während sein Bergwerk versinkt - am langen Strick an die Oberwelt gezerrt.
“Da, Vetter sitzest du fest!“

Die Nibelungen bringen den Hort – richtige heutige Goldbarren – jagen kreischend hinab in ihre Unterwelt, aber der wahre Schatz, der Ring der vermeintlichen Allmacht steckt noch an Alberichs Hand, die ihm einfach abgehackt wird.
Wenn dann Wotan sich aufbläht:
“Nun halt ich, was mich erhebt, der Mächtigen mächtigsten Herrn!“ -
ist er mir so zuwider wie alle Diktatoren der Geschichte und besonders die Heutigen!
Da die Alberich-Baritone, so auch hier Werner van Mechelen, meist sehr schön singen, genieße ich mit Gänsehaut seine treffende Kapitalistenschelte: “Wer ihn hat, den sehre die Sorge, und wer ihn nicht hat, den nage der Neid!“ und darunter das ’Vernichtungsarbeitsmotiv’ und nach seinem Fluch gellt aus dem Orchester der ’Wehe’-Halbtonschritt, während er verschwindet.

Die Lage beruhigt sich, Wotan betrachtet seinen Ring, die Riesen bringen die ramponierte Freie zurück – sie hat wohl Riesenheim putzen müssen – der hübsche Froh, Attilo Glaser, singt mit feinem Tenor-Schmelz seine Begrüßung und ich freue mich schon auf sein: “Zur Burg führt die Brücke!“
Freia neuerdings wohl an Arbeit gewöhnt, legt ein Tuch aus, auf das der Hort geschichtet wird. Das Gezänk um den Ring ruft Erda herbei. Leider ist dem großen Götz für die Szene nicht viel eingefallen, denn nichts geschieht, außer, dass aus dem Hintergrund des Tunnels eine mit hässlichen Lappen behängte Gestalt heraustappt, leider unsauber singt und nach vorn rechts in die Kulissen abgeht.
Aber ihre Mahnung wirkt, die Riesen bekommen von Wotan den Ring, der erste Mord geschieht am braven Fasolt, Donner macht gutes Wetter und was nun?
So schön Froh die Brücke auch besingt, alles muss parterre vor einem vergoldeten Modell stattfinden, weil der Tunnel keine Höhe bietet. Also gehen die Götter in einem gemessenen Schreittanz, zwei Schritt vor, einer zurück, zur bombastischen Musik und dem Klagen
der Rheintöchter nach Walhall, während der schlaue Loge sich wieder zur “leckenden Lohe“ verwandelt.
Der Applaus ist herzlich, besonders für das Orchester und Donald Runnicles.

Fortsetzung folgt: ’Die Walküre’, ’Siegfried’ und ’Götterdämmerung’ in nächsten Ausgaben.


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Das Alltägliche und das Kostbare

Tod durch Schlangenbiss, Tod durch ersticken, Tod durch Messerstich, Tod durch Tuberkulose, Tod durch Selbstverbrennung, Tod durch Verdursten, Tod durch Sprung in die Tiefe, Tod durch Blutvergiftung usw.

Dazu der abendliche Krimi, bei dem wir scharfsinnig mitdenken, aber trotzdem haben wir ihn am nächsten Tag vergessen.
Eurydike, Aida, Carmen, Mimi, Violetta, Brünnhilde, Manon, Tosca, Tristan – aber wollen wir immer wieder erleben, weil die Oper etwas ganz anderes ist, als Schauspiel im Theater oder im Fernsehen und im Film.
Die Musik der großen Meister veredelt und überhöht das oft brutale Geschehen, lässt uns mitleiden und fühlen, tröstet und erhebt uns.
Die Politiker, die Intendanten einsetzen, die das Regisseurstheater ins Opernhaus holen, vergreifen sich aus Unwissenheit und Desinteresse an einer Kunstform, die seit ihrer Entstehung um 1600 zum Kostbarsten gehört, was unsere Genies ersonnen haben.
Nun aber wird mit echt deutscher Lust an Selbstzerstörung alles platt gemacht, weil es eben modisch ist.

So darf es nicht weitergehen!

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Impressum



 - erscheint als nichtkommerzielles Beiblatt zu

 - ausgezeichnet mit dem Kulturförderpreis der Stadt Regensburg

Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt:

KS Prof. Marie-Louise Gilles

Dipl. - Kulturwissenschaftlerin
Büro 30655 Hannover – Fehrsweg 2

info@kulturjournal-hannover.de

Peter Lang
Büro 93047 Regensburg – Holzländestr. 6

info@kulturjournal-regensburg.de

Titelblatt: Nds. Staatsoper Hannover, Foto: Torsten Lippelt
Editorial von Rainer Beckmann und Gespräch Henning-Hubertus von Steuben mit KS. Prof. Marie-Louise Gilles im Heft 4/2017 von WohnArt mit freundlicher Genehmigung durch
Sponholz Verlag Theaterstraße 2 30159 Hannover

Erscheinungsweise:
kulturjournal-regensburg zehn Mal pro Jahr von Februar bis August und Oktober bis Dezember

Ausgabe des Beiblattes als ’Mitteilung an meine Freunde’ mit Auszügen aus dem
kulturjournal-regensburg in loser Reihenfolge, gebräuchlich am Anfang eines Monats

Ersterscheinung der Ausgabe Regensburg am 27.07.2007

- Verteilung Regensburg:
Direktversand, Hotels, Theater, Galerien, Veranstaltungsorte, Tourist-Info, Bahnhöfe
- Verteilung Hannover:
Direktversand an ausgewählte Leserschaft:
Mitglieder der BI
Politische Parteien
Kulturreferate der Länder
Bund der Steuerzahler
Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger
Feuilletons von Tageszeitungen
RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover

Veröffentlicht auch auf: www.marie-louise-gilles.de

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz,
in Anspruch.