| Vorwort
 
 Leuchtturm mit Strahlkraft
 
		
		Lange Zeit galt Hannover als langweilig, leidenschaftslos und 
		provinziell. Ein Image, das sich mit der Weltausstellung Expo 2000 
		geändert hat. Sieben Millionen Besucher aus allen Erdteilen haben nicht 
		nur die Exponate gesehen. Sie sind durch die Eilenriede gewandert, haben 
		den Maschsee, die Museen oder die Herrenhäuser Gärten bewundert. 
		Allesamt Leuchttürme, die Bund, Land und Stadt gemeinsam zum Strahlen 
		brachten und das internationale Ansehen der Landeshauptstadt steigerten. Heute belegt Hannover nicht nur unter den deutschen Metropolen einen 
		Spitzenplatz: Als größter Messeplatz der Welt, Wirtschaftsstandort für 
		namhafte Konzerne, internationale Kunstmetropole und renommiertes 
		Wissenschafts- und Forschungszentrum. Damit das so bleibt, ziehen alle 
		an einem Strang: Die VW-Stiftung lässt die Barockgärten mit dem Neubau 
		des Schlosses neu erblühen. Kestner- und Sprengelmuseum locken mit 
		spektakulären Kunstausstellungen.
 Nur die Staatsoper als kulturelles Herzstück leistet dazu keinen 
		Beitrag. Im Gegenteil. Mit Inszenierungen, die den Ursprung nicht mehr 
		erahnen lassen, vertreibt sie immer mehr Zuschauer, ist bundesweit 
		bedeutungslos geworden.
 Dabei könnte Hannover, bei über 60 Millionen Euro Subventionen allein 
		für die Oper, auch beim Musiktheater eine führende Rolle spielen und den 
		Wettbewerb mit anderen deutschen Städten aufnehmen. Nicht mit Oldenburg 
		oder Osnabrück, sondern mit renommierten Spielstätten wie Dresden, 
		München oder Berlin.
 Leuchtendes Beispiel ist die neue Elbphilharmonie in Hamburg, ein 
		internationaler Touristenmagnet: Der Spielplan ist prall gefüllt. Die 
		Tickets sind heiß begehrt, viele Vorstellungen schon jetzt bis 2019 
		ausverkauft.
 
 Anders bei den jüngsten Vorstellungen in Hannover: Bei Mozarts „Hochzeit 
		des Figaro" musste ich erleben, dass ein Drittel des Publikums aus der 
		Pause nicht mehr zurück kam. Auch bei Wagners „Fliegendem Holländer" 
		blieben laut Kulturreport HAZ viele Plätze unbesetzt. Im Schnitt steht 
		die Oper an mindestens zehn Tagen im Monat leer.
 Überlegungen der Stadt, sich als deutsche Kulturhauptstadt für 2025 zu 
		bewerben, wirken bei dieser Situation wie blanker Hohn.
 
		
		Die Gründe für den Niedergang sind hausgemacht. Es scheint es Mode zu 
		sein, jede noch so groteske Neuinszenierung feuilletonistisch zu 
		bejubeln und jede Kritik daran als „rückwärtsgewandt" niederzumachen. 
		Entscheidend sollte am Ende die Vereinbarkeit von künstlerischer 
		Freiheit und Wirtschaftlichkeit des subventionierten Musiktheaters sein. 
		
		Leuchttürme sollen mit ihrem Licht die Richtung weisen. 
 Auch die Staatsoper sollte so ein Leuchtturm sein. Für kulturbegeisterte 
		Touristen. Für ansiedelungswillige Unternehmen, die ihren Mitarbeitern 
		ein kulturelles Umfeld bieten wollen. Und für viele Hannoveraner, die 
		sich als Freunde anspruchsvoller Opernkultur mit ihr identifizieren 
		möchten.
 Gerade deshalb darf sie nicht zur Institution alternativer Gegenkultur 
		verkommen. Sie muss ihre Strahlkraft zurückgewinnen, wieder den Weg in 
		die Herzen der Menschen finden. Mit Anspruch, Schönheit und Ästhetik. 
		Als kultureller Dreh- und Angelpunkt auf höchstem Niveau.
 
		
		Die Verantwortung dafür haben Kulturpolitiker und Kulturschaffende 
		gleichermaßen. Sie sollten sich an den Erwartungen des Publikums 
		orientieren und weniger experimentieren. Bei ihren 
		lnszenierungs-Manövern sind sie bereits auf Grund gelaufen. Und haben 
		das Image Hannovers als Kulturmetropole des Landes teilweise mit 
		versenkt. 
		
		Rainer Beckmann, Vorsitzender Haus- und Grundeigentum Hannover   Kommentar
 Seit April 2016 – seit nun mehr als einem Jahr – wird versucht von der 
		Nds. Landesregierung akkurate Auskünfte zu bekommen, warum die Nds. 
		Staatsoper Hannover nach wie vor monatlich im Durchschnitt nur an 20 von 
		30 Tagen vor Publikum spielt.
 Die Nutzung liegt gemäß Spielplan in der Zeit von September 2017 bis 
		Juni 2018 bei 66 Prozent.
 Das bedeutet 34 Prozent Leerstand.
 
		
		Das Haus erfüllt somit seine Aufgabe nicht. 
		
		Der Apparat Nds. Staatsoper Hannover läuft unproduktiv an den Leertagen 
		mit seiner gesamten Infrastruktur Orchester, Chor, Solisten, Technik, 
		Verwaltung weiter. 
		
		Karten werden verschenkt. Man kauft eine und erhält eine zweite 
		kostenlos dazu.Das Schauspiel in Hannover allein im September 2017 an vier Tagen.
 
		
		Stücke werden vorzeitig abgesetzt, weil die Produktionen vom Publikum 
		abgelehnt werden. 
		
		Der dritte Rang ist in der Oper häufig geschlossen, da die Plätze wegen 
		Desinteresses der Bevölkerung nicht verkauft werden können. 
		
		Die Intendanz berechnet die Auslastung offensichtlich nach den am Abend 
		zur Verfügung gestellten Plätzen, nicht nach den zur Verfügung stehenden 
		Plätzen.Sind z.B. drei Ränge geschlossen, das Parkett voll ausgelastet, dann 
		ergibt sich für die Leitung de Hauses eine 100-prozentige Belegung, 
		obwohl 700 Plätze der 1200 Plätze frei sind.
 Das bedeutet eine Täuschung der Öffentlichkeit.
 Auch hier wird seit mehr als einem Jahr versucht, eine Klärung durch 
		Schriftverkehr mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur 
		herbeizuführen. Bisher ohne eindeutiges Ergebnis.
 Überdimensionierte 
		und zur Darstellung des Werkes völlig unsinnige Bühnenbilder wie u.a. ‘Rusalka‘, 
		‘Freischütz‘, ‘Macht des Schicksals‘, ‘Fledermaus‘, ‘Verkaufte Braut‘, 
		‘Holländer‘ treiben die Kosten nach oben und belasten das Budget intern.Es ist zu beobachten, dass für die Installationen, die bloße 
		Einrichtung, dieser Bühnenbilder schon für Proben die Hauptbühne 
		verwendet wird, die dann eine Vorstellung am gleichen Tag mit einem 
		ähnlich aufwändigen Bühnenbild verhindert.
 
 Jürgen Braasch behauptete am 6. Mai 2017 während der Präsentation von 
		Baumaßnahmen für die Werkstätten, er sei der kaufmännische Leiter der 
		Nds. Staatstheater Hannover GmbH.
 Für die Kunst habe er seine Intendanten.
 Das bedeutet doch, er sieht sich nicht in der Verantwortung, wenn das 
		Theater von der Bevölkerung wegen mangelnder künstlerischer Qualität 
		nicht akzeptiert wird.
 
 In einem Schreiben vom 06. Juni 2017 erlaubte er sich, Aussagen in ’Eine 
		Mitteilung an meine Freunde’ als “widerlich“ zu bezeichnen.
 
 Nachfolgend ist der Spielplan für den September 2017 dargestellt. Es 
		zeigt sich deutlich, wie Leertage die Produktivität der Nds. Staatsoper 
		Hannover einschränken.
 
 
			
				| 
				
				  | 
				
				  | 
				
				  | 
				
				  | 
				
				  | 
				
				  | 
				
				  | 
				
				  |  
				| 
				
				2017 | 
				
				Belegung  | 
				
				  | 
				
				Szene | 
				
				  | 
				
				  | 
				
				Konzert | 
				
				  |  
				|   | 
				  |   |   |   |   |   | 
				  |  
				| 
				01.09. | 
				
				leer | 
				1 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				02.09. | 
				
				  | 
				  | 
				Der junge Lord | 
				1 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				03.09. | 
				
				  | 
				  | 
				La Traviata | 
				2 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				04.09. | 
				
				leer | 
				2 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				05.09. | 
				
				leer | 
				3 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				06.09. | 
				
				leer | 
				4 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				07.09. | 
				
				  | 
				  | 
				La Traviata | 
				3 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				08.09. | 
				
				  | 
				  | 
				Henry VIII. | 
				4 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				09.09. | 
				
				  | 
				  | 
				Der junge Lord | 
				5 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				10.09. | 
				
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				Sinfoniekonzert | 
				
				1 |  
				| 
				11.09. | 
				
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				Sinfoniekonzert | 
				
				2 |  
				| 
				12.09. | 
				
				leer | 
				5 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				13.09. | 
				
				leer | 
				6 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				14.09. | 
				
				leer | 
				7 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				15.09. | 
				
				  | 
				  | 
				Der Liebestrank | 
				6 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				16.09. | 
				
				  | 
				  | 
				La Traviata | 
				7 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				17.09. | 
				
				  | 
				  | 
				Der junge Lord | 
				8 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				18.09. | 
				
				leer | 
				8 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				19.09. | 
				
				leer | 
				9 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				20.09. | 
				
				leer | 
				10 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				21.09. | 
				
				leer | 
				11 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				22.09. | 
				
				  | 
				  | 
				Der Liebestrank | 
				9 | 
				  | 
				  | 
				
				. |  
				| 
				23.09. | 
				
				  | 
				  | 
				Henry VIII. | 
				10 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				24.09. | 
				
				  | 
				  | 
				Der junge Lord | 
				11 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				25.09. | 
				
				leer | 
				12 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				26.09. | 
				
				leer | 
				13 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				27.09. | 
				
				leer | 
				14 | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				28.09. | 
				
				  | 
				  | 
				La Traviata | 
				12 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				29.09. | 
				
				  | 
				  | 
				West Side Story | 
				13 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| 
				30.09. | 
				
				  | 
				  | 
				Holländer | 
				14 | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				|   |   | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				| Summen | 
				
				14 | 
				  | 
				14 | 
				  | 
				  | 
				2 | 
				
				2 |  
				|   | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				
				  |  
				|   | 
				
				14 x Leerstand | 
				16 Nutzungen incl. 2 Konzerte | 
				
				  |  
				|   | 
				30 = 100% / 16 x 100 = 1600 : 30 = 
				53% Belegung | 
				
				  |  
				| 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  | 
				  |  
				|  |  |  |  |  |  |  |  |  |  |  |  |  Werden hier die 
		Auswirkungen einer verfehlten Spielplangestaltung und der szenischen 
		Umsetzung der Werke angeprangert, so hat man sich damit 
		auseinanderzusetzen, dass dies immer noch nicht das Ende einer 
		Entwicklung darstellt, die vor Jahrzehnten begann und der niemand oder 
		nur wenige entschlossen entgegentraten.
 Buhgeschrei erfreut die Regisseure, die dann feixend zum Applaus vor dem 
		Vorhang erscheinen. Er / Sie hat sich ’einen Namen’ gemacht. Die 
		Intendanz sieht sich bestätigt, denn für einen Moment strömt das 
		Publikum ins Haus, um sich zu informieren, was da abgeht.
 Inzwischen hat sich die Bevölkerung an Regiemätzchen gewöhnt, will 
		entweder immer gröbere Reize oder lehnt ab, geht nicht mehr hin - wie in 
		Hannover oder auch in München.
 
 Aufgrund der
		
		Minimalbildung, mit der Schüler heute ins Leben entlassen werden 
		kann man das Publikum, das mittlerweile ungebildeter als früher ins 
		Theater geht, bevormunden.
 
 http://www.telezeitung-online.de/Kommentar_%27Neues_vom_Tage%27_27.05.2011.htm
 Stücke werden auch an der kleinsten Theaterklitsche in ein völlig 
		anderes szenisches Umfeld transportiert, was dann als Deutung oder 
		Interpretation bezeichnet wird.
 
 
 
  
 Dass es auch anders geht, 
		zeigt eine Produktion in Oberammergau im Haus der Passionsfestspiele
 
 Hier die Bemerkungen einer Vollzahlerin zur musikalischen und szenischen 
		Umsetzung von
 Richard Wagner – ’Der fliegende Holländer –
 Premiere am 30. Juni 2017
 
 https://www.passionstheater.de/spielplan/der-fliegende-hollaender
 
			
				|   | Der fliegende Holländer
 
 Romantische Oper in drei Akten von Richard 
				Wagner
 
				Dirigent: Ainars RubikisRegie: Christian Stückl
 Bühne und Kostüme: Stefan Hageneier
 Chorleitung: Markus Zwink
 
 Neue Philharmonie München
 Chor des Passionstheaters Oberammergau
 Besetzung 
					
						| 
						Gábor BretzDer Holländer
 | 
						Iris van WijnenMary
 |  
						| 
						Liene Kinča
 Senta
 | 
						David Danholt
 Erik
 |  
						| 
						Guido Jentjens
 Daland
 | 
						Denzil Delaere
 Der Steuermann
 |    |  Man muss schon in 
		ein oberbayerisches Dorf fahren, um eine spannende, schlüssige, moderne 
		– nicht modische – Aufführung zu erleben!Allerdings ist diese dort und in diesem Gebäude etwas Besonderes, denn 
		in Zeiten der Pest von 1633 leisteten die Bewohner das Gelübde, das 
		Leben und Sterben Jesu Christi für und mit den Bewohnern Oberammergaus 
		darzustellen. Diese Tradition hat sich bis heute lebendig erhalten. 
		Theater mit und für die Bürger ist Pflicht und Freude – nun auch 
		jährlich und somit auch außerhalb des 10-jährigen Passionsspielrhythmus 
		- zum Nutzen einer echten, verwurzelten Kultur.
 Dagegen steht das so genannte Regisseurstheater mit Dekonstruktion, 
		Verfälschung, Diffamierung von echten Werten im Namen einer als Freiheit 
		der Kunst getarnten Gesetzlosigkeit. Da ja alles mit allem 
		zusammenhängt, haben wir ’Das Öffnen nach unten’ in seiner ganzen 
		Brutalität in Hamburg, anlässlich des G20-Gipfels erlebt und mit Grauen 
		angesehen.
 
 Freiheit, auch ’Freiheit der 
		Kunst’, hat ihre Grenzen da, wo sie mit Verrohung und programmatischer 
		Verdummung Schaden anrichtet. Natürlich kann man geistige Werte nicht in 
		Metern, Sekunden oder Litern messen, aber wenn sich Menschen unterhalb 
		der Grenzen des Zusammenlebens verhalten, möchte man doch lieber einem 
		wohlgeordneten Rudel von Wölfen oder einer Herde von Rindern angehören 
		als der ’Krone der Schöpfung`.
 Über Jahrtausende wurde ’Kunst’ von ’Können’ abgeleitet. Spielerisch 
		darf sie auch sein, aber hochbezahlten Bluff sollten wir, die dafür 
		Steuergelder zahlen, mit aller Entschiedenheit ablehnen und uns auch 
		gegen die Trägheit und Arroganz der Behörden zu Wort melden.
 
 Der Opernclub München, der vornehmlich mit dem Kontakt zu Sängern durch 
		gemeinsame Veranstaltungen hervortritt, brachte uns ins Festspieldorf. 
		Wunderschöne Häuser mit Lüftlmalerei wechseln mit dem Angebot von 
		Touristenkitsch.
 Ein Rundgang der freilichterprobten Regisseurin zeigt ein  
		imponierendes Festspielhaus mit raffiniertem, zusammenfaltbaren 
		Regendach über der offenen Bühne.
 Der Andrang eines lebhaften Publikums, sauber gekleidet, weder 
		Proll-Kluft noch Schickie-Micki-Kledage, aber schöne Trachten der 
		Region, erinnert an die guten Zeiten der Bayreuther Festspiele.
 Wie damals dort Wieland und Wolfgang stapfte hier der Hausherr Christian 
		Stückl ums Haus, ordnete noch etwas an, grüßte hier und da und bebte vor 
		Eifer. So soll es sein!
 
 Gewappnet mit Decken und Sitzkissen strömte das Publikum in den Saal, 
		der 4.800 Sitze hat und zur großen Freunde meines Hungers nach frischer 
		Luft unter dem Regendach die Bühne offenlässt.
 
 Ein volles Haus beglückt des Opernfreundes und der Theaterleitung Herz 
		und lässt die Spannung knistern. Wie wird er das Stück auf diese offene 
		Riesenbühne bringen? Was macht er mit der Spinnstube, wie geht das in 
		der Bucht von Sandwike und im Hause Dalands und den Szenen an Bord und 
		im Hafen?
 
 Das Programmheft zeigt ein vorbildlich gemischtes Personal aus 
		einheimischen Amateuren und internationalen Profis. Sie alle eint der 
		Wille und viel Fleiß dem Werk des genialen Richard Wagner zu dienen.
 
 Die breite Bühne, an das Festspielhaus in Salzburg erinnernd, wo damals 
		Herbert Wernicke, den riesigen Chor in ’Boris Godunow’ als Mauer 
		aufbaute, zeigt in der Mitte eine Projektionsfläche, die sich öffnen und 
		schließen lässt. In die umlaufende blaue Bühnenrückwand sind seitlich 
		links und rechts je drei Türöffnungen eingelassen, dazu gibt es auch in 
		der Vorderbühne links und rechts je einen Abgang in die Unterbühne. Das 
		Orchester sitzt eben in dieser Unterbühne, ist aber akustisch präzise 
		vernehmbar. Die Tonverteilung für diesen Riesenraum gelingt über am 
		Graben angebrachte Mikrofone. Der Giebel des rückwärtigen 
		Festspielhauses überragt die blaue Bühne und gibt ihr eine antike 
		Feierlichkeit.
 Christian 
		Stückl ist nicht nur Leiter des Münchner Volkstheaters und der 
		Passionsspiele in Oberammergau. Erinnert sei an die Eröffnungsfeier der 
		Fußball-Weltmeisterschaft am 9. Juni 2006 in München. Das rund dreißig 
		Minuten dauernde, farbenfrohe Spektakel mit etwa 1200 Teilnehmern 
		begeisterte. Er kann also auch mit Menschenmengen umgehen Der 
		Oberammergauer Holländer-Chor war so ein verblüffende Ereignis. Von 
		Markus Zwick gut studiert, textdeutlich, spielfreudig mit vollem 
		Körpereinsatz und dazu klangschön sang, agierte sich dieser Chor in die 
		Herzen und die Erinnerung des Publikums.
 Nachdem furiosen Vorspiel, die Elemente Wind, Wellen, Wasser dem 
		Publikum nahebringend, erläutert Daland (Guido Jentjens), der Kapitän 
		des norwegischen Schiffes die Position desselben,
 Sandwike ist's! Genau kenn' ich die Bucht
 
 die Wetterlage
 Der Sturm läßt nach
 
 und übergibt die Wache,
 Nun, Steuermann, die Wache nimmst du wohl 
		für mich?
 Gefahr ist nicht, doch gut ist's, wenn du wachst.
 
 Ihm hat Richard Wagner ein bezauberndes Lied geschrieben. Mit Fritz 
		Wunderlich im Ohr erwartet man einen lyrischen Tenor mit Schmelz, Süße, 
		rührender Naivität, viel Charme und man wird freudig überrascht. Ja, der 
		Bursche Denzil Delaere hat es! In Luzern singt er Tamino! Viel Glück!
 
 Jetzt aber naht er, der Holländer.
 Eine große Gestalt mit schönem, markanten Gesicht, über einem hellgrauen 
		Anzug und Mantel ein heller Schafspelz, so dass er weniger an Vasco da 
		Gama als an Pedro in ’Tiefland’ erinnert. Warum Herr Stefan Hageneier, 
		der Kostümbildner?
 Dann aber tönt ein Heldenbariton mit dem
 Die Frist ist um,
 und abermals verstrichen sind sieben Jahr',
 
 so edel wie einstmals George London. Ich genieße diese 
		Stimme, denke an meine Gesangslehrerin, die so treffend behauptete, eine 
		Stimme müsse ’süffig’ sein, ich gebe ihr recht und bin zufrieden.
 Ihr Welten, endet euren 
		Lauf!
 Ew'ge Vernichtung, nimm mich auf!
 
 Es ist 
		wirklich ’gemein’ von Richard Wagner, diesen riesigen Monolog an den 
		Anfang der Rolle zu platzieren, so wie sein Kollege Giuseppe Verdi die 
		’Celeste Aida’ für den Radames.
 
		Schade schon zu Ende, aber bravissimo.Man hofft, Gabor Bretz irgendwo wiederzuhören.
 
 Das Spiel geht weiter und der vom Holländer erflehte
 Engel Gottes
 
 darf bei Christian Stückl den ganzenAbend als ein aufmerksamer Knabe 
		anwesend sein und hier den Handel zwischen Daland und dem Holländer 
		fernsteuern.
 
 Guido Jentjens ist ein flinker Geschäftsmann, erfahren in verschiedenen 
		Bass-Partien und auf Festivals.
 Die beiden Männer werden handelseinig,
 Ha, wonach alle Väter 
		trachten,
 ein reicher Eidam, er ist mein!
 Ja, dem Mann mit Gut und hohem Sinn
 geb' froh ich Haus und Tochter hin!
 
 Senta ist des Holländers neue Hoffnung auf Erlösung, es kommt ein 
		reicher Schwiegersohn ins Haus.
 Daland segelt voraus, der Holländer folgt
 Mein Schiff ist 
		schnell, es holt dich sicher ein.
 
 Der prächtige 
		Männer-Chor aus Oberammergau und den umliegenden Gemeinden beschließt 
		den ersten Aufzug.
 Da alles stimmt: die Sängerdarsteller, der Chor, die Szene, die 
		Personenführung, ist der Applaus des Publikums schon jetzt herzlich.
 Leises Meckern! Muss alles grau in grau und allenfalls blaugrau sein? 
		Wäre nicht auch für jemanden der mehr Schauspiel als Oper macht, ein 
		Farbsignal mit
 blutrot die Segel
 
 angebracht?
 Immerhin hat Christian Stückl mit Jürgen Rose, dem Meister der 
		Farbabstufung, gearbeitet.
 
 Zweiter Aufzug
 Nach all’ dem Unfug, den man in ’modischen’ Inszenierungen ertragen 
		muss, erhebt sich nun verstärkt die schon anfangs gestellte Frage:
 Was macht Stückl mit der Spinnstube?
 Mit einem Streich!
 Durch die Änderung eines Wortes – Richard Wagner hat es längst verziehen 
		- fegt er alle szenischen Peinlichkeiten weg. Mary mahnt Senta:
 Du böses Kind, wenn 
		du nicht spinnst,
 vom Schatz du kein Geschenk gewinnst.
 
 Stückl macht aus dem ’spinnst’ ein ’singst’ und er hat so die szenische 
		Basis für seinen
 
		Spinnerinnenchor, einer unter Marys Leitung durchgeführten Chorprobe. 
		Sie trägt ihr Notenpult herbei, die zahlreichen, bestens gelaunten Damen 
		in gepflegter – meist beiger - Tageskleidung halten ihre Notenblätter in 
		der Hand, singen und agieren engagiert, ohne zu übertreiben, dazu sauber 
		und klangschön. Iris van Wijnen genießt den Spaß, einmal selbst den Takt 
		zu schlagen. Ihre ist Stimme ist gut geführt und klingt angenehm.
 Senta, Liene Kinča aus Lettland, wurde als nicht ganz gesund angesagt. 
		Ob das gut geht?
 Die Stimme ist leuchtend, jugendlich dramatisch, es stört aber das 
		langsame Hinaufschlittern auf die Spitzentöne, was natürlich diese 
		verkürzt.
 
 Erik, David Danholt, hat es schwer in diesem Stück.
 Mein Herz, voll 
		Treue bis zum Sterben,
 mein dürftig Gut, mein Jägerglück
 
 Er ist der rechtschaffene, anständige Naturbursche, der bürgerliche 
		Widerpart zum dämonischen Holländer.
 
 Was Richard Wagner für ihn komponierte ist teilweise recht konventionell 
		aber ist bei der heutigen Orchesterstimmung, die um einiges höher liegt 
		als zur Zeit der Entstehung des Werkes, scheußlich schwer zu singen. 
		Aber in David Donholt steht da und singt prächtig und gesund ein fest 
		entschlossener junger Held, der um seine Senta und gegen ihren Wahn 
		kämpft. Und doch muss er schon jetzt erkennen.
 Sie ist dahin! 
		Mein Traum sprach wahr!
 
 Senta
 Ach, möchtest du,
 bleicher Seemann, sie finden!
 Betet zum Himmel, daß bald ein Weib
 Treue ihm . . . Ha!
 
 - ihr Erschrecken über den für sie plötzlich auftretenden und Realität 
		werdenden Holländer. Gabor Bretz steht auf der Szene und die Bühne ist 
		voll. Er hat die Bühnenpräsenz, die Aura, die jeder spürt, so dass das 
		Publikum die Luft anhält, als er weich und raunend
 Wie aus der Ferne 
		längst vergang'ner Zeiten
 spricht dieses Mädchens Bild zu mir
 
 beginnt. Das ist der Zauber des singenden Menschen, der Zauber des 
		Orpheus. Den bemerken die ’Schauspielfuzzis’ vom Regisseurstheater 
		nicht, deshalb haben sie in der Oper auch nichts zu suchen.
 
 Wenn Richard Wagner Senta von des
 Weibes heil'ge 
		Pflichten
 
 von der ausschließlichen Hinwendung und Aufopferung für den Mann, 
		offenbart er sein Frauenbild, das wir überwunden hatten, das aber mit 
		dem Patriarchat des Islam wieder in all’ seiner Brutalität zu uns 
		gekommen ist.
 Der Holländer ist ganz und gar männlich konnotiert und trägt deutliche 
		Züge seines literarischen und musikalischen Schöpfers.
 Erlösung findet er nur durch eine Partnerin, die sich ihm aus dienender 
		Liebe hingibt.
 Wenn Wagner sich ein ’ein unendlich weibliches Weib’ wünschte, so 
		verstand er darunter nicht nur die Partnerin, die selbstverständlich die 
		Mühseligkeiten des Hauhalts übernahm. Sie sollte darüber hinaus den 
		Ehemann in allem verstehen, ihm folgen und ihm bedingungslos zugetan 
		sein.
 Die alles subsumierte Wagner unter dem Begriff “Liebe der Frau zum 
		Manne.“
 
 Das Zwiegespräch Holländer – Senta offenbart in seinem melodischen 
		Duktus, dass die beiden zwar gleichzeitig singen, aber nicht zu einer 
		gemeinsamen Melodie finden.
 
		Holländer: Du Stern des 
		Unheils sollst erblassen.
 Licht meiner Hoffnung, leuchte neu!
 Ihr Engel, die mich einst verlassen,
 stärkt jetzt dies Herz in seiner Treu'.
 
 Senta
 Was ist's, das mächtig in mir lebet?
 Was schliesst berauscht mein Busen ein?
 Allmächt'ger, was so hoch mich erhebet,
 laß es die Kraft der Treue sein!
 
		Vater Daland hört des Holländers Hoffnung auf Erlösung durch Treue, 
		Sentas Gelöbnis 
		“bis in den Tod gelob ich Treu!“
 - aber für ihn 
		ist nur wichtig, dass er einen reichen Schwiegersohn bekommt.
 
 Zum Fest! Heut' 
		soll sich alles freu'n!
 Da bricht der 
		Jubel des Publikums los – verdientes Lob für große Leistungen.
 
 
 Dritter Aufzug
 Der Matrosenchor, der große Moment für den Männerchor und Christian 
		Stückls Kunst, eine große Gruppe einheitlich und doch individuell 
		agieren zu machen.
 Der Mittelteil der Bühne öffnet sich, zeigt die Kommandobrücke des 
		Holländerschiffes.
 
 Die Mädchen bringen Getränke, machen auf die hinter Gitter auf dem 
		Schiff eingesperrten bleichen Gestalten aufmerksam. Dieser Wechselgesang 
		ist eine der grandiosesten Chorszenen der Opernliteratur.
 Der Geisterchor, sonst nur akustisch hinter der Szene vernehmbar, 
		kriecht hier krank und matt aus dem Schiff hervor und gruppiert sich als 
		eine grausige Versammlung von Zombies und Meisterwerke der 
		Maskenbildnerkunst.
 Das ist selbst für sturmerprobte Seeleute zuviel, sie stieben davon.
 Erik erinnert Senta an die Zeit der aufblühenden jungen Liebe, 
		Schwärmerei, Tapferkeitsbeweise, zarte Berührungen.
 Willst jenes Tags 
		dich nicht mehr entsinnen,
 als du zu dir mich riefest in das Tal?
 Als, dir des 
		Hochlands Blume zu gewinnen,
 mutvoll ich trug Beschwerden ohne Zahl?
 […]
 Als sich dein Arm um meinen Nacken schlang,
 gestandest du mir Liebe nicht aufs neu'?
 
 In blinder 
		Verliebtheit hielt Erik das
 Was bei der Hände Druck mich hehr durchdrang,
 sag', war's nicht Versich'rung deiner Treu'?
 
 - und David 
		Danholt singt dieses Arioso so kraftvoll und geschmeidig, dass er unsere 
		Sympathie und des Holländers Verzweiflung hervorruft.
 Verloren! Ach! 
		verloren!
 Ewig verlor'nes Heil!
 
 Mit gellendem 
		Pfeifen ruft er seine Mannschaft an Bord. In einem letzten Monolog 
		schildert der Holländer sein verfluchtes Schicksal, das Senta in der 
		Ballade schon geschildert hat
 Bei bösem Wind 
		und Sturmes Wut
 umsegeln wollt' er einst ein Kap;
 er flucht' und schwur mit tollem Mut:
 In Ewigkeit laß' ich nicht ab!
 
 Das war der 
		Hochmut eines Diktators, der aus verbohrtem Machtbewusstsein die ihm 
		Anvertrauten aufs Spiel setzt. Gäbe es einen Satan, hätte er in unserer 
		Zeit auch viel zu tun.
 
 Wir erfreuen uns in den letzten Monologen an der Prachtstimme von Gabor 
		Bretz:
 Befrag' die Meere 
		aller Zonen, befrag'
 den Seemann, der den Ozean durchstrich,
 er kennt dies Schiff, das Schrecken aller Frommen:
 den fliegenden Holländer nennt man mich.
 
 Senta ist nicht 
		zurückzuhalten
 Preis' deinen 
		Engel und sein Gebot!
 
		Hier steh' ich, treu dir bis zum Tod!
 Die Mittelbühne 
		schließt sich, der Engel-Knabe steigt in die Unterbühne, in letzter 
		Sekunde springt Senta, bevor sich die Szene schließt zum Holländer auf 
		die Brücke des Schiffs.
 
 Das ergriffene Publikum braucht einen Moment zum Durchatmen, dann kennt 
		die Begeisterung keine Grenzen.
 Chor, Solisten, das junge Orchester, der Dirigent, der Regisseur haben 
		höchstes Lob verdient.
 So soll es sein!
 
		 . 
 
		„She‘s just like you and me, but she‘s homeless, as she stands there 
		singing for money ...“aus dem Song Gypsy Woman von Crystal Waters
 
 Zaster auf dem 
		Pflaster
 Die Fußgängerzone als Konzertbühne. 
		Von Virtuosen und Dilettanten, von 
		tollen Konzerten, Zwangsbeschallung und Bettelei
 
 An Straßenmusik scheiden sich die Geister. Was für die einen eine 
		willkommene Ablenkung in der Alltagsroutine ist, ist für andere 
		schlichtweg Lärmbelästigung. Wer gestresst von Termin zu Termin hetzt 
		und in der kurzen Mittagspause einfach nur bei einem Kaffee relaxen 
		will, wird Straßenmusik anders beurteilen als jemand, der gerade 
		entspannt einen Einkaufsbummel unternimmt.
 Wer sich täglich in Zentren von Städten aufhält, kennt das Phänomen 
		Straßenmusik und Straßenmusiker. Von Pop, Rock, Folk, Klezmer, Swing bis 
		Klassik ist hier in den Sommermonaten die ganze Palette an Musikstilen 
		geboten. Straßenmusiker gehören als belebendes Element zum Bild der 
		Stadt und sie sind meist auch willkommen.
 
 Dabei ist Straßenmusik kein Phänomen der Moderne. Fahrende Sänger und 
		Barden kannte man schon in der Antike. Wandersänger gab es im 
		Mittelalter: fahrende Gesellen, die lieber mit Straßengesang ihren 
		Lebensunterhalt verdienten, als bei einem Dienstherrn anzuheuern. Bis 
		ins 19. Jahrhundert zogen Bänkelsänger von Ort zu Ort, um auf 
		Marktplätzen oder auf Dorfwiesen gegen Hutgeld von schauerlichen 
		Geschichten, von Mord, Liebe, Katastrophen und aufregenden politischen 
		Ereignissen zu singen.
 
 Nicht immer jedoch zeigt sich Straßenmusik konfliktfrei. Die Polizei 
		dazu: „Vereinzelt, hauptsächlich in den Sommermonaten, kommt es durchaus 
		vor, dass sich Geschäftsinhaber oder Angestellte beschweren und uns zu 
		Hilfe holen, wenn Straßenmusiker zu laut oder zu lange vor ihren Läden 
		musizieren. Unsere Streifendienste kontrollieren auf Routinegängen, ob 
		Spielgenehmigungen vorliegen. Wenn nicht, übergeben wir diese Fälle der 
		Stadt Regensburg, die ein Fehlverhalten gegen Auflagenbescheide 
		sanktionieren kann. Aber wir ziehen nicht gezielt los, um Straßenmusiker 
		zu kontrollieren, hierzu hat die Stadt Regensburg selbst die 
		entsprechenden Möglichkeiten.“ Gewiss, niemand will stundenlang einem 
		Dudelsackspieler zuhören oder einer dieser „Trapp-Familien“ vom Balkan, 
		die sehr laut, sehr lange und mit sehr schlichten Weisen nerven.
 
 Bettelei mit Instrumenten
 Eine junge Frau kauert auf dem Gehsteig. Sie trägt einen pinkfarbenen 
		Anorak, weite Pluderhosen und ein Kopftuch mit Blumenmuster. Wie alt mag 
		sie sein? Vielleicht 16. In ihren ausgestreckten Händen hält sie einen 
		Pappbecher, unter ihren Fingernägeln sichtbar Dreck. Sie hockt auf einem 
		schäbigen Plastikkissen und singt ohne Unterlass in einer fremden 
		Sprache vor sich hin. In ihr eintöniges Wehklagen mischt sie ab und zu 
		ein paar deutsche Floskeln. „Jäsus, bittä, dankäschön. Alle Gute fir 
		Familiä ...“ Passanten werfen ihr aus Mitleid – gewiss nicht wegen der 
		gesanglichen Darbietung – ein paar Münzen in den Becher. Von diesem Lohn 
		aber bleibt der jungen Sängerin nichts. Sie steht in der Hierarchie 
		eines Systems aus Abhängigkeit und Ausbeutung ganz unten. Im 
		15-Minuten-Takt kommt der ’Abholer’, der meist noch drei oder vier 
		weitere dieser singenden Bettler zu ’betreuen’ hat, die an weiteren 
		Straßenecken und Plätzen mit der gleichen Masche auf Spenden hoffen. Der 
		Abholer muss die eingesammelte Gage wiederum unverzüglich gegen eine 
		geringe Provision bei einem höherrangigen Clanchef abliefern, der in 
		seinem Mercedes auf einem Parkplatz am Stadtrand wartet. Die singenden 
		Bettler selbst bekommen nur Essen, Trinken und einen Schlafplatz in 
		schäbigen Unterkünften, oft in Abbruchhäusern.
 
 Die Männer, Frauen und Kinder kommen hauptsächlich aus Rumänien, 
		Bulgarien und der Slowakei. Wie viele es sind, weiß niemand. Fest steht, 
		dass die meisten unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt 
		und hier zum Betteln gezwungen werden. An die Hintermänner kommt die 
		Polizei nur selten heran. Wer einigermaßen musikalisch ist, hat es in 
		diesen Bettlerbanden noch vergleichsweise gut. Denn wer nicht sicher 
		intonieren oder in einer Großfamilie musizieren kann, muss nicht selten 
		ein körperliches Gebrechen vortäuschen und bettelnd durch die 
		Fußgängerzonen ziehen. Beobachtungen aus anderen Städten zeigen, dass 
		der krakeelende Gesang in Dauerschleife für einige Bettelclans sehr 
		einträglich sein kann. Nicht selten bezahlen Geschäftsinhaber die 
		talentfreien Interpreten dafür, dass sie schnell wieder verschwinden. 
		Für 50 Euro in bar auf die Hand ziehen sie unverzüglich außer Hörweite. 
		In den seltensten Fällen wurde eine Sondererlaubnis beim Amt eingeholt. 
		Wer diesen musizierenden Balkanbands Geld in den Becher wirft, sollte 
		bedenken, dass von den Spenden nicht diejenigen profitieren, die es 
		nötig haben. Damit werden nur diejenigen unterstützt, die diese Ärmsten 
		ausbeuten.
 
 Auf der anderen Seite: Wie groß muss die Not in einem Land sein, dass 
		die Menschen von dort nach Deutschland kommen, um hier zu betteln. Und 
		was haben wir damit zu tun? Nicht alle bettelnden Musiker sind 
		bandenmäßig organisiert. Oft ist es hilfreicher, diesen Menschen etwas 
		zu essen oder einen Becher mit heißem Kaffee statt Geld zu geben.
 
 Eine Frage der Qualität
 El condor pasa, Country Roads und The House of the Rising Sun: 
		Südamerikanische Combos mit Panflöte waren mit die Ersten, die ab den 
		1960-Jahren in deutschen Fußgängerzonen aufspielten. Heute namhafte 
		Musiker haben als Street-Artists angefangen, nicht zu vergessen die 
		Kelly Family, die ihre Karriere mit Straßenmusik begründete. 
		Musikstudenten finanzieren sich oft einen Teil des Studiums mit 
		Auftritten im öffentlichen Raum und nicht selten treten talentierte 
		Sängerinnen und/oder Instrumentalisten als Straßenmusiker auf, ganz 
		einfach, weil sie gerne unterwegs sind und jeden zusätzlichen Cent für 
		Unterkunft und Fahrkarten gut gebrauchen können. Eine politische 
		Dimension wie noch in den 1970er- und 1980er-Jahren, als 
		gesellschaftskritische Liedermacher eine Gegenöffentlichkeit schaffen 
		wollten, hat Straßenmusik heute nicht mehr. Vielmehr ist sie seit Ende 
		des 20. Jahrhunderts als eine Form der Kleinkunst etabliert.
 
 Bleibt die Frage nach der künstlerischen Qualität. Niemand wird hier 
		Maßstäbe wie bei Meisterkonzerten oder arrivierten Top-Künstlern 
		anlegen. Auch ist meist klar, dass es sich um Hobbymusiker handelt, die 
		ihr Salär aufbessern wollen, wie bei den typischen Straßenmusikanten 
		früherer Jahrzehnte, den Drehorgelspielern. Nun ja, dieses „Instrument“ 
		heißt nicht umsonst Leierkasten, es kann auch von gänzlich 
		unmusikalischen Zeitgenossen bedient werden. Unkreativer geht es nicht. 
		Neueste Drehorgelmodelle sind elektronisch gesteuert, da könnte man auch 
		einfach einen CD-Player hinstellen.
 Die Geschmäcker sind gottlob verschieden. Was dem einen sin Uhl, ist dem 
		andern sin Nachtigall. Aber Zwangsbeschallung muss sich niemand gefallen 
		lassen. Klagen über Straßenmusik sind so alt wie das Phänomen selbst. 
		Der britische Mathematiker Charles Babbage beschwerte sich 1864 über 
		Straßenmusik, weil sie ihn bei seinen Studien störte, und aus Venedig 
		sind mehrere Klagen über zu laut und falsch singende Gondoliere 
		aktenkundig.
 
 Eine Frage des Geldes
 Landauf, landab versuchen Kommunal- und Stadtverwaltungen gegen ein 
		Zuviel an Straßenmusik vorzugehen. In München müssen Straßenmusiker seit 
		2007 ein Casting absolvieren. Nur die Besten und maximal drei Solisten 
		und/oder Gruppen pro Tag dürfen auf dem Odeonsplatz oder dem Stachus 
		musizieren. Für diesen Verwaltungsaufwand werden den Performern zehn 
		Euro abgeknöpft. Wer ohne Genehmigung beim Musizieren erwischt wird, 
		muss mit einem Bußgeldbescheid in Höhe von 100 Euro rechnen.
 Dass Stadtverwaltungen besonders rigoros und knauserig bei Genehmigungen 
		für Straßenmusiker sei, stimmt im Übrigen nicht. Die Kriterien und 
		Vorgaben hierzu (siehe Kasten rechts) lesen sich nahezu identisch mit 
		denen der meisten anderen Kommunen vergleichbarer Größe. Die Gebühren 
		für den Bescheid, musizieren zu dürfen, sind oft günstig.
 
		Nur in Berlin fallen keinerlei Kosten fürs Musikmachen an, auch ist dort 
		keine Genehmigung vom Amt einzuholen, wenn man auf Plätzen oder in Parks 
		singen oder musizieren will. Einzige Bedingung: Es dürfen lediglich 
		Stimme und akustische Instrumente zum Einsatz kommen und der Gig darf 
		maximal 15 Minuten pro frei gewähltem Spielort dauern. Das hat leider 
		inzwischen den Folgeeffekt, dass auch in S- und U-Bahnen munter 
		drauflosgesungen und -gespielt wird. In der Regel ist meist ein 
		„Bandmitglied“ abgestellt, „sehr offensiv“ mit dem Hut durchs Abteil zu 
		patrouillieren. Das Wort „Hutgeld“, nebenbei bemerkt, findet sich 
		bereits 1854 im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm! Wer gute Musik 
		macht, wer sein Instrument und seine Stimme beherrscht, kann mit 
		Straßenmusik richtig gut Geld verdienen. Je besser die Performance desto 
		mehr „Scheinwerfer“! 
 Auf ewiger Bayern-Tournee
 Wer ein bisschen in Bayern herumkommt, kann in Augsburg, Bamberg und 
		Würzburg ein akustisches Déjà-vu erleben. Viele Straßenmusiker touren 
		regelrecht durch die Lande, und Regensburg scheint ein durchaus 
		einträgliches Pflaster für Musik aller Art zu sein. Die unüberhörbare 
		Sirene mit den „iro-schottischen“ Shantys kennt man auch an der Pegnitz 
		und am Lech. Inzwischen sollte man meinen, die Gute müsste längst das 
		Honorar für einen Vocal-Coach herein gespielt haben. Auch unsere Freunde 
		von Almost Heart-Chor mit ihrem „ehrlichen Quetsch ‘n‘ Roll“ 
		(Geschmackssache!) gastieren gern in Landshut, Passau und Straubing. Das 
		Quartett kündigt seine Auftritte in Fußgängerzonen regelmäßig via 
		Facebook an, auch bei Stadtmarathons oder anderen Festen musizieren die 
		Vier gerne am Straßenrand – aus Spaß an der Freud‘ und natürlich for 
		money. Von vielen immer wieder gern gehört und gesehen: die bekannte 
		Digeridoo-Gruppe, Gustav und Gerlinde (die mit der Tuba!), russische 
		A-cappella-Männerchöre, Irish Folk und, und, und. Bei Straßenmusikern 
		gilt übrigens Eichstätt als lukrativstes Pflaster in Bayern.
 
 Straßenmusik-Festivals
 In jüngster Zeit haben sich weltweit Straßenmusik-Festivals etabliert. 
		Das größte und älteste findet seit 1988 alljährlich in Ferrara statt. 
		Bei der Street Performance World Championship in Dublin gibt es eine 
		Kategorie für Straßenmusiker. Auf dem Folk-Roots-Weltmusik-Festival in 
		Rudolstadt ist die Straßenmusik wichtiger Programmpunkt. Seit 2015 
		findet jeden Herbst in der Alten Mälzerei die „Sternschnuppe(r)nnacht“ 
		statt – der Regensburger Straßenmusikerwettbewerb, bei dem Talente in 
		den Kategorien „Bester eigener Song“ und „Bester Coversong“ um den Sieg 
		musizieren. Natürlich schön warm und im Trockenen. Denn um als 
		Straßenmusiker zu überleben, braucht es das richtige Wetter, den 
		richtigen Ort und den richtigen Zeitpunkt.
 
 Das Joshua-Bell-Experiment:
 Der weltberühmte Violinist Joshua Bell geigte 2008 in der Washingtoner 
		Metro. Bilanz: In 43 Minuten verdiente er vor 1070 Zuhörern 32 Dollar 
		und 17 Cent. Für den Stargeiger eine Grenzerfahrung und ein Lernprozess 
		über Kunstöffentlichkeit. Was wäre seine Kunst ohne Marketing? Wie sein 
		Standing ohne die Öffentlichkeitsarbeit seiner PR-Agentur? Was wären 
		Konzertbesucher in London, Tokio, München oder New York bereit, für ein 
		Ticket auszugeben, hätte ihm sein Plattenlabel nicht einen bestimmten 
		Nimbus angeheftet? Bell musste übrigens die wenigen Meter von seinem 
		Hotel zur U-Bahnstation mit einem Taxi fahren, wegen des immens hohen 
		Versicherungswerts seiner millionenschweren Stradivari.
 
 
		Straßenmusik in Regensburg – die „AGBs“Wer in Regensburg auf öffentlichen Straßen und Plätzen musizieren 
		möchte, benötigt hierzu eine Sondernutzungserlaubnis. Hierzu ist ein 
		formloser schriftlicher Antrag unter Angabe der Adresse und 
		Telefonnummer ausreichend. Es genügt, wenn Straßenmusiker mit gültigem 
		Ausweis in der Stadtkämmerei in der D.-Martin-Luther-Straße 1 
		vorsprechen. Laut Sondernutzungssatzung der Stadt Regensburg (Stand 18. 
		Dezember 2000) werden für Straßenmusik von Einzelpersonen pro Tag 3,30 
		Euro, von Gruppen pro Tag 6,60 Euro erhoben.
 
		Einige Punkte gilt es jedoch zu 
		beachten: Den Musikern wird aufgegeben, ihren Standort spätestens nach 
		30 Minuten zu wechseln und beim Ortswechsel einen Mindestabstand von 100 
		Metern einzuhalten. Jede Örtlichkeit darf dabei nur einmal bezogen 
		werden. Spielberechtigung besteht von 10.00 bis 13.00 Uhr und von 15.00 
		bis 20.00 Uhr. In der Mittagszeit von 13.00 bis 15.00 Uhr darf nicht 
		musiziert werden. Das Musizieren ist bis längstens 20.00 Uhr gestattet. 
		 
		Lediglich zwei Musiker oder eine Gruppe 
		bekommen pro Tag die Erlaubnis, im Altstadtbereich zu spielen. Ausnahmen 
		werden für Künstler gemacht, die aus dem Ausland kommen und nur für 
		einen Tag in Regensburg Station machen.Die Genehmigung berechtigt grundsätzlich zum Musizieren auf allen 
		Flächen des Stadtgebiets, die als öffentlicher Straßengrund gewidmet 
		sind. In der Weißen-Lilien-Straße, Pfauengasse, Gesandtenstraße und 
		Drei-Helm-Gasse ist jedoch für Musikgruppen das Musizieren untersagt. 
		Für Einzelpersonen gilt dieses Verbot ab 13.00 Uhr.
 Die Benutzung besonders störender Musikinstrumente wie 
		Blechblasinstrumente, Schlagzeuge und ähnliche Rhythmusinstrumente ist 
		grundsätzlich nicht erlaubt. Die Musikausübung mit Verstärkeranlagen und 
		Lautsprechern ist grundsätzlich nicht zulässig.
 Grundsätzlich erhalten die Straßenmusikanten auch Genehmigungen für 
		Sonn- und Feiertage. Hiervon ausgenommen sind jedoch die „stillen Tage“, 
		also Aschermittwoch, Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, 
		Allerheiligen, der zweite Sonntag vor dem ersten Advent als 
		Volkstrauertag, der Totensonntag, der Buß- und Bettag und der Heilige 
		Abend ab 14.00 Uhr. An Wochenenden, an denen bereits Veranstaltungen mit 
		Musik genehmigt sind (zum Beispiel Bürgerfest oder Jazz-Weekend), werden 
		ebenfalls keine Straßenmusikanten zugelassen. Schließlich werden auch an 
		den sogenannten „veranstaltungsfreien Wochenenden“ (jeweils eines pro 
		Monat) keine Genehmigungen für Straßenmusik erteilt.
 O-Töne:
 Alexander aus dem Donbass (Ukraine)
 reist drei oder vier Mal im Jahr mit dem Zug nach Deutschland, um in 
		Fußgängerzonen Musik zu machen. „Die politische und soziale Situation in 
		der Ukraine ist im Moment katastrophal“, sagt Alexander, „Kunst und 
		Musik sind da leider oft verzichtbarer Luxus.“ Er winkt ab, er möchte 
		lieber über die Musik sprechen. „Bach!“, schwärmt er, „das ist Musik aus 
		einer anderen Galaxie! Schwierig. Komplex. Bachs Toccaten und Fugen für 
		Akkordeon zu arrangieren, ist schon eine Herausforderung, aber für mich 
		eine Messlatte. Ich spiele auch gern Mozart oder Opernarien und Tangos – 
		das kommt bei den Passanten sehr gut an. Die meisten Leute aber bleiben 
		stehen, wenn ich meine Bearbeitung von Vivaldis Violinkonzert Der Winter 
		spiele. Vielleicht, weil es so fetzig ist, fast wie Pop.“ Ob es Städte 
		gibt, die besonders lukrativ für Straßenmusiker sind, kann Alexander 
		nicht sagen. „Nein, wenn es eine Stadt gäbe, in der ein gewisser Umsatz 
		garantiert wäre, würde ich dort jede Woche spielen. Gestern war ich in 
		Nürnberg und habe kaum etwas verdient. Vor zwei Wochen habe ich dort 
		enorm viel eingenommen, obwohl das Wetter viel schlechter war. Das hängt 
		von so vielen Faktoren ab, die ich aber noch nicht analysiert habe. Es 
		ist einfach Glückssache!“
 
 Arne Schmitt
 mit seinem mobilen Konzertflügel ist so etwas wie ein Star unter den 
		Straßenmusikern. Der musikalische Autodidakt ist in  ganz Europa 
		unterwegs und mindestens einmal im Jahr in Regensburg. Über den Künstler 
		kann man sich auf dessen Website (arne-schmitt.com) und seinem 
		Facebook-Account informieren, zu ihm gibt es einen Wikipedia-Eintrag. 
		Seit über 17 Jahren tourt er mit seinem digital umgerüsteten Flügel auf 
		fahrbarem Untersatz durch die Fußgängerzonen. Selbst Paul McCartney hat 
		ihm schon Geld ins Körbchen geworfen. Schmitts Pianoakkorde, seine 
		Improvisationen über bekannte Songs sind nicht jedermanns Sache, aber er 
		hat sich eine stabile Fanbase erspielt. „In Regensburg habe ich vom Amt 
		immer eine Spielberechtigung bekommen, das hat nie Schwierigkeiten 
		gegeben, das geht hier sehr flott und unbürokratisch. Im Gegensatz zu 
		Frankfurt am Main, wo man Angst hat, ich würde mit meinem Flügel ganze 
		Straßenzüge blockieren.“ Schmitt bekennt: „Ja klar, ich mache music for 
		money, aber die Freiheit, was und wo ich spiele, die lasse ich mir nicht 
		nehmen. Das Reisen, das Unterwegs sein ist für mich genauso wichtig wie 
		die Musik. Und wenn sie den Passanten gefällt, dann gibt mir das ein 
		gutes Gefühl.“
 
 Tom
 „Es gibt fantastische Musiker, die mit ihrer Straßenmusik den Aufenthalt 
		in der Altstadt geradezu bereichern. Fabelhaft ist der Kalifornier mit 
		seinem selbst gebauten Streichinstrument, klasse sind auch die beiden 
		Burschen mit Gitarre und Cajón, die sich meistens am 
		Dani-Karavan-Bodenrelief niederlassen und einfach toll singen. Da hört 
		man gerne zu und verweilt. Nervtötend sind allerdings diese sehr laut 
		musizierenden Familien-Clans! Bei uns war zufällig einmal ein 
		Musikprofessor als Kunde im Geschäft, als wieder eine dieser Gruppen 
		loslegte. Er stellte fest, dass an einer bestimmten Stelle dieses 
		einfachen Lieds bewusst falsch gesungen wurde. Der Fehler wurde 
		hartnäckig in jeder Strophe wiederholt. Der Musikwissenschaftler 
		wunderte sich und war völlig verwirrt. Aber wir haben noch nie die 
		Polizei geholt. Da heißt es halt Geduld haben, irgendwann zieht die 
		Gruppe schon weiter.“
 Nadine Rohde
 „Grundsätzlich freue ich mich über Straßenmusik und -musiker. Sie tragen 
		zum urbanen Flair in der Stadt bei und können die Aufenthaltsqualität 
		erhöhen. Das Klezmer-Trio musiziert regelmäßig in der Pfauengasse und in 
		der Weißen-Lilien-Straße. Das sind Profis. Ich freue mich immer, gute 
		Solisten oder Bands zu hören. Straßenmusiker gehören zum Stadtbild und 
		zur Geräuschkulisse einer Stadt. Was stört, ist, wenn zu lange am 
		gleichen Fleck und zu laut gespielt wird. Hier im Laden kriegt man ja 
		nur die Spitzen mit und das kann oft ganz schön an den Nerven zerren, an 
		meinen und an denen der Kunden. Eintönige und zu dynamisch vorgetragene 
		Straßenmusik ist mitunter durchaus ein Grund, dass Kunden das Geschäft 
		verlassen. Wenn ich selbst als Passantin unterwegs bin, nehme ich 
		Straßenmusik natürlich ganz anders wahr. Sie gehört ganz einfach zum 
		Soundtrack der Stadt.“
 
 Ulrich Dombrowsky
 „Ich bin eher einer der Leidtragenden, wenn Straßenmusik vor dem 
		Geschäft gemacht wird. Vor allem, wenn es an Qualität mangelt, an der 
		Bandbreite des Repertoires und wenn sie kein Ende nehmen will. Wirklich 
		gute Straßenmusik ist – zumindest am St.-Kassians-Platz – leider selten 
		zu hören. Was meist geboten wird, ist zu seicht und zu eintönig. Es 
		kommt schon vor, dass ich das Ordnungsamt bitten muss, für Abhilfe zu 
		sorgen. Das klappt in der Regel auch sehr zügig. Was von Vorteil ist: 
		Der Verein Faszination Altstadt e. V. hat seine Räume im 
		Sparkassen-Gebäude am Neupfarrplatz. Dort kriegt man unmittelbar mit, 
		wer gerade wie musiziert. Ziel von Faszination Altstadt ist, die 
		Altstadt als attraktives Ziel für ihre Besucher zu erhalten. Und dazu 
		gehört auch, dass die Straßenmusik, die durchaus ihre Berechtigung hat, 
		gewissen Qualitätsstandards entspricht.“
 
		 
 
		 
		
		
		Kalenderblätter August
 
 Thema 
		des Tages
 
 
		
		Alexander Golling  ... am 02. August 1905 geboren
 
		Er war der 'Kracherte', der allen die Meinung sagte. Zum Schauspieler in 
		München ausgebildet ging er als Anfänger nach Heidelberg, wo er bei den 
		'Reichsfestspielen' unter der Schirmherrschaft von Dr. Goebbels auftrat. 
		Später in Berlin an der Volksbühne beschäftigt, bekam er schon Rollen 
		als schwerer Held beim Film so in 'Geheimakte WB 1', '90 Minuten 
		Aufenthalt' in der Regie von Harry Piehl,  'Dreizehn Mann und eine 
		Kanone' mit Otto Wernicke, Herbert Hübner, Erich Ponto, Friedrich 
		Kayßler. 
		Es folgte 1939 'Gold in New Frisco' in der Regie von Paul Verhoeven. Er ging nach 
		München, wurde zum Staatschauspieler ernannt und übernahm die Intendanz 
		des Bayerischen Staatsschauspiels. 
		Schon früh sympathisierte Golling mit dem Nationalsozialismus, was ihm 
		den Spitznamen 'der braune Theaterfürst von München' eintrug. 
		Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte er deswegen Schwierigkeiten, 
		seine Karriere nahtlos fortzusetzen. 
		Bei der Entnazifizierung vor einer Münchener Spruchkammer wurde er als 
		'Belasteter' eingestuft und sein Vermögen bis auf 10.000 Mark 
		eingezogen. 
		Erst 1950 stand er wieder vor der Kamera, spielte in Filmen von Veit 
		Harlan, Wolfgang Liebeneiner und Karl Ritter, die in der Zeit des 
		Nationalsozialismus ebenfalls auf der Seite des Regimes standen. In den 60-er 
		Jahren schaffte er dann den Sprung ins TV-Geschäft, wobei es sich 
		oftmals um Aufzeichnungen von Bauernkomödien handelte.
 
 
		Thema des Tages
 Adolf Bock
   
		... am 05. August 1890 geboren
 
 Er schaute dem Großvater und dem Vater über die Schulter, wenn sie an 
		der Staffelei standen.
 Großvater, Landschaftsmaler, der Vater war Bauer und malte nur aus Spaß 
		an der Sache.
 
 Der Junge sollte es richtig lernen, aber die Ausbildungen brach er 
		jeweils ab, ging zur Kriegsmarine und malte so nebenbei.
 
 Während einer Seereise an Bord des Kaisers von Deutschland konnte er 
		sein Talent zeigen, Wilhelm II. förderte das Talent.
 
 1940 malte er 'Gen Engelland' und 'Stuka trifft englisches 
		Schlachtschiff', was ihm das Wohlwollen des 'Führers' einbrachte, der 
		ihm die Renovierung der Wohnung eines vertriebenen Juden finanzierte.
 
 Oftmals erwähnte Hitler den Maler in seinen Tischgesprächen.
 Es sei unverständlich, das die schönen
		
		Bilder von Bock von der 
		preußischen Akademie abgelehnt worden seien. Die zeigten doch eine 
		naturgetreu Wiedergabe der Nordsee.
 
 Hitler fühlte sich dem Maler Bock seelenverwandt, war er selber doch als 
		Bewerber an der Akademie in Wien als untalentiert abgelehnt worden.
 
 Adolf Bock verließ in den letzten Kriegtagen Ostpreußen und überlebte 
		den Untergang der Wilhelm
		
		Gustloff, an deren Bord er sich 
		mit Tausenden von Flüchtlingen befand.
 
 
		Thema des Tages
 Knut Hamsun
  ... am 04. August 1859 geboren
 
 Mit dem 1920 erhaltenen Nobelpreis für Literatur ging eine kärgliche 
		Zeit, die ihn schon als Kind bei den Eltern als Kleinbauern beeinflusst 
		hatte, zu Ende.
 
 Für ihn bedeutete die Abkehr vom Imperialismus und vom Kommunismus die 
		Lebensleitlinie - und geriet damit zum Sympathisanten der Deutschen. 
		Bereits im ersten Weltkrieg nahm der diese Haltung ein, verstärkt zeigte 
		sie sich zur Zeit des Nationalsozialismus.
 
 Carl von Ossietzky, der in dem KZ Papenburg-Esterwegen gefangen gehalten 
		wurde, kritisierte er öffentlich, der wolle nur als Märtyrer in die 
		Geschichte eingehen und sei deswegen in Deutschland geblieben.
 
 Hamsun hob den Krieg als Akt der Selbstverteidigung hervor, sah eine 
		jüdische Unterwanderung und forderte den Kniefall Englands.
 
 Der Dichter pflegte Kontakte zu Goebbels, dem er nach einem Besuch in 
		Berlin seine Nobelmedaille zusandte. Er, Goebbels habe wie nie jemand 
		für die Sache Europas und der Menschheit Jahr um Jahr so unermüdlich 
		geschrieben und gesprochen wie er, der Herr Reichsminister.
 
 Hitler traf er auf dem Berghof und das, was als großer Propagandagag 
		geplant war, schlug fehl, als Hamsun dem Führer ins Wort fallend 
		unumwunden Verbrechen im von den Deutschen besetzten Norwegen vorwarf. 
		Und Goebbels notierte, der Besuch sei leider etwas verunglückt.
 
 Im Mai 1945 verstieg er sich zu einem Nachruf auf Hitler.
 
 Prozesse wegen seiner positiven Haltung gegenüber den Nazis brachten im 
		eine Geldstrafe von 325 Tsd. Kronen ein, was einem heutigen Wert von 
		etwa 41.000 Euro bedeutet, die er nicht bezahlen konnte.
 
 
		Thema des Tages
 Leni Riefenstahl
 
    
		... am 22. August 1902 
		geboren  
		Bis ins hohe Alter ging sie immer wieder Abenteuer ein.Sie kam vom Ausdruckstanz, konnte den Beruf wegen einer Verletzung nicht 
		mehr weiter ausüben. Die Fotografie und das Filmen wurden ihre neuen 
		Betätigungsfelder.
 Besonders bekannt, ihre Produktionen über die Reichsparteitage und die 
		Olympischen Spiele in Berlin 1936.
 
 Schauspielerin war sie noch 1934 als Marta in ihrem 'Tiefland'-Film, der 
		durch die Kriegseinflüsse erst 1952 fertig gestellt werden konnte.
 Bernhard Minetti war Sebastiano, Franz Eichberger der jugendliche Held 
		Pedro.
 
 Als Fotografin errang sie große Anerkennung. Als Einzige durfte sie mit 
		Regierungsgenehmigung im Süd-Sudan die Nuba in Bilddokumenten 
		festhalten.
 
 Sie lernte noch im hohen Alter tauchen und veröffentlichte ihre 
		Unterwasseraufnahmen in großformatigen Bildbänden.
 
 Obwohl viele Dokumente von der Nähe der Riefenstahl zum Hitler-Regime 
		Zeugnis ablegen, war sie bis zum Ende völlig unnachgiebig in der 
		Auffassung, nichts getan zu haben, was man als ehrenrührig einstufen 
		könnte.
  
 Thema des Tages
 
 Bayreuth
 Es war schon erstaunlich, dass sich 
		die Siegermächte auf eine Weiterführung der von der Hitlerdiktatur 
		belasteten Richard-Wagner-Festspiele einließen.
 Winifred pflegte seit dem Scheitern des Putsches in München am 8./9. 
		November 1923 und dem Gefängnisaufenthalt Hitlers in Landsberg gute 
		Beziehungen zu ihm, 'trauerte' auch wegen - 'USA' - 'Unser seliger 
		Adolf' - in dem Syberberg-Wagner-Film.
 Es gibt viele Fotos aus der Zeit, die Wolfgang und Wieland mit dem 
		Führer, dem 'Onkel Wolf', zeigen.
 
 Aber die Amerikaner wollten in ihrem Verwaltungsbereich der 
		Beatzungszone einen Mittelpunkt schaffen, der positive Ausstrahlung, 
		trotz aller Vorbehalte, haben sollte.
 
 Bereits 1949 wurde der Verein 'Freunde der Bayreuther Festspiele' 
		gegründet, die sich seitdem der Aufgabe stellten, Gelder für die 
		Produktionen zur Verfügung zu halten.
 
 Da heutzutage die Gefahr besteht, dass sich die 'Freunde' verweigern 
		könnten, wurde 2010 eine neue Gruppierung mit dem Namen 'Team der 
		aktiven Festspielförderer' - abgekürzt 'Taff' - ins Leben gerufen.
 Ein Peter Maisel aus BT und Christian Thielemann sollen angeblich zu dem 
		neuen Verein gehören und auch der 'Herr Trigema', der Unterwäsche aus 
		Deutschland anbietet, soll dabei sein.
 Aus Dankbarkeit durften Mitglieder des neuen Vereins während des zweiten 
		Aufzugs des 2011-'Tannhäuser' auf der Bühne sitzen.
 
 Nun aber wegen der negativen Schlagzeilen und den Vorkommnissen in 
		Bayreuth alles gleich in Bausch und Bogen abzuqualifizieren, geht dann 
		doch wohl zu weit.
 Aber so sind nun mal die Oberfranken, klar und deutlich in den Aussagen 
		ihren Mitbürgern gegenüber.
 
 Bemerkenswert mit welcher Verve sich seinerzeit die beiden Urenkelinnen 
		um die Besetzung des Regisseurpostens für den 'Ring' 2013 bemühen 
		mussten, nachdem Wim Wenders absagte.
 Da verfielen sie auf Herrn Casdorf - der eine Ausbildung zunächst bei 
		der Reichsbahn machte und dann zum Theater ging.
 Vornehmlich war er an Häusern in der 'DDR' tätig.
 Die Frage stellt sich auch, ob und wie lange und wieweit Kontakte der 
		Stasi zu
		
		Peter Emmerich bestanden.
 
 Carl Hegemann, der Dramaturg, schon beim Schlingensief'schen 'Parsifal ' 
		am Werk, war 'helfend' dabei.
 
 Nun finden die BT-Festspiele wieder statt - hier von 'F e s t' -spielen 
		zu reden, ist sicherlich nicht angebracht.
 Gemessen an den finanziellen Möglichkeiten der so genannten 'Festspiele' 
		in Bayreuth müsste dem Publikum etwas anderes geboten werden, als 
		beispielsweise ein ausgebuhter 'Tannhäuser' im Jahr 2011.
 
 Wozu überhaupt noch dieser Aufwand in Bayreuth, wenn die Theater 
		Koblenz, Lübeck den 'Ring' spielen, den
		
		'Lohengrin' 
		in Quedlinburg und
		
		den in Regensburg und auch den
		
		'Tristan' dort auf die Bühne 
		brachten und in Detmold 'Ring', 'Parsifal' und 'Tristan' zeigten.
 Erstklassiges sieht und hört man im Cinemaxx mit den Übertragungen aus 
		der Met und aus Covent Garden.
 Eine Ausnahmestellung im Sinne des Werkes nimmt BT - bezogen auf die 
		oben genannten Theater - allenfalls noch beim Chor und beim Orchester 
		ein.
 
 Nach den neuesten Bayreuther Affären um Nikitin, um Hengelbrock. 
		Wie um Meese rankt sich nun das Gerüchtegeflecht um Andris Nelsons. Der 
		reiste aus den Bayreuther Proben ab und kam nicht wieder.
 Angeblich soll sich der 'Oberfränkische Musikdirektor' in die 
		Orchesterarbeit zu sehr eingemischt haben.
 
 Geld und gute Worte brachten den lettischen Maestro - mit Kristine 
		Opolais verheiratet -  nicht dazu, nach BT zurückzukehren und die 
		Proben zum 'Parsifal', dem 'Bühnenweihfestspiel', fortzusetzen.
 Zufällig frei war Herr Haenchen, der das Stück dann übernahm, so dass es 
		stattfinden konnte.
 
 Der 'Oberfränkische Musikdirektor' musste sich beim Vorsingen von 
		Mareike Morr selbst ans Klavier setzen. Da gab es wohl keinen 
		Korrepetitor der recht begleiten konnte.
 Aber in Zukunft wird ja alles besser, wenn HvB das Kaufmännische leitet. 
		Er war ja in gleicher Position am Oberpf. Metropol-Theater Regensburg 
		engagiert.
 
 Warum der ganze Zirkus am Grünen Hügel für die paar Vorstellungen.
 Salzburg spielt demgegenüber an 14 Spielstätten, an 44 Spieltagen, 188 
		Vorstellungen.
 
 RW gibt man doch überall, bald sicher auch im Wirtssaal von Gapoltshofen 
		oder im Schwarzen Hirsch in ’Utzbach wie Butzbach’.
 Erinnert sei in dem Zusammenhang an 
		die Niederbayerische Erstaufführung von 'Tristan und Isolde' in Passau, 
		in Straubing und in
		
		Landshut. 
 
			
				|   | 
				Bemerkungen eines Fernsehzuschauers zur szenischen und 
				musikalischen Umsetzung
 
 Die 
				Meistersinger von Nürnberg
 Text und Musik von Richard Wagner
 
 Bayreuth 2017
 
 
					
						| 
						Musikalische Leitung | 
						Philippe Jordan |  
						| 
						Regie | 
						Barrie Kosky |  
						| 
						Bühne | 
						Rebecca Ringst |  
						| 
						Kostüm | 
						Klaus Bruns |  
						| 
						Chorleitung | 
						Eberhard Friedrich |  
						| 
						Dramaturgie | 
						Ulrich Lenz |  
						| 
						Licht | 
						Franck Evin |  
						| 
						  |  
						| 
						Hans Sachs, Schuster | 
						Michael Volle |  
						| 
						Veit Pogner, Goldschmied | 
						Günther Groissböck |  
						| 
						Kunz Vogelgesang, Kürschner | 
						Tansel Akzeybek |  
						| 
						Konrad Nachtigal, Spengler | 
						Armin Kolarczyk |  
						| 
						Sixtus Beckmesser, Stadtschreiber | 
						Johannes Martin Kränzle |  
						| 
						Fritz Kothner, Bäcker | 
						Daniel Schmutzhard |  
						| 
						Balthasar Zorn, Zinngießer | 
						Paul Kaufmann |  
						| 
						Ulrich Eisslinger, Würzkrämer | 
						Christopher Kaplan |  
						| 
						Augustin Moser, Schneider | 
						Stefan Heibach |  
						| 
						Hermann Ortel, Seifensieder | 
						Raimund Nolte |  
						| 
						Hans Schwarz, Strumpfwirker | 
						Andreas Hörl |  
						| 
						Hans Foltz, Kupferschmied | 
						Timo Riihonen |  
						| 
						Walther von Stolzing | 
						Klaus Florian Vogt |  
						| 
						David, Sachsens Lehrbube | 
						Daniel Behle |  
						| 
						Eva, Pogners Tochter | 
						Anne Schwanewilms |  
						| 
						Magdalene, Evas Amme | 
						Wiebke Lehmkuhl |  
						| 
						Ein Nachtwächter | 
						Karl-Heinz Lehner (25.7. Georg Zeppenfeld)
 |  Klamauk, 
				Klamotte - Holzhammer
 
 Wie abscheulich ist doch dieses Deutschland!
 Unfähig aus der Geschichte zu lernen, ist es bewohnt von 
				verstockten Alt-Nazis, rechtsextremen Fanatikern, regiert von 
				gierigen Bänkern und korrupten Industriellen, regiert von einer 
				schwächlichen Politiker-Truppe.
 Hier - in diesem Deutschland - kann man nach Herzenslust pöbeln, 
				denn man hat ja ’nach unten geöffnet’.
 Hier kann man schwindeln und betrügen, denn in der Gesetzgebung 
				gibt es für gewitzte Juristen wunderschöne Grauzonen.
 In der Kunst kann man jeden Mist zur Kunst erklären, denn die 
				heilige Kuh heißt: ’Freiheit der Kunst!’
 Vor allem aber kann man in diesem Lande viel gutes Geld 
				verdienen, wenn man der richtigen Gruppierung angehört.
 Prominente Orte sind die staatlich subventionierte Theater, 
				einst der Stolz einer gut erzogenen, rechtschaffenen 
				Bürgerschaft, heute oft Spielplatz neurotischer Egomanen.
 Ein äußerst prominenter Ort sind die Festspiele in Bayreuth, 
				Treffpunkt für Opernfreunde, die in den letzten Jahren viel zu 
				erleiden hatten, sensationshungrige Witzbolde, Politiker mit 
				Pflichtterminen , Schickeria, die sich sehen lassen will – man 
				ist eben ’a-dabei’.
 
 Diesmal also ’Die Meistersinger’, ein heiteres Werk, wofür die 
				Festspielleitung den Intendanten und Regisseur der Komischen 
				Oper Berlin engagierte. In Hannover ist seine Inszenierung des 
				’Ring des Nibelungen’ in Erinnerung, die so voller Hass und 
				Abscheulichkeiten war, dass er mangels Publikum schnell 
				abgesetzt wurde.
 Im Interview in der HAZ vom 18. Juli 2017 äußert Barry Cosky 
				nun:
 “Wagner hat keine Macht über mich“ und ist voll des Lobes über 
				die Bayreuther Arbeitsbedingungen und das erstklassige Ensemble 
				und den angenehmen Dirigenten.
 Ohne strapaziöse Bayreuth-Reise – ich war während meines 
				Studiums als Stipendiatin dort, habe einige Jahre mitgewirkt, 
				als Gesangspädagogin junge Sänger in den fabelhaften Chor 
				vermittelt, als künstlerische Leiterin des 
				Richard-Wagner-Verbandes Hannover Stipendiaten begleitet, glaube 
				also, mich auszukennen – nehme ich auf meinem bequemen Sofa 
				Platz.
 Dabei wird mit klar, wie angenehm es sich doch nach über 70 
				Jahren Frieden in unserem Deutschland leben lässt.
 
 Das Vorspiel zum Werk beginnt, der Vorhang öffnet sich und zeigt 
				einen Innenraum – es soll Wahnfried sein.
 Wenn man sich drauf einlässt, kann man die vielen Parallelen der 
				Familie Wagner mit dem Personal und dem Verlauf der Oper 
				miterleben. Das aber will der Regisseur eigentlich – 
				entsprechendn dem Interview mit dem BR, wenn es um das Überleben 
				von Bayreuth mit seinen Festspielen geht - unbedingt vermeiden.
 
 Hans Sachs (Michael Volle) soll dem Äußeren nach Richard Wagner 
				sein, mit schwarzem Samtbarett. Veit Pogner (Günther Groissböck) 
				soll den Franz Liszt mit grauer Langhaarfrisur und 
				Gesichtswarzen geben, Sixtus Beckmesser (Johannes Martin Kränzle) 
				als Herrmann Levi, Eva (Anne Schwanewilms) als Cosima Wagner in 
				schwarzem Kleid mit Cul de Paris und unkleidsamer Frisur liegt 
				laut eingeblendeter Text-Projektion mit Migräne im Bett, wuselt 
				hier aber höchst lebendig über die Bühne.
 Albrecht Dürer, der einen Text zur Schlussansprache beitrug, ist 
				auch dabei mit langem braunem Haar und Mittelscheitel. Wagners 
				schwarzes Samtbarett wandert auch zu Walther von Stolzing (Klaus 
				Florian Vogt) und zu David (Daniel Behle) je nachdem mit welcher 
				sich der Dichterkomponist identifiziert hat.
 
 Hochachtung vor der Recherche von Ulrich Lenz, ob nun in Cosimas 
				Tagebüchern und Richards ’Mein Leben’ wie Zeugnissen von 
				Zeitgenossen.
 
 Und dann dürfen die erfahrenen und gut gelaunten 
				Sängerdarsteller, die aus dem Flügel herausquellen, loslegen und 
				im Spiel ’die Sau rauslassen’.
 Levi soll sich zum Gebet hinknien, sich taufen lassen – wie so 
				viele Juden, die dann Karriere machten (oder im Falle gelungener 
				Flucht aus Nazi-Deutschland Amerika kultivierten).
 Den Aderlass hat die Bundesrepublik nicht überwunden.
 
 Walther von Stolzing und Eva Pogner sehen und verlieben sich. 
				Mit der Kinderstimme Vogts kann ich nichts anfangen und ob sich 
				Frau Schwanewilms mit der Eva einen Gefallen getan hat, bleibt 
				offen. Sie sieht zweifelsohne wie Cosima Wagner auf dem auf die 
				Szene geschleppten Lenbach-Bild aus, aber schaut man auf ihr 
				Geburtsjahr 1967 – und das bei den TV-Nahaufnahmen – ist ihr 
				’das Kind’ des Veit Pogner (Günther Groissböck, geboren 1976) 
				nicht abzunehmen. Sie ist keine Elisabeth Grümmer, die als Dame 
				das Evchen sang. Musste das sein, dass diese außerordentliche 
				Mozart- und Strausssängerin mit dem schönen Timbre diese Rolle 
				mit dem dicken Orchester sich antut? Bei Wagner sind andere 
				Phonstärken zu überwinden.
 Warum auch muss sie in diesem so unvorteilhaften Cosima-Kostüm – 
				auch noch mit umgehängter Stola im zweiten Akt auftreten und 
				dann mit Sachs ’herumkindschen’ wie eine Siebenjährige? Keine 
				junge Frau im heiratsfähigen Alter führt sich derart albern auf. 
				In dem Falle hier ist es geradezu peinlich.
 Machte das Frau Schwanewilms von sich aus und wurde vom 
				Regisseur nicht gebremst, oder gab er es ihr sogar vor?
 Im dritten Aufzug konnte sie wenigstens in einem jugendlichen 
				Kleid mit offenen Haaren auftreten, um zum Applaus wieder als 
				Cosima zu erscheinen, um sich hier leider einige ’Buhs’ anhören 
				zu müssen.
 Wo war den der alles steuernde ’Oberfränkische Musikdirektor’?
 
 Umso erfreulicher das andere Liebespaar, David (Daniel Behle) 
				und Magdalene (Wiebke
				 
				Lehmkuhl), 
				beide mit schönen gesunden –Stimmen, herzhafter Spiellust, 
				Charme und Humor, eine reine Freude.
 Das turbulente Spiel im ersten Akt mit Meistern und Lehrbuben 
				einzeln zu beschreiben, ist Dank der Einfälle des 
				operettenerfahrenen Regisseurs und der hemmungslosen
 Spielfreude all’ der hochkarätigen Sänger, die hier mal so 
				richtig die Sau rauslassen durften - unmöglich.
 
 Zweiter Aufzug
 Bei Richard Wagner eine Straße zwischen den Häusern von Pogner 
				und Sachs mit einer Linde und einem Holunder.
 
 In Bayreuth heuer und für die nächsten Jahre ein grasbewachsener 
				Innenhof, umgeben von Wänden - holzvertäfelt. Rechts Fenster mit 
				blauen Vorhängen, in der Mitte der Bühne ein Holzverschlag, der 
				wohl eine Bank sein soll.
 Man spürt, die Heiterkeit weicht dem Problem
 
 Soll das ein Hof im heute noch in Resten bestehenden Nürnberger 
				Reichsparteitagsgeländes sein?
 Und gleich kommt Leni Riefenstahl um die Ecke, um die Aufnahmen 
				zu ihrem Film ’Triumph des Willens’ von 1934 vorzubereiten?
 Leider werden auch die Nürnberger Rassegesetze von 1935 nicht 
				thematisiert, die ja von Göring dort verkündet wurden. Das wäre 
				doch ein schöner Auftritt für einen ’wamperten’ Statisten in der 
				Verkleidung als preußischer Ministerpräsident, als 
				Reichsjägermeister und Erfinder der Reichsgaragenordnung mit 
				Marschallstab gewesen.
 Schade um die vertane Chance!
 Stattdessen sitzt Hans Sachs allein da “auf der grünen Wiese“ 
				und klopft auf einem Schuh herum.
 
 Man ist verwirrt, weil diese dürftige Szenerie so garnichts 
				hergibt und alles nur an der Sprache und Gestaltungskraft der 
				Sängerdarsteller hängt, die glücklicherweise bei Kränzle, Volle 
				und Behle überragend ist.
 
 Schließlich naht die Prügelfuge. Der Chor in üppigen 
				Renaissance-Kostümen singt wie immer musterhaft und richtete 
				sich ausschließlich gegen Beckmesser, der, damit es auch der 
				Dümmste mitkriegt, einen riesigen Pappkopf mit den ’verjudeten’ 
				Zügen Richard Wagners trägt und sich dann in einen riesigen 
				aufgeblähten Kopf mit Kippa und Judenstern ausweitet.
 Das meine ich mit ’Holzhammer’.
 
 Dritter Aufzug
 Der Gerichtssaal der Nürnberger Prozesse.
 Im Hintergrund die Fahnen der Siegermächte. Reihen mit Stühlen 
				und Tischen mit Akten.
 Vorne ein einzelner großer Tisch. Bei Richard Wagner heißt es: 
				’In Sachsens Werkstatt’
 Ein grüblerisches Cello-Thema schildert des Meisters düstere 
				Stimmung. David trippelt herein und erzählt begeistert von 
				seiner Lene, dem bevorstehenden Fest und singt sein naives 
				Liedchen von der Tauf' im Jordan.
 In dieser grausigen Umgebung wirken Namenstagslied, Kuchen, 
				Wurst und die Erwähnung einer Hochzeit so deplaziert, dass ich 
				mich zwingen muss, nicht beim Fernseher auf den Knopf ’Aus’ zu 
				drücken.
 Aber erst einmal singt Michael Volle den ’Wahn-Monolog’ so 
				wohltuend durchdacht und tief berührend, dass er zur 
				Pflichtanhörung für alle Politiker werden sollte
 warum gar bis aufs Blut die Leut’ 
				sich quälen
 und schinden in unnütz toller Wut?
 
 Den versöhnlichen Schluss, den ein Kobold in die Johannisnacht 
				bringt, sieht man in der heutigen Zeit permanent sich steigender 
				Aggressivität leider vergebens, und wo ist jemand, der den
 Wahn fein lenken kann, ein edler 
				Werk zu tun?
 
 Walther tritt auf, erzählt von seinem wunderschönen Traum. 
				Glänzend hier Sachs und Walther wie auf der Schulbank, das 
				Preislied zusammnebastelnd
 Sängerisch hat man da beim Tenor in Erinnerung: Max Lorenz, 
				Wolfgang Windgassen, René Kollo und heutzutage Jonas Kaufmann.
 
 Die folgende Pantomime ist ein szenischer Leckerbissen für alle 
				Beckmesser, fällt je nach Temperament immer ein bisschen anders 
				aus und Kränzle, der Elegante, lässt für einige Augenblicke den 
				schlimmen Gerichtssaal vergessen. Die beiden ’Meistersänger’ 
				Sachs und Beckmesser liefern sich ein Wort- und Tongefecht, dass 
				ich mich vor Freude nicht halten kann, Szenenapplaus vor dem 
				Fernseher! Albern, aber ehrlich!
 
 Eva kommt herein, endlich in freundlich jugendlicher Kleidung 
				mit hübscher Frisur. Sie steigt auf den Tisch, das Schuhproblem 
				wird besprochen, dann bricht es aus ihr heraus: 
				Oh Sachs! Mein Freund!
 
 - auf dem hohen ’B’ - das ist ein Test, ob der Sopran auch 
				genügend Dramatik hat.
 Auch die folgenden Phrasen über vollem Orchester haben es in 
				sich.
 Textlich wundere ich mich immer, dass Wagner, ein hartnäckiger 
				Vertreter des Patriarchats zugibt, wie unwürdig Evas 
				Verheiratung ist:
 und werd' ich heut' vermählt,
 so war's ohn' alle Wahl!
 Das war ein Müssen, war ein Zwang!
 Euch selbst, mein Meister, wurde bang'
 
 Glücklicherweise bekommt sie ihren Walther von Stolzing.
 Fein aufgeputzt nun Magdalene und David, um mit den anderen auf 
				die ’Wies’ zugehen.
 Vorher aber wird David zum Gesellen erhoben und die ’selige 
				Morgentraum-Deutweise’ getauft.
 Am Anfang des Quintetts hat Anne Schwanewilms Gelegenheit, ihr 
				schönes, lyrisches Timbre erblühen zu lassen und führt es auch 
				so, wie man es sich wünscht.
 
 Der Aufzug der Zünfte geschieht natürlich nicht!
 Der Gerichtssaal wird abgeräumt, im Hintergrund findet der 
				“Wacht auf“-Chor statt.
 Schließlich verschwinden alle, ein Orchester mit Chor wird auf 
				einem Podium nach vorne gefahren, spielt ein paar Takte von Hans 
				Sachs dirigiert.
 Chor und Orchester werden nach hinten weggefahren, Sachs steht 
				allein auf der Bühne für seine große Schlussansprache, die er 
				wie eine Wahlkampfrede präsentiert. Das unterstreicht zwar sein 
				Plädoyer für die echte Kunst, er ist eben ein einsamer Rufer in 
				der Wüste des Nichts.
 Es ist einem ganz flau von so viel Assoziation, Interpretation, 
				Parallelen, Querverbindungen und man fragt sich:
 Muss das sein und wann werden mal wieder ’Die Meistersinger’ 
				aufgeführt, so wie sie gemeint sind.
 
 Fazit:
 ’Wohin ich forschend blick’ – Verfälschungen ’gar viel an Zahl’:
 
 Der ’Holländer’ spielte an der Deutschen Oper Berlin in einem 
				Börsensaal und im ’Tannhäuser’ waren Karussellpferde auf der 
				Szene, die auf zu kleinen Rädchen unter ihren Transportwägelchen 
				über die Bühne polterten. Der dritte Aufzug vom ’Tannhäuser’ 
				spielte dort in einem Siechenheim, die Bühne zugestellt mit 
				Krankenhausbetten.
 Die ’Arabella’ war auf einem Parkplatz angesiedlt, Autos wurden 
				mittels Elektromotoren hin- und herbewegt.
 In Bayreuth war der ’Holländer’ in einer Lagerhalle, in der 
				Ventilatoren verpackt wurden, in Hannover im Treppenhaus in 
				einem Einkaufszentrum.
 
 Die ’Aida’ in Regensburg war für alle vier Akte in einem 
				Einheitsbühnenbild zu ’DDR’-Zeiten im Vorzimmer von Herrn Mielke 
				in der Normannenstrasse in Berlin positioniert, der ’Onegin’ in 
				einem Bahnhof der U-Bahn.
 
 ’Manon’ wurde in einer Kneipe, umgeben von Regalen mit 
				prall-gefüllten Flaschen erschossen und Des Grieux suchte in dem 
				Ambiente nach etwas Trinkbaren für seine verdurstende Geliebte.
 
 Die neueste Brigitte Fassbaender-Inszenierung der ’Salome’ wird 
				im Salon und Speisezimmer von Oscar Wilde gespielt, der hüpft 
				als Tänzer und stumme Jule den gesamten Abend über die Bühne und 
				stört.
 Am Ende des Werkes erhebt sich Jochanaan - mit Kopf - vom Boden 
				und erwürgt die Tochter der Herodias.
 
 Dämlicher geht es schon fast nicht mehr zu Lasten des 
				Steuerzahlers. Von Erfüllung des Bildungsauftrages nicht zu 
				reden.
 
 |  
 
		Thema des Tages 
		Friedrich Benfer
    
		... am 28. August 1907 in Neapel geboren sollte in Berlin eine kaufmännische 
		Lehrer absolvieren, entschied sich aber fürs Schauspiel und war 1927 im 
		Stummfilm im Fach 'jugendlicher Held' mit ersten Rollen dabei. 1928 war er Partner von Jenny Jugo, 
		die 1936 seine Frau wurde. Sie, Star im Dritten Reich, er nur 
		ihr Anhängsel, war oft Gast im Hause Dr. Goebbels, der in seinen 
		Aufzeichnungen das Paar nur als 'die Jugos' erwähnte. 1935 war er neben der Jugo als 
		Königin Victoria in 'Mädchenjahre einer Königin' der Prinz, Albert von 
		Sachsen-Coburg-Gotha. 1940 spielte er neben Zarah Leander 
		in 'Das Herz der Königin' - ein Film über Maria Stuart, der den Beititel 
		hatte, 'Wer England zu Hilfe kommt, stirbt'. In insgesamt 24 deutschen Filmen 
		wirkte er mit, spielte auch in italienischen Produktionen. Danach war er Lebensmitteleinkäufer 
		im Reichsluftfahrtministerium, musste in den Krieg als Soldat und 
		widmete sich nach 1950 seiner Frau, die ab 1975 durch einen 
		Behandlungsfehler durch einen 'Alternativarzt' gelähmt war. Danach leitete er bis zu seinem Tod 
		mit 90 Jahren ein Unternehmen für chemische Produkte, Chemie Benfer, in 
		Bazzano.
 
 
		
		Thema des Tages 
		
		Johannes Klöcking    
		... am 30. August 1883 geboren 
 Klöcking war dem Heimatschutz wie der Jugendbewegung verbunden und 
		vertrat dies in den Lübecker Heimatheften.
 
 1937 wurde er Mitglied im NS-Lehrerbund, 1937 Mitglied der NSDAP.
 Später beschäftigte er sich auch mit der Technikgeschichte im Lübecker 
		Hafen wie der Geschichte des Lübecker Hausbaus und gab zum Ende seines 
		Lebens ein Buch über '800 Jahre Lübeck' heraus.
 
 Musikalisch begabt, stand er in enger Verbindung zur Jugendmusikbewegung 
		und erhielt 1941 von der Reichsstelle für Musikbearbeitungen unter Hans 
		Joachim Moser im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda 
		den Auftrag, den Text von Oratorien Georg Friedrich Händels zu 'entjuden'.
 
 Aus 'Judas Maccabäus' wurde ein Heldenlied des niederdeutschen 
		Freiheitskampfes unter dem Titel 'Wilhelmus von Nassauen', aus 'Josua' 
		wurde 'Die große Wandlung' und später - unter dem Eindruck des 
		Russlandkrieges - die Betitelung 'Die Ostlandfahrer'.
 
 Aus 'Israel in Ägypten' wurde 1944 'Der Opfersieg von Walstatt' - Ort 
		der Handlung: Schlesien und der deutsche Ostraum.
 
		 
 
 
		Die neapolitanische Oper – Stimmfach und 
		Charakter
 1.4.1 Der Sopran
 
 
			
				|   | 
				
				"Das Wort Sopran ist die 
				deutsche Form des italienischen 'Soprano' (lat. 'supremus') und 
				bezeichnet im heutigen Sprachgebrauch die höchste der 
				menschlichen Stimmgattungen sowie die Im D- oder V-Schlüssel 
				notierte, von Frauen- oder Kindersopranen gesungene Chorstimme. 
				
				Der Umfang des Soprans als 
				Chorstimme ist ungefähr durch die Töne h und a" begrenzt, 
				während die äußersten, z.T. in Kompositionen für Solosopran 
				ausgenutzten Grenzen bei g und c" liegen. Allerdings müssen bei 
				Aufzeichnungen aus älterer Zeit die Schwankungen des 
				Stimmungs-Tones berücksichtigt werden. 
				
				Seit dem Aufstieg des 
				Sologesanges im 17. Jahrhundert und dem Entstehen neuer 
				Gattungen, die ausschließlich oder z.T. vom Sologesang 
				beherrscht werden, konnte sich die Eigenart der menschlichen 
				Stimmgattungen weit mehr entfalten, als es in der chorischen 
				Mehrstimmigkeit möglich war. 
				
				Im geistlichen Konzert, in 
				Kantate und Sololied, in Oper und Oratorium wurden den 
				Einzelstimmen völlig neue Aufgaben zugewiesen. Dabei ergaben 
				sich, abgesehen vom älteren Sololied, Beziehungen sowohl 
				zwischen Textgehalt und Stimmgattung als auch zwischen Rolle und 
				Stimmgattung [eine Stimmendramaturgle (die Verf.)]. Der Sopran 
				hat wohl seit der Stilwende unter allen Stimmgattungen den 
				stärksten Bedeutungszuwachs erfahren, denn allein in der 
				Opernliteratur sind Sopranpartien am zahlreichsten vertreten. 
				Keine Stimmgattung ist bei der Kolorierung und Diminution sowie 
				bei der Ausbildung einer virtuosen Gesangstechnik so sehr 
				bevorzugt worden, wie der Sopran. 
				Früher als in anderen europäischen Ländern ist die Frau als 
				Gesangssolistin in Italien hervorgetreten. Hier bestand auch 
				eine besondere Vorliebe für hohe Stimmen, die im Zeitalter der 
				Spätbarocks, zumal in der Opern seria zu einer weitgehenden 'Sopranisierung' 
				(Biele) der Solopartien führte. Darüberhinaus wurde Europa 
				damals - abgesehen von Frankreich - von der virtuosen 
				Gesangskunst der italienischen Kastraten und Primadonnen 
				beherrrscht. Schon um 1540 traten Gesangssolistinnen in den 
				italienischen Accademien auf. Gegen Ende des Jahrhunderts waren 
				die Höfe von Ferrara und Mantua die Hauptpflegestätte des 
				solistischen Frauengesangs. Dann trat die singende Frau aus der 
				Anonymität heraus.Gudewill, Kurt – ’Musik in Geschichte und Gegenwart’- MGG Band 
				12, S. 922-926
 |  
		Nach fast 400 Jahren Operngeschichte haben sich die Ansprüche an die 
		Sopranistinnen erweitert und gewandelt, so dass eine differenzierte 
		Klassifikation für Besetzungsfragen notwendig wurde.
 
		Die Dreiteilung in dramatisches, 
		lyrisches und Spiel-Fach ist die elementare Nomenklatur. Im 'Handbuch 
		der Oper' von Kloiber-Konold werden die Sopranstimmen wie folgt 
		beschrieben: 
		Dramatischer Sopran     
		(g - c"') 
		Voluminöse, metallische Stimme; große 
		Durchschlagskraft. 
		Jugendlich-dramatischer Sopran        
		(c' -c''') 
		Lyrische Sopranstimme mit größerem 
		Volumen, die auch dramatische Höhepunkte gestalten kann. 
		Dramatischer Koloratursopran          
		(c' - f''') 
		Bewegliche Stimme mit großer Höhe, 
		dramatische Durchschlagskraft. 
		Lyrischer Sopran  (c' - c"')Weiche Stimme mit schönem Schmelz, edle Linie.
 
		Lyrischer Koloratursopran      
		(c' - f''') 
		Sehr bewegliche, weiche Stimme mit 
		großer Höhe. 
		Soubrette     (c' - 
		c''') 
		Zarte, biegsame Stimme, zierliche 
		Erscheinung. 
		Charaktersopran  (h - c''') 
		Zwischenfachstimme, feines 
		Charakterisierungsvermögen 10) 
		Besetzungsfragen gehören zu den 
		schwierigsten Aufgaben von verantwortungsbewussten Pädagogen, Dirigenten 
		und Intendanten. Zur Bewältigung dieser wird ein gediegenes Fachwissen 
		und reiche praktische Erfahrung vorausgesetzt. Unter den Kriterien, die 
		zur Stimmklassifizierung verwendet werden können, lässt sich die 
		Körpergröße ohne Schwierigkeiten bestimmen. 
		Wesentlich problematischer ist es 
		dagegen, einen bestimmten Konstitutionstyp zu erkennen. Das gilt 
		besonders für die Untersuchungen an jungen Menschen, bei denen die 
		konstitutionellen Merkmale noch nicht typisch ausgebildet sind. 
		1.       
		Der athletische, bei der Frau muskuläre Typ, ist durch hohen Wuchs, 
		starken Knochenbau, kräftige Muskulatur und ausladende Schultern 
		gekennzeichnet. Sängerinnen des dramatischen Fachs gehören diesem Typus 
		an. 
		2.       
		Bei Leptosomen bleibt im Verhältnis zur Körpergröße das Gewicht 
		deutlich, in der Übersteigerung zur asthenischen Wuchsform sogar 
		erheblich zurück. Die Schultern sind schmächtig und zierlich, der 
		Brustkorb flach und schmal. Dieser Typus ist für den Beruf der Sängerin 
		wenig geeignet und wird als Vertreterin des leichten Spielfachs nur in 
		pyknischer Mischform angetroffen. 
		3.       
		Der euresome Körperbau ist durch einen mittelgroßen gedrungenen Wuchs 
		gekennzeichnet. Der Hals sitzt tief zwischen den Schultern. Durch die 
		starke laterale Krümmung des Schlüsselbeines am Trapeziusansatz, 
		scheinen die Schultern nach vom und oben zusammenzugleiten. 
		Vertreterinnen dieses Typus sind meist im lyrischen Fach anzutreffen. 
		Häufigkeitsmerkmale bei Sopranen 
		1.)      
		Stimmumfang 
		Das Maximum liegt zwischen 38 und 41 
		Halbtönen, in Einzelfällen bis zu 45 Halbtönen.
 2.)      Die mittlere Sprechstimmlage liegt bei 
		Sängerinnen
 
		um g bis gis, bei ausgebildeten Stimmen 
		von gis bis a. In wenigen Fällen wird auch noch oberhalb von b und 
		unterhalb von g gesprochen. 
		3.)      Die 
		Stimmlippenlänge beträgt am häufigsten 11 bis 
		12 mm, weniger häufig 12- 13 mm. Bei der 
		laryngoskopischen Untersuchung erscheinen die Stimmlippen relativ kurz 
		und breit. 
		4.)      Die 
		Körpergröße liegt zwischen 1,60 und 1,70, manchmal auch darüber." 11)
 
		1.4.2 Der Mezzosopran 
			
				|   | 
				
				"Die mittlere Frauen- (oder 
				Kastraten) Stimme (englisch und italienisch 'mezzosoprano', 
				französisch früher 'bas-dessus') ist die Stimmlage zwischen 
				Sopran und Alt, die sich nach italienischer Praxis und 
				Auffassung historisch aus der Altstimme durch Erreichen einiger 
				weiterer Spitzentöne entwickelt hat, in der dunklen Färbung des 
				Stimmcharakters aber eher dem Alt verwandt ist, als dem Sopran: 
				als Umfang wird etwa g - b" angenommen; doch kennt die Praxis 
				zahlreiche Überschneidungen zwischen dramatischem Sopran, Mezzo 
				und Alt (z.B. Carmen, Eboli, Rosina, Ortrud). 
				
				Bis zum Ende des 18. 
				Jahrhunderts unterschied sich der Mezzo vom Alt ausschließlich 
				durch den Umfang, das 19.Jahrhundert rückte den Stimmcharakter 
				in den Vordergrund und engte demgemäß gleichzeitig den Alt in 
				seinen Charakteristika ein.''Pfau, Wolfgang – Klasifizierung der menschlichen Stimm – Leipzig 
				1973
 |  
		Kloiber/Konold unterteilen und definieren den Mezzosopran wie folgt:
 
		1.       
		Dramatischer Mezzosopran  (g - b" auch c") 
		Bewegliche, metallische 
		Zwischenfachstimme von dunkler Färbung,die sich oft mit zunehmender Reife zum hochdramatischen Fach 
		weiterentwickelt.
 
		2.       
		Lyrischer Mezzosopran  (g - b") 
		Geschmeidiges, charakterisierungsfähiges 
		Organ, (wird meist als Spielalt bezeichnet). 
 3.       Koloraturmezzosopran  (g - 
		h'')
 Durch die Wiederentdeckung der Kunst Rossinis und Bellinis wurde diese 
		Stimmgattung wieder zu einem respektablen Fach. Es erfordert eine sehr 
		bewegliche Stimme von dunkler Farbe und großem Umfang.
 
 
 1.4.3 Der Alt
 
		Lateinisch altus, vox alta. Wie alle 
		Bezeichnungen für die menschlichen Stimmgattungen Ist auch die heute für 
		die tiefe Frauen- oder Knabenstimme gebrauchte Bezeichnung nicht aus 
		stimmphysiologischen, sondern aus historisch-satztechnischen 
		Voraussetzungen zu erklären. 
		Unter altus, vox alta verstand man in 
		älterer Zeit ausschließlich die im C-Schlüssel notierte zweithöchste 
		Stimme des vierstimmigen Satzes, die von Männern teils im Brustregister 
		gesungen wurde, teils im Oberbereich der Stimme falsettiert werden 
		musste.  
		Das Falsett: Kopfstimme (falsche) der 
		Männer, in Lodovlco Zacconl: 'Prattica di musica' 1592 'voce di taste' 
		genannt; in seinem 'Discorso delta Voce' wird sie von dem 
		neapolitanischen Arzt Giovanni Camillo Maffei bereits 1562 als 'falsetto' 
		bezeichnet. 
		
		Für die Männerstimme bedeutet dies ein 
		Überschreiten der natürlichen Grenzen. Man war aber dazu genötigt, weil 
		Frauengesang zwar in den Nonnenklöstern, jedoch nicht in der 
		Kirchenmusik erlaubt war. 
		Erst mit dem Vordringen der Frau als 
		Solistin, zunächst in der Oper, dann aber auch in der Kirchenmusik, 
		verändert sich das Bild derart, dass die Männeraltisten mehr und mehr in 
		den Hintergrund treten, bis schließlich die tiefe Frauenstimme als Alt 
		im heutigen Sinne ganz das Feld beherrscht. 
 Obgleich mit dem Entstehen der Oper auch der Typ des Gesangsvirtuosen 
		geboren wird, dominieren noch zunächst in den Altpartien eindeutig die 
		Kastraten, während in den Sopranpartien die Sängerinnen stärker 
		vertreten sind. Das mag damit zusammenhängen, dass der Kastrat gerade 
		für die Darstellung stilisierter Heldenpartien eine besondere Eignung 
		mitbrachte.
 
		Eine Nachwirkung des Kastratenwesens in 
		der Oper sind die Hosenrollen, für deren Besetzung mit Altistinnen (oder 
		Mezzosopranen) aus der neueren Zeit die Partien des Adriano in 'Rienzi' 
		und des Octavian im 'Rosenkavalier' genannt seien. 
		Für die Stellung des Frauen-Altes im 
		Opernensemble ist andererseits bezeichnend, dass einmal die weiblichen 
		Rollen insgesamt nicht eindeutig charakterologisch festgelegt sind, wie 
		es bei den sieben Vertretern der männlichen Fächer der Fall ist. Zum 
		anderen aber ist es bezeichnend, dass bei den sechs weiblichen Fächern 
		allein die Altistin nach Ihrer Stimmlage eingestuft wird. 
		Demgegenüber ist für ihre Verwendung 
		fast ausschließlich das Lebensalter der von ihr darzustellenden Person 
		ausschlaggebend. Meistens sind die Rollen der Mutter, Erzieherin, Amme 
		oder älteren Frau für die Altistin bestimmt. Ein Großteil der Opern enthält überhaupt keine tiefen Frauenrollen, also 
		auch keine Mezzosopranrollen.
 
		Das mag damit zusammenhängen, dass 
		Altistinnen seltener sind als Sopranistinnen. 
		Der Hauptgrund wird jedoch darin zu 
		suchen sein, dass die Verwendungsmöglichkeit der Sopranstimme auf der 
		Bühne doch weit größer ist, vielleicht nicht zuletzt deswegen, weil eine 
		hohe Frauenstimme den Hörer mehr anzusprechen vermag als ein Alt. 
		Im 'Handbuch der Oper' ist das Alt-Fach 
		wie folgt definiert: 
		a.       
		Dramatischer Alt  (g - b")Bewegliche, metallische Stimme mit gut entwickelter Höhe und Tiefe;
 dramatische Durchschlagskraft
 
		b.       
		Spielalt                  
		(g-b")Geschmeidiges, charakterisierungsfähiges Organ
 
		c.       
		Tiefer Alt (Kontra-Alt)   (f - a")Volle, pastose Stimme mit großer Tiefe
 
 
		1.5 Körpermaße der Frauen-Stimmgattungen 
		Aus dem Maßbuch der Kostümschneiderei 
		der Niedersächsischen Staatsoper Hannover wurden von mir die Körpermaße 
		folgender Fachvertreterinnen entnommen und jeweils der arithmetische 
		Mittelwert errechnet:
 Soubretten
 
			
				| 
				  | 
				1 | 
				2 | 
				3 | 
				4 | 
				5 | 
				Mittelwert |  
				| 
				Oberweite | 
				98 | 
				91 | 
				88 | 
				92 | 
				98 | 
				93,40 cm |  
				| 
				
				Taillenweite | 
				68 | 
				63 | 
				64 | 
				72 | 
				69 | 
				67,20 cm |  
				| 
				Hüftweite | 
				98 | 
				90 | 
				95 | 
				105 | 
				96 | 
				96,80 cm |  
				| 
				
				Rückenbreite | 
				39 | 
				36 | 
				34 | 
				37 | 
				32 | 
				35,60 cm |  
				| 
				Brustbreite | 
				42 | 
				43 | 
				41 | 
				42 | 
				47 | 
				43,00 cm |  
				| 
				Kopfumfang | 
				56 | 
				58 | 
				55 | 
				58 | 
				55 | 
				56,49 cm |  
				| 
				Körperhöhe | 
				160 | 
				158 | 
				163 | 
				170 | 
				160 | 
				162,20 cm |  Lyrischer Sopran
 
			
				| 
				Oberweite | 
				91 | 
				93 | 
				107 | 
				102 | 
				92 | 
				97,00 cm |  
				| 
				
				Taillenweite | 
				68 | 
				74 | 
				82 | 
				71 | 
				68 | 
				72,60 cm |  
				| 
				Hüftweite | 
				104 | 
				97 | 
				112 | 
				110 | 
				99 | 
				104,40 cm |  
				| 
				
				Rückenbreite | 
				36 | 
				36 | 
				37 | 
				39 | 
				33 | 
				36,20 cm |  
				| 
				Brustbreite | 
				46 | 
				43 | 
				49 | 
				49 | 
				38 | 
				45,00 cm |  
				| 
				Kopfumfang | 
				57 | 
				56 | 
				58 | 
				56 | 
				56 | 
				56,60 cm |  
				| 
				Körperhöhe | 
				172 | 
				162 | 
				158 | 
				162 | 
				158 | 
				162,40 cm |  Koloratursopran
 
			
				| 
				Oberweite | 
				100 | 
				101 | 
				93 | 
				108 | 
				99 | 
				100,20 cm |  
				| 
				
				Taillenweite | 
				69 | 
				78 | 
				74 | 
				77 | 
				70 | 
				73,60 cm |  
				| 
				Hüftweite | 
				99 | 
				110 | 
				108 | 
				107 | 
				102 | 
				105,20 cm |  
				| 
				
				Rückenbreite | 
				37 | 
				35 | 
				38 | 
				40 | 
				36 | 
				37,20 cm |  
				| 
				Brustbreite | 
				46 | 
				48 | 
				42 | 
				44 | 
				46 | 
				45,20 cm |  
				| 
				Kopfumfang | 
				58 | 
				57 | 
				57 | 
				56 | 
				57 | 
				57,00 cm |  
				| 
				Körperhöhe | 
				168 | 
				158 | 
				172 | 
				170 | 
				165 | 
				166,60 cm |  
		Jugendlich-dramatischer Sopran
 
			
				|   |  
				| 
				Oberweite | 
				111 | 
				93 | 
				112 | 
				101 | 
				94 | 
				102,20 cm |  
				| 
				
				Taillenweite | 
				81 | 
				71 | 
				89 | 
				76 | 
				68 | 
				77,00 cm |  
				| 
				Hüftweite | 
				117 | 
				99 | 
				115 | 
				106 | 
				104 | 
				108,20 cm |  
				| 
				
				Rückenbreite | 
				40 | 
				38 | 
				39 | 
				39 | 
				35 | 
				38,20 cm |  
				| 
				Brustbreite | 
				51 | 
				46 | 
				55 | 
				52 | 
				45 | 
				49,80 cm |  
				| 
				Kopfumfang | 
				58 | 
				57 | 
				58 | 
				60 | 
				58 | 
				58,20 cm |  
				| 
				Körperhöhe | 
				168 | 
				167 | 
				160 | 
				174 | 
				161 | 
				166,00 cm |  
		Dramatischer Sopran
 
			
				| 
				Oberweite | 
				113 | 
				110 | 
				114 | 
				117 | 
				117 | 
				114,20 cm |  
				| 
				
				Taillenweite | 
				84 | 
				79 | 
				87 | 
				94 | 
				93 | 
				87,40 cm |  
				| 
				Hüftweite | 
				112 | 
				104 | 
				125 | 
				113 | 
				120 | 
				114,80 cm |  
				| 
				
				Rückenbreite | 
				41 | 
				40 | 
				42 | 
				42 | 
				42 | 
				41,40 cm |  
				| 
				Brustbreite | 
				53 | 
				50 | 
				53 | 
				55 | 
				54 | 
				53,00 cm |  
				| 
				Kopfumfang | 
				59 | 
				60 | 
				56 | 
				60 | 
				60 | 
				59,00 cm |  
				| 
				Körperhöhe | 
				181 | 
				168 | 
				170 | 
				178 | 
				165 | 
				172.40 cm |  
		Mezzosopran 
			
				| 
				Oberweite | 
				100 | 
				96 | 
				96 | 
				102 | 
				110 | 
				100,80 cm |  
				| 
				
				Taillenweite | 
				72 | 
				80 | 
				72 | 
				79 | 
				93 | 
				79,20 cm |  
				| 
				Hüftweite | 
				97 | 
				108 | 
				99 | 
				105 | 
				117 | 
				105,20 cm |  
				| 
				
				Rückenbreite | 
				35 | 
				38 | 
				38 | 
				37 | 
				43 | 
				38,20 cm |  
				| 
				Brustbreite | 
				42 | 
				45 | 
				44 | 
				47 | 
				55 | 
				46,60 cm |  
				| 
				Kopfumfang | 
				60 | 
				60 | 
				58 | 
				60 | 
				57 | 
				59,00 cm |  
				| 
				Körperhöhe | 
				168 | 
				170 | 
				168 | 
				167 | 
				171 | 
				168,80 cm |  Alt
 
			
				| 
				Oberweite | 
				123 | 
				111 | 
				114 | 
				116 | 
				113 | 
				115,40 cm |  
				| 
				
				Taillenweite | 
				92 | 
				88 | 
				89 | 
				87 | 
				88 | 
				88,80 cm |  
				| 
				Hüftweite | 
				119 | 
				107 | 
				107 | 
				126 | 
				112 | 
				114,20 cm |  
				| 
				
				Rückenbreite | 
				42 | 
				40 | 
				37 | 
				42 | 
				44 | 
				41,00 cm |  
				| 
				Brustbreite | 
				55 | 
				54 | 
				52 | 
				54 | 
				53 | 
				53,60 cm |  
				| 
				Kopf umfang | 
				58 | 
				60 | 
				62 | 
				58 | 
				60 | 
				59,60 cm |  
				| 
				Körperhöhe | 
				168 | 
				164 | 
				165 | 
				165 | 
				169 | 
				166,20 cm |  
		Diese Statistik zeigt, dass das äußere 
		Erscheinungsbild differiert und dies die Zuordnung zu einem Stimmfach 
		erleichtert.
 
		2.)       
		Die Stimmlippenlänge 
		Der messbare Unterschied zu 
		Sopranistinnen ist gering, obwohl Längen über 12 mm relativ häufig 
		angetroffen werden. 
		Im laryngoskopischen Bild erscheinen 
		die Stimmlippen länger und schmaler als die der Soprane. 
		3.)       Der Stimmumfang
 
		Er ist etwas kleiner als bei Sopranen. 
		Das Maximum wird zwischen 34 und 37 Halbtönen gefunden, selten ist der 
		Umfang größer. 
		4.)       Die mittlere Sprechstimmlage
 
		Der Unterschied zwischen ausgebildeten 
		und unausgebildeten Stimmen ist etwas deutlicher als bei den Sopranen. 
		Während ausgebildete Stimmen am häufigsten um fis bis g, teilweise auch 
		tiefer sprechen, liegt das Maximum bei den unausgebildeten wie beim 
		Sopran um gis bis a. Höher als um b wird im Gegensatz zu Sopranistinnen 
		weder von Sängerinnen noch von Studierenden gesprochen.
 
		1.6 Die Stimmregister 
		Durch die wohlkoordinierte Funktion 
		sämtlicher Stimmorgane wird bei der Schulung eine geschmeidige Führung 
		der Stimme angestrebt, die im Piano und Forte, in Höhe und Tiefe, in 
		getragenem Legato und schnellen Passagen ihre ureigene Klangfarbe, 
		Beweglichkeit und Resonanz entfaltet. 
		Dass jede Stimme, ob Sopran, Alt, Tenor 
		oder Bass demselben mechanischen Prinzip folgt, wussten schon die Lehrer 
		des 17. und 18. Jahrhunderts und forderten als höchstes Ideal den 
		bruchlosen Übergang aus der Bruststimme (Voce piena e naturale) in die 
		Kopfstimme (Voce finta), der künstlichen Stimme. 
		Der Ausdruck 'Register' ist von der 
		Orgel her abgeleitet. Er bedeutete ursprünglich eine 
		Öffnungsvorrichtung, durch die der Luftstrom zu einer Reihe von Pfeifen 
		geleitet wurde. 
		Später verwendete man den Ausdruck für 
		eine Reihe von Pfeifen, die gleichartig gebaut sind und mit denen sich 
		demnach auch Töne gleicher Klangfarbe erzeugen lassen. Bei der Orgel 
		wird eine große Zahl solcher Register unterschieden. 
		Das Vorhandensein von Stimmregistern 
		wird von den Phoniatern als physiologische Gegebenheit angesehen. Die 
		Unterschiede der Register sind wie alle Veränderungen in der Klangfarbe 
		durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren bedingt. Beteiligt sind der 
		Mechanismus der Stimmlippenspannung, das Ausmaß der 
		Stimmlippenschwingungen, die Stellung des Kehlkopfes, die Einstellung 
		des Ansatzrohres für die spezielle Tonführung und die Stärke des 
		angeblasenen Luftstromes.  
		Die meisten Autoren treten - in Bezug 
		auf die menschliche Stimme - für eine Drei-Register-Theorie ein (Gutzmann, 
		Musehold, Nadoleczny, Preissler) und unterscheiden ein Brust- ein Mittel 
		und ein Kopfregister. Darüber hinaus sind aber sowohl unter- als auch 
		oberhalb dieser drei Hauptregister mitunter Klangfarbenreihen zu hören. 
		Im Kunstgesang nur ausnahmsweise verwendet werden das Stroh- oder 
		Kehlregister der Bässe und das Pfeifregister der Soprane. 
		Versuche von Gesangspädagogen (Chr. G. 
		Nehrlich, Leipzig 1860) und E. Fischer (Tutzing 1969), die 
		registermäßigen Übergangsstellen systematisch zu erfassen, ergaben ein 
		Aufbauschema nach Tetrachorden bzw. Quinten, wobei sich der musculus 
		vocalis durch Spannungsänderung der neuen Lage anpasst. 
		Tiefe Stimmen haben einen Übergang um ges 
		- g. Die tiefsten Töne des Brustregisters können nur mit entspannten 
		Stimmlippen (Wirkung des M. cricopharyngeus) erzeugt werden. 
		Der Übergang um des - d markiert den 
		Einschaltpunkt des musculus cricothyreoideus (Spannung und Verlängerung 
		der Stimmlippen durch Kippen des Kehlkopfes). 
		Der musculus vocalis muss dabei seine 
		Anspannung entsprechend anpassen. 
		Um as - a verliert der musculus vocalis 
		entscheidend an Wirkung, die Randschwingung dominiert endgültig. Wenn 
		der Wechsel von aktiver zu passiver Stimmlippenspannung hier nicht 
		stattgefunden hat, ist der Weg zu einer freien Höhe verbaut. 
		Von es' - e' verlagern sich die 
		Vibrationsempfindungen in den oberen Kopf- und Stirnbereich, die 
		Aktivität des musculus vocalis wird immer geringer. 
		Um b' - h' liegt bei den hohen Stimmlagen 
		der Umsatzpunkt zu den höchsten Tönen, deren Schwingungsweisen noch 
		wenig erforscht sind. 
		Vergleicht man die Angaben verschiedener 
		Autoren miteinander, so ergeben sich gewisse Übereinstimmungen, die 
		Übergänge vom Brust- ins Kopfregister in der Mehrzahl wie folgt erkennen 
		lassen: 
		1.         
		Alt-Stimmen zwischen d' und e', 
		2.         
		Mezzosoprane zwischen e' und f, 
		3.         
		Soprane zwischen e' und f.Zur Bestimmung der Stimmgattung kann also auch die Registergrenze 
		herangezogen werden.
 
		Der Studierende lernt, unter 
		Gehörkontrolle, den Mechanismus der Kopfregisters in den Bereich des 
		Brustregisters hinuntergleiten zu lassen, den des Brustregisters in den 
		unteren Bereich des Kopfregisters hinein zu erweitern, bis die 
		Gefahrenstelle von beiden Seiten her breit überlappt ist. 
		"Die Funktionen des Brust- und 
		Kopfregisters sind aber auch in der menschlichen Psyche verankert. 
		Während des Sprechens tritt normalerweise das gemischte Mittelregister 
		hervor. Bei bestimmten affektierten Situationen können aber die Extreme 
		dominieren." 17) 
		Die Bruststimme ist der Ausdruck der 
		Selbstbehauptung, der Selbstentfaltung, des Imponiergehabens, der 
		Aufsaugung des Partners. Die Kopfstimme dagegen der der 
		Selbstverkleinerung, des Aufgehens im Partner, des Bestrebens, harmlos 
		und ungefährlich erscheinen zu wollen, aber auch der Bereitschaft, sich 
		zu unterwerfen. In der Mittelstimme verharrt der Sprechklang, wenn sich 
		weder diese noch jene Tendenzen geltend machen. Daher erklingt die 
		Bruststimme bei Zorn, Stolz, Verachtung, Arger und Drohung, aber auch 
		bei feierlicher Stimmung, bei selbstbewusstem Zielstreben und 
		prahlerischem Jubel; die Kopfstimme dagegen bei Angst, Ekel, 
		körperlichem und seelischem Schmerz, in der Bitte und bei Höflichkeit, 
		sowie Zärtlichkeit, besonders zu Kindern." 
 
		1.7 Der Klang der Stimme 
		Der Aufbau des menschlichen Stimmklangs 
		besteht aus Grundton und Obertönen. In der gesprochenen Sprache werden 
		Vokale durch festliegende Obertonbereiche charakterisiert, die von der 
		Höhe des Grundtones unabhängig sind. Diese spezifische Obertonreihe der 
		Vokale nennt man Formanten. 
		"Die Hauptformanten unserer Sprache 
		liegen unter Einschluss der sprachlich zulässigen Klangmodifikation und 
		einer individuellen Schwankungsbreite etwa in diesem Bereich. 
			
				| 
				
				um | 
				
				200- 400 und S000-3500 Hz |  
				| 
				
				E       um | 
				
				400- 600 und 2200 - 2600 Hz |  
				| 
				
				A       um | 
				
				800-1200hz |  
				| 
				
				0        um | 
				
				400- 600 Hz |  
				| 
				
				U       um | 
				
				200- 400 Hz |  
		(Wird fortgesetzt) 
		 
		
		
   
 Nachtrag
 
 Von Tell Brak nach Chemnitz zum Tätort
 
		
		Ankommende Leute 
		
		Fremder 1: „Schön haben Sie es hier! 
		Herrliche Straßen und so viele Blumen ...“ 
		
		Fremder 2: „In den hellen Häusern möchte 
		man am liebsten selbst drin wohnen.“ 
		
		Einheimischer: „Sagen Sie, wann Sie 
		einziehen wollen.“ 
		
		Fremder 1: „Und sehen Sie, dort, dieser 
		Riesen Fliegenpilz!“ 
		
		Einheimischer: „Das ist unser 
		Puppenkindergarten.“ 
		
		Fremder 2: „Haben Sie auch einen Zoo?“ 
		
		Einheimischer: „Ja, ja, wir kommen noch 
		dorthin. Wir haben viele Tierkinder, aber auch ein großes Krokodil.“ 
		
		Fremder 1: „Da gehen wir lieber erst 
		hin, wenn es schläft.“ 
		
		Einheimischer: „Haben Sie doch keine 
		Angst! – Jetzt sehen Sie hier erst Mal unser Theater, daneben ein 
		Museum, dort ...“ 
		
		Fremder 1: „... das ist bestimmt das 
		Bürohaus in dem Sie arbeiten!“ 
		
		Einheimischer: „Erraten!“ 
		
		Fremder 2: „Ich staune, was Sie da alles 
		in so kurzer Zeit erbaut haben.“ 
		
		Fremder 1: „Ja, das ist beeindruckend! 
		Erstaunlich!“ 
		
		Paul Hindemiths neusachliches 
		Kinderspiel mit Musik Wir bauen eine Stadt von 1930 auf einen 
		Text von Robert Seitz erzählt, wie eine Stadt entsteht, wie sie 
		funktioniert, wer in ihr lebt, mit welchen Verkehrsmitteln man sich in 
		ihr bewegt, und dass es auch unangenehme Momente im städtischen 
		Zusammenleben gibt. Der kurze Textausschnitt aus dem vierten Satz 
		„Ankommende Leute“ ist diesen Ausführungen nicht ohne Grund 
		vorangestellt. Denn wenn man beabsichtigt, den Organismus, das System 
		Stadt zu beschreiben, wenn man versucht zu analysieren, was eine Stadt 
		ausmacht, so bleibt als immer gültiger Grund nur das Substantiv 
		„Anziehungskraft“. Alle anderen Definitionen von „Stadt“ versagen.
 
		
		Was ist Stadt? 
		
		Politisch und wirtschaftlich betrachtet 
		gilt als Stadt im Gegensatz zum Land beziehungsweise zum ländlichen Raum 
		jede größere, verdichtete Siedlung mit spezifischen Funktionen in der 
		räumlichen Arbeitsteilung und politischen Herrschaft, abhängig von der 
		gesellschaftlichen Organisation und Produktionsform. Als städtische 
		Siedlungen gelten in der Bundesrepublik Deutschland laut amtlicher 
		Statistik Gemeinden mit Stadtrecht ab 2000 und mehr Einwohnern 
		(Landstadt 2000 bis 5000 Einwohner, Kleinstadt 5000 bis 20.000 
		Einwohner, Mittelstadt 20.000 bis 100.000 Einwohner, Großstadt mehr als 
		100.000 Einwohner).
 Unter kulturellen Gesichtspunkten ist eine Stadt (von althochdeutsch 
		stat ‚Standort‘, ‚Stelle‘; etymologisch eins mit Statt, Stätte) eine 
		größere, zentralisierte und abgegrenzte Siedlung im Schnittpunkt 
		größerer Verkehrswege mit einer eigenen Verwaltungs- und 
		Versorgungsstruktur. Damit ist fast jede Stadt zugleich ein zentraler 
		Ort. Städte sind aus kulturwissenschaftlicher Perspektive der Idealfall 
		einer Kulturraumverdichtung und aus Sicht der Soziologie vergleichsweise 
		dicht und mit vielen Menschen besiedelte, fest umgrenzte Siedlungen 
		(Gemeinden) mit vereinheitlichenden staatsrechtlichen oder 
		kommunalrechtlichen Zügen wie eigener Markthoheit, eigener Regierung, 
		eigenem Kult und sozial stark differenzierter Einwohnerschaft. 
		Ansiedlungen mit einer streng homogenen Bevölkerung wie etwa 
		Arbeitslager oder Quartiere von Heerverbänden werden nicht als Stadt 
		gewertet.
 
 Was allerdings Urbanität ausmacht, ist eine Frage der Auslegung. Ein 
		lange gültiges Dogma der Städteforschung postulierte der US-Soziologe 
		Louis Wirth (* 28. August 1897 in Gemünden im Hunsrück; † 3. Mai 1952 in 
		Buffalo, New York) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine 
		Merkmale einer Stadt: soziale Hierarchie, Spezialistentum, ethnische 
		Gruppen und mehr als eine Religion. Wirths Schablone war jahrzehntelang 
		akzeptiert, obwohl sie mit dem antiken Athen, mit Rom, mit den 
		Metropolen Altamerikas wie Tenochtitlan und Chichén Itzá und den großen 
		Zentren in Ostasien (Kyoto, Gaochang in Westchina) nie deckungsgleich 
		war. Seine Begriffserklärung war allenfalls eine Beschreibung des 
		eigenen Aktionsradius', der sich auf Chicago und New Orleans 
		beschränkte.
 
 Die aktuell so gefeierten und fleißig adaptierten Konzepte und Theorien 
		des Star-Ökonomen Richard Florida (* 26. November 1957 in Newark, New 
		Jersey) zur „kreativen Klasse“ und deren Verortung in der urbanen 
		Gesellschaft, kranken wie Wirths Thesen an just dieser eingeschränkten 
		Weltsicht, die allein westliche Demokratien ins Blickfeld nimmt. Nach 
		Wirth wären Memphis und Theben im alten Ägypten, Mohenjo Daro im 
		Industal und Angkor in Kambodscha nie Städte gewesen. Die im letzten 
		Jahrzehnt und in Windeseile gewachsenen Städte in China, Indien und 
		Russland – ja, was sind sie? Ansiedlungen? Orte? Die Merkmale für Stadt, 
		hat die Forschung erst in den letzten Jahren korrigiert und neu 
		festgelegt.
 
 
		
		Der Blick von außen 
		
		Der faszinierende Blick aus dem Weltall 
		auf den Erdball hilft, die Kriterien zu bestimmen, was Stadt ist und was 
		Stadt ausmacht. Je mehr Verkehrswege, See- und Flugrouten sich in einem 
		Punkt kreuzen, desto sicherer das Indiz für Stadt. Eine Stadt erfüllt 
		gleichermaßen Funktionen für das Umland wie für sich selbst. Verkürzt 
		ausgedrückt: Je mehr Straßen zu einer Ansiedlung führen, je breiter und 
		verzweigter das Wegenetz um ein Areal, desto sicherer der Beleg für die 
		Existenz von Stadt. Als Verwaltungssitz, politisches Zentrum, als 
		Standort für wirtschaftliche Mechanismen, für soziale und kulturelle 
		Einrichtungen sowie religiöse Institutionen erweist sich Stadt als 
		attraktiv. Der eingangs gerühmte Zoo, Theater, Schulen, Museen, Arenen, 
		Bibliotheken, Königspaläste, Krankenhäuser, Fabriken, Tempel, Kirchen, 
		Moscheen, Einkaufsmärkte, Vergnügungsstätten – je attraktiver, desto 
		Stadt, könnte die Gleichung lauten. Mehr ankommende Leute, mehr Stadt. 
		Aber: auch wenn die Sogwirkung Stadt plausibel erscheint, ohne 
		Hinterland, ohne mehr oder minder weit abgestecktes Umland, funktioniert 
		das Modell Stadt nicht. Nahrung, Rohstoffe, Arbeitskräfte, 
		Erholungsflächen – eine Stadt kann ohne das Land nicht funktionieren. 
		Das Land ohne die Stadt hingegen (bis zu einem gewissen Grad) sehr wohl.
 
		
		Die Stadt und das 
		Klima. Städte nutzen 75 Prozent aller zur Verfügung stehenden Energie 
		und stoßen 80 Prozent der Treibhausgase aus. Folgen des Klimawandels 
		treffen insbesondere die Stadt. Sie ist Klimasünder und -opfer zugleich. 
		Aber Städte haben auch das Potenzial, den CO2-Ausstoß nachhaltig zu 
		verringern. Zum Beispiel beim Heizen: Rund 40 Prozent der in Deutschland 
		verbrauchten Energie wird allein durch Heizen verursacht. Viele 
		kommunale Gebäude wie Schulen verfügen über unzureichende 
		Wärmedämmungen. Die umweltfreundliche Stadt ist eine anpassungsfähige 
		Stadt. Den öffentlichen Nahverkehr verträglich zu entwickeln, dichter zu 
		bauen und Städte temporärer zu gestalten, um im Nachhinein mehr 
		Flexibilität im Bauen, Gestalten und in der Nutzung zu haben, ist das 
		Gebot der Stunde. Wo Gefahr ist, wächst das Rettende: In Städten lassen 
		sich leichter und schneller Interessenvereinigungen organisieren, die im 
		politischen, sozialen oder ökologischen Prozess Einfluss auf die 
		öffentliche Meinung, auf Einrichtungen, Parteien oder andere 
		gesellschaftliche Gruppierungen nehmen können. Eine umweltverträgliche 
		und CO2-freie Stadt kann nur dann erreicht werden, wenn Unternehmen und 
		Bürger an einem Strang ziehen und sich in die Stadtentwicklung 
		einmischen. Die Zukunft der Stadt kann nur grün sein! 
		
		Auch die urbanen Siedlungen der Frühzeit werden heute am Kriterium der 
		Attraktivität gemessen. Es ist kein Zufall, dass die ersten Zentren im 
		„Fruchtbaren Halbmond“ entstanden, jenem Bogen, der sich vom Persischen 
		Golf im Süden des heutigen Irak, über den Norden von Syrien, den 
		Libanon, Israel, Palästina und Jordanien erstreckt. Die Region östlich 
		des Mittelmeers war vor 10.000 Jahren die Keimzelle von Ackerbau und 
		Viehzucht, folglich entwickelten sich hier auch die ersten Städte. Erst 
		der Anbau von Getreide und Hülsenfrüchten sowie das Domestizieren von 
		Ziegen, Schafen, Rindern und Schweinen erlaubten dauerhafte 
		Sesshaftigkeit.
 
 
		
		Die älteste Stadt der Erde 
		
		Galt bis vor kurzem Jericho als älteste 
		Stadt, so ist aktuell Tell Brak in Nordsyrien Rekordhalter. Aber das 
		kann sich bald ändern, denn die Kurdengebiete im Nordirak wurden für 
		internationale Grabungsteams wieder geöffnet und erste Satellitenbilder 
		lassen auf neue Sensationen hoffen. Die Luftbildarchäologie liefert 
		Aufnahmen, die an Spinnennetze erinnern und ein über 5000 Jahre altes 
		Wegesystem zeigen und Karawanenrouten von bis zu 100 Metern Breite. 
		Mithilfe der neuen Modelle lässt sich auf die Entwicklung der frühen 
		Städte schließen. Eins zeigt sich ganz klar: die wichtigsten urbanen 
		Zentren lagen nicht an den größten Straßen, sondern wie Tell Brak in 
		Arealen, zu denen die meisten Straßen führten. Ankommende Leute 
		bestimmen also seit jeher, was Stadt ist. Das Modell Stadt machte in der 
		Region Schule, wie benachbarte Zentren beweisen. Ein Merkmal von 
		Zivilisation – trotz gefundener Marmorgefäße und Keramikschalen, die auf 
		Massenproduktion schließen lassen – fehlt bislang: Schriftzeichen. 
		
		Chemnitz – „älteste" Stadt Europas
 
		
		Stadt ist Migration. Das Phänomen ist 
		bekannt, die Bevölkerung in Entwicklungsländern verlässt aus schierer 
		Überlebensnot das Land und sucht Zuflucht in den Städten. Ein Trend, der 
		nicht auf Afrika oder Asien begrenzt ist. Auch für Europa wird 
		prognostiziert, dass die Landflucht massiv zunimmt. Städte werden größer 
		und tendenziell jünger. Randregionen in der EU entvölkern und 
		vergreisen. Chemnitz ist in 20 Jahren die Stadt in Europa. Die Stadt mit 
		dem höchsten Prozentsatz an Einwohnern über 65 Jahren. Mehr als ein 
		Drittel der Chemnitzer wird dann im Rentenalter sein. Oder zu den vier 
		„As“ gehören, wie die Gentrifizierungsforscher sagen: zu den Armen, 
		Alten, Arbeitslosen, Ausländern. Abreisende Leute.
 Wird Chemnitz von der Landkarte verschwinden? Und wann? In den 
		Metropolen jedoch und in den kleineren Universitätsstädten – ankommende 
		Leute – steigt die Nachfrage nach Wohnraum. Im Konkurrenzkampf tun sich 
		weniger Begüterte schwer. Viele Städte versilbern – immer noch – ihr 
		Tafelsilber und verkaufen Flächen und Wohnungen an private 
		Bauunternehmer und Investoren, der soziale Wohnungsbau stagniert. Die 
		Mieten in den betroffenen Städten steigen, in allen Vierteln. Stadt 
		macht arm. Um genau zu sein, westeuropäische prosperierende Stadt macht 
		arm.
 
 
		
		Ein Lob der Stadt 
		
		Schicker Sushi-Laden statt schmuddeliges 
		Stadtteilkino, Starbucks statt Secondhand-Laden für Mutter und Kind. 
		Stadt ist Wandel. Immer. Nicht immer zum Besseren. Aber wenn sich in 
		Stadtteilen über viele Jahre hinweg nichts verändert, entwickeln sie 
		sich negativ. Zuzügler und neue Ideen halten den Organismus Stadt 
		lebendig und (er-)lebenswert. Und das müssen nicht immer ankommende 
		Leute sein. Städte bieten derzeit Insekten bessere Bedingungen als 
		Felder und Wiesen auf dem Land. Die Pflanzenvielfalt vor, hinter und 
		zwischen Stadthäusern ist größer, Städter ziehen mehr Blumen, die 
		Vielfalt der Vegetation ist größer als auf dem Dorf. Das macht die Stadt 
		attraktiv für Bienen und für Hummeln. Stadt ist Viele. 
		
		Stadt ist mehr als Urbanisation, 
		Ansiedlung oder Zentrum. Stadt ist Viele und Vieles. Ein Organismus, der 
		sich selbst erschafft und immer neu definiert und definieren lässt. Bei 
		der Gemeindereform 1971 in Schweden wurde der Begriff „stad“ (Stadt) aus 
		der Verwaltungsterminologie gestrichen und durch „tätort“ (Ortschaft) 
		ersetzt. Die Stadt – ein Moloch? Mitnichten: Die Tötungsrate in 
		Deutschland ist – proportional gesehen – in Städten nicht höher als auf 
		dem platten Lande. 
		 
		 
		Leserbrief
 
			
				|   | 
				Liebe Frau Gilles,
 die ’Mitteilungen’ sind auch hier Diskussionsstoff. Es ist 
				großartig, dass Sie sich so vehement für die Erhaltung unserer 
				abendländischen Kultur einsetzen und den Zerstörern den Kampf 
				ansagen. Ein großes Danke dafür.
 
 (16.7.2017 – Fau B. aus Hannover
 |  Leserbrief
 
 
			
				|   | 
				Sehr geehrte Frau Gilles, erst einmal danke für die wieder 
				interessante Info. Unbedingt berichten muss ich noch vom 
				Besonderen Opernabend am 18.6. Die beiden besonderen Gäste hatte 
				ich vorher ja schon bei unseren davor stattgefundenen Treffen in 
				Leipzig und Berlin informiert. Sie meinten hinterher nur: Wie 
				gut, dass wir von Ihnen schon informiert waren, so war der 
				Schock nicht zu groß. 
				Das Haus - wie jetzt meist üblich- ziemlich leer, 540 Karten 
				waren angeblich verkauft. Die Presse sprach vom schönen Wetter, 
				ich könnte andere Gründe nennen. Lustig war die Einführung von 
				"oben" für die Damen und Herren vom Personal. Man sollte den 
				heutigen Gästen zum besonderen Opernabend besonders höflich 
				begegnen, schließlich sollen sie einen guten Eindruck vom Haus 
				bekommen. Der erste besondere Gast war ein tätowierter bärtiger 
				Herr in schwarzem T Shirt und schwarzen Shorts. Kommentar 
				überflüssig. 
				Ich wünsche Ihnen einen entspannten ruhigen Sommer. 
				Bis zum nächsten Mal liebe Grüße - R. R. aus Hannover
 |  
		 
		Beitrag
 
			
				|   | 
				
				G-20 Gipfel und Brutalität auf 
				den Straßen 
				
				Die Brutalität und 
				Zerstörungswut bei den Demonstrationen gegen den G 20- Gipfel in 
				Hamburg behindern auch die Bemühungen der dortigen Politiker in 
				ihren Versuchen gemeinsame Lösungen für die wichtigsten globalen 
				Probleme zu finden. Das Chaos auf den Strassen überträgt sich 
				emotional negativ auf die erwünschten Entscheidungsfindungen bei 
				diesem G -20 Gipfel. 
				
				        
				So wie uns Freude über Schönheit in der Kunst durch eine 
				Ausschüttung von Glückshormonen in unserer rechten 
				Hirnhemisphäre zu mitleidsfähigen Zeitgenossen machen kann, 
				könnten friedliche Demonstrationen – einer Bitte gleich – die 
				Herzen der Mächtigen erweichen.  
				
				        
				Seit etwa 20 Jahren versuche ich solche Zusammenhänge und somit 
				auch Vorschläge für emotionale Bildung in meinen Büchern zu 
				erläutern. In den Talkshows der Sender werden solche Themen nie 
				erörtert und daher auch nicht multipliziert. Und die staatlich 
				subventionierten modernen Theater bilden über politische Themen 
				allenfalls das logische, linkshemisphärische Denken, die Analyse 
				in unserem Gehirn. Zur Lösung so mancher Probleme würde es einer 
				Aktivierung und Ausdifferenzierung der Sinne, einer tieferen 
				Durchstrukturierung der Emotionalität bedürfen. Das geschieht 
				eher durch ganzheitliches Denken, eine geschulte Kreativität. 
				
				        
				Man kann es lernen, das aktive Zuhören und sich Hineinversetzen 
				in den anderen. Dabei Verständnis, Toleranz entwickeln um somit 
				auch schwierige Probleme zu lösen. Dies gilt nicht nur für 
				Demonstranten, sondern auch für die Regierenden auf unserem 
				gemeinsamen Globus. Kulturelle Kompetenz für alle! 
				 
				
				        
				Der irrsinnige Terror auf Hamburgs Strassen ist absolut 
				kontraproduktiv. Die aggressiven Demonstranten lassen 
				Deutschland und insbesondere Frau Merkel überaus schwach 
				erscheinen. Und das führt dazu, dass sich gewisse Präsidenten 
				anderer Länder in Zukunft wohl kaum von unseren Politikern 
				kritisieren lassen wollen. 
				
				        
				Herzens- und Charakterbildung als Elemente der 
				Persönlichkeitsbildung sind eine Bringschuld der staatlichen 
				Gemeinschaft an sich selbst. Das positive Ergebnis hätten die 
				demonstrierenden Massen in Hamburg den Politikern als gutes 
				Beispiel offerieren können. Wo wird diese Bildung bei uns 
				vermittelt? 
				
				Kammersänger Prof. Dr. Bernd 
				Weikl
 |  
		
		
  
		Impressum
 
	
	 
 erscheint als nichtkommerzielles Beiblatt zu
 
  -
		ausgezeichnet mit dem Kulturförderpreis der Stadt Regensburg
 
 Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt:
 
 KS Prof. Marie-Louise Gilles
 Dipl. - Kulturwissenschaftlerin
 Büro 30655 Hannover – Fehrsweg 2
 
		
		
		info@kulturjournal-hannover.de 
		Peter LangBüro 93047 Regensburg – Holzländestr. 6
 
		
		
		info@kulturjournal-regensburg.de 
		Ersterscheinung der Ausgabe Regensburg am 27.07.2007Erscheinungsweise: kulturjournal-regensburg zehn Mal pro Jahr von 
		Februar bis August und Oktober bis Dezember
 
 Ausgabe des Beiblattes als ’Mitteilung an meine Freunde’ mit Auszügen 
		aus dem
 kulturjournal-regensburg in loser Reihenfolge, gebräuchlich am Anfang 
		eines Monats
 
 Verteilung Regensburg: Direktversand, Hotels, Theater, Galerien, 
		Veranstaltungsorte, Tourist-Info, Bahnhöfe
 Verteilung Hannover: Direktversand an ausgewählte Leserschaft:
 Mitglieder der Bürgerinitiative Opernintendanz
 Niedersächsische Landesregierung Hannover
 Politische Parteien
 Kulturreferate der Länder
 Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
 Bund der Steuerzahler
 Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger
 Richard-Wagner-Vereine
 Feuilletons von Tageszeitungen
 RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover
 
 
			
				| 
 |    
                  
                    |  | 
				
                Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
 Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll 
				bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich 
				diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der 
				Kritik willen,
 sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes 
				oder Misslungenes.
 
 Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und 
				Satire.
 
 Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, 
				Grundgesetz,
 in Anspruch.
 |  |    |  |