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'Eine Mitteilung an meine Freunde'

Ausgabe
Nr. 16
Nr. 4 - 2018


 

 
   
   

 


 

   

 

 

 

 

Einleitung zur Ausgabe Nr. 16 / Nr. 4 - 2018

Achtsamkeit - Heimat - Glück

Diese Bergriffe erscheinen seit einiger Zeit in wissenschaftlichen Abhandlungen verschiedener Disziplinen in den Feuilletons, und wir Theaterleute wundern uns über die Verspätung, mit der diese für uns Selbstverständlichkeiten endlich diskutiert werden.

Prompt lehnen die Vertreter des Regisseurstheaters solche Überlegungen ab, bezeichnen sie als Kitsch, Gefühlsduselei, rechte, widerwärtige Überbleibsel von Alt-Nazis.

Achtsamkeit - was ist das?

In der Götterdämmerung, vor ihrem Bericht über die katastrophale Lage in Walhall, seit der verfluchte Ring, geschmiedet aus dem Gold, das den Rheintöchtern geraubt wurde, die Ordnung der Welt ins Wanken brachte, fordert Waltraute ihre Schwester Brünnhilde auf: "Achtsam höre mich an!"

Es ist die Forderung nach äußerst vorurteilsfreier Aufmerksamkeit, um bei klarem Bewusstsein, ohne unkontrollierte, emotionale Reaktionen, fokussiert auf den Kern der Botschaft einen Entschluss zu fassen und den Ring den Rheintöchtern zurückzugeben. Das aber lehnt Brünnhilde in ihrem hormonellen Liebesrausch wortreich und mit herrlichen Kantilenen ab, und so endet denn ein Weltzyklus - verschuldet durch Betrug und Gier.

Was alles ist in den letzten Jahren durch Mangel an Achtsamkeit zur Katastrophe geworden? Statt die wirr durch den Kopf kreisenden Gedanken achtsam in eine Richtung zu bringen und alle Entscheidungen kritisch abzuwägen, rennen die Menschen den Versprechungen von Macht, Reichtum oder Paradies hinterher. Achtsamkeit, in den buddhistischen Lehren seit Jahrtausenden geübt, das "cogito, ergo sum" unserer Aufklärung können uns vor Stress und Fehlentscheidungen, vor allem in der Kultur, schützen.

Heimat, eine süßliche Tümelei oder der Wunsch nach einem Ort der Vertrautheit? Globalisierung, Welthandel, Netzwerke haben unübersehbare Möglichkeiten eröffnet und wir können, wenn sie gerecht genutzt werden, dankbar dafür sein.

Aber wieso redet und schreibt man wieder über Heimat?

Wenn Kommunikation größtenteils über Smartphones geschieht und technisches Gerät zwischen den Sprechenden vermitteln muss, Tausende permanent auf ihre Bildschirme starren, das Schreiben mit der Hand nicht mehr geschätzt wird, statt gut geformter Sätze, Splitter von Kürzeln die Nachrichten beherrschen, aus jedem Sender die Hits im Zweier-Stampf-Rythmus tönen, die auch die Fans in den Arenen zu Tausenden stampfen lassen, in den Städten die Mode- und Nahrungsmittelketten überall dasselbe anbieten, die neue Architektur überall die gleichen Kisten mit Schießschartenfenstern propagieren - wer kann sich in dieser Uniformität beheimatet fühlen?

Zuhause sind Vögel im Nest, Kaninchen  und Füchse im Bau, Hunde und Hauskatzen in ihrem Korb - was spricht gegen die Freude am heimatlichen Dialekt? Gegen heimatliche Küche? Trachten, Bräuche, Feste? Freundeskreise, Vereine, gemeinsame Kulturstätten, Kirchen? Auch unsere wunderbaren Opernhäuser sind Heimat, aber aus denen haben uns die Intendanten mit ihren Regisseuren, die nichts als Hass und Ekel zu bieten haben, vertrieben.
Nun haben wir in der neuen Bundesregierung ein Heimatministerium. Vielleicht nimmt es uns, die aus den Opernhäusern Vertriebenen, in seine Überlegungen hinein?

Glück der dritte Begriff, der zur Zeit herumgereicht wird, ist wie die andern von Kitsch belastet, aber trotzdem ein starkes 'movens' im menschlichen Leben. Es ist der Gipfel aller menschlichen Gefühle und daher am schwersten zu beschreiben, noch zu erreichen. Die kitschige Variante zeigt am Ende eines Films die wohlfrisierte und geschminkte Diva, die ihren Helden küsst und dann in den Hafen der Ehe einläuft. Mediziner, Philosophen, Physiker und Demoskopen versuchen mit ihren Untersuchungen das Glück in Statistiken zu erfassen, aber es bleibt "velut luna statu variabilis" wie es in den 'Carmina burana' heißt.

Die Dänen gelten seit Jahren als eines der glücklichsten Völker der Welt.

Sind sie es wirklich, oder liegt es an der Definition?

Während in der lateinischen 'fortuna' das 'fortis', der Drang zum Sieg enthalten ist, legt sich die dänische 'Hygge' entspannt in das Netz eines wohlgeordneten Staates, der krasse Finanzgefälle nicht kennt.

Was jeder einzelne als 'Glück' empfindet, ist wohl höchst unterschiedlich.

Tausende Musikfreunde eint das Glück eines gelungenen Konzertes.

Tausende Opernfreunde sind von schönen Stimmen begeistert, meiden größtenteils wegen der unerträglichen Inszenierungen und scheußlichen, nicht zum Stück passenden Bühnenaufbauten die deutschen Opernhäuser und genießen im Cinemaxx die Übertragungen der Aufführungen aus der Metropolitan und dem Royal Opera House in London.

Mit strahlenden Gesichtern verlassen sie den Saal und man versichert sich ringsum: "Das war beglückend!"

Mein kleiner Essay kann keinesfalls alle Aspekte der drei Begriffe behandeln, hoffentlich aber zum Nachdenken über Achtsamkeit, Heimat und Glück anregen.

ML Gilles


Kalenderblätter 
 

 


 

 

Herbert von Karajan
   ... am 5. April 1908 geboren

Er dirigierte 1939 an der Staatsoper in Berlin 'Meistersinger' und gab falsche Einsätze, so dass die Vorstellung mit dem Fallen des Vorhanges unterbrochen werden musste.

Hitler wollte daraufhin nicht, dass Karajan je in Bayreuth dirigieren dürfe.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-31969476.html


Es kam anders, denn HvK stand spät, erst 1951, aber doch am Pult dort, in diesem Festspielhaus.

 

 


Bereits 1933 stellte HvK bei der Ortsgruppe Salzburg den Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP, da diese aber in Österreich verboten war, er aber in Salzburg und Wien dirigieren wollte, ruhte der Beitritt und wurde erst 1939 unter der Mitgliednummer 3.430.914 reaktiviert.

Die Zeit nach dem 30. Januar 1933 brachte HvK die Möglichkeit, bei offiziellen Anlässen aufzutreten, so 1935 als er am 20. April eine Vorstellung des 'Tannhäuser' zur Ehren des Führer-Geburtstages leitete wie am 30.4.1935 einen Opernabend für die Organisation 'Kraft durch Freude'.
1935 wurde unter seiner Leitung, anlässlich des Kreisparteitages, die 'Feier der neuen Front', komponiert von Richard Trunk, dem Präsidenten der Staatlichen Akademie der Tonkunst München mit Texten von Baldur von Schirach, aufgeführt.

Am 1. Dezember 1940 trat Karajan im 'Wunschkonzert für die Wehrmacht' auf. Die Einrichtung, die über alle Sender im Reichsgebiet zweimal wöchentlich ausgestrahlt wurde, war ein populäres Format, das die Bindung von Front und Heimat herstellen sollte.

Goebbels ließ sich hier nicht auf Zufälligkeiten ein, alles war genauestens geplant, was über den Sender ging, der Reichpropagandaminister schaltete sich in die Vorbereitungen ein, damit das Ziel einer Ablenkung der Bevölkerung vom Kriegsalltag erreicht werden konnte.

Kurz vor Weihnachten 1940 habe es Krach zwischen Furtwängler und Karajan gegeben, der lasse sich zu sehr von der Presse anhimmeln.

Das sei richtig. Immerhin sei Furtwängler eine Weltgröße.
'Ich stelle das ab!' - so Goebbels am 22. Dezember 1940 in seinem Tagebuch.

Magda Goebbels soll kein Auftreten vom 'Wunder Karajan' versäumt haben.

Für die Wehrmacht war Karajan in besetzten Gebieten am Pult eines Orchesters, z.B. in Paris 1940 bzw. 1944 - der Einsatz bei der Truppe blieb ihm erspart, da er auf der Gottbegnadetenliste stand.

 

 

 



 

Paul Dahlke
   ... am 12.4.1904 Streitz/Pommern geboren

Auch er stand auf der NS-Gottbegnadeten-liste, hier für  Schauspieler, die für die Filmproduktion benötigt werden.

Ab 1935 war er am Deutschen Theater in Berlin engagiert.
Zwischen 1934 und 1944 spielte er in 46 Filmen, darunter 1936 der Militär-Spionagefilm 'Verräter'.

Der wurde am 9.9.1936 auf dem NSDAP-Reichsparteitag uraufgeführt.
 

 

Hier spielten

  Willy Birgel: Agent Morris

  Herbert A. E. Böhme: Agent Schultz

  Paul Dahlke: Agent Geyer

  Josef Dahmen: Agentenhelfer

  Hans Zesch-Ballot: Dr. Wehner, Gestapo

  Sepp Rist: Kommissar Kilian, Gestapo

  Volker von Collande: Referendar Kröpke, Gestapo

  Ernst Karchow: Major Walen, Abwehroffizier

  Rudolf Fernau: Fritz Brockau, Konstrukteur

und
Lída Baarová, die damalige Geliebte des Reichspropagandaministers als Marion, Brockaus's Freundin,

1937 'Patrioten' (Goebbels: "Ganz klar und nationalsozialistisch")
sowie in Veit Harlans 'Mein Sohn, der Herr Minister' (laut Goebbels "eine geistvolle Verhöhnung des Parlamentarismus").
1938 Luftwaffen-Aufrüstungsfilm ’Pour le Mérite’ (für Hitler der "bisher beste Film der Zeitgeschichte").
1939 'Robert Koch' mit

  Emil Jannings: Dr. Robert Koch

  Werner Krauß: Geheimrat Dr. Rudolf Virchow

  Viktoria von Ballasko: Schwester Else

  Raimund Schelcher: Dr. Fritz von Hartwig, Kochs Assistent

  Hilde Körber: Frau Göhrke

  Theodor Loos: Dr. Georg Gaffky

  Otto Graf: Dr. Friedrich Loeffler

  Hildegard Grethe: Emmy Koch

  Peter Elsholtz: Dr. Karl Wetzel, Virchows Sekretär

  Josef Sieber: Waldhüter Göhrke

  Bernhard Minetti: Sprecher der Gesundbeter

  Paul Bildt: Baron von Kossin, Reichstagsabgeordneter

  Elisabeth Flickenschildt: seine Frau

 und Paul Dahlke als Lehrer
 

21.1. 1940 Gastspiel mit 'Was ihr wollt' in Posen.
Goebbels: "Clou des Abends ist Dahlke, der sich selbst übertrifft ... Danach ein kleiner, bescheidener Empfang für Partei und Künstler in unserem Schloß."

1941 in 'Venus vor Gericht' über einen NSDAP-Bildhauer, den 'jüdischen Kunsthandel' und 'entartete Kunst' sowie im NS-Reiterfilm 'Reitet für Deutschland'.

1943 in Käutners 'Romanze in Moll'.

1937 NS-Ehrung als jüngster seines Faches Titel 'Staatsschauspieler'.

Nach 1945 Rolle des Generals Harras in Zuckmayers 'Des Teufels General'.

1954 Kästner-Film 'Das fliegende Klassenzimmer',
1957 in der Thomas-Mann-Verfilmung 'Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull' mit Horst Buchholz in der Titelrolle sowie

1957 in Veit Harlans 'Anders als du und ich'.

1966 Kulturpreis der Pommerschen Landsmannschaft.
1974 Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film.

 



 

Thornton Wilder
   ... am 17. April 1897 geboren

Als Sohn eines Diplomaten lebte er in Asien, Europa und den USA.

Als ihn seine Mit-Schüler in seinem Umfeld als überqualifiziert und nicht als einen der ihren anerkannten, zog er sich in Bibliotheken zurück, begann früh, zu schreiben - und geriet in gesellschaftliche Isolation.

Mit der 'The Bridge of San Luis Rey' gewann er bereist 1928 den ersten Pulitzer Preis.

 

 
Den zweiten erhielt er 1938 für 'Unsere kleine Stadt'.

'Das lange Weihnachtsmahl' kam 1931 heraus, Köln spielte es 1953 und Hindemith vertonte den Stoff mit der Uraufführung am 20. Dezember 1961.

Der dritte Pulitzerpreis wurde ihm 1943 für 'Wir sind noch einmal davon gekommen' verliehen.

Dieses Stück zeigte das 'Thalia' in Hamburg am 23. März 1966 in der Inszenierung von Hans Bauer mit Heidemarie Hatheyer, Ingrid Andree und O.E. Hasse.

1938 brachte das Guild Theater in New York 'The Matchmaker', basierend auf Nestroys 'Einen Jux will er sich machen', das wiederum auf der englischen Farce 'A Day Well Spent' des Engländers John Oxenford von 1834 beruht und was 1964 zum Musical 'Hello Dolly' führte.

Sein Bezug zum epischen Theater Brechts wird deutlich im Fehlen eines Vorhangs, der Zuschauer erlebt mit, wie die Bühne umgeräumt wird. Die Requisiten und Hilfsmittel fallen minimal aus.

Vor dem Unterhaltungswert von 'Our Town' steht die Mahnung, das Lernziel.

Ein Spielleiter erklärt die Vorgänge, so dass der eigentliche theatralische Effekt kaum eintreten kann - ermöglicht aber den Darstellern, den Wechsel aus einer Probensituation den Übergang in die Rolle deutlich zu machen.

Wechsel von 'Normalität' des täglichen Theaterlebens und 'Figur' im Stück.

 

 



 

Ruggiero Leoncavallo
   ... am 23. April 1857 geboren

Mit Unterhaltungsmusik begann er, Geld zu verdienen.
Er begleitete Barsänger und schrieb 'Mattinata', wurde Korrepetitor im Theater und meinte, wie Wagner eine Tetralogie schreiben zu müssen.

Der Titel 'Crepusculum' - die Geschichte der Medicis - wurde zwar von Ricordi angenommen, aber nur der erste Teil uraufgeführt.

Der zweite Teil über Savonarola und der dritte über Cesare Borgia blieben unter Verschluss, zugunsten von Puccini.


Mascagni's Stück aus dem wahren Leben 'Cavalleria rusticana' war dann die Anregung für seine Oper 'I pagliacci', mit der er Weltrum erreichte, deren Erfolg aber nicht wiederholen konnte.

Als Puccini mit seiner 'Manon' textlich nicht weiterkam, bat er Leoncavallo mit am Libretto zu arbeiten.
Die Oper wurde für alle ein großer Erfolg.

Die nun als Operndirektorin für das Staatstheater Mainz tätige Frau Gürbaca - übrigens versuchte sie sich gerade - durch das Eingreifen der Frau Votteler wurde Schlimmeres verhindert - am Theater Augsburg mit 'Mahagonny'.

Diese Dame inszenierte in Regensburg 'Cavalleria' und 'Bajazzo'.

Nachfolgend ein Auszug aus den Bemerkungen zu einer der Repertoirevorstellungen dieser Produktion aus dem Jahr 2004
.

 

 [...]
Der Abend schreitet nach der Pause fort, in der gleichen Szenerie beginnt 'Bajazzo'. Tonio monologisiert an der Rampe, da kommen die Komödianten und bereiten ihre Vorstellung vor.

Kinder – immer gut für jede Art von Inszenierung auf einer Bühne – toben freudig herum, weil die beim Publikum immer ankommen.
Nedda improvisiert mit den Kindern, Canio halb angezogen, der umschnallbare Bauch baumelt vor dem Körper, bereitet mit seinem "Ein herrliches Schauspiel bereiten wir heut’ Abend um neun" den Chor auf die Vorstellung vor.

Er legt den Bauch ab, dann kuschelt sich Nedda an diesen – merkwürdig, warum tut sie das?
Niemand kann es sagen.

Dass Silvio die geliebte Nedda mit seinem "auf nächste Nacht denn" um Mitternacht abholen will, heißt doch nicht, dass es jetzt und sofort in dieser Szene, in der nur über den Plan gesprochen wird, plötzlich völlig dunkel wird und dann auch noch über einem Sternenhimmel auf dem hinteren Aushang das ach so beliebte "O sink hernieder Nacht der Liebe" assoziiert wird.

Gleich drauf, im grellen Verfolgerlicht, tauchen Canio und Tonio mit "Ah – den Buhlen gefangen" auf. Dann ist plötzlich wieder der gesamte Bühnenraum einheitlich hell.
Warum?
Niemand kann es sagen.

Weitere Beispiele ließen sich aufführen, wo mit einem Licht-An-und-Ausknipsen wohl irgendwelche Effekte erzielt werden sollen.

Ein Bruch in der Dramaturgie entsteht beim Aufbau der Bühne für die Colombinen-Szene. Die Regisseurin lässt einen Hänger mit Vorhang herunter, hinter dem Beppo sein Lied an Nedda/Colombine singt und ein paar kümmerliche Seifenblasen fliegen lässt.

Die gesamten Beleuchtungshänger fahren herunter und sollen so das Theater auf dem Theater dokumentieren. Dass dies überhaupt nicht zur 'Cavalleria'-Szenerie passt, scheint der Regisseurin offensichtlich nicht aufgefallen zu sein. Mit dieser Lösung hätte sie für den ersten Teil ebenfalls eine Theaterszene: Tenor gegen Bariton, Sopran mit Bariton gegen Tenor oder ähnlich dem Vorspiel 'Ariadne' schaffen müssen.
Nur dann hätte die Szenerie 'Cavalleria' nicht mehr gepasst.
So aber hängt die Colombinen-Szene in der Luft.

Viel nachvollziehbare Aktionen gibt es hier überraschenderweise nicht.

Was das permanente Bewegen der Finger von Nedda soll - niemand kann es sagen.

Der Chor steht im Zuschauerraum, der für den Auftritt erleuchtet wird – wie originell.
Und dass Tonio den Silvio am Ende von der Bühne drängt – ist nicht verständlich. Will er diesen vor Canio schützen? Warum, er ist doch der eindeutige Widersacher.

Offensichtlich war das Publikum mit diesen häufig sich stellenden Fragen überfordert.
Als die Schwarzen rauskamen, buhte das Volk gewaltig.

[...]

 

 

 



 

Uraufführung 'Turandot'
   ... am 25. April 1924

Toscanini brach die Vorstellung an der Stelle von Liù's Tod ab.

Hier konnte Puccini die Komposition selber nicht mehr fortsetzen.
Er starb nach einer Kehlkopfoperation während der Arbeit an seiner ’Turandot’.

Franco Alfano vervollständigte das Werk nach Skizzen Puccini's.

Dieses Finale kürzte dann Toscanini noch einmal, dirigierte aber die zweite Vorstellung mit Alfano's Finale.

 

 

 

 

 

Die gesamte Oper mit Alfano's komplettem Schluss wurde erst 1982 in London konzertant und 1983 in New York szenisch gegeben.

Die Geschichte der Prinzessin Turandot schrieb der 1720 in Venedig geborene Theaterdichter Carlo Gozzi, der bereits 1761 'Die Liebe zu den drei Orangen' veröffentlichte, zu der Prokofjew die Musik komponierte.
Weitere Märchendramen folgten, die aber keinen großen Erfolg hatten - Gozzi wollte zeigen, dass Zauber- und absurde Stücke sehr wohl für das Theater geeignet seien.
Doch schnell geriet er in Vergessenheit.

Während Friedrich Schiller mit seiner Bearbeitung der 'Turandot' die Wiederentdeckung von Gozzi einleitete, war es Schiller's Landsmann, der Schwabe Karl Gustav Vollmoeller, der 1911 eine neue Übersetzung der 'Turandot' aus dem Italienischen besorgte und das Stück Gozzi's für die Bühne bearbeitete.

Ferruccio Busoni bearbeitete Vollmoeller's 'Turandot' für sich und vertonte seinen eigenen Text, das Werk wurde 1917 in Zürich uraufgeführt.

Die Brutalität der chinesischen Kaiserreiche ist Thema der Geschichte. Turandot ehelicht den Mann von königlichem Blute, der die drei Rätsel löst, die sie ihm aufgibt. Löst er sie nicht, muss er fallen durch die Hand des Henkers.
Das Volk Chinas ist seit Jahrhunderten unterdrückt, will zur Ablenkung vom trostlosen Sein, Kampf und Gräuel.
Schleifet die Messer, wieder steht eine Hinrichtung bevor, denn der junge Prinz von Persien, der konnte die Rätsel nicht raten, drum soll er ohne Zögern bei Mondesaufgang sterben.
Das Volk wartet auf den Zeitpunkt der Hinrichtung.

'Sehet den Schimmer sich mehren, der ganze Himmel erstrahlt in vollem Glanze, Putinpao, der Mond geht auf!'
'Kopf ab!' - ist die Devise des Volkes.

Kalaf, der Fremde, löst die Rätsel und gibt Turandot selber auf, seinen Namen zu finden.
Das Volk drangsaliert ihn, aber er schweigt. Liu, die Kalaf liebt, gibt Turandot den Hinweis auf die Macht der Liebe.
Kalaf nennt seinen Namen in verschlüsselter Form, mein Name ist 'Gemahl'.
Nicht Gewalt und Schmerz sollen in Zukunft in China herrschen, sondern die Liebe.
 


 

 



 

Friedrich von Flotow
 
... am 27. April 1812 geboren

Seine Lebenszeit deckt sich nahezu mit der von Richard Wagner: 1813 - 1883.

Flotow sollte, aus einer adeligen Familie in der Uckermark stammend, in die Diplomatie gehen - gab den Gedanken bald wieder auf und widmete sich in Paris der Kompositionslehre.

Erste Stücke versuchte er in Paris aufzuführen, was aber nur unter großen Mühen möglich war. Als die Julirevolution 1830 Paris in Unruhe versetzte, ging er zurück nach Mecklenburg.


1844 zeigte Hamburg seinen 'Alessandro Stradella', dem in Wien 1847 'Martha oder der Markt zu Richmond' folgte.   

1855 wurde er zum Intendanten in Schwerin ernannt, ging aber 1863 wieder nach Paris zurück. Er starb 1883 in Darmstadt.

Vicco von Bülow inszenierte 1986 'Martha' am Staatstheater in Stuttgart.
Weder die eine noch die andere Oper von Friedrich von Flotow wie
'La Duchessede Guise',
'Der Förster',
'L'esclave de Camoëns',
'Die Matrosen',
'Die Großfürstin Sophia Katharina',
'Rübezahl',
'Albin',
'Veuve Grapin',
'Pianella',
'Zilda',
'L'Ombre',
'Am Ruinenstein'
wie auch die Ballette 'Die Libelle' und 'Tannenkönig'.

wurde seit der Jahrtausendwende in den Spielplan eines Stadttheaters aufgenommen.

Dafür sah man im Regensburger Musiktheater Stücke wie z.B. -

'Das Collier des Todes'
'Der Hutmacher'


- und diese spielt nun 'alle Welt' nach?! Oder?



 



 

Karl Kraus

 ... am 28. April 1874 geboren


Im Zuge der allgemeinen Aufbruchstimmung zogen 1877 auch die jüdischen Eltern Jakob Kraus und seine Frau Ernestine (geborene Kantor) aus Gitschin, zwischen Pardubitz und Reichenberg in Böhmen gelegen, nach Wien.

Er begann ein Studium für Jura, wechselte dann zu Germanistik und Philosophie, ohne auch dieses Fach abzuschließen.
Sehr früh hatte er mit dem Schreiben von Artikeln für die Presse begonnen. 1897 wurde Kraus Korrespondent der Breslauer Zeitung in Wien.

 

 

 

Im gleichen Jahr veröffentlichte er seinen ersten großen Erfolg 'Die demolirte Litteratur' - mit welchem er die Literaten seiner Zeit bloßstellte.

'Die Fackel' war seine Zeitschrift, die er ab 1899 - anfänglich mit Beiträgen u.a. von Frank Wedekind - bis zu seinem Tod 1936, herausgab, zielte durch seine Kritik auf die Demontage der Literatur unter dem Einfluss der Politik. Diese Beschreibungen wurde überlagert vom Kampf, den Kraus gegen den Berliner Kritiker Alfred Kerr, führte.

Max Brod monierte:
'Kraus hatte einen Hauptfehler: Seine Waffe des rücksichtslosen Spottes richtete er wohl oft gegen Verfallserscheinungen, die Bekämpfung verdienten; aber oft auch gegen das Edle und Vorzügliche.'

1815 erste Anfänge seines Drama für das Theater 'Die letzten Tage der Menschheit', dessen Aufführung vom Schauspieldramaturgen anlässlich eines Einführungsvortrages für das Oberpfälzer Metropol-Theater Regensburg in Aussicht gestellt wurde.



 

 



 

Kaspar Hauser
   ... am 30. April 1812 geboren

Im Januar 1833 reist Richard Wagner von Leipzig ab, "[...] um für einige Zeit meinen damals in Würzburg beim Theater angestellten ältesten Bruder Albert zu besuchen. [...]"

Er kommt auch nach Bamberg.

Dort lernt er die "[...] Geschichte von Caspar Hauser, der damals noch großes Aufsehen machte und welchen, wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, man mir persönlich zeigte, mit großem Interesse kennen. [...]"
(ML Seite 81)

 

 

 

Martin Gregor-Dellin geht davon aus, dass RW Kaspar Hauser nicht kennen gelernt haben kann, da dieser zu dieser Zeit Schreiber in Ansbach war.
(Martin Gregor Dellin: Richard Wagner, Sein Leben, Sein Werk, Sein Jahrhundert, München, 1980, S. 96)

Ob RW sich irrte oder er tatsächlich direkten Kontakt hatte, lässt sich zwar nicht nachweisen, RW müsste aber doch bei diesem Besuch in Bamberg mit der Geschichte der Luise Freiin Geyer von Geyersberg, die später als Gräfin Hochberg geadelt und in zweiter Ehe mit Markgraf Karl von Baden verheiratet war, vertraut gewesen sein.
Diese ließ – den Forschungen nach – den am 29. September 1812 geborenen Erbprinzen von Baden ’verschwinden’, um ihrem eigenen Sohn Leopold auf den Thron von Baden zu verhelfen.

1832 veröffentlichte der Jurist Paul Johannes Anselm von Feuerbach, Neubegründer der deutschen Strafrechtswissenschaft und Hauptverfasser des bayerischen Strafgesetzbuches, in Ansbach seine Schrift über 'Kaspar Hauser – Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen'.

Feuerbach, bayerischer Staatsrat und Präsident des Appellationsgerichts für den Rezatkreis Ansbach, hat 1828 den ersten Kontakt zu dem Findling Kaspar Hauser, bemüht sich um Aufklärung des Falles und stellt die These auf "[...] Kaspar Hauser ist das eheliche Kind fürstlicher Eltern, welches hinweggeschafft worden ist, um Anderen, denen er im Wege stand, die Succesion zu eröffnen. [...]" und weiter "[...] das Kind, in dessen Person der nächste Erbe, oder der ganze Mannstamm seiner Familie erlöschen sollte, wurde heimlich beiseite geschafft, um nie wieder zu erscheinen. [...]"
(Anselm Ritter von Feuerbach: Kaspar Hauser, Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen, Ansbach, 1832)

Interessant ist die Geschichte des Kaspar Hauser als Entführtem in diesem Zusammenhang insofern, dass hier für RW – Feuerbachs Buch war ein Jahr vor RWs Reise nach Würzburg in Ansbach erschienen, also 1833 ihm bekannt – 1845 bei der Abfassung des Textes zum 'Lohengrin' die motivische Anregung bei der Schaffung der Figur der Ortrud aus der Gräfin Hochberg und der Entführung von Gottfried durch sie zu finden ist.



 



 

'Figaros Hochzeit'
   ... am 01. Mai 1786 uraufgeführt

Fast alle Figuren sind in den Vorlagen von Beaumarchais enthalten.

Verarbeitet wurden sie schon von Paisiello, aber von da Ponte und Mozart detailliert fortgeführt.

Dass es sich bei dem Stück um eine Tagesangelegenheit des 18. Jahrhunderts handelt, wird von Regisseuren, die zur Freude der damaligen Präsidentin des Richard-Wagner-Verbandes-International 'modische Inszenierungen' auf die Bühne bringen, in den meisten Fällen nicht beachtet.

Figaro und Susanne wollen heiraten und zwar heute - Susanne probiert den Brautkranz, Figaro stellt das Bett in die richtige Position, so dass er schnell beim Grafen und seine junge Frau gleich im Zimmer der Gräfin sein kann.

Vom Grafen wird es eher so gesehen, dass seine Kontaktaufnahme zu Susanna schneller möglich sein könnte - denn es bahnt sich ein Ehebruch an.

War des Grafen Almaviva stürmischer Eingang in das Geschehen über die Abwehr der Vorhaben von Dr. Bartolo, Rosina, das Mündel, für sich zu gewinnen, doch nur eine Sache, die gerade einmal einige, wenige Monate, vergangen sind.

Er heiratete Rosina, sie wurde zur Gräfin Almaviva, Figaro, der Allrounder für den Grafen, Susanna als Zofe für die Gräfin engagiert.
Eine solch überfallartige Inbesitznahme Graf / Rosina und Figaro / Susanna birgt die Gefahr einer schnellen Entfremdung, denn man kennt sich kaum und so sieht der Graf sehr bald sein Opfer in Susanna - die angesetzte Hochzeit Susanna / Figaro wird durch die Verzögerungstaktik des Grafen immer wieder hinausgeschoben. Es steht ihm auch noch das Recht der ersten Nacht zu, hat angeblich darauf verzichtet, aber sollte sich die Gelegenheit ergeben, wird er sie nutzen?


Die Gräfin ist verletzt, da der Graf sich so schnell von ihr abwendet. Ihr Blick, ihr Flirt mit dem Pagen hat dann auch Folgen - außerhalb Mozarts Oper wird sie ein Kind von Cherubin bekommen.

Hier ist das Auseinanderleben vorgezeichnet - kaum zusammen, streben Graf und Gräfin voneinander, in verschiedene Richtungen - kaum hat er von Susanna gelassen, schon strebt er zu Barbarina.

Am Abend im Park wird er von Gräfin und Susanna vorgeführt, man versucht noch einmal, zu glätten und zu kitten, der Graf sieht zwar ein, bei seiner Eifersucht überzogen zu haben, doch am Ende werden Scherben am Boden liegen.
Barbarina und der Graf, die Gräfin und Cherubin - Liebespaare mit Folgen, nur Figaro und Susanna ein Ehepaar mit Zukunft?


 

Der Absolutismus, die Zeit nach dem 30-jährigen Krieg bis zur französischen Revolution, prägte hauptsächlich Frankreich.
Die Zentralregierung lenkte durch Legislative, Exekutive und Jurisdiktion die Belange des Gesamtstaates, dessen Einwohner die Untertanen des jeweiligen Herrschers waren. Früher im Naturzustand völliger Freiheit, jederzeit über sich selber entscheiden zu können und Kriege gegeneinander zu führen, begab sich das Individuum in eine Gemeinschaft, die von einem Souverän geformt und geleitet wird. Der Einzelne verliert zwar seine absolute Eigenständigkeit, ist aber damit im Inneren wie nach außen hin geschützt.

Der Souverän hatte die Aufgabe, die gemeinsamen Belange durch entsprechende Haushaltsführung zu gestalten.  Kardinal Richelieu betrieb die Herauslösung des Adels aus der Verwaltung Frankreichs nach dem Tod von Heinrich IV. und seiner Witwe Maria von Medici, ersetzte diese durch so genannte 'Intendanten' - Kommissionäre, die in strenger Bindung an die Zentralregierung in den Provinzen die Arbeit z.B. die Steuereintreibung ausführten.

Trotz der Opposition des Adels gegen die Entmachtung wurden die Reorganisation des Staates und damit antiaristokratischen Bestrebungen fortgeführt und unter Ludwig XIV. zur Perfektion gebracht.

Der aus der Verwaltung des Staates ausgeklammerte Adel wurde durch die finanzielle Freigiebigkeit Ludwig XIV. stärker an den Hof gebunden und geriet durch Kredite, sich einen außergewöhnlichen Lebensstandard erlauben zu können, in Abhängigkeit.
Zwar wurde der Adel bevorzugt, er hatte keine Steuern zu zahlen und war bei der Vergabe von Posten in Armee und Kirche wie auch vor Gericht privilegiert, jedoch die eigentliche Regierung des Landes blieb so  - eben ohne Einfluss des Adels - dem König vorbehalten.
Die Kirche erhielt Zuwendungen und war im Ständestaat an der ersten Stelle positioniert, hinter ihr stand der Adel, danach die Bürger und am Ende die Reihe die Tagelöhner und Behinderten.
Diesem höfischen Absolutismus, fester Bestandteil und Stütze des Staats vor dem Wirken von Voltaire und Rousseau, stand später der aufgeklärte Absolutismus gegenüber.
Friedrich II. von Preußen prägte ihn durch seine durch ihn propagierte eigene Stellung als erster Diener des Staates. Es ging ihm um Effizienz, die Hofhaltung wurde spartanischer, das Volk durfte nach eigenem Gusto selig werden, Leibeigenschaft waren abgeschafft und Frondienst eingeschränkt.

Als Ludwig XIV. starb, folgten in rascher Folge nach dem Tod des Großvaters  und dem des Vaters, der Urenkel 1715 als Ludwig XV. auf dem Thron Frankreichs. Bis 1774 regierte er, gefolgt von Ludwig XVI, der 1793 auf dem Schafott während der französischen Revolution endete.

In diese Zeit, 1732, hineingeboren,  Pierre Augustin Caron, als Sohn eines Uhrmachermeisters in Paris. Der einzige Sohn erlernte das Spielen von Instrumenten und das Handwerks des Vaters. Während dieser Zeit der Tätigkeit im Geschäft des Vaters verbesserte er durch seine Erfindung die Ankerhemmung von Taschenuhren, wodurch Baugröße verringert und Ganggenauigkeit erhöht werden konnte.

Des Patentes bemächtigte sich Lepaute, ein Hofuhrmacher, dem er die Neuerung gezeigt hatte, aber Beaumarchais wehrte sich, reichte Schriften an die Akademie für Geisteswissenschaften ein und gewann den Prozess. Hierdurch wurde der Hof auf ihn aufmerksam, er fertigte Uhren für die Hofgesellschaft, so angeblich auch für Madame Pompadour, der Geliebten des Königs, gab den Töchtern von Ludwig XV. Harfenunterricht, da er selber das Instrument vortrefflich beherrschte, für das er auch ein Pedalsystem entwickelte. Durch diesen Umgang lernte er die Frau des Hofbeamten Franquet kennen, die ihren alten Ehemann überredete, sein Amt an Caron zu übertragen. Wenige Zeit später starb der Beamte und bald darauf auch die Witwe, die Caron geheiratet hatte und deren Namen Beaumarchais er übernahm.

Nun Pierre Augustin Caron de Beaumarchais war ein talentierter eleganter Schöngeist, dem es gelang in die höchsten Kreise aufzusteigen und durch solche Verbindungen finanzielle Möglichkeiten auszuschöpfen. Er war Agent des Königs, betätigte sich später auch im Waffenhandel - die neuen Vereinigten Staaten von Nordamerika waren sein Kunde.

Eine Reise nach Spanien, während derer er die Eheangelegenheit seiner Schwester zu erledigen gedachte - ein José Clavijo y Fayardo hatte zweimal versprochen, die Schwester Beaumarchais' zu heiraten, dies letztendlich aber immer wieder abgelehnt. Diese 'Clavijo-Affäre' übernahm Goethe in sein Trauerspiel 'Clavigo', das 1774 in nur acht Tage verfasst und bereits im August des Jahres in Hamburg uraufgeführt wurde.
Beaumarchais begann schon früh mit schriftstellerischer Tätigkeit. Er schrieb anfänglich 'parades', eine Form der heute bekannten Sketche, bei denen zotige Kurzbeiträge mit Wortwitz in Verbindung mit Vorgängen vor, in und neben der Ehe wie auch sonstige Zeitkritik vorgetragen wurden.
Als erstes größeres Bühnenwerk erschien 1767 'Eugénie', das in sentimentaler Weise die Begebenheiten und seine Erlebnisse in Spanien beinhaltete, danach, zwei Jahre später 'Les Deux Amis' - beide nicht sehr erfolgreich.

Seine Beschäftigung mit Schwänken findet auch bei der Erarbeitung der Trilogie um Figaro - wohl abgeleitet aus seinem Namen als 'Fils Caron', gespr. FiCaro = Caron’s Sohn - ihren Niederschlag schon um die Wende der 70er Jahre. 'Der Barbier von Sevilla', uraufgeführt 1775, war dem Publikum anfänglich zu lang und mit Privatem aus Beaumarchais' Leben überfrachtet, dann ein Erfolg, wenn auch zwei Jahre vergehen mussten, ehe die Zensur dem Stück zustimmte.
Paisiello vertonte das Werk 1782 - Text von Giuseppe Petrosellini - das aber ab 1816 von Rossinis Komposition und dem Libretto von Cesare Sterbini fast völlig verdrängt wurde.

Beaumarchais Fortsetzung - 'Figaros Hochzeit' - musste ebenfalls die staatlichen Kontrollen durchlaufen und konnte erst nach Intervention durch Königin Marie Antoinette dem König von Frankreich, Ludwig XVI., zur Aufführung und zwar zunächst in einer Privatvorstellung am 26. September 1783 abgerungen werden, das zahlreich erschienene Publikum - die Königin, die Prinzen und etwa dreihundert weitere Zuschauer - applaudierte 'furieusement'.
Aber der König erlaubte immer noch nicht das Stück, von dem Paris sprach, freizugeben. Die Zensur beschäftigte sich lange mit dem 'Figaro'. Dann durfte er im Salon de Breteuil zumindest vorgelesen werden. Der Erfolg brachte die erwartete Freigabe durch den König, der hoffte, die Ablehnung werde durch die große Menge des Publikums erfolgen. Sophie Arnould meinte bezeichnenderweise: "Möglich, fünfzigmal hintereinander."
Und Graf d'Artois, der spätere König XVIII.: "Sie werden das Stück zu den Sternen emporheben, in dem Wahn, damit einen Sieg über die Regierung davongetragen zu haben."

Die erste dann öffentliche Aufführung ging am 27. April 1784 in der Comédie Française mit großer Spannung, die noch durch die immer wiederkehrenden königlichen Absagen der Produktion über die Bühne und wurde tatsächlich zu einem großen Erfolg. Achtundsechzig Mal wurde 'Figaros Hochzeit' en suite gespielt. Seit Molières Tagen war kein Komödiendichter in Frankreich aufgestanden, der solche Macht über das Publikum gewann.

Bereits Anfang 1785 wurde das Stück von Johann Rautenstrauch ins Deutsche übersetzt.
Am 3. Februar 1785 sollte der 'Figaro' in Wiens Kärntnertortheater aufgeführt werden, aber Kaiser Joseph II. ließ die Zensur eingreifen. Ausschnitte wurden im Wiener Blättchen Anfang März 1785 veröffentlicht. Kurz darauf erschien der erste vollständige Druck, der auch im Nachlass Mozarts gefunden wurde.
Da Ponte kürzte Beaumarchais's Schauspiel und verfasste ein Libretto, das Mozart vertonte, und es dem Kaiser auszugsweise vorspielte. Die Widerstände von Fürst Rosenberg-Orsini und seinem Protegée Casti eingefädelt, wurden überwunden und der Kaiser gab den Befehl zur Aufführung.
Am 1. Mai 1786 fand an der Wiener Hofoper die Uraufführung von Wolfgang Amadeus Mozart's 'Le nozze di Figaro' mit dem Text von Lorenzo La Ponte statt.

Beaumarchais nahm bewusst auch Künstlichkeit, Sonderbares, Bizarres oder Phantastisches in der Dramaturgie der Stücke in Kauf, selbst wenn auch damals für das Publikum Natürlichkeit und Wahrscheinlichkeit üblich waren. Er zeigt auf, dass es sich um Komödie in der Komödie handelt und dass man nicht ist, sondern spielt.

"Zeigt, dass ihr spielt“.
Es ist ein Spiel mit Trug, Verstellung und Intrige vor dem Hintergrund des Zufälligen, das um zwei Personen - Cherubim und Suzanne - erweitert wird und Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur der Protagonisten aus dem 'Barbier' zeigt.
Der Graf - aus dem schwärmerischen Liebhaber ist ein machtbesessener Zyniker geworden, die Muntere wurde zur sentimentalen Gereiften.

Lebt der 'Barbier' ganz in der damaligen Gegenwart, so ist im 'Figaro' der Rückblick auf vergangene Zeiten vorgegeben - beispielhaft die Erkennungsszene  Marcellina, Bartolo, Figaro.

Die Hauptfigur wandelte sich vom heiteren Spaßmacher zum neuen  Menschen der mit seiner Begabung, seinem Witz auch schwierige Situationen zu meistern versteht und durch Intrige und Dreistigkeit in der Lage ist, die richtige Karte auszuspielen.

Grundlagen für sein Stück fand Beaumarchais bei Rochon de Chabannes in dessen Stück 'Heureusement' wie auch zu Lustspielen von Sedaine und Cadé und zum 'George Dandin' von Molière.

Am 26. Juni 1792 wurde dann der dritte Teil der Figaro-Story mit 'Ein zweiter Tartuffe' oder 'Die Schuld der Mutter' uraufgeführt.
Alle Figuren sind entsprechend gealtert, der Graf hat einen dreijährigen Aufenthalt in diplomatischem Dienst in Mexico hinter sich, die Gräfin lebte in dieser Zeit im Schloss Astorga, das den Eltern des Cherubin gehörte und das der Graf vor längerer Zeit kaufte.
Dort wurde die Gräfin von einem Knaben, sein Name Léon, entbunden - der Vater - der damalige Cherubin.
Und der Graf hat inzwischen eine Tochter Florestine - die Mutter - Barbarina, die Tochter des Gärtners Antonio.
Sein Unwesen im Hause Almaviva treibt ein Major Bégearss, der an das Geld und die Güter des Grafen will.

Aus 'Die Schuld der Mutter' bzw. 'Ein zweiter Tartuffe' ergeben sich Vorgaben für die Inszenierung des Figaro, also den zweiten Teil.
Es gilt, sehr deutlich das beginnende Verhältnis der Gräfin mit Cherubin und das des Grafen mit Barberina aufzuzeigen.

Barberina trägt sehr früh den Ansatz für das illegitime Verhältnis zum Grafen und kann schon vom ersten Akt an im Spiel sein. Also müssen choreographisch Konstellationen gefunden werden, den Grafen in die Nähe, in Kontakt zu Barbarina zu bringen.
Cherubin kommt hinzu und es entwickelt sich die ansonsten bekannte Konstellation zu den Damen des Hauses - Susanna und Gräfin.

Eine zweite Linie ergibt sich für Marcellina und Figaro. Sie sieht sich bald am Ziel
"und Figaro wird sicher so mein Mann."
Steckt man die Sängerin aber in ein schwarzen Schößchen-Kostüm und setzt ihr eine schwere grau-weiße Perücke auf, dann ist kaum anzunehmen, dass die Ehe mit dem drahtigen, jungen Figaro möglich sein könnte. Legt man sich als Regisseur so fest, nimmt man sich einen attraktiven Handlungs-Strang und der Überraschungseffekt im 3. Akt, fünfter Auftritt geht verloren, dass eben eine 'jung' angelegte Marcelline nach dem Figaro giert und dann feststellt, seine Mutter zu sein.
Nimmt man ihr auch noch die Arie Nr. 24, fehlt ein markanter Teil der Partie, die Resignation
"uns lohnet mit Grausamkeit
das ungetreue Männervolk
All unsre Treu und Zärtlichkeit
Und täuschet unser Herz."


Dass die Grundlage des Werkes, das Recht 'primae noctis' ist, muss in der Führung des Grafen berücksichtigt werden.
Er ist nicht der Schönling, der vor lauter Attraktivität sich nicht traut, brutal seine Rechte einzufordern. Zwar hatte er darauf verzichtet, kann aber nicht davon lassen, die Ehe von Susanna und Figaro durch Vergabe des Brautschleiers zu verhindern und nach eigenen Vorstellungen zeitlich festzulegen.


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Fortsetzung von Seite 14, Heft zwölf, Ausgabe Dezember 2017

Lohengrin
Die Quellen - Literarische und historische Grundlagen

PROSAENTWURF

LOHENGRIN R. O. i. z. A.

1r Act.
Antwerpen. Ein freier Platz am Ufer der Schelde, welcher zum Gestühl zugerichtet ist. Kaiser Heinrich der Vogelei umgeben von Fürsten und Herzögen des deutschen Reiches. [Im Personenverzeichnis der Urschrift der Lohengrindichtung ist innerhalb der auf »Heinrich der Vogler« folgenden Beifügung »deutscher Kaiser« die historisch falsche Bezeichnung » Kaiser« gestrichen und durch »König« ersetzt.] Gegenüber Graf Friedrich von Telramunt umgeben von anderen brabantischen Grafen u. Edeln. Volk umgiebt das Gestühl.


RW stützt sich bei der Beschreibung der Situation auf die ‚Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305’ von Leopold August Warnkönig, Tübingen, 1835, die Teil seiner Dresdener Bibliothek war und in der Angaben über Flandern mit dessen Gerichtswesen zusammengefasst sind.

Interessanterweise wird hier die Lage von Flandern in großer Breite dargelegt, während Brabant, nach den kartographischen Belegen – östlich der Schelde nur eine geringe Fläche einnehmend – in diesen Dokumenten kaum Erwähnung findet.
RW nahm ganz offensichtlich in erheblichen Maße Eindrücke aus dieser Lektüre auf und verarbeitete sie auch durch Vermischung und damit Neuschöpfung von Worten in der Textdichtung, während die Prosafassung vom Sommer 1845 – möglicherweise wegen der fehlenden Hinweise, weil nicht mit auf die Reise nach Teplitz genommenen ’Flandrischen Staats- und Rechtsgeschichte’ – dieser Klarheit noch entbehrt.

Die flandrischen Urkundensammlungen enthalten
[...] Traktate mit den Herzogen von Brabant [...]“, die sich wiederum auf ältere Quellen stützen, obwohl die „[...] römischen und griechischen Klassiker [...] über die Gegenden, welche seit der Mitte des neunten Jahrhunderts die Grafschaft Flandern bildeten, nur wenige zerstreute Notizen [...] beinhalteten. [...]
„[...] Seit der Völkerwanderung bis gegen das Jahr 860 hat Flandern keine eigene Geschichte und die wenigen Urkunden und kurzen Chroniken gehen auf die der Klöster zurück.
(Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305’ von Leopold August Warnkönig, Tübingen, 1835 S. 33 / 39)

Ab dem Jahr 863 hat Flandern seine eigenen „[...] Grafen, zuerst Markgrafen genannt, die von Zeit zu Zeit noch andere Grafschaften besaßen [...]“.
(Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305 von Leopold August Warnkönig, Tübingen, 1835 S. 84)

„[...] Flanderns östliche Grenze war nach Norden bis zum Ausfluss des Rüppels die Schelde, südlich von diesem das Herzogthum Brabant [...]“
(Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305 von Leopold August Warnkönig, Tübingen, 1835 S. 222)

Durch die wechselvollen Beziehungen zu den Nachbarn, dem West- und Ost-Frankenreich und Friesland verschoben sich auch die Territorialgrenzen immer wieder und [...] Seit dem zehnten Jahrhundert war Flandern beständigen Verminderungen unterworfen; weshalb [...] nur noch ein kleiner Theil desselben den ursprünglichen Namen trägt.“
(Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305 von Leopold August Warnkönig, Tübingen, 1835 S. 106)

In seiner kurzen Regierungszeit setzte Balduin III. (958 – 961)
„[...] den Anfang der Tuchweberei, die Einführung der Märkte und Messen und die Beförderung des Handels durch Tausch. [...]“
(Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305 von Leopold August Warnkönig, Tübingen, 1835, S. 114)

„[...] Balduins III. Wittwe, Mathilde, die Tochter Hermanns von Sachsen [...]“ begründete mit ihrer Heirat von Gottfried, dem Grafen der Ardennen, das Stammhaus dieses Namens. Worin sich die Bindung Flanderns an das Haus der Sachsenkönige und somit an Heinrich I und dessen Nachkommen begründet. [...]"
(Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305 von Leopold August Warnkönig, Tübingen, 1835, S. 115)

RW legt in der Prosafassung den Gerichtsraum mit der Bezeichnung ’Gestühl’ fest. Nach Warnkönig hat es sich seit frühester Zeit um ein Viereck, gebildet aus Stühlen oder Bänken gehandelt. „[...] Auf einer Bank saßen die vom Bailli präsidirten Schöffen, ihnen die öffentliche Ordnung wahrende, mit der Execution beauftragte Schultetus, auf den beiden Seitenbänken der Kläger und der Beklagte. [...]“
(Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305 von Leopold August Warnkönig, Tübingen, 1835, S. 281)

Der Marschall tritt feierlich in die Mitte: »Ihr Fürsten, Edle u. Volk von Brabant! Wisset, daß Heinrich, des Deutschen Reiches Kaiser, zu Euch gekommen, um, so ihr Klage zu erheben oder Streit zu schlichten habt, zu richten u. Recht zu sprechen dem, dem Recht gebührt. Pp.« Trompeten. Zuruf der Fürsten u. des Volkes.

In der Prosafassung spricht RW noch vom Marschall. Im Herbst 1845 ändert er – offensichtlich auch hier nach Lektüre der Flandrischen Staats- und Rechtsgeschichte in der Textdichtung den Marschall in Heerrufer, einen Begriff, den er aus der Übersetzung des lateinischen Wortes praeco = Herold / Ausrufer zu seiner Wortschöpfung 'Heerrufer’ zusammenfasste.

Der Kaiser erhebt sich:
»Ich grüße Euch, Edle u. Volk von Brabant! Wenn ich, wie es des Reiches Haupt gebührt, rastlos die deutsche Lande durchziehe, die eigne Heimath selten nur in Ruh genießend, um des Rechtes zu pflegen, Unrecht zu vertilgen, die Treue zu lohnen, Unrecht zu bestrafen - um so des Reiches Blüthe zu erzielen, so komm' ich diesmal auch, um euch zu kräftiger Hülfe zum Schutz des Reiches zu ermahnen.« Er schildert die Noth, welche die Raubzüge der Hunnen (Ungarn) über die deutschen Lande verbreitet; er hatte von ihnen einen neunjährigen Frieden bedungen, dessen Dauer er dazu benutzt die Länder durch Burgen u. geschirmte Städte zu mehren, und AlIes zu einem kräftigen Widerstand vorzubereiten. Die Frist sei nun um, er habe den Hunnen, als sie von Neuem um Tribut schickten, einen Hund (Hofwart) ohne Ohren zugeschickt u. müsse nun bald einem wilden Einfall der Feinde entgegensehen. Deshalb durchziehe er nun die Lande, um zu sehen wie die Burgen u. Städte beschaffen u. um die Fürsten aufzubieten, mit großer Rüstung sich in Mainz zu sammeln, damit ein kräftig Heer dem Feinde wehre. »Wie muß ich nun mit Klage sehen, dass dies schöne Land Brabant ohne Fürsten u. somit ohne kräftige Vertretung sei: wenn jetzt die wilden Hunnen kommen, wer soll Eurer Schirm sein?«

Bei dieser Prosafassung, “erst 1936 veröffentlicht”
(Soden von, Michael, Lohengrin, 1985, Frankfurt, S. 135)
befindet sich der Ort der Handlung im ersten Akt auf einem 'freien Platz am Ufer der Schelde', was in der Text-Dichtung in ’eine Aue am Ufer der Schelde’ verändert wird.
RW verwendet den Begriff ‘Aue’ häufig in seinen Dichtungen.
Die Aue, ist eine meist in der Nähe von Grund- oder Oberflächenwasser gelegene Talgegend mit üppiger Vegetation. In den typischen Auenlandschaften findet durch meist mäandrierende Bach- oder Flussläufe ein regelmäßiger Wechsel zwischen Überschwemmungen und Trockenfallen stattfindet. Ökologisch gesehen bewirkt eine Aue Klimaregulation, Hochwasserschutz, Grundwasseranreicherung, Minderung der Fluss-Entrophierung - einer übermäßiger Pflanzenwuchs durch Überdüngung – Gen- und Artenreservoir.
Baum- und Buschbestand geben den Blick frei auf eine liebliche Graslandschaft.

So spricht der junge Hirte in der Verwandlung nach der Hörselbergszene im ’Tannhäuser’ “Frau Holda kam aus dem Berg hervor, zu ziehn durch Fluren und Auen” oder in der Romerzählung spricht Tannhäuser von “Italiens holden Auen”.
Siegmund beschreibt im ersten Akt den Lenz mit: “Durch Wald und Auen weht sein Atem, weit geöffnet lacht sein Aug”.

RW verbindet mit dem Begriff der Aue die Vorstellung eines bestimmten Landschaftscharakters, der zunächst dem Leser oder später dem Zuschauer - wenn denn der Bühnenbildner den Vorgaben des Autors folgt - einen harmonischen, unverfälschten, unberührten und friedlichen Eindruck vermitteln soll.

Sanfte Luftbewegung, ein wonniges Licht liegt durch die Strahlen der Sonne über der Landschaft, azurne Bläue lässt den Himmel einen besonders heiteren Eindruck vermitteln. Die Seelenlage ist ausgeglichen und so wird der Frieden in dieser Situation - vermittelt durch die Natur - besonders stark empfunden.

In diese Stimmung treten bei RW die Personen mit ihren Charakterzügen und lassen die Härte der Worte und Aktionen besonders krass hervortreten.

Im ’Tannhäuser’ zerschneidet der Auftritt der Männer bei der Jagd im lieblichen Tal am Fuße des Hörselberges die Empfindung des Heilen, Tannhäuser erinnert sich im lieblichen Tal am Fuße der Wartburg mit Ekel an den Anblick des Papstes während der Erzählung über seine barfüssige Wallfahrt nach Rom und Parsifal erinnert sich mit Abscheu an die Kundry-Szene auf der Suche nach Amfortas in der Auenlandschaft des Karfreitagszaubers.

Im ’Lohengrin’ bricht in diese Harmonie in der Natur ‘eine Aue am Ufer’ die Gerichtsszene gegen Elsa von Brabant sowie der Zweikampf zwischen Lohengrin und Telramund ein und stellt so einen starken Kontrast der friedlichen Stimmung gegen die in Tötungsabsicht aufmarschierte waffenstarrende Männerwelt und die menschlichen Verwicklungen bedingt durch Ortruds “Trug und Heuchelei“ dar.

Es ist auffällig, dass RW – obwohl er aufgrund seiner Vorstudien im Bereich der Deutschen Geschichte wissen musste, dass Heinrich I. nur König und nicht Kaiser war – er hier noch von einem Kaiser ausgeht. Es ist offensichtlich so, dass sein persönlicher Wunsch an Überhöhung der Herrscherfigur und Zusammenfassung der deutschen Kleinstaaten zu einem ’Deutschen Reich’ sich so stark dokumentierte, dass es ihm in den Sinn kam, der geschichtlichen Entwicklung vorzugreifen, denn erst 1871 kam es zur Gründung des Deutschen Reiches mit einem Kaiser als Staatsoberhaupt. RWs Kenntnisse, speziell um das Reich Karls des Gr., lassen hier seinen Wunsch nach einem Kaiserreich in seine Fassung einer Oper einfließen.

Erst in der Urschrift der Dichtung “.. ist innerhalb der auf ‚Heinrich der Vogler’’ folgenden Beifügung ’deutsche Kaiser’ die historisch falsche Bezeichnung 'Kaiser’ gestrichen und durch 'König’ ersetzt.”
(Soden von, Michael, Lohengrin, 1985, Frankfurt, S. 135)

Wie auch an anderer Stelle erwähnt, wird hier deutlich, dass RW in dem kurzen Zeitraum zwischen Juli 1845 und dem 17. November 1845, dem Tag als er im Engelclub in Dresden seinen Freunden und Bekannten die Dichtung vorliest, maßgebliche Änderungen an der Prosaskizze vorgenommen hat, so eben auch hier die Veränderung von ’Kaiser’ in ’König Heinrich I’.

Auch ist in der Prosafassung von der Gerichtseiche noch nicht die Rede, die dann in der Text-Dichtung als Dekorationsmerkmal verwendet wird, sondern RW spricht vom Platz am Ufer der Schelde, “welcher zum Gestühl zugerichtet ist.” Richard Wagner muss es demnach wichtig gewesen sein, die Eiche als solche – wie später im Ring die Esche – als besonders ehrwürdige Baumart herauszustellen, die aufgrund ihrer Größe und Mächtigkeit eine besondere Bedeutung bei der Bevölkerung hatte.

Es ist durchaus möglich, dass RW bei der Lektüre der Geschichte der Christianisierung im norddeutschen Raum auch das Fällen der Donar-Eiche bei Fritzlar um 722 durch Bonifatius hier auf diese Weise einbrachte, als die Eiche oder eine Gruppe dieser Bäume einen besonderen Blickfang in einer Landschaft bot und der Bereich um diesen Baum für außergewöhnliche Ereignisse diente.

Von einem Konzert in Brüssel kommend macht RW einen Abstecher nach Antwerpen und wird nun mit der Realität geradezu konfrontiert. Er sieht nun, dass seine Vorgaben in keiner Weise mit der Örtlichkeit übereinstimmen und er konstatiert
“sehr verdrießlich jedoch blieb ich durch meine Enttäuschung über die Lage der berühmten Zitadelle gestimmt. Ich hatte [...] angenommen, diese Zitadelle, welche ich mir als die alte Burg von Antwerpen dachte, böte jenseits der Schelde einen irgendwie hervorragenden Punkt dar, statt dessen nun nichts als eine unterschiedslose Fläche [...]”
und er vergleicht mit den Aufführungen seines Lohengrin die Bühnenbilder, die auf seine Vorgaben abgestimmt sind und “bei späteren Aufführungen des ‚Lohengrin’, welche ich beiwohnte, musste ich nun gewöhnlich über die auf stattlichem Berge im Hintergrunde sich erhebenden Burg des Theaterdekorateurs lächeln.”
(ML S. 626/627).

Die Örtlichkeit des zweiten Aktes wird in der Prosafassung beschrieben mit “Platz zwischen dem Schloss u. d. Münster. Das Schloss links, der Münster rechts.” Die Dichtung differenziert hier mehr, indem “in der Mitte des Hintergrundes der Palas (Ritterwohnung), links im Vordergrunde die Kemenate (Frauenwohnung); rechts im Vordergrunde die Pforte des Münsters; ebenda im Hintergrunde das Turmtor” vorgegeben werden.
RW hat offensichtlich aufgrund der Studien über das Mittelalter sich die Szenerie idealisiert vorgestellt und sie für die Aufführungen vorgegeben.

Der in der vertonten Dichtung ist aus der im Prosatext vorgegebenen Figur des ’Marschalls’ der ’Heerrufer’ geworden.
Handelte es sich so in der Prosafassung noch um den schon seit den Merowingern als hohes Hofamt bekannten Pferdeaufseher und später ersten Befehlshaber des Heeres, so kann hier im Heerrufer nur der Protokollchef oder Herold Heinrich I. gesehen werden, zumal er innerhalb des Stückes tatsächlich nur Verlautbarungen des Hofes bekannt gibt, jedoch zu keinen eigenen Entscheidungen kommt.
Der Begriff ist als solcher in der Geschichtsschreibung unbekannt und kann somit nur auf RW zurückgeführt werden.

Richard Wagner gibt hier bereits vor, dass die Herrscher – bedingt durch die Großflächigkeit der zu beherrschenden Gebiete – von Pfalz zu Pfalz zogen, um mit dem Reich und der Bevölkerung in Kontakt zu bleiben, da es einen ständigen Herrschersitz in diesem Sinne nicht gab. Es geht hier um den Gerichtstag und im Besonderen die Aushebung von Truppen für den bevorstehenden Kampf gegen die Ungarn nach dem neunjährigen Waffenstillstand.

Aus diesen Zeitangaben lassen sich die Geschehnisse in Antwerpen etwa auf das Jahr 933 festlegen.
Insofern kann die Handlung in einen realen geschichtlichen Rahmen eingeordnet werden, wenn auch die übrigen Personen nach Sagen und Überlieferungen ausgesucht und zu einer neuen Handlung zusammengefügt wurden.
In der Prosafassung der ersten Szene spricht der ’Marschall’ nur vom Gerichtstag, um ’zu richten und Recht zu sprechen dem, dem Recht gebührt.’ Während in der Text-Dichtung sehr viel differenzierter die Aussage getroffen wird, dass nicht nach Landesrecht – also nicht nach den Regeln des 'Lex Frisionum' - sondern nach übergeordnetem “Reiches Recht” geurteilt werden soll.

Er fordert Friedrich auf, ihm vom Stande der Angelegenheiten des Brabantischen Fürstenhauses Rechenschaft zu geben. –Graf Friedrich tritt vor
»pp. Herr, als der Herzog von Brabant zum Sterben kam, hinterließ er zwei Kinder: Elsam u. Gottfried; als seinem nächsten Verwandten übergab er mir die Pflege des Landes während der allzugroßen Jugend Gottfried's: ich wahrte seiner Jugend gleich einem Kleinod, wer seinem Leben zu nahe getreten, dem hätte ich mit meinem eigenen wohlgewehrt; doch wer hätte glauben können, daß in seiner eigenen Schwester ihm eine Todfeindin erwachsen? Hört, was ich jetzt klagen muß! Lustwandelnd gingen beide, Gottfried u. Elsam in den Wald; die Schändliche verlockte ihn wohl in dessen tiefste Ferne, denn als wir alle ihrer Heimkehr wegen besorgt schon lange geharrt, kam endlich Elsam allein zurück, mit verstellter Sorge nach dem Bruder suchend, der ihr im Wald, als sie sich zufällig von einander entfernt, entschwunden - wie sie sagte. Als wir vergebens rastlos u. lange geforscht, doch des Vermißten keine Spur gefunden, als ich sie drohend denn befragte - da ergriff sie Zagen u. Zittern, die uns die gräßlichste Schuld ersehen ließ, die ich im Streit auf Leben u. Tod nun gegen alle Welt erhärten will. Herr, da ergriff mich Abscheu vor der Magd, u. war mir ihre Hand vom Vater gleich zugesagt, so verschmähte ich sie u. vermählte mich mit Ortruden, deren Adel keinem weicht, da sie wie Du, mein Kaiser, einem alten fürstlichen Geschlecht der Sachsen, die vormals hier schon geherrscht, entsprossen.

Der Heinrich I. über die Zustände in Brabant berichtende Friedrich von Telramunt ist eine Figur, die in Quellen Erwähnung findet und von den Erzählern als Held in verschiedenen Schlachten gezeigt wird und “der zu Stockholm in Schweden einen Drachen getötet hatte”.
Die Gründe warum zunächst der Name Telramunt mit scharfem ’t’ am Ende geschrieben wird, während der Name später mit weichem ’d’ endet, lässt sich nicht klar erforschen.
Gleiches gilt für die Schreibweise der brabantischen Herzogstochter, die nach der Quelle “Els oder Elsam” genannt wurde.
(Grimm, Jacob, Deutsche Sagen, Stuttgart, 1961, S. 134

In der Prosafassung wird der Name mit Elsam angegeben wie er auch in der Sagensammlung von Jacob Grimm verwendet wird, der in der Text-Dichtung dann aus unbekannten Gründen von RW in 'Elsa’ umgewandelt wurde.
Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die Quelle für den Namen 'Ortrude' und auch hier die spätere Umwandlung in 'Ortrud'.

Der Name Ortrud als solcher ist offensichtlich eine Erfindung Richard Wagners – wie auch die Senta im Holländer auf ihn zurückgeht. Jedenfalls hat die Forschung bisher keine Hinweise gefunden, die eine Ableitung aus anderen Quellen zulassen.
Ortrud besteht aus zwei Elementen:
1. Ort = germanisch Spitze des Speeres, der Lanze
2. Drude oder Trute, Trude = mdh. Zauberin, Unholdin, aber auch Eingeweihte, Priesterin.
Ortrud bedeutet also “Speerspitzenkundige”.
Die Silbe ‘trud’, ‘traut’ ist auch heute noch in vielen Namen lebendig, z.B. Gertrud, die mit dem Speer vertraute, Rotraud: ahd hrod = berühmt, berühmte Zauberin, Freundin.
(May, Martin: Die keltogermanischen Sprachen und ihr Verhältnis zu allen übrigen Sprachen, Leipzig o.J., Kluge, Friedrich: Ethymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin, New York 1975)

Ein von den Vorlagen abweichender Handlungsstrang ergibt sich bereits in der Prosafassung gegenüber den übrigen Quellen als die Figur des Bruders Gottfried hier eingefügt wird und darüber hinaus dieser angeblich von Elsa allein im Wald zurückgelassen wird, um damit den Thronfolger zu beseitigen, um gemeinsam mit einem Ehemann “gewiß, dass sie den Buhlen schon gewählt” die Herrschaft über Brabant antreten könne. Diese Anschuldigung des Brudermordes durch Telramund führt nun zur eigentlichen Klage gegen Elsa. Die Zurückweisung der Hand in der Text-Dichtung mit “die meine Hand voll Hochmut von sich stieß” und die Anklage wegen geheimer Buhlschaft kommt hier in der Prosafassung nicht zur Ausführung.

Eine weitere Abweichung von der Text-Dichtung ergibt sich dadurch, dass in der Prosafassung die Ausführungen zur Abstammung Ortruds gänzlich anders angelegt sind.

Wird in der Prosafassung noch von “einem alten fürstlichen Geschlecht der Sachsen, die vormals hier schon geherrscht” als Herkunftslinie für Ortrud gesprochen, so ist diese in der Text-Dichtung, die unmittelbar vor dem November 1845 abgeschlossen wird, in die Abstammung neu spezifiziert mit “Ortrud, Radbods, des Friesenfürsten Sproß”.

Fraglich ist, warum sich RW hier so vage ausdrückt, in dem er von 'einem alten fürstlichen Geschlecht der Sachsen spricht’. Es ist anzunehmen, dass er wusste, dass das Herrschaftsgebiet der Sachsen sich nicht bis Friesland in den Bereich der Scheldemündung ausgedehnt hatte und er durch die Verbindung zu Sachsen auch nur den Status von Ortrud in einen Herrschaftsbereich ohne Begründung in die Nähe von Heinrich I. bringen wollte.

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(Wird fortgesetzt)


 

 

Die Frauenrollen in der neapolitanischen Oper

Stimmfach und Charakter

Fortsetzung aus Heft 16 / Nr. 3 2018 – Seite 23

3.0 Die Theaterform Oper

3.1 Die Entstehung der Oper

Institutionen, wie die Oper, werden am besten aus Ihren geschichtlichen Wurzeln her verstanden. Sie entstand bekanntlich aus den Bestrebungen der Florentiner Akademie 'La camerata', das griechische Drama zu erneuern. Diese 'Camerata' war eine der zahllosen Akademien, die seit Coslmo Medici nach dem Vorbild der platonischen Akademie gegründet worden sind, aristokratische, schöngeistige Clubs.

Die 'Camerata' wurde von Giovanni Bardi, Graf von Vernlo, Mitglied der Akademien 'della Crusca' und 'degli Alterati', nach dessen Berufung als Maestro di camera an den päpstlichen Hof, vom Kunstmäzen Jacopo Corsi geleitet. Von den Mitgliedern dieses Kreises war Emilio de' Cavalieri Generalintendant des Herzogs. Pietro Strozzi gehörte zu den vornehmsten Familien von Florenz, Vincenzo Galilei nannte sich 'nobile fiorentino'. Es war eine erlesene Gesellschaft, kein Feudaladel, sondern wie die Medici selbst durch Handel reich gewordenes Großbürgertum. Sie zieht die originellsten Musiker heran und treibt 'musica riservata'. In dieser Gesellschaft wurde die 'Dafne' als reines Experiment, als l'art pour l'art, im Hause des Mäzens Corsi aufgeführt, und zwar im Karneval 1597/98, wiederholt 1599 auch bei Hofe im Palazzo Pitti, wo auch die 'Euridice' komponiert von Caccini, 1600, geboten wurde.
Beide Werke, ohne besonderen höfischen Anlass - die 'Euridice' gedichtet von Rinuccini zur Hochzeit des durch den Gesandten vertretenen Heinrich IV. von Frankreich mit Maria Medici - im Gegensatz zu den prunkvollen lntermedien, die echte und durchaus nicht immer geschmackvolle Repräsentation zunächst der italienischen Höfe war.
Ähnliches gilt noch von den geistlichen Opern Roms und den üppigen Höfen der Cardinali und Signori, unter denen nicht nur Mäzene, wie die Barberini, sondern auch Dichter, selbst komischer Opern, waren, wie Kardinal Jacopo Rospigliosi, der spätere Papst Clemens lX..

Einen neuen Weg fand die Oper in Venedig. Hier wurde sie privates, künstlerisches und geschäftliches Unternehmen. Die neue Kunstform begeisterte das Publikum derartig, wie in neuerer Zeit es nur der Film getan hat Die Kosten wurden außer durch Eintritt durch den Verkauf der Logen an die vornehmen Familien und Freunde sowie auswärtige Fürsten gedeckt. Der Besitz der Logen war so­gar erblich.
Opernmusik wurde ungemein populär, denn die Komponisten ließen sich von der venezianischen Volksmusik anregen. Im Gegensatz zur aristokratischen florentiner und römischen Oper hatte die venezianische einen auf geschäftlichen Erfolg gerichteten, demokratischen Charakter.

3.2 Die neapolitanische Oper
Unbestreitbar ist die Operngeschichte Italiens durch die Namen der Städte ihrer größten Wirkung gekennzeichnet: Florenz, Rom, Venedig.
Im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts setzte eine Gruppe von Komponisten in Neapel der bis dahin dominierenden römischen und venezianischen Richtung einen neuen Stil und neue Formen entgegen, so dass Neapel in den Vordergrund tritt.
Meinungsverschiedenheiten unter Musikwissenschaftlern, wann der Beginn der 'neapolitanischen Schule' anzusetzen ist, gibt es zahlreiche.
Arnold Schering, Otto Jahn, Hermann Kretzschmar, Romain Rolland, Hugo Riemann knüpfen den Begriff an unterschiedliche Ereignisse und Persönlichkeiten.

Die Geschichte der Oper in Neapel beginnt 1651 mit einer Aufführung von Monteverdi's 'Incoronazione di Poppea' durch die römische Operntruppe 'Febi armonici', die der Vizekönig, Graf Onate nach Neapel geholt hatte, und die in einem eigens dafür errichteten Pavillon im königlichen Palast spielte.
Als zweite Oper folgte 1652 Cavalli's 'Veremonda, l'Amazzone d'Aragona', im Jahre 1653 wurden außer Cavalli's 'Giasone' drei Opern auf Libretti neapolitanischer Poeten aufgeführt, deren Komponisten nicht genannt werden. Nach der Abberufung des Grafen Onate setzten die 'Febi armonici' ihre Aufführungen im Teatro San. Bartolomeo, das zum Ospendale dei incurabili gehörte fort.
Damit war die Oper in Neapel zu einer ständigen Einrichtung geworden.

Im spanischen Erbfolgekrieg entschied der Sieg des Prinzen Eugen bei Turin 1706 den Kampf zugunsten von Österreich.
Damit gewann Österreich für lange Zelt im 18. Jahrhundert die politische Vorherrschaft in Italien. Jüngere Linien der Habsburg-Lothringer und der Bourbonen regierten in Toscana, Neapel und Sizilien; Mailand und Mantua standen unmittelbar unter Österreich. Das gewährte den Italienern kulturell volle Entfaltungsfreiheit, so dass diese politische Situation für eine selbständige Entwicklung des italienischen Theaters wesentlich günstiger war, als die vorausgegangene unter spanischer Herrschaft.

Zu einem historischen Begriff, der eine Epoche fassen will, ist die 'neapolitanische Schule' in der deutschen Musikgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts geworden. (Otto Jahn)

Als führende Persönlichkeit begründete Alessandro Scarlatti den Ruf Neapel's als Musikstadt im 18. Jahrhundert. In der Zeit seines Wirkens 1683 bis 1725- mit einer Unterbrechung 1702-08 - begann die neapolitanische Musik über ganz Europa auszustrahlen. 1722 trat Nicola Porpora als Kapellmei­ster am Conservatorio S. Onofrio zurück und begann sein Wirken an den wichtigsten europäischen Opernbühnen. Mit ihm beginnt die stattliche Reihe neapolitanischer Musiker, die in der Fremde wirken, allmählich überall in Europa die Kapellmeister-Stellen einnahmen und meist im Alter wieder in die Heimatstadt zurückkehrten.

"Die letzten Lebensjahre Alessandro Scarlatti's bezeichnen eine deutliche Zäsur im neapolitanischen Musikleben, denn bereits neun Jahre vor seinem Tode, 1716, reißt die Kette seiner Opernaufträge ab und er musste einer jüngeren Generation weichen, deren erste Vertreter Leonardo Leo (geb. 1649) und Leonardo Vinci (geb. 1690) waren. Neben Leo und Vinci tritt 1726 Johann Adolf Hasse (geb. 1699), dessen Karriere kaum weniger stürmisch als die Vinci's verläuft. Von seiner Erstlingsoper 'Il Sesostrate' 1726 bis zu seinem Weggang 1730 hat Hasse nicht weniger als sieben Opern für das neapolitanische Teatro San Bartolomeo geschrieben. Gleichzeitig verbreitete sich der Ruf der Conservatorii und Neapel wird zur Musikhochschule Europas?
Hasse kam zum Studium nach Neapel, während Händels Aufenthalt eher zufällig war. Auch noch während seiner Dresdner Zeit blieb er dem neapolitanischen Hof eng verbunden, da Maria Amalia von Sachsen seit 1737 Königin von Neapel war.

Nach Porpora, der 1714 und 1718 bereits Opern geschrieben hatte, waren es Leo, Vinci und Hasse, dazu der frühverstorbene, geniale Giovanni Battista Pergolesi, die die erste Reihe der aus den neapolitanischen Konservatorien hervorgegangenen und in ganz Europa wirkenden Opernkomponisten bilden.

3.2.1 Die Komponisten:
Leonardo Leo, geb. 1694 in San Vito (Provinz Brindisi), gest. 1774 in Neapel, aus einer begüterten Familie stammend, wurde er mit fünfzehn Jahren als Convittore, d.h. gegen Bezahlung und mit der Verpflichtung, dem Institut für eine bestimmte Zeit zu dienen, in das Conservatorio Santa Maria della Pietà dei Turchini in Neapel aufgenommen. Er wurde Schüler von N. Fago und A. Bassano, die als erster und zweiter Kapellmeister tätig waren.
Bereits ein Jahr vor Beendigung seines Studiums erhielt er den Auftrag, eines der üblichen Drammi sacri zu vertonen. Das Stück 'L'Infedelta abbattuta' war so erfolgreich, dass es am 16. Februar 1712
im königlichen Palast wiederholt wurde. Am 4 Januar 1713 wurde anlässlich des Karnevals sein Dramma sacro 'Il trionfo delta castita di San Alessio' gegeben. Als er das Conservatorio verlassen hatte, wurde er als überzähliger Organist ohne Gehalt an die königliche Kapelle verpflichtet, seit November 1715 erhielt er vier Dukaten monatlich, und das Gehalt steigerte sich allmählich.

Im September 1715 ist er außerdem als Kapellmeister beim Marchese Stella verzeichnet.

Ein Jahr nach Verlassen des Conservatorio erhielt Leo den ersten Opernauftrag. Am 13. Mai 1714 ging sein 'Pisistrato', wie in Neapel bis 1723 häufig, zuerst im königlichen Palast und dann im Teatro San Bartolomeo in Szene. Es folgte eine Reihe von Aufträgen zu Opernbearbeitungen und Serenaden. Als Opernkomponist hat er sich endgültig durchgesetzt mit

1720 Caio Gracco

1723 Timocrate (für Venedig)

1723 (Dezember) Commedia musicale napoletana

1725 erster königlicher Organist

1725-1731 mehrere Commedie musicale

1731 Argene

Zahlreiche kirchenmusikalische Werke

1734 - 1734 Zweiter Kapellmeister am Conservatorio S, Mariadeila Pietà de Turchini

1737 Siface (für Bologna)

1737 (September) Vizekapellmeister der königlichen Kapelle

1739 (März) Primo Maestro am Conservatorio San Onofrio

1739 Feste teatrale für den spanischen Hof in Madrid

1739 (November) Amor vuoi sofferenze
(sein erfolgreichstes Bühnenwerk)
1741 (Januar)
zusätzlich Primo Maestro am Conservatorio S. Maria della Pietà dei Turchini
1742 Ii Ciro riconosciuto
1743 Olimpiade
1744 Kapellmeister der königlichen Kapelle

Am 31. Oktober 1744 wurde er tot am Cembalo sitzend aufgefunden. Er starb über der Neufassung der Commedia 'Amor vuol sofferenza'.

Die Überlieferung von Leonardo Leo's 'Intermezzi' ist sehr lückenhaft, ebenso die seiner 'Commedie musicali'. Die musikalische Dialektkomödie, zu Anfang des Jahrhunderts entstanden und von Komponisten minderen Ansehens gepflegt, ist nicht zuletzt durch sein Wirken zu einer repräsentativen Gattung der neapolitanischen Schule geworden. Neben dem volkstümlichen Element wird bei ihm besonders der Einfluss der 'Opera seria' deutlich, vor allem in der reichen Ausgestaltung des in die­sen Gattungen sehr dünnen Instrumental-Satzes - seine satztechnische Fertigkeit kommt vorzüglich in den Aktfinalen der Commedie zur Geltung, die für die weitere Entwicklung bedeutsam geworden sind.

Die Instrumental-Partien seiner Arien zeigen meist sorgfältige Durcharbeitung und satztechnisches Können; die Neigung zu kontrapunktischer Arbeit ist ein Merkmal der Musik Leo's."

Vor allem aber lebte Leo als Lehrer, als Kirchenmusiker und als a capella-Komponist weiter. J.F. Reichart nennt ihn in einem Atemzug mit Palestrina.

(wird fortgesetzt)


 




Kultur und Kulturelle Kompetenz

Welche Rolle spielt der Begriff „Kultur“?

Das Wort „Kultur“ transportiert im öffentlichen Gebrauch etwas über den profanen Alltag Hinausgehobenes, zuweilen Erhabenes, besonders wenn es um Kunst geht. Kultur trägt – im Unterschied zu Zivilisation – den besonderen Aspekt von Veredelung menschlicher Haltungen in sich, die sich aus den schöpferischen Potentialen des Menschen entfalten und sowohl sein individuelles Leben als auch seine Einbindung in die örtliche, regionale oder nationale, schließlich übernationale menschliche Gesellschaft prägen.

Von Bernd Weikl

Die Kultivierung eines Menschen und damit seine Befähigung, ein geistig vorantreibendes Element der gesellschaftlichen Entwicklung zu werden, ist kein Vorrang irgendeiner Elite, sondern der Kern jedes Menschen, ob Politiker, Bauer, Handwerker, Kaufmann, Opernsänger oder Wissenschaftler. Nicht die große edle Tat macht den Menschen zu einem Kulturwesen, sondern die Bildung seiner Denkfähigkeiten und schöpferischen Potentiale und die Einbringung dieser geistigen Ressourcen in die menschlichen Lebensbedingungen. Kultur ist die angeborene Natur des Menschen.

Die Kulturfähigkeit des Menschen ist aus der natürlichen Evolution hervorgewachsen. Deshalb kann Kultur kein Gegensatz zur Natur sein sondern bleibt ein, vielleicht besonders raffiniertes, biologisches Arrangement zur Ausnutzung der Möglichkeiten, die unsere Natur bietet.

Die Natur hat den Menschen mit einem ungewöhnlich leistungsfähigen Gehirn ausgestattet, einer biologischen Ressource, die uns Menschen seit tausenden von Jahren auf den Weg in immer komplexere, feinsinnigere (aber zuweilen auch grobschlächtige) Lebensformen bis in unsere Gegenwart gebracht hat.

Spiegelneuronen

Als Bühnenkünstler kann man über die Resonanz aus dem Publikum immer wieder feststellen, ob die künstlerische Botschaft bei ihm angekommen ist. Es musste also eine sensuelle Übertragung stattgefunden haben. Wir können bei entsprechender Durchstrukturierung unserer Emotionen mitempfinden, was andere empfinden, ganz gleich ob es sich um Mitleid, Trauer oder Freude handelt. Was uns durch diese Übertragung zu sozialen, mitfühlenden Menschen macht, dafür sind auch die sogenannten Spiegelneuronen zuständig. „Es sind bestimmte Nerven in unserem Hirn, ein Resonanzsystem, das Gefühle und Stimmungen anderer beim Empfänger aufnimmt und sozusagen spiegelt. Das Einmalige an den Nervenzellen ist, dass sie bereits Signale aussenden, wenn jemand eine Handlung nur beobachtet. Sie reagieren dann genau so, als ob man das Gesehene selbst ausgeführt hätte.“

„Rein zufällig stieß die italienische Forschergruppe um ihren Leiter Giacomo Rizzolatti 1996 auf die Spiegelzellen. An der Universität Parma erforschte das Physiologenteam an Schimpansen, wie Handlungen im Hirn geplant und umgesetzt werden. Im Versuchsaufbau ging es den Wissenschaftlern darum herauszufinden, welche Nervenzellen bei einem Schimpansen, der an ein Messgerät angeschlossen ist, aktiv werden, sobald er nach einer Nuss greift. Dabei machten die Forscher eine sensationelle Entdeckung. Denn die Nervenzellen sandten nicht nur Signale aus, wenn der Affe selbst nach einer Nuss griff, sondern auch, wenn das Tier beobachtete, wie ein Teammitarbeiter die gleiche Handlung ausführte. Indem der Affe die Bewegungen des anderen mitverfolgte, reagierten die Nervenzellen so, als ob der Schimpanse selbst nach der Nuss gegriffen hätte. Das Gesehene wurde im Gehirn des Schimpansen „gespiegelt“. Die Nervenzellen, die diese spiegelnden Signale auslösten, nannten die Forscher jetzt Spiegelneuronen. Endlich gab es eine wissenschaftliche Erklärung für Phänomene wie Intuition und Mitgefühl, die lange Zeit von Naturwissenschaftlern nur belächelt wurde. Spiegelneuronen gehören zur Grundausstattung unseres Gehirns. Von Geburt an ist der Mensch mit Spiegelneuronen ausgerüstet. Eine nicht unwesentliche Rolle bei der Funktion der Spiegelneuronen spielen Vor-Erfahrungen. Wer erfahren musste, dass freundliche Menschen unerwartet unangenehme Seiten zeigen, dessen Spiegelneuronen werden in Zukunft anders auf freundliche Menschen reagieren als Personen, die keine schlechten Erfahrungen gemacht haben. Wird die Fähigkeit zu spiegeln unterdrückt oder nicht genutzt, geht sie verloren. "Use it or lose it" (nutze sie oder verliere sie) heißt die Devise der Forscher, die auf alle Nervenzellsysteme zutrifft, nicht nur auf die Spiegelneuronen.

Spiegelneuronen funktionieren unbewusst, wir müssen nicht darüber nachdenken. Die Bewegungsmuster oder Körperzeichen des anderen werden von unserem Gehirn schnellstens dechiffriert. In unserem Gehirn entsteht ein Spiegelbild von dem, was wir sehen.

“Beim Gehirnjogging von NeuroNation werden z. B. alte Denkmuster aufgebrochen und neue Lösungsansätze für Aufgaben angeregt. Ich nehme diese wissenschaftlichen Erkenntnisse als Basis für das, was ich unter Kultureller Kompetenz verstehe und entwerfe ein Format.

Könnte es gelingen über eine angewandte Didaktik Zeitgenossen im Hinblick auf die kulturelle Kompetenz zu sensibilisieren?

Die Förderung von kultureller Kompetenz ist deshalb auf dem achtsamen Umgang mit diesem biologischen Potential gegründet, welches gepflegt und geformt werden muss, um mehr als nur den gegenwärtigen kulturellen Stand weltweit erhalten zu können. Die globale Situation des Planeten Erde stellt uns vor Herausforderungen, die ohne nachdrückliche Förderung von individueller und gesellschaftlicher kultureller Kompetenz nicht angenommen und verwirklicht werden können. Kulturelle Kompetenz wurzelt in zwei miteinander verkoppelten Gestaltkomponenten der individuellen Bildung: Wissen (als intellektuelle oder mentale Denk- und Gedächtnisleistung) und Urteilsvermögen (als ganzheitliche Bewertung von Erscheinungen aus dem Erfassen von Situationen).

In meinem Studienprogramm werden Wissenskomponenten kaum eine Rolle spielen. Man muss nicht zwingend wissen, wer zu welcher Zeit dieses oder jenes Gedicht verfasst, Gemälde gemalt oder Musikstück komponiert hat. Kulturelles Wissen dieser Art entwickelt sich zwar nicht ohne pädagogischen Nachdruck und erweist sich im Leben als wichtige Stütze der Orientierung, aber es festigt sich überwiegend durch Erfahrung nahezu von selbst, wenn man am Leben vital teilnimmt.

Für mein Format war die zweite Gestaltkomponente die entscheidende. Unser Gehirn arbeitet nicht nur im wachen, bewussten Denken (dem Verstand), sondern erweitert sich – oft unbewusst und aus den Tiefen von im Gedächtnis gelagerten Erfahrungen angeregt – auf das Empfinden und das weitläufige Gelände von Emotionen, die das Denken in bestimmte Bahnen lenken oder aber, z. B. bei Ängsten, blockieren. Für kreative Gehirnleistungen müssen wir die üblichen Beklemmungen, die uns der Verstand als antrainiertes Kontrollorgan auferlegt, überwinden, um zu offeneren, kreativen Horizonten zu gelangen.

Das zu leistende Kunststück besteht darin, dass jemand, der mit den Beinen fest auf dem Boden der Wirklichkeit steht und sich dort bewähren will, es bei Phantasiereisen nicht belassen kann, sondern seine Einsichten und Erfindungen am Ende wieder auf den prüfenden Verstand zurückführen muss. Mir geht es darum, die individuelle kulturelle Kompetenz zu steigern, sie dann, wenn es gefordert wird, aus der Enge des reinen Verstandes zu befreien, um mit der Fracht kreativer Einfälle wieder auf diesen Boden zurückzukehren. Mein Programm hat deshalb ganz deutlich einen pragmatischen Einschlag.

Das Urteilsvermögen ist seinem Charakter nach eine ganzheitliche Herangehensweise, die in unzähligen Lebenslagen durch analytische Aufklärung einer Lage nicht zu bewältigen wäre. Man kann ein Gemälde oder ein Musikstück nur als Ganzheit erfassen, deuten und innerlich erleben. Da hilft es einem nicht, die Noten und Takte zu zählen oder die Pinselführung des Malers herauszufinden. Was ein Kunstwerk erzählen kann, wird sich keiner Analyse erschließen. Ganzheitliche Wahrnehmung tritt meist nicht so spektakulär hervor wie großartige Berechnungen und kühne Statistiken. Einen gelungenen Wein muss man als Ganzheit auf sich wirken lassen, und nicht viel anders, wenn auch deutlich komplizierter, muss man Marktsituationen oder politische Entwicklungen als Ganze einschätzen können, die aus spärlichen analytischen Daten (Statistiken etc.) mit viel Intuition tragfähige Schlussfolgerungen erlauben.

Intuitive Einsichten sind keine irrationalen Spielereien, sondern sind von Erfahrungen geprägt, also ganzen Serien von Erlebnissen, in denen sich bestimmte Antworten bewährt haben und zu raschem Handeln animieren (natürlich auch sie nicht ohne Risiken). Erfahrungen ihrerseits sind Lebensbewährungen, die sich in der praktischen Kommunikation bilden und festigen. Sie sind durch kein intellektuelles Studium ersetzbar.

Die Kommunikation, also die Verständigung von Menschen untereinander, spricht zwei Seiten der individuellen Kompetenzen an, die eng miteinander zusammenhängen und die zum Kern meines Programms gehören: 1. Die sinnlichen Wahrnehmungen in der äußeren Welt und ihre gedankliche Verarbeitung, 2. Die Formung dieser Wahrnehmungen zu einer Mitteilung, die von der Außenwelt verstanden und beantwortet werden kann. Mit anderen Worten: Zu einer kompletten kommunikativen Kompetenz gehören zwingend ein trainiertes sinnliches Wahrnehmungs- oder Empfindungsvermögen und eine der Außenwelt (den Mitmenschen) angemessene Ausdrucksfähigkeit (Sprache, Gestik, Körperhaltung etc.).

Warum Unternehmer (als Beispiel) schöpferische Menschen sein sollten

Unternehmer stehen im öffentlichen Rampenlicht und werden meist kritischer beobachtet als die meisten anderen Menschen. Der Grund ist naheliegend, denn die Wirtschaft trägt unseren Wohlstand und die Hauptverantwortung dafür liegt eben bei den Unternehmern oder allgemein: bei den Führungskräften in der Wirtschaft. Das öffentliche Ansehen vom Unternehmer ist allerdings in vieler Hinsicht oft ein Zerrbild. Kaum jemand macht sich Gedanken darüber, was die Arbeit eines Unternehmers wirklich bedeutet. Zwei solche üblichen und weit verbreiteten Verzerrungen sind in der Öffentlichkeit fast schon Allgemeingut geworden und werden kaum noch hinterfragt: Die eine ist das ideologische Klischee, das den Unternehmer kurzerhand als beutegierigen Kapitalisten kennzeichnet. Die zweite, nicht ganz so leicht zu durchschauende Verzerrung ist eine theoriebeladene, die auf dem Boden der abstrakten ökonomischen Theorie gewachsen ist. Sie kennzeichnet den Unternehmer als rationalen Homo oeconomicus, der zielstrebig nichts anderes im Sinn hat, als aus jeder Lage den höchsten Gewinn herauszuholen. Wir müssen uns von diesen beiden Zerrbildern lösen und die Wirklichkeit aufgreifen, denn die zeigt uns ein völlig anderes Bild.

Unternehmer (Kaufleute, Bankiers, Industrielle, Fabrikanten, Gewerbetreibende, Handwerker usw.) sind die Träger und Treiber jeder Marktwirtschaft. Deren geschichtliche Entstehung war zu keiner Zeit eine geniale Erfindung irgendeines Menschen oder eine obrigkeitliche Anweisung, sondern hat sich über Jahrhunderte aus der alltäglichen Praxis der Handeltreibenden (im frühen Mittelalter der Fernkaufleute, später der residierenden Handelshäuser und schließlich der bodenständigen Industrieunternehmen) organisch formiert. Dabei haben bestimmte Bedürfnisse der Kaufleute Grundwerte geschaffen, wie etwa sichere und faire Abwicklung von Geschäften, verlässliche Rahmenbedingungen, Schutzvorkehrungen der Kirche oder der Obrigkeiten und eine stützende Rechtsverordnung. Wir sprechen in diesem Sinne von einer Marktkultur, besser: den regional und historisch unterschiedlichen Marktkulturen. Die heutige Marktwirtschaft ist ein organisches Gewächs der Geschichte, und zwar nicht nur der engeren Wirtschaftsgeschichte, sondern ganz umfassend der politischen und der kulturellen Geschichte, die in jeder Region, zuweilen in jeder Stadt ihr eigenes Profil besaß. Erst nach einem langen Entwicklungsprozess haben sich örtliche Regeln des Marktverkehrs allmählich in überregionalen Usancen und Rechtsfiguren standardisiert und haben schließlich zu weltumfassenden Regulierungen des globalen Marktverkehrs geführt. Der Verlauf der Marktpraktiken von Unternehmern hat immer und überall äußere Spuren hinterlassen, die darauf hindeuten, dass es nie ausschließlich um Gewinnmaximierung und Vermögensanhäufung ging, sondern um einen Wirkungswechsel zwischen geschäftlichem Können und Einfügung in die äußeren politischen Rahmenbedingungen und der gesellschaftlichen Kultur. Die besten (und wohl schönsten) Spuren finden wir immer noch in den Altstadtkernen vieler erhalten gebliebenen Handelsstädten mit ihrer gerade auch als Ensembles wirkungsvollen Architektur.

Diese sinnlich wahrnehmbaren, bis heute beeindruckenden Kulturobjekte sind ein markanter Hinweis darauf, welche gesellschaftliche Bedeutung den Unternehmern zu allen Zeiten zukam und in welchen - natürlich äußerst unterschiedlichen - Formen ein gezieltes und verantwortungsbewusstes Mitdenken und Mitgestalten am Schicksal einer Stadt, einer Region oder eines Landes das Handeln von Unternehmern begleitet hat. Es ist dieses umfassende, gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein, dessen Pflege auch heute noch und angesichts so mancher krisenhafter Entwicklung in der Gegenwart sogar noch verschärft eine zwingende Notwendigkeit ist. Die historische Ausweitung des globalen Marktverkehrs bürdet jedoch allen Beteiligten einen weiten, über die Örtlichkeit hinausreichenden Verantwortungshorizont auf, dem der enge Zusammenhang zwischen der Prosperität des eigenen Unternehmens und der Stabilität der äußeren Rahmenbedingungen nicht leicht zu durchschauen ist. Wir sind, wenn wir für die Zukunft gerüstet sein wollen, auf schöpferisch tätige Unternehmer angewiesen und können es uns weder leisten, sie in die Ecke gieriger Kapitalisten zu stellen, noch sie mit theoretischen ökonomischen Modellen und vom Schreibtisch stammenden Managementinstrumenten in die Pflicht zu nehmen. Ein Unternehmen ist keine Maschine, sondern ein lebendes Gebilde. Um dessen Funktionieren und Führung zu sichern, wird man auf theoretische Grunderkenntnisse natürlich nicht verzichten können. Aber das eigentliche Fundament unternehmerischer Arbeit ist, schöpferische Geistesarbeit, gepaart mit einem hohen Maß an Erfahrung und intuitivem Blick in die Zukunft. Das und einiges mehr fügen wir in dem Begriff „Kulturelle Kompetenz“ zusammen.

Die Grundlagen

Starke Persönlichkeiten in allen gesellschaftlichen Bereichen lassen sich nicht von den gängigen Schlagzeilen beeindrucken, wonach uns schlimme, stürmische Zeiten bevorstehen und niemand - weder die Politiker noch die Unternehmer, die Experten oder die Philosophen - einen klaren Weg weisen können, wie wir durch die Verwerfungen in unserer Gegenwart gelangen und wohin uns die Verwirbelungen treiben werden. Starke Persönlichkeiten sind keine sturen Menschen mit festgezurrten Weltbildern, sondern besonnene, erfahrene und verantwortungsbewusste Bürger. Ihnen ist zu jeder Zeit klar vor Augen, dass niemand unfehlbar ist, dass aber die möglichen Fehlleistungen durch Persönlichkeitsformung und die Aktivierung von schöpferischen Handlungspotentialen verringert werden können.

Die Grundlage schöpferischer Handlungspotentiale besteht aus zwei einander ergänzenden und deshalb unverzichtbaren Säulen: Wissen und Erfahrung auf der einen Seite und geistige Beweglichkeit gepaart mit der Fähigkeit, sich durch wirksame Kommunikation auf die Außenwelt einzulassen und in ihr oder auf sie einzuwirken, auf der anderen Seite. Unsere akademische Ausbildung hat sich über Generationen hinweg überwiegend auf die erste Säule konzentriert. Sie hat in der Tat ein beachtliches Wissenspotential geschaffen und Erfahrungen im praktischen Leben aufgebaut, ohne das die moderne Zivilisation nicht hätte entstehen können.

Wenig Beachtung hat dagegen die zweite Säule gefunden. Man hat allzu gern davon gesprochen, dass man eben zum Unternehmer, zum Künstler oder zum Wissenschaftler geboren werde und sich auf sein Talent verlassen müsse. Der Tüchtige finde immer seinen Weg. Diese Auffassung stößt heute an Grenzen. Nicht dass es keine Talente mehr gebe, ist das Problem, sondern dass Talente, oder sagen wir lieber Qualifikationspotentiale, nicht zum Zuge kommen, weil sie in der Hektik des Alltags unerkannt bleiben oder aus Mangel an gezielter Förderung einfach entschlummern. Solche Verschwendung an schöpferischen Potentialen werden wir uns künftig nicht mehr leisten können – weder in der Wirtschaft noch in den Künsten, den Wissenschaften oder in der Politik.

Eine angewandte Didaktik

Für das Bildungszentrum Wien Hohe Warte habe ich vor über zehn Jahren ein Institut gegründet, das damals auch meinen Namen tragen sollte. Das Angebot für postgraduate Studenten war angewandte Didaktik in Form von Seminaren. Ich war davon überzeugt, dass ich nicht etwas völlig Neues in die Welt hätte setzen können. Das allzu Neue führt meist eher zu Irritationen als zu fundierten Entwicklungen. Ich glaubte vielmehr daran und es wurde mir bisher überall bestätigt, dass ich die im Menschen angelegten Schaffensmöglichkeiten herausarbeiten und festigen kann und muss. Es ging um die Entdeckung, nicht um die Erfindung von schöpferischen Potentialen.

Ich wollte keine fremdbestimmten Modelle und Techniken oder gar Ideologien einführen, sondern wollte Persönlichkeiten vor Augen haben, die ihre individuellen schöpferischen Potentiale, die Kräfte ihrer Lebensfreude und ihr gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein in allen Lebenslagen ins Spiel bringen können. Alle diese Persönlichkeitsaspekte fasste ich zusammen unter dem Begriff der Kulturellen Kompetenz. Ich wollte dazu Anregungen geben und mit bewährten methodischen Ansätzen dazu beitragen, dass die Entdeckung individueller Kreativität und Schaffenslust zu einer positiven Selbsterfahrung wird. Aus guten, auch wissenschaftlich gesicherten Gründen steht die innere Weite menschlichen Denkens über den reinen Verstand hinaus im Mittelpunkt. Das reine Denken ist nicht kreativ. Wir brauchen die Energie unserer Phantasie, und die wiederum nährt sich aus hellwachen sinnlichen Wahrnehmungen und deren mentaler Verarbeitung zu tragfähigen Handlungen, seien diese künstlerischer, wissenschaftlicher, ökonomischer Art. Wir können nicht denken, ohne zu fühlen. Hier liegt der Schwerpunkt unserer Arbeit: Sinnliche Wahrnehmungen und die innere Weite der Phantasie, gepaart mit Erfahrungen und im Gedächtnis verankerten Lebensmustern sind der Stoff, aus dem Kulturelle Kompetenz hervorgeht.

Mit meinen Denkansätzen und Vorgehensweisen könnte ich nahezu jeden Lebensbereich der Gesellschaft aufgreifen. Doch Politiker bleiben überzeugt von sich, wenn sie durch ihr unreflektiertes „Wir schaffen das“ oder als Kultusminister und –ministerinnen an der weiteren Zerstörung unserer Kultur mit hohen staatlichen Subventionen beitragen. Die völlig absurde antirussische Haltung ist erschreckend! Da fehlt es nachweislich an kultureller Kompetenz. Politiker sind jedoch unerreichbar. Ich richtete mich gezielt an die Wirtschaft und die sie tragenden Führungskräfte. Deren Schaffenskraft ist eine Kernbedingung für eine stabile gesellschaftliche Zukunft.

Das Seminarprogramm in Umrissen

Das von mir entwickelte Seminarprogramm war so aufgebaut, dass nach einer einführenden sechstägigen Session am Tagungsort eine Serie von Fortsetzungen angeboten wird, die je nach persönlichem Bedarf spezielle Akzente setzen und in nicht allzu weitem zeitlichen Abstand festigen sollen, was in der einführenden Session erreicht wurde. Die Seminare sind auf kleine Teilnehmerzahlen – nicht mehr als zehn bis zwölf Personen – fokussiert, damit genügend Aufmerksamkeit und aktive Teilnahme für jeden Seminarteilnehmer verfügbar ist. Denkbar in Zeitnischen sind auch individuelle Trainingsphasen. Das detaillierte Seminarprogramm wird für jede Veranstaltung erst ausgearbeitet, wenn die Teilnehmer und insbesondere ihre persönlichen thematischen Bedürfnisse und Interessen bekannt sind. Seminaranmeldungen müssen deshalb einen zeitlichen Vorlauf von mindestens zwei Wochen einhalten.

Vorschlag 1: Jeder Teilnehmer legt einen vorbereiteten Redetext vor, den er möglichst schon in der Vorphase des Seminars gefertigt hat. Die Texte werden in einem ersten Durchgang vorgelesen. Dabei wird die Spannung zwischen einem geschriebenen Text und einer abgelesenen Rede deutlich und gibt den Stoff für Verbesserungen und Steigerungen des Vortrags. Ein geschriebener Redetext ist immer eine starke Verdichtung dessen, was der Vortragende eigentlich im Kopf mit sich herumträgt. Die Wortsprache ist in gedruckter Form eine extreme Reduktion. Durch die stimmliche, mimische und gestische Art des Vortrags kann die Vielfalt und damit Wirkungsmächtigkeit einer Rede erheblich gesteigert werden. Im weiteren Fortschritt wird der Übergang zur freien Rede geübt. Wer dennoch seinen Text lieber abliest, statt frei zu sprechen, kann an dem geschriebenen Redetext feilen. Das könnte Teil der Übungen sein. Der sich über mehrere Tage erstreckende Hauptteil der Trainingsarbeit gilt der Stimme, der Körpersprache und dem Verfertigen von (möglichst freien) Sätzen bei der Rede.

Vorschlag 2: In einer Verhandlungssituation stehen sich zwei kontrahierende Delegationen (von je höchstens zwei oder drei Mitgliedern) gegenüber. Dazu wird eine bestimmte – von deutlichen Kontroversen getragene – Situation vorgegeben, in der beide Delegationen ihren Vorteil suchen. Das Ziel der Verhandlungen ist offen; sie können also auch scheitern. In solchen Situationen kommt es auf Kompetenzen in Sachen Empathie an.

(Wie denkt die Gegenseite? Wie kann man deren Interessen und Ziele einschätzen?), in Sachen Intuition (Was sagt einem die eigene innere Stimme?) und in Sachen wirkungsvoller Kommunikation an (Wie kann man die Gegenseite überzeugen oder auch über den Tisch ziehen?). Bei zehn bis zwölf Teilnehmern können zwei bis drei Gruppen mit jeweils unterschiedlich thematisierten Verhandlungssituationen gebildet werden. Ziel ist eine geschärfte Wahrnehmung der konkreten Situation, ein intuitiver Rückbezug zu den Konsequenzen möglicher Verhandlungsergebnisse auf die eigene Interessenlage und gesteigerte kulturelle Kompetenz der wirkungsvollen persönlichen Darstellung. Es soll verinnerlicht werden, dass genaues Hinhören, wenn andere reden und argumentieren, zu besseren Ergebnissen führt, als voreiliges Hineinreden. Entgegnungen in einer Debatte sind effektiver, wenn sie in passender Weise zu kleinen Auftritten werden, hinter denen man das Nachdenken spürt. „Zu was brauch’ ich denn das?“, hieß es in Wien. Ich schloss das Institut. Meine Freunde, die Grafen Bernadotte auf der Insel Mainau, zeigten allerdings großes Interesse an diesem Format. Die Hausherrin, Gräfin Sonja wollte sich bei ihren Verwandten in Schweden für solche Seminare einsetzen. Sie schrieb mir: »Lieber Herr Weikl, Gräfïn Bettina hat Ihr Exposé persönlich an Königin Silvia übergeben, nachdem ich diese telefonisch informiert hatte. Nun hoffe ich innerlich, dass die Königin sich bei Ihnen meldet und Sie so einen Schritt weiter kommen können. Für das Projekt wünsche ich Ihnen toi, toi, toi und drücke ganz fest die Daumen. Seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrer Sonja Bernadotte.«

Aus Schweden kam keine Nachricht. Allerdings erfuhr ich später, dass es der Königin daran lag, meinen Vorschlag nicht auf der Insel Mainau, sondern in Schweden anzusiedeln. Das war – auch aus privaten Gründen – für mich nicht machbar.

Quellen:

Sabine Kaufmann Stand: 07.11.2014, 12:00, Forschung - Spiegelneuronen - Forschung - Natur - Planet Wissen

Peter Bendixen/Bernd Weikl (2011): Einführung in die Kultur- und Kunstökonomie. Mit einem Vorwort von Prinz und Prinzessin Georg Yourievsky, 3. Auflg. Springer Fachmedien, Wiesbaden.

Bilder: @depositphotos @bernd weikl

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Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

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Marietheres List
1946 – 2018

Sie war eine 'Ermöglicherin'.
Inszenierungen - von unbekannten Regisseuren,
die sich ausprobieren durften - werkgerecht und publikumsnah.

Jungen Sängern gab sie die Möglichkeit, einzusteigen.

- Jonas Kaufmann, der 1993 mit dem Caramello seine Karriere begann.
- Christian Franz, der 1994 den Otello sang.
- Klaus Florian Vogt, der 2000 mit dem Eisensein anfangen durfte.

Sie hatte gerade durch ihre Tätigkeit an der Bayerischen Staatsoper in München
viel Erfahrung mit Sängern,
sie hatte sich ein Ohr erarbeitet,
das ihr beim Engagement von Sängern half, die Rollen richtig zu verteilen.

Das Sängerniveau am Theater Regensburg war in der Zeit von
Marietheres List besonders hoch.

Vierzehn Jahre war sie die Leiterin des 3-Sparten-Hauses. Bis in die Unkündbarkeit -
d.h. die Weiterbeschäftigung bei 15-jähriger Tätigkeit an einem Haus -
wollte man sie nicht kommen lassen.
Die Stadt war dagegen.

OB Schaidinger engagierte Ernö Weil und danach Herrn von Enzberg.

Wenn man sie in der Zeit nach ihrem Ausscheiden in Vorstellungen des Musiktheaters traf, machte sie aus ihrem Herzen keine Mördergrube.

Sie fand die vorletzte 'Tosca' und den noch laufenden 'Maskenball'
szenisch in Regensburg furchtbar.
Bei letzterem wollte sie nach der Pause gar nicht mehr reingehen.

Das war alles nicht mehr ihr Theater.

 





Schlussbemerkung

Bei Literaten rufen Operntexte meist ein Naserümpfen hervor, dienen sie doch nur zum Transport von Tönen, meint man. Wer sich aber mit dem Problem von Text und Musik beschäftigt und im Opernführer liest, erfährt, dass nach den Reformen von Chr. Willibald Gluck die Glaubhaftigkeit des Bühnengeschehens allmählich in den Vordergrund trat und die gewollte Künstlichkeit der Barockoper ablöste.

Auch Mozart war sich der Wichtigkeit einer guten 'Story' und musikalisch verwertbarere Texte bewusst, und diese lieferte ihm der Abbate Lorenzo da Ponte unter Verwendung der 'Folle journée' von Caron die Beaumarschais (1732 - 1799), dessen wildbewegtes Leben ihm genügend Stoff für seine Figuren gab. Im ersten Akt von Figaros Hochzeit gibt es einen Satz in der Arie des Dr. Bartolo, der einem wie das Credo heutiger Rechtsberater diktatorischer Staatspräsidenten und Konzern-Vorstandsmitglieder erscheint:

"Und sollt ich alle Gesetze verdrehen,
und müsst auch hundert Register durchsehen,
mit Ränken und Schwänken die Kreuz und die Quer,
so kann es nicht fehlen, mein ist der Sieg!"
      
(Übersetzung von Georg Schünemann)

Herausgeholt aus dem Buffogeplapper ist die Aussage von damals so mies wie heute und mahnt zur Vorsicht.

Ein zweites Beispiel ist im Zusammenhang mit der höchst notwendigen 'MeToo'-Bewegung im Monolog des 'Baron Ochs von Lerchenau' zu erleben:

Baron:
'Das Frauenzimmer hat gar vielerlei Arten,
wie es will genommen sein.
Da kenn' ich mich aus, halten zu Gnaden!

Da ist das arme Waserl',
steht da, als könnt sie nicht bis fünfe zählen,
und ist, halten zu Gnaden, schon die Rechte, wenns drauf ankommt.
Und da ist, die kichernd und schluchzend den Kopf verliert.
Die hab' ich gern!
Und die herentgegen,
der sitzt im Aug' ein kalter, harter Satan,
aber trifft sich schon ein Stündl, wo so ein Aug' ins Schwimmen kommt.

Und wenn derselbige innerliche Satan läßt erkennen,
daß jetzt bei ihm Matthäi am letzten ist,
gleich einem abgeschlagenen Karpfen,
das ist schon, mit Verlaub, ein feines Stück.
Kann nicht genug dran kriegen!

Marschallin:
Er selber ist ein Satan, meiner Seel'!

Baron:
Und wäre eine, haben die Gnad,
die keiner anschaut
im schmutzigen Kittel, haben die Gnad, schlumpt sie daher,
hockt in der Aschen hinterm Herd,
die wo einer zur richtigen Stund' sie angeht,
die hat's in sich! Die hat's in sich!
Ein solches Staunen! gar nicht Begreifenkönnen!
und Angst und Scham, und auf die letzt so eine rasende Seligkeit,
daß sich der Herr, der gnädige Herr!
herabgelassen gar zu ihrer Niedrigkeit.

Marschallin:
Er weiß mehr als das A B C.

Baron:
Da gibt es, die wollen beschlichen sein,
sanft wie der Wind das frisch gemähte Heu beschleicht.
Und welche – da gilts,
wie ein Luchs hinterm Rücken heran
und den Melkstuhl gepackt,
daß sie taumelt und hinschlägt!

Muß halt ein Heu in der Nähe dabei sein.'

Mag auch die Ständegesellschaft 1918 ihr Ende gefunden haben, der Hugo von Hofmannsthal (1874 - 1929) im 'Rosenkavalier' ein charmantes und melancholisches Denkmal errichtet hat, so offenbart die arrogante Übergriffigkeit des Baron Ochs und die 'Angst und Scham' der Oper die gleiche Problematik abhängiger Frauen in einer patriarchalen oder vom Geld bestimmten Gesellschaft heutiger Zeit.

Die 'Besetzungscouch', das 'Vorsingesofa', die finanzielle Ausbeutung - siehe

http://www.deutschlandfunk.de/tiroler-festpiele-das-system-kuhn-ist-ein-symptom.691.de.html?dram:article_id=412697

http://www.deutschlandfunk.de/vorwuerfe-gegen-tiroler-festspiele-im-festivalbereich-haben.1993.de.html?dram:article_id=411162

- die Beschimpfungen auf den Proben, bisher mit jovialem Männergrinsen abgetan, kommt endlich in die Öffentlichkeit.

Deshalb lohnt es sich auch, die Texte unserer Opern zu studieren, denn weder "alle Gesetze verdrehen “ noch der Genuss von 'Angst und Scham' sind die Grundlage eines freundlichen Miteinander.

Auch ist es nicht wahr, dass die Leute kein Interesse mehr an Schönheit haben. Während die vom Steuerzahler hoch subventionierten Opernhäuser wegen blödsinniger Bühnenaufbauten / Bühnenbilder und ekelhafter Inszenierungen leer stehen, bewundern

"Mehr als 70.000 Besucher in zwei Monaten" die Schmetterlingsausstellung im Tropenhaus der Herrenhäuser Gärten in Hannover.“       (HAZ Di. 27. März 2918, S. 16)

ML Gilles

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erscheint als nichtkommerzielles Beiblatt zu

- ausgezeichnet mit dem Kulturförderpreis der Stadt Regensburg -

kulturjournal - Holzländestraße 6 - 93047 Regensburg

Ersterscheinung der Ausgabe Regensburg am 27.07.2007

Erscheinungsweise: kulturjournal-regensburg zehn Mal pro Jahr von Februar bis August und Oktober bis Dezember

Ausgabe des Beiblattes als ’Mitteilung an meine Freunde’ – in loser Reihenfolge,
gewöhnlich zum Anfang eines Monats

Titelbild:
Adam Kruzel als ’Holländer’ in einer - im Gegensatz zu der von der Nds. Staatsoper Hannover präsentierten - geglückten Inszenierung am Theater Regensburg -
Foto: Werbung des Theaters im öffentlichen Raum

Verteilung Regensburg: Direktversand, Hotels, Theater, Galerien, Veranstaltungsorte, Tourist-Info, Bahnhöfe

Verteilung Hannover: Direktversand an ausgewählte Leserschaft
Mitglieder der Bürgerinitiative Opernintendanz
Niedersächsische Landesregierung, Politische Parteien im Nds. Landtag
Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, Bund der Steuerzahler,
Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger, Richard-Wagner-Vereine
Feuilletons von Tageszeitungen
RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover

Wir verstehen diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach unserer Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes. Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire. Hierfür nehmen wir den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.
Wir benutzen Informationen, hauptsächlich aus eigenen Unterlagen, aus dem Internet u.a. Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Museums, der Preußen-Chronik, Wikipedia u.ä..  / Texte werden paraphrasiert wiedergegeben oder als Zitate kenntlich gemacht.

Veröffentlicht auch unter:
www.BI-Opernintendanz.de

 

 

 

 

   

ML Gilles