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Bericht

LOT

Oper in drei Akten (2016)
von Giorgio Battistelli

Libretto von Jenny Erpenbeck

Auf dem Spielplan seit der Uraufführung der Inszenierung am 1. April 2017


Nds. Staatsoper Hannover
Repertoirevorstellung
02.05.2017

 


Bemerkungen eines voll zahlenden Theaterbesuchers
zur szenischen Umsetzung
 

   

   

 

Bekanntmachung der Nds. Staatsoper Hannover

 

 

 


Zitat

Die Geschichte um Lot gehört zu den merkwürdigsten und widersprüchlichsten Episoden des Alten Testaments. Ein regelrechter Handel Abrahams mit Gott ist der Ausgangspunkt: Gott will die Stadt Sodom wegen ihrer moralischen Verkommenheit vernichten, doch Abraham sorgt sich um seinen dort lebenden Neffen Lot, der ein gottesfürchtiger Mann ist. Abraham feilscht mit Gott um die Mindestzahl von Unschuldigen, die Sodom aufweisen müsse, damit die Stadt verschont bleibe. Doch die Engel Gottes finden nur den einen, Lot, dessen Familie sie retten wollen, bevor die Stadt dem Erdboden gleichgemacht wird. Denn ein einziger »Gerechter« ist der göttlichen Macht nicht genug, um das Massaker an den anderen zu verhindern. Die Rettung erweist sich für Lot allerdings als Fluch. Sein Weg führt ins Ungewisse, wohin ihm seine Frau nur zögerlich folgen mag und deshalb ebenfalls vernichtet wird. Allein gelassen von seinem Gott, flüchtet er sich mit seinen beiden Töchtern in die Berge, haust dort in der sozialen Isolation mit ihnen wie ein wildes Tier und zeugt mit ihnen Kinder.

 

In der Gestalt Lots verkörpert sich der unbedingte Glaube an das göttliche Gebot von Güte und Menschlichkeit, dem er sogar seine Töchter zu opfern bereit gewesen wäre, als es galt, das Gesetz der Gastfreundschaft zu wahren. Er ist also bereit, auch über Leichen zu gehen, um seinem Ideal von Humanität gemäß zu leben. Doch Lots Weg ist kein selbstbestimmter; er gehorcht der göttlichen Macht blindlings und verliert eben dadurch seine Menschlichkeit. Seine »Gerechtigkeit« gebiert Schuld, und sein Fundamentalismus, der die drohende Vernichtung der anderen stillschweigend akzeptiert, mündet in die Barbarei. Lot ist das deformierte Opfer seiner Ideologie von einem gottgefälligen Leben. Die Hoffnung, aus der Vernichtung des »Bösen« möge eine bessere Welt erstehen, hat sich bis heute immer wieder als

Verirrung erwiesen und nur Opfer hinterlassen. Der 1953 geborene Italiener Giorgio Battistelli ist einer der produktivsten und bedeutendsten Opernkomponisten der Gegenwart. Aus seiner Feder stammen Opern wie Prova d' orchestra nach Federico Fellini, Die Entdeckung der Langsamkeit nach Sten Nadolnys Roman, Auf den Marmorklippen nach Ernst Jünger oder Richard III. nach Shakespeare. Das Libretto zu seiner Oper Lot, in der er erstmals einen biblischen Stoff aufgreift, schrieb die vielfach preisgekrönte Schriftstellerin Jenny Erpenbeck, die 2013 für ihr literarisches Werk mit dem Joseph-Breitbach-Preis ausgezeichnet wurde, einem der höchstdotierten Literaturpreise im deutschsprachigen Raum. 2016 wird ihr der Walter-Hasenclever-Literaturpreis verliehen.

 

 

 

Leitungsteam

 

Musikalische Leitung
Mark Rohde
Inszenierung
Frank Hilbrich
Bühne
Volker Thiele
Kostüme
Gabriele Rupprecht
Licht
Susanne Reinhardt
Choreinstudierung
Dan Ratiu
Dramaturgie
Klaus Angermann

 
 

Besetzung

Lot
Brian Davis
1. Tochter
Dorothea Maria Marx
2. Tochter
Stella Motina
Frau
Khatuna Mikaberidze
1. Engel
Sung-Keun Park
2. Engel
Amar Muchhala
Abraham
Franz Mazura
Sara
Renate Behle
Gott
Lebogang Kempe
1. Bürger
Latchezar Pravtchev
2. Bürger
Frank Schneiders
Bürgerin
Mareike Morr
Zöllner
Michael Dries

Chor der Staatsoper Hannover
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover

Zitatende

 

 


'Sodom und Gomorrha'

Wer sich die Mühe macht die Bibel aufzuschlagen, um im Alten Testament die Geschichte
Abrahams und seines Neffen LOT mit der Zerstörung von Sodom nachzulesen, den wundert nichts mehr, was heutzutage in dieser Gegend passiert.

Die Nds. Staatsoper Hannover hatte sich vorgenommen, diese schlimmen Geschichten auf die Bühne zu bringen und vergab die entsprechenden Aufträge an Libretto und Komposition.
Es gehört sich, dass ein Institut, das die Oper in Hannover sein sollte, sich musikgeschichtlich beteiligt.

Es entstand ein Werk, das dem künstlerischen Ensemble alles abforderte. Ein kompliziertes Gewirk, das auch noch darstellerisch anspruchsvoll zur Wirkung kommen sollte.
Dank des engagiert agierenden Ensembles gelang dies.
Dass das nicht unbedingt selbstverständlich ist, weiß ich sehr wohl, da ich im Umkreis eine der wenigen bin, die so viel 'Neue Musik' aufgeführt haben.

Ob die Oper 'LOT' das 'Sieb der Zeit' überstehen wird, muss abgewartet werden.

 

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Mag unsere musikalische Sozialisation mit Kirchenmusik oder Pop geschehen sein, unsere Ohren sind gewöhnt an Dur und Moll, an Tonika und Dominante und die Auflösung der musikalischen Spannung in einen Schlussakkord.

So folgerichtig Arnold Schönberg auch alle zwölf Töne unserer Skala einsetzte , wir tun uns schwer, die Konstruktion atonaler Musik durchzuhören.

Daher gibt es so viele Richtungen in der Musikwelt, die nebeneinander bestehen wie Ihre Anhänger.

Ein Millionenpublikum, das sich im Zweier-Stampf-Pop-Rhythmus wohlfühlt, bis zu den sensiblen Freunden der Kammermusik oder den Intellektuellen, die nach Donaueschingen und Darmstadt zur 'Neuen Musik' pilgern.

Als unvoreingenommener Theaterbesucher fragt man sich aber ganz einfach:
Packt es mich, ergreift es mich, lässt es mich kalt, habe ich nichts als Respekt vor der Leistung der Mitwirkenden oder quält oder widert es mich an?

 

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Ja, es packt, die Musik von Giorgio Battistelli ist ausdrucksstark und farbig, sie zeigt einen theatererfahrenen Komponisten, die Inszenierung ist sinnvoll (bis auf den überbordenden und damit nur teuren Bühnenaufbau für den Mittelteil des Stückes), Solisten, Chor und Orchester hervorragend, Mark Rohde am Pult umsichtig und kompetent.

 

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Das Stück ist leider zu lang.
Beginn und Ende werden durch den zeitlich aufwändigen Mittelteil auseinandergezogen, die Aktionen - Vergewaltigung der Töchter - überdehnt, so dass gerade hier keine Spannung gehalten werden kann.
Im Gegenteil hierzu entsteht Ermüdung, so dass der Blick auf die Uhr wichtiger ist als der Blick auf die Bühne.
Schon Hofmannsthal dichtete:
'Das Stück hat Längen, gefährliche Längen - man lässt sie weg!'
Das ist bei einer Uraufführung natürlich nicht möglich.

 

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Der Zuschauerraum zeigte wieder einmal Leere. Der dritte Rang wie so oft geschlossen.
Schon beim Kauf der Karten bekam man an der Kasse mitgeteilt:
"Sie können den ganzen dritten Rang haben!"
Und der war dann zu.
Im zweiten Rang hatte man mehr oder weniger freie Platzwahl und auch im Parkett zeigten sich viele leere Sitze.

Die beiden letzten Intendanzen haben es geschafft, das Haus leerzuräumen.
Dass ein Werk der Zeit nicht unbedingt das Publikum anzieht, ist nachvollziehbar, aber in Hannover kann man ja spielen, was man will, die vermurksten Produktionen will doch keiner sehen.
Ist der Ruf erst ruiniert, geht keiner mehr hin!
 

 

 

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik
um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz,
in Anspruch.

Marei-Louise Gilles

 

 

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