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Bericht

 
 


 Nds. Staatsoper Hannover

How to Succeed in Business Without Really Trying

Musical von Frank Loesser

23.04.2016

 
 


Nds. Staatsoper Hannover

Werther

Oper von Jules Massenet

24.04.2016


 
 


Royal Opera House Covent Garden

Lucia di Lammermoor

Oper von Gaetano Donizetti

25.04.2016

 

 

 

Ein musikalisches Wochenende
 

Wie ein kunstbeflissener Barockfürst besuchte ich an drei aufeinander folgenden Abenden Musiktheater.
 
Nr. 1. Staatsoper Hannover - Musical

'How to Succeed in Business Without Really Trying'

Der schwer zu behaltene Titel stammt aus dem Buch von Shepard Mead (1952), aus dem man lernen kann, wie man in einer großen Firma die Karriereleiter hinaufsteigen kann, in dem man die meist unfähigen Chefs austrickst.

Herkunft, familiäre Verhältnisse, Eliteschulen, Sportclubs, erotische Schwächen, Hobbies - alles ist genau zu studieren und entsprechend zu handhaben.

Eine glänzende, wunderbar-bösartige Idee und ich kann es nicht vermeiden all die selbstsatt grinsenden Vorstände und Aufsichtsräte vor mir zu sehen, die große Unternehmen an die Wand fahren, dabei von nichts gewusst haben wollen und sich Millionen, die hart erarbeitet wurden, in die Tasche stopfen.
Aus diesem eigentlich spröden Stoff wurde ein erfolgreiches Broadway-Musical, dessen Premiere am 14. Oktober 1961 von Presse und Publikum ekstatisch gefeiert wurde, und das die Staatsoper Hannover als Kooperation mit der Volksoper Wien vorstellt.
Es ist eine gelungene Vorstellung - also: Es geht doch!

Als Dirigent wirkt ein üppig gestalteter Joseph R. Olefirowicz, der das mit vielen rhythmischen Sonderaufgaben beschäftigte Staatsorchester mit genauer Kenntnis des Stückes sicher und mit Spaß leitet.

Mathias Fischer-Dieskau hat ein Bühnenbild gestaltet, das mit schnellen Umbauten die oft in perfekter Choreographie vom Bühnenpersonal zu handhaben sind - jede Situation geschmackvoll deutlich macht. Ein echter Knüller für diesen Abend und der unsterbliche Vater Dietrich kann stolz auf den Sohnemann sein!!

Mathias Davids (Regie) und Melissa King (Choreographie) bewegen ein vielfältiges Ensemble aus Sängern, Musical-Darstellern, Schauspielern, Chor und Ballett wie ein gut geöltes Räderwerk und man ahnt, wie viel Arbeit darin steckt.

Einzelne herauszugreifen wäre zwar angebracht, aber auch unfair, nur dem unermüdlichen Charles Ebert, der über viele Jahre als Regie-Assistent den Laden am Laufen hält, gebührt ein ganz dickes Kompliment, mit welcher Souveränität er den großen Boss J.B. Biggley spielt, den er für den erkrankten Roland Wagenführer übernommen hat.

Die Musik von Frank Loesser ist zwar rasant und pfiffig, aber von Ohrwürmern geplagt wie nach einem Bernstein-Musical war ich nicht nach diesem sehr empfehlenswerten Theaterabend.

Allerdings, ob das Stück nun unbedingt in der Staatsoper stattfinden muss, die der Ort für die 'große Oper' in einer Landeshauptstadt sein sollte, daran habe ich Zweifel.

 

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Nr. 2 Staatsoper Hannover - Oper

'Werther'

Wer die Zeit hat und sie sich nimmt, zur Vorbereitung Goethes ’Die Leiden des jungen Werthers’ von 1774 zu lesen, gerät ins Grübeln wie aus diesem verbalen Wolkengebirge des Gefühlsüberschwangs ein handfeste Libretto für eine Oper werden kann.

Die Referenten der Goethegesellschaft waren zwar voller Begeisterung, zeigten aber wenig Konkretes, wann, wer, was für Jules Massenet zustande gebracht hat. Aufschlussreich ist dagegen die Einführung des Dramaturgen Christopher Baumann, der einem die mühevolle Entstehung der Oper anschaulich nahe bringt.

Schade nur, dass die sonntägliche Vorstellung so mäßig besucht war.
Der dritte Rang geschlossen und ansonst auch viele Lücken bei der Belegung der Sitze, laut Personal 400 verkaufte Plätze (Abo und freier Verkauf), die aber nur zum Teil belegt waren, so dass vielleicht 350 Personen - bei einer Bestuhlung von 1202 Plätzen – sich im großen Raum verloren.
Etliche verließen auch noch türenschlagend die Vorstellung und wie viel nach der Pause nicht mehr in den Zuschauerraum zurückkehrten, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.
Vergleichbares war beim letzten 'Falstaff' zu beobachten.
Woran mag es wohl liegen?

Wahrlich nicht am Staatsorchester, das unter der Leitung von Benjamin Reiners die Ströme des Wohlklangs und der fein differenzierten Schilderung der Situationen und Seelenschilderung den aufmerksamen Ohren nahe brachten.

Dieses Organ scheint dem Regieteam aber zu fehlen und auch die Augen, um den Text zu lesen, haben offensichtlich ihren Dienst aufgegeben.

Der ’Gag’.
Wohncontainer, in denen die einzelnen Szenen spielen, langsam von rechts nach links zu bewegen, ist ganz praktisch.
Allerdings sind diese Kabuffs von einer Scheußlichkeit und abstoßender Kälte, dass man merkt, man ist zur Musik und zum poetischen Text im falschen Film.

Wieder lag es einem Regieteam des ’german trash-theaters’ daran, ein Stück auf unsere Zeit herunterzubrechen, brechen, speib’n …

In diesem Zerrbild musste das Ensemble singen und agieren.
Allen voran die wunderbare Monika Walerowicz als Charlotte. Ihre Anmut und ihre in allen Lagen gekonnt geführte Stimme, ihre Darstellung von Zärtlichkeit bis Verzweiflung haben wahrlich eine bessere Umgebung als Wäschetrockener, Schlafkabine, Hollwoodschaukel, Feldbett, Plättbrett, Lotterpfuhl im Wäschetrockenraum und gekippten VW-Transporter verdient.

Dass manche tenorsingenden Männer nicht unbedingt schön anzusehen sind, wissen wir. Aber aus dem Poeten Werther einen zottelhaarigen, barfüßigen, in einem schmuddelig-schwarzen Schlotteranzug steckendes Scheusal zu machen, beweist wieder, dass solche Regieteams in der Staatsoper Hannover nichts zu suchen haben.
Andrea Shin hat einen strammen Tenor, mit dem er die stimmlich schwere Partie des französischen Fachs gut bewältigt.

Athanasia Zöhrer sollte als Sophie eigentlich das unbeschwert heitere Gegenteil zur kummervollen Charlotte sein, musste aber zickig herumzappeln, wobei sie - im Gegensatz zur wunderbar gesungenen 'Falstaff-Nanetta' - ihre Stimme unnötig schrill präsentierte.

Mathias Winckler, mit blödsinnigen Tätigkeiten geplagt (sich im Kleinbus umziehen, darin schlafen, einen Wohncontainer mehr schlecht als recht tapezieren) sang mit angenehmem Bariton den braven Albert.
Die kleineren Partien waren mit Latchezar Pravtchev, Daniel Eggert und Michael Dries gut besetzt.

Die sechs Schwestern von Charlotte, pubertierende Biesterchen, wohl durch ein gynäkologisches Wunder alle gleichzeitig zur Welt gekommen und somit von gleicher Größe und im gleichen Alter, durften plärren, auch mal schön singen, vor allem aber als Halloween-Skelette durch die Wohncontainer rennen, weil das Regie-Team ja so ’modische Inszenierungen’ herstellen darf.

Am Montag 27. Juni 2016 kommt Werther aus Covent Garden in die Kinos, darauf freue ich mich jetzt schon
Im Cinemaxx treffen sich Opernfreunde wieder, die nicht mehr in Hannovers Staatsoper gehen.

 

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Nr. 3 – Royal Opera House Covent Garden

Lucia die Lammermoor

Die Musik von Gaetano Donizetti, dem Vielschreiber, kann oft recht schematisch und austauschbar klingen oder dient den ’geläufigen Gurgeln’ von Koloratur-Primadonnen.

Lucia die Lammermoor ist das bekannteste Werk des Komponisten. Das Libretto verfasste Salvatore Cammerano, ein versierter Theatermann nach dem Roman von Sir Walter Scott aus dem Jahr 1819. Nach einer angenehmen und produktiven Zusammenarbeit wurde die Uraufführung am 26. September 1835 im Teatro San Carlo einer der größten erfolge der neapolitanischen Oper.

Die Beliebtheit der Tatort-Krimis im Fernsehen zeigen die ungebrochene Neugier des Publikums an Mord- und Intrigengeschichten möglichst mit einer unglücklichen Liebe als Mittelpunkt.

So war ich sehr gespannt, wie eine Film- und Theaterregisseurin ohne ’german trash’ mit dem Stück umgeht. Covent Garden liefert eine ’Lucia’ in Perfektion, zumal sie eine sensationell singende, handfest-bayerische Diana Damrau als Titelheldin hat.

Die Bühne ist in der Horizontalen zweigeteilt, links mal ein Friedhof, mal ein Schlafzimmer, rechts ein Raum, innerhalb eines Gebäudes, mal Ankleide, mal Bad mit Toilette, mal Billardraum für die Männergesellschaft.

Nach anfänglichem Staunen über den Realismus der Szene und der handelnden Personen wuchs meine Bewunderung zur Begeisterung für die Genauigkeit mit der die Regisseurin die Zusammenhänge der Geschichte plausibel machte und jedes Detail – Bühnenbild und Requisite – mitagieren ließ.

In dürren Worten kann die Handlung erzählt werden:
Lucia liebt Edgardo, der sie vor dem Angriff eines wildgewordenen Stieres rettete, soll aber nach dem Willen ihres Bruders und Familienoberhauptes Enrico, aus finanziellen Gründen, den reichen, aber langweiligen Arturo heiraten – also wieder so eine Art ’verkaufte Braut’.

Da aber Diana Damrau eine energische Person - gebürtig aus Günzburg - ist, bleibt es bei dem ersten öffentlichen Treffen mit Edgardo nicht bei schönen Tönen und Händchenhalten. Mitten am Friedhof reißt sie ihm und sich angesichts von Sarkophagen mit Engelstatuen die Kleider vom Leib und es kommt zum Sex, der – wie sich später zeigen wird – nicht ohne Folgen bleibt.

In den nächsten Szenen kämpft sie mit Schwangerschaftsbeschwerden und das Klo in ihrem Badezimmer kommt ganz deutlich ins Spiel.
Gefälschte Briefe, Drohungen, die erzwungene Hochzeit, schließlich der Mord am ungewollten Bräutigam, den sie ins Bett lockt, um ihn zu erstechen. Als er noch zuckt und zappelt, kommt die Zofe Alisa ins Spiel, die den bereits angeschlagenen mit dem Kopfkissen erstickt.
Diese Szene läuft sonst unbemerkt im Off, hier wird sie sichtbar gemacht.
Die Brutalität der Aktionen mit ihren Schmerzen und dem Blut durch den Mord an Arturo sind dann der Auslöser dafür, dass Lucia eine Fehlgeburt erleidet, was sie letztlich in eine Art von Wahnsinn treibt.

Die Männergesellschaft amüsiert sich derweil auf der rechten Bühnenhälfte bei Spiel und Whisky, denn das blutige Geschäft einer Geburt muss ja, weil es nur Weiberkram ist, schamhaft verborgen werden. Der Patriarch bekommt dann später das fein gewaschene Kindchen präsentiert.

Nun erscheint eine sich in Schmerzen windende, blutende Lucia und liefert ihr und der Regisseurin Katie Mitchell’s Meisterstück ab.
Jede melodische Phrase der ’Wahnsinnsarie’, umschwebt von Sphärenklängen einer Glasharmonika, wird aus ihrer Befindlichkeit entwickelt. Die Spitzentöne im Forte sind Schmerzens-Schreie, Träume von verlorenem Glück, Reue, Schreck, Angst, Erschöpfung – alles wird aus der Musik in Aktionen umgesetzt.
Das Publikum hält den Atem an!

Schließlich schleppt sich Lucia zur Badewanne, die Alisa vorher mit Wasser füllte, schneidet sich die Pulsadern auf, das Wasser färbt sich zusehends rot, und die Heldin verdämmert.
Das ist so erschütternd, dass eigentlich nichts mehr kommen sollte, aber Edgardo muss noch seine schwere Arie draußen am Friedhof singen, was Charles Castronovo hervorragend gelingt, um sich dann mit Rasiermesser neben Lucias Wanne die Halsschlagader zu durchtrennen.

Die Royal Opera verfügt über ein sehr gutes Orchester, einen prächtigen Chor, guten Geschmack bei der Wahl der Solisten und einen begeisterungsfähigen, wachsamen Intendanten.
Beneidenswert!!!

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Abnehmerin voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes
und Satire.

Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz, in Anspruch.

Marie-Louise Gilles


 

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