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'Brilliante Musik in
optischer Scheußlichkeit'
Die Intendanz der Staatsoper Hannover,
von der zuständigen Ministerin kürzlich in ihren Verträgen bis 2019 -
wohl mehr aus Bequemlichkeit, doch nicht etwa, wie angegeben, aus
künstlerischen und wirtschaftlichen Gründen, verlängert, hat einen
Riss durch die Abteilungen des Hauses zu verantworten.
Ein hochqualifiziertes Sängerensemble und ein erstklassiges Orchester
sind Bühnenbildern von nicht mehr zu überbietenden Geschmacklosigkeit
ausgeliefert.
Was sollen im 'Falstaff' die schreiend-grellen Graffiti, die bis hinauf
in den Bühnenhimmel die Augen peinigen und gegen die kein Darsteller anspielen kann.
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Ist es Dada-Nonsense?
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Ein Kunstraum im Sinne von Anna Viebrock?
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Ist es ein aufdringliches Manga?
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Ist es Street-Art?
Meinetwegen- wo es hingehört, aber nicht als aufdringliches Geschmiere
zur Korrektur von Shakespeare, Boito und Verdi.
Zudem ist es nicht praktikabel, denn die Umbaupausen mit mehr als einer
Minute sind zu lang und zerreißen die Vorstellung.
Ungereimtheiten wie
- die Hubplattform zum 'Wohnraum' von Falstaff im Keller oder auf
dem Dach,
- die Klappe in der Wand als Durchreiche für den Wirt, damit er den
Wein kredenzen kann,
- der Wandschirm im Hause des Mr. Ford, hinter dem auch der Dümmste
sofort das Liebespaar entdecken würde, ein Chor von lebenserfahrenen
Darstellern aber endlos lange ohne sinnvolle Aktionen braucht.
All' das beweist, wie viel Geld die Staatsoper für uninspirierte
Bühnenbilder vergeudet.
Tapfer agiert das Ensemble trotz dieses Umfelds in bester Spiellaune, gut studiert und
frisch probiert.
Allen voran Stefan Adam als Falstaff, der Rolle seines Lebens. Mit der
rechten Leibesfülle, klugem Humor und einer Prachtstimme, die in jeder
Lage und Abstufung Verdis Orchesterfluten meistert.
Sein Widerpart als eifersüchtiger Ehemann der angeschmachteten Alice ist
Brian Davis, eine elegante Erscheinung, ein kerniger Bariton mit echter Italianità, so dass das Duett-Duell der beiden eine genussvolle Freude
war.
Dorothea Maria Marx führte mit leuchtender Höhe und leichtfüßiger
Energie die lustigen Weiber an.
Silvia Bertrani als charmant
aufdringliche Mrs. Quickly beherrschte virtuos die schwere Kunst der
Altistin zwischen Brust und Kopfstimmen zu wechseln, ohne an Wohlklang
zu verlieren - bravissima!
Hannah-Larissa Naujoks war eine jugendlich-charmante Meg Page, die
Maestro Verdi leider nicht mit einer Einzelszene bedacht hat. Da ich
Rolle selber gesungen habe, ist wohl eine Beschwerde im Sinne aller
hübschen Mezzo-Soprane angebracht.
Als Nanetta beglückte uns Athanasia Zöhrer mit einer wahren
Zauberstimme, perfekt geführt bis in höchste Höhen. Im Spiel ein
lebhaftes junges Mädchen.
Man freut sich schon auf eine Wiederhören und -sehen in einer anderen
Partie.
Neben dieser Nanetta müsste es einen lyrischen Tenor mit Schmelz und
Zärtlichkeit in der Stimme geben.
Es ist natürlich unfair, hat man Fritz Wunderlich als Fenton im Ohr.
Ganz privat habe ich mich über die darstellerische und stimmliche
Entwicklung von Daniel Eggert gefreut, den ich an der Musikhochschule
aus einem doppelt besetzten Figaro-Ensemble als Bartolo herauspickte,
die er jetzt auf das Erfreulichste rechtfertigt. Weiter so und viel
Glück!
Die musikalische Leitung lag in den flinken Händen von
Ira Levin, der
das Werk wirklich beherrscht, das Orchester in allen Schattierungen
brillieren ließ und mit den Sängern aufmerksam koordinierte.
Der Applaus war für alle verdient und herzlich.
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Diese musikalisch und darstellerisch beglückende Vorstellung hatte mehr
Publikum verdient!
Der dritte Rang von vornherein geschlossen.
Angeblich waren 600 Karten verkauft, wobei aber weniger als 500 Menschen
in Parkett, 1. und 2. Rang saßen.
Es stellt sich die Frage, nach welchem Modus hier die Auslastung
berechnet wird!
Im Wochenblatt wird angekündigt, dass vor die Oper ein Müllplatz kommen
soll.
Das wird die Herren der Intendanz freuen, denn so brauchen sie sich
nicht vom Anblick des Mülls vor der Oper zum Anblick des Mülls auf der
Bühne umzugewöhnen.
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