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'Mutter Wolffen und die
Ihrigen'
Gerhart Hauptmann schrieb aus seiner
Heimat Schlesien heraus. Er reiste von Erkner bei Berlin, wo er lebte,
um für ’De Waber’ zu recherchieren.
’Schluck und Jau’ ist ohne den schlesischen Dialekt nicht zu denken.
So gilt das auch für ’Die Ratten’ als ’Berliner Tragikomödie’ und vor
allem beim ’Biberpelz’ einer ’Diebskomödie, die irgendwo um Berlin in
den 80er Jahren’ spielt.
Dieses ’Irgendwo um Berlin’ reicht im Süd-Osten bis in die Lausitz und
nach Niederschlesien drüben auf der anderen Seite der Oder.
Also gibt es im Original eine Mischung aus Schlesisch und Berlinerisch.
Es kann das Stück seine Wirkung nicht entwickeln, wenn auf den Dialekt
verzichtete wird. Wenn nur wenige der Darsteller sich bemühen,
berlinerisch zu sprechen, dann fällt das Manko, den Urlaut nicht in die
Aufführung einzubeziehen, besondern auf.
Dies gilt hauptsächlich für die beiden Hauptrollen: Mutter Wolffen und
den Baron von Wehrhahn.
Sie, die Waschfrau, die in der Spree die Wäsche ’schweft’ und er, der
als Amtsvorsteher, der als Militarist im Amt den Kaiser vertritt.
Beide deutlich im Ton und in der Sprache.
Sie drastisch in beidem, er zackig zumindest im Ton.
Natürlich ist es schwer im Text und im Dialekt ihren Ton und ihr Gebaren
auch nur annähernd zu treffen, erinnert man sich an Therese Giehse, an
Inge Meysel, an Grete Weiser und heutzutage Katharina Thalbach, die
gerade im Theater am Kurfürstendamm in Berlin mit der ganzen Familie
Thalbach / Besson beide Stücke ’Biberpelz’ und ’Der rote Hahn’ nach der
Brecht’schen Vorlage von 1951 verschränkte.
Alle diese Schauspielerinnen ’knallen’ den Mitspielern und dem Publikum
die Geschichte um Wilderei, Holzklau und den Pelzdiebstahl um die Ohren
– und der Amtvorsteher ist besessen als Vertreter von 'Wilhelm 2' zu
agieren.
Alles Liberale ist von Übel.
Die anderen Darsteller müssen sich um die beiden gruppieren und
versuchen, sich zu behaupten.
Da das Stück auch noch Längen hat, verhindert dies einen schnellen
Zugriff, das Publikum tut sich schwer, der Handlung zu folgen, da die
Vertreter der Rollen nur schwer zueinander einzuordnen sind.
Wer ist wer und warum?
Da wird kurz vor Ende des Stückes noch eine Frau Dreier erwähnt, von der
man bisher nichts hörte.
Was ist mit der Frau?
1893 fiel das Stück in Berlin bei der Uraufführung durch, wurde nur
dreimal gegeben. Erst 1894 nach Wien begann das Stück sich auf der Bühne
zu etablieren. Kein Wunder, wenn in dem Kaiser seiner Hauptstadt, Wien,
die Sprache der ’Piefkes’ – der Preußen und hier der Berliner –
verwendet wurde.
Was wäre ’My fair Lady’, die Eliza Dootlittle mit ihrem oder “Ick jlobe
et jeht los, wa! Und wenn nich, da blas ick ihm Pfeffern in Arsch!“
Ab 1898 sahen die Theater das Heitere über die Sprache – den Dialekt -
im Vordergrund, weniger das Sozialkritische, das ja Hauptmann Zeit
seines Lebens ein Anliegen war.
Durch das Betonen der komödiantischen Züge wurden die Typen zu den
begehrtesten Rollen des Theaters im deutschsprachigen Raum.
Es liegt dem Publikum weniger an den Aussagen des Stückes nach dem Wort,
sondern an dem ’Wie’, wie die Aussagen präsentiert werden.
Es hilft nichts, die Wolffen führt eine Berliner Kodderschnauze und der
Wehrhahn ist ein Militarist mit ’Zack, zack!’
Alle anderen drum rum sind nicht weniger gut zu spielen, gibt man ihnen
von der Dramaturgie und der Regie die Möglichkeit aus dem Kohlenkasten,
aus der untersten Schublade zu agieren – zur Freude des Publikums, das
sich sagt:
“So möchte ick och mal loslejen dürfen, immer druff, uff die Jroßen!“
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