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Hat die Hochkultur noch eine
Chance?
Wer einigermaßen klar denken kann, bemerkt, dass alles mit
allem zusammenhängt.
Wenn in vielen Gegenden die Bäume abgehackt wurden, wird das
Erdreich weggeschwemmt, die Gegend verödet.
Wenn Menschen sich mit zuviel Zuckerzeug mästen, werden sie
früher oder später leiden.
Wenn Menschen sich zu sehr unter Stress setzen, produziert
der Körper Gift und sie werden krank.
Wenn Männer in patriarchalen Ländern zur Stärkung ihres Egos
und auf Kosten ihrer für wertlos erachteten Frauen Scharen
von Kindern produzieren, gibt es Hungersnöte und
Völkerwanderungen.
Wenn in Deutschland der Begriff‚ ’sozial’ so falsch
interpretiert wird – eigentlich ist der lateinische ’socius’
der Genosse, mit den man gesellig, umgänglich, verträglich
lebt – dass, der Sozialethik widersprechend, das
Bildungsniveau nicht für alle angehoben, sondern auf
sträfliche Weise gesenkt wird, damit immer mehr Schüler das
Abitur machen und die ’Note eins’ leichtfertig vergeben
wird, dann folgt daraus eine Nivellierung nach unten mit der
Gefahr der Verdummung , Vermassung, Verrohung.
Der Begriff ’Elite’ wird zum Schimpfwort, die Hochkultur,
die unsere Werte repräsentiert, wird verhöhnt und durch
oberflächliche, sensationelle Events ersetzt.
Auch die Oper ist Hochkultur.
Für sie zu kämpfen ist unsere Aufgabe.
Marie-Louise Gilles
Kalenderblätter November
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Vincenzo Bellini am 03.
November 1801 geboren
Sein von
der Callas wiederentdecktes Œuvre beschränkte sich
nicht nur auf die 'Norma'.
Von Bellini gibt es
eine Reihe von heute kaum mehr gezeigten Werken.
Es begann mit der 1825
uraufgeführten Oper 'Adelson und Salvini' - immerhin
war Bellini da gerade erst einmal 24 Jahre alt, als
Neapel das Werk spielte.
1826 folgte in Genua
'Bianca und Fernando'.
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Mailand spielte 1827
'Der Pirat' und 1829 'Die Fremde'.
Ebenfalls 1829, dann
aber in Parma 'Zaira'.
1830 kam
in Venedig 'Romeo und Julia - auch bekannt als ’I
Capuleti
e i Montecchi’
-heraus und wiederum Mailand zeigte 1831 'Die
Nachtwandlerin' und dann im gleichen Jahr die
'Norma'.
1833 war die
Uraufführung von 'Beatrice di Tenda' in Venedig und
schließlich in Paris 1835 'Die Puritaner'.
Bellini hatte das
Glück, fast ausnahmslos - ab der Oper 'Der Pirat'
und bis auf 'Die Puritaner' - mit dem Librettisten
Felipe Romani zusammenarbeiten zu können, der auch
Texte für Gioacchino Rossini, Gaetano Donizetti und
Simon Mayr schrieb.
Er war 'Hausdichter'
der Scala in Mailand und Bellini lernte ihn
anlässlich der Premiere von 'Der Pirat' kennen.
Vincenzo Bellini starb
schon mit 34 Jahren - angeblich hatte er sich mit
seinem intensiven Schaffen mit neun Opern in zehn
Jahren so übernommen, dass er einem Magenleiden
nichts mehr entgegensetzen konnte.
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Die
Geschichte um Sir John Falstaff
am 04. November 1604 uraufgeführt
Otto Nicolai und
Giuseppe Verdi nutzten die Story für eine Vertonung.
Nicolai nach dem Originaltitel 'Die lustigen Weiber
von Windsor' und Verdi mit dem einzigen Titelwort
'Falstaff', auch am Staatstheater in Braunschweig
ins Repertoire genommen, verantwortlicher Dramaturg
damals der nunmehrige Direktor des Theaters
Regensburg. |
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Google:
Bemerkungen_zu_'Falstaff'_im_'Staatstheater_Braunschweig'_17.06.2011
Google:
Bemerkungen_zu_'Falstaff'_im_'Theater_Regensburg'_01.06.2012
Ob nun wirklich Shakespeare das Stück schrieb oder
wie vermutet wird, sein damaliger Kontrahent und
Mitbewerber Christopher Marlowe - ist bisher
ungeklärt.
Der Film
'Anonymos'
soll nach dem Willen des deutschen Regisseurs Roland
Emmerich aufzeigen, dass äußere Einflüsse wie die
Situation im Elisabethanischen Zeitalter, die sich
da abspielenden politischen Intrigen, Affären und
Machenschaften, derer, die sich des Throns
bemächtigen wollten und die dann auch die Londoner
Theater bestimmten.
Die Story geht
auf Plautus zurück, der um 205 vor der Zeitenwende
sein Stück 'Der Maulheld' uraufführte und seinen
Pyrgopolinices als Weiberhelden darstellt.
Außerdem zeigt sich die Figur im Capitano in der
Commedia dell'arte und weiter in Ralph Undalls
'Roister Doister'. |
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Friedrich
Schiller am 10. November 1759 geboren
Neben Goethe war er der Träger der deutschen
Klassik,
der politisch-gesellschaftliche Themen nicht
ausklammerte, besonders dann nicht, wenn aus seiner
Sicht zu kritisierende Vorkommnisse sich in seiner
unmittelbaren Umgebung abspielten.
Sein Landesherr war Karl Eugen von Württemberg. |
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Der hatte seit seinen frühen
Regierungsjahren absolutistische Machtansprüche auf
Kosten des Volkes durchgesetzt und in maßloser
Verschwendung und Genusssucht dokumentiert.
Als sich die Landstände, die vom württembergischen
Absolutismus nicht beseitigt werden konnten, bei der
Reichsführung über das Gehabe von Karl Eugen
beschwerten, wurde er gezwungen, die von ihm
verletzten Verfassungsgrundsätze anzuerkennen.
Dieser Erfolg trug sehr zur Stärkung des politischen
Bewusstseins der Bürger bei.
Karl Eugen gründete die Karlsschule, zu dem Zweck,
ihm ergebene Mitarbeiter, zu Beamten 'formen' zu
lassen.
Auch Friedrich Schiller wurde aufgrund der vom
Fürsten erkannten Intelligenz des Untertan, in die
Karlsschule aufgenommen und zum Regimentsmedikus
ausgebildet.
Er erkannte die Mangelerscheinungen im Lande sehr
bald und begann, bei seinen schriftstellerischen
Aktivitäten, das politische Manko einzugliedern.
So entstanden unter diesem Eindruck seine ersten
Werke 'Die Räuber' und 'Kabale und Liebe', die
gesellschaftliche Missstände aufgriffen und auf die
Bühne brachten.
Heutzutage drehen die
Theater Schillers Werke 'durch den Wolf', um das
Publikum zu unterhalten, wichtig, dass 'auf jedem
Sitz ein Arsch' Platz nimmt, der meist die Stücke
nicht kennt, aber die Auslastung des Hauses und die
Verlängerung des Vertrages des Theaterdirektors
sichert.
Von Erfüllung des Bildungsauftrages und das noch zu
Lasten des Steuerzahlers kann keine Rede sein.
Beispielhaft hierfür:
Google:
Betrachtungen_zu_'Die_Raeuber'_-_Theater_Regensburg_am_1.12.2012
Google:
Kritik_'Kabale_und_Liebe_-_Schaubuehne_Berlin_01.11.09
Google:
Kritik_'Kabale_und_Liebe'_
-_Deutsches_Theater_Berlin_2010
Google:
Damals_in_Regensburg_Thema_des_Tages_17._Oktober_2012.htm |
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Carl Maria von Weber
am 18. November 1786 in Eutin geboren
Der Vater ein Theaterbudenbesitzer -
ständig auf Wanderschaft, die Mutter Sängerin.
So war das Kind Carl Maria seit der Geburt auf und
hinter der Bühne.
Er war vertraut mit dem, was man spielte:
Haydn, Dittersdorf, Mozart, Hiller, Paisiello.
Abbé Vogler - Kompositionslehrer am Nationaltheater
in Mannheim am Hof von Kurfürst Karl Eugen von der
Pfalz - förderte Carl Maria von Weber, neben den
anderen Schülern, die ihm anvertraut waren: Franz
Danzi, Giacomo Meyerbeer.
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Vogler empfahl Weber als Kapellmeister nach
Breslau, der ging dann nach Prag und nach Dresden,
immer im Bestreben, Routine durch Reformierung des
Orchesterwesens abzubauen und die Systeme zu
verbessern.
Während der Napoleonischen Kriege zog er als
Klaviervirtuose durch das Land. Ab 1813 in Prag als
Opernchef am Ständetheater veranstaltete er
Einführungskommentare zu den aufzuführenden Werken,
um die Themen dem Publikum näher zu bringen.
Die Deutsche Oper lag ihm am Herzen, die neben der
von den Höfen favorisierten italienischen Konkurrenz
nur ein Schattendasein führte. Er setzte sich für
die Einführung von festen Probenplänen ein,
vergrößerte den Chor zahlenmäßig, ordnete eine neue
Sitzordnung des Orchesters an und dirigierte als
erster mit einem Taktstock in der Hand vor dem
Orchester stehend, mit dem Rücken zum Publikum.
Mit seinen frühen Werken wie ’Das Waldmädchen’,
’Peter Schmoll und seine Nachbarn’, ’Rübezahl’, ’Abu
Hassan’ und dann mit ’Der Freischütz' und 'Oberon'
positionierte er die deutsche romantische Oper in
den Spielplänen der Opernhäuser.
Richard Wagner sorgte vierzehn Jahre nach Webers Tod
für die Rückführung der sterblichen Überreste von
London nach Dresden. |
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Lili
Lehmann am 24. November 1848 geboren
Im Revolutionsjahr kam sie in
Würzburg zur Welt.
Kapellmeister Richard Wagner stand damals im
weitesten Sinne auf den Barrikaden in Dresden und
musste ein Jahr später in die Schweiz fliehen.
Er engagierte sie 1876 für die ersten Bayreuther
Festspiele für die Woglinde, die Helmwige und die
Stimme des Waldvogels. |
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Trotz der engen Kontakte zum sächsischen Meister -
ihre Mutter eine Geborene Loew - war trotz ihrer
jüdischen Herkunft eine gute Freundin Wagners - ließ
sich Tochter Lili in ihrer gesamten Laufbahn nicht
auf ein Stimmfach festlegen.
Obwohl sie die Partien häufig wechselte und damit
auch von Fach zu Fach sprang, konnte sie ihren
'Gesangsapparat' flexibel halten und von der Königin
der Nacht und der Rosina, Gilda später über
Troubadour-Leonore auch die
Fidelio-Leonore,
http://youtu.be/2w3X2v6u3wI
und die Figaro-Gräfin,
http://youtu.be/1vPB_TegOnU
wie auch
Elvira und Anna, Norma
und dann auch die Walküren-Brünnhilde und die
Isolde
http://youtu.be/1GuqXbJMtlA
singen.
In
ihrer Karriere zeigte sie sich in 170 Rollen
'querbeet' - für den heutigen Opernhörer kaum mehr
vorstellbar, da man sich gerade bei Wagner an einen
schwereren Stimmklang gewöhnt hat. Eine Venus sollte
nicht wie ein Blondchen klingen - beide Rollen sang
die Lehmann.
Die Zeit war eine andere, in der sie auftrat, der
favorisierte Klang einer Sopranistin, ein anderer
als heute, so dass die vorhandenen Aufnahmen der
Lilli Lehmann das heutige Publikum zwangsläufig -
abgesehen von den technischen Mängeln - irritieren
müssen. |
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Flotows
'Martha' am 25. November 1847 uraufgeführt
Nur wenige Theater können diese romantische Oper aus
der Zeit der Revolution in Deutschland und
Österreich noch spielen, denn nur an wenigen Häusern
ist die deutsche Sprache Pflicht für ein
Ensemblemitglied. Hinzu kommt, dass die deutschen
Theater nicht geneigt sind, die Stücke in deren Zeit
mit der Spannung zwischen Adel und Landvolk
aufzuführen, sondern à la mode und zur Belustigung
des Publikums der Handlung ein Bühnenbild und eine
Personenführung überstülpen, die mit dem Werk nichts
zu tun haben. |
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Hannover spielte es
unter Gartenzwergen und die DOB in einem Altersheim.
Und das Oberpf. Metropol-Theater Regensburg zeigte
eine Version 'Unter Robotern'.
Der 'Martha' war der 'Alessandro Stradella' mit
Erfolg vorausgegangen, so dass die Wiener Hofoper
ein weiteres Werk in Auftrag gab.
Dem mecklenburgischen Gutsbesitzer Flotow gelang es,
seine 'Martha' auch auf die internationalen Bühnen
zu bringen, Caruso sang den Lyonel 1906 und 1915 an
der Met. Das englische Ambiente führte zur Annahme
der 'Martha' mit ihrem Markt zu Richmond auf der
britischen Insel, Paris spielte es - die Oper war
international gefragt, im Gegensatz dazu waren die
Werke von Nicolai und Lortzing auf die deutschen
Bühnen beschränkt.
Flotows Lebenszeit -
am 27. April 1812 geboren - deckt sich nahezu mit
der von Richard Wagner: 1813 - 1883.
Er sollte, aus einer
adeligen Familie in der Uckermark stammend, in die
Diplomatie gehen - gab den Gedanken bald wieder auf
und widmete sich in Paris der Kompositionslehre.
Erste Stücke versuchte
er in Paris aufzuführen, was aber nur unter großen
Mühen möglich war. Als die Julirevolution Paris in
Unruhe versetzte, ging er zurück nach Mecklenburg.
1844 zeigte Hamburg
seinen 'Alessandro Stradella', dem in Wien 1847
'Martha oder der Markt zu Richmond' folgte.
1855 wurde er zum
Intendanten in Schwerin ernannt, ging aber 1863
wieder nach Paris zurück. Er starb 1883 in
Darmstadt.
Vicco von Bülow
inszenierte 1986 'Martha' am Staatstheater in
Stuttgart.
Weder die eine noch
die andere Oper von Friedrich von Flotow wie
'La Duchessede Guise',
'Der Förster',
'L'esclave de
Camoëns',
'Die Matrosen',
'Die Großfürstin
Sophia Katharina',
'Rübezahl',
'Albin',
'Veuve Grapin',
'Pianella',
'Zilda',
'L'Ombre',
'Am Ruinenstein'
wie auch die Ballette
'Die Libelle' und 'Tannenkönig'.
wurden seit der
Jahrtausendwende in die Spielpläne der Theater
aufgenommen. |
Fortsetzung von Seite 23, Heft zehn, Oktober-Ausgabe
Lohengrin
Die
Quellen -
Literarische und historische Grundlagen
Die
Forschung ist sich einig, dass von dieser Zeit des 9. Jh.
nur sehr wenige Quellen etwas über die Zeit Heinrich I.
aussagen. Die einzigen Primärquellen stellen die
Geschichtsschreibungen von Widukind von Corvey, (gest. nach
973) und Thietmar von Merseburg, (gest. 1018) dar.
Die in
der Beckerschen Weltgeschichte von Johann Wilhelm Loebell
gemachten Ausführungen geben keine weiteren Hinweise außer,
dass Heinrich 929 Prag eroberte und „[...] auch gegen die
Dänen unternahm er einen Feldzug, eroberte Schleswig [...]
und [...] stellte die Markgrafschaft Karl’s des Großen [...]
wieder her.
(Loebell, Johann Wilhelm, Karl Friedrich Becker’s
Weltgeschichte, Berlin 1836, Dritter Teil, Seite 221)
Hier
wird eine Quelle genannt, die RW zu seiner Textfassung in
der zweiten Szene des ersten Aufzuges führte „Und, König,
du! Gedenkst du meiner Dienste, wie ich im Kampf den wilden
Dänen schlug?“
Legt
man die aufgeführten Quellen der Dichtung Richard Wagners zu
Grunde, so lassen sich Stränge entwickeln, aus der die
Dramaturgie der Prosafassung und der vertonten Textdichtung
abgeleitet wurden und aus der sich die Protagonisten
ergeben:
• Lohengrin, der Schwanenritter vom Gral als Sohn
Parcivals,
• Elsa, die Herzogin von Brabant,
• Heinrich der Vogler, deutscher Regent,
• Friedrich von Telramund,
• die Gegenspielerin, noch unbenannt, auf der
Herzogin von Cleve
beruhend,
• der Heerrufer
Richard Wagner hat neben der eigentlichen Schwanrittersage
auch vom Thema völlig abweichende Literatur benutzt, um
hieraus seine Dichtung des ’Lohengrin’ zu verfassen. Aus den
Nibelungen wird der Streit der Königinnen vor dem Münster,
in den zweiten Akt des ’Lohengrin’ in das Gespräch Elsa /
Ortrud “Zurück Elsa, nicht länger will ich dulden, dass ich
gleich einer Magd dir folgen soll” übernommen.
’Die
Böse’, also die Gegenspielerin der weiblichen Lichtgestalt,
ist nicht in allen Quellen zum ’Lohengrin’ präsent. Sie wird
lediglich im Baierischen Lohengrin als Gräfin von Cleve und
bei den Brüdern Grimm als Herzogin von Kleve aufgeführt und
gilt ihm als Vorlage für die Ortrud als die Initiatorin des
Zweifels in Elsa und damit die Auslöserin der Frage nach der
Herkunft von Lohengrin und nach seinem Namen.
Basierend auf Richard Wagners verwendeter Literatur geht die
Figur der Ortrud auch auf das mit Zaubermitteln vertraute
Kammerweib in Albrechts ’Der jüngere Titurel’ zurück.
Mit
“Nu
wart ir sus geraten, sie solt von sinem liebe
ezzen einen braten der ergienc von einem kamerwibe:
‚heizet im nehmen den fuz zertenken siten
zu
an dem gejagede, senn er sie entslafen sunder striten!“
wird
Elsa vorgegeben ein Stück Fleisch aus Lohengrins Leib zu
essen, um ihn an sich zu binden.
(Albrecht, Der jüngere Titurel, Band III, Strophe 6020,
Seite 408, Berlin 1992)
So
zeigt sich der Hinweis von Ortrud in der Prosafassung “oh
hättest du ihm des Körpers kleinstes Glied entrissen nur”,
als eine Vorgabe aus dem ‚Jüngeren Titurel’.
Inwieweit Ortrud nun ’die Böse’ im Vergleich zu ihrer Zeit,
ihrer Männerumwelt, der Zeitgeschichte, der Gesetzgebung im
Sinne derer des 10., des 19. und des 21. Jahrhunderts zu
bezeichnen sein könnte, geht zunächst aus den Quellen nicht
hervor.
Dass
sie Elsa dazu verleitet, den unbekannten Ritter nach dessen
Herkunft zu fragen und dem Namen zu fragen, ist zunächst
nichts Ehrenrühriges.
Ganz
entscheidend für die persönliche Entwicklung und in Bezug
auf die Gestaltung der Frauenfiguren in Dichtungen und
Kompositionen Richard Wagners - speziell hier im Lohengrin -
ist das Gastspiel, das die damalige Primadonna der Dresdener
Oper in Leipzig gab und welches „[...] meinem künstlerischen
Gefühle plötzlich eine neue und für das ganze Leben
entscheidende Richtung gab.“
Richard Wagner erlebt sie als Fidelio-Leonore und nimmt
stärkste Eindrücke von dieser Vorstellung mit.
„Wenn
ich auf mein ganzes Leben zurückblicke, finde ich kaum ein
Ereignis, welches ich diesem einem in Betreff seiner
Einwirkung auf mich an die Seite stellen könnte.“
Nach
diesem Erlebnis zweifelt er an seinem Talent und er glaubt
„[...] erkennen zu müssen, dass eine große Verwirrung,
welche nun auf längere Zeit in mein Leben, namentlich in
meine Arbeiten eintrat, durch die übermäßige Erfülltheit von
dem Eindrucke dieser Kunsterscheinung veranlasst wurde.“
Es
kommt soweit, dass er nicht weiß „[...] etwas
hervorzubringen, was in unmittelbarem Verhältnis zu dem
empfangenen Eindrucke stehen möchte.“ Und er hätte gerne ein
Werk schreiben mögen, „welches der Schröder-Devrient würdig
gewesen wäre. [...]“ (ML S. 44)
Und
bei einem Aufenthalt in Nürnberg erlebt er die
Schröder-Devrient wieder als Fidelio-Leonore und als
Emmeline in die Schweizerfamilie. Letztere eine früheste
Jugendrolle der Sängerin, die sie eigentlich schon längst
abgelegt hatte und „[...] für welche sie sich kaum mehr
eignete und die sie auch zum Überdruss häufig gegeben [...]“
hatte.
Der
Eindruck, den die Darstellung dieses jungen Mädchens neben
der anderen Rolle innerhalb des Gastspiels, der heldischen
Leonore, auf Richard Wagner machte, zeigt sich in „[...]
Ergriffenheit und mein wahrhaftes Erstaunen, als ich an
diesem Abend die unbegreifliche Frau erst in ihrer wahrhaft
hinreißenden Größe kennenlernen sollte.“ (ML S. 113)
Und er
bedauert, dass die sängerischen und darstellerischen
Fähigkeiten dieser Sängerin „[...] nicht als Monument allen
Zeiten erkenntlich festgehalten und überliefert werden
kann.“ (ML S. 113)
Es ist
mit Sicherheit davon auszugehen, dass somit Wilhelmine
Schröder-Devrient maßgeblich die Dramaturgie seiner Werke
und der Rollengestaltung im Sinne seines Musiktheaters
beeinflusst hat.
Wilhelmine Schröder-Devrient war die erste singende
Darstellerin von Opernpartien in dem heutigen Sinne. Sie
hatte sich einem Interpretationsstil zugewandt, der sich
erheblich von dem der damaligen ’opera seria’ und ’opera
buffa’ unterschied, bei der die Sänger ihre Partien, in
Rezitative und Arien aufgeteilt, meist statuarisch an der
Rampe dem Publikum zugewandt präsentierten.
Entsprechend der Rolle der Leonore war sie im Spiel eine
aktive Frau, die nicht wie die Lyrischen sich der Freude
oder dem Elend der Rolle hingab, sondern dem
Erlösungsgedanken entsprechend agierte und damit deutlich –
schon von der Dramaturgie her – in den Ablauf der Handlung
eingriff.
Ein
wichtiger Anstoß für die Form der dramaturgischen Gestaltung
der Ortrud ist vor allem der Auftrag für Richard Wagner
gewesen, in Dresden nach dem Tod des Musikdirektors Rastelli
die ’Euryanthe’ von Carl Maria von Weber zu dirigieren. (ML,
Seite 264)
Hier
stehen dem lichten aber leidenden und erduldenden Paar
Euryanthe (Sopran) / Adolar (Tenor), die aktive Seite, der
Bariton Lysiart und seine Mitspielerin, der Mezzosopran,
Eglantine gegenüber.
Diese
Konstellation – bereits aus der 'opera seria' bekannt - ist
die typische 'Schwarz-Weiß-Malerei’ des ’Gut / Böse Schemas’
der Opernliteratur.
Wie im
’Tannhäuser’ der Elisabeth die Venus gegenübersteht, so ist
im ’Holländer’ das Schema nur insofern eingehalten, als der
Senta die Mary als Mutterrolle und als Alt-Partie beigegeben
ist.
Auch
im ’Lohengrin’ folgt Richard Wagner der Vorgabe, dass ein
Sopran die lichte Heldin als Dulderin und Erlöserin
darstellt und der Mezzosopran den Part der aktiv planenden
und gestaltenden Gegenspielerin übernimmt, sieht man davon
ab, dass Brünnhilde und Fricka oder Waltraute mit ähnlicher
Rollenverteilung bezogen auf die Stimmlagen belegt wären,
denn Fricka und Waltraute sind keine Negativpartien im Sinne
der Eglantine, sondern nur die jeweilige Mahnerin. Brangäne
ist die Vertraute Isoldes. Kundry beinhaltet in einer Figur
das Negative wie auch das Positive der Erlöserin.
Eglantine verhält sich gesetzeswidrig, indem sie sich z.B.
der Leichenfledderei schuldig macht.
Entscheidend ist, dass Richard Wagner entsprechend der
Zeitfolge der Veröffentlichungen der verschiedenen
Forschungsergebnisse ganz eindeutig nur einen Teil
unterschiedlicher Quellen gekannt haben kann.
Bereits 1826 also mit dreizehn Jahren hatte er Dichtungen
von E.T.A. Hoffmann kennen gelernt, der als Romantiker
versucht, das durch den Fortschritt der Naturwissenschaften
zusammengebrochene Universalweltbild in einen Idealismus zu
retten.
In
seiner Undine ist die Wassernymphe seelenlos aber
ausgestattet mit der unwiderstehlichen Sehnsucht nach
Beseeltheit, die sie nur durch Heirat mit einem Sterblichen
erlangen kann.
Die
Basis für diese Struktur liegt bereits um 1320 als Egenolf
von Stauffenberg die Historie von der ‘Nymphe im
Stauffenberg’, das Christian August Vulpius 1805
nacherzählte. In ’Des Knaben Wunderhorn’ haben Brentano und
von Arnim Romanzen des Ritters von Stauffenberg
aufgegriffen.
Das
Interesse an diesem Stoff seitens deutscher Dichter nach
1800 erklärt sich aus der romantischen Phantasie, in der ein
irdischer Partner eine erotischen Bindung mit dem
außerirdischen Wesen eingeht.
Die
damit einhergehende dramaturgische Verknüpfung von
Erlösungsidee und Liebestod entspricht den Vorstellungen von
Vereinigung des Wunderbaren mit dem Alltäglichen.
Dem
Schema der erlösenden Frau entsprechen die Figuren der
frühen Werke ‘Die Feen’, ’Holländer’ mit der Senta,
‘Tannhäuser’ mit seiner Elisabeth und der Elsa im
‘Lohengrin’.
Die
Quellen der Schwanensage reichen über die Zeit der Kreuzzüge
bis in die Antike zurück. Vorgeschichten wie die von
Johannes von Alta Silva geht von der Verwandlung der sechs
Kinder eines Königs durch die Großmutter aus, bei der nur
das siebte als späterer Schwanenritter die menschliche
Gestalt behält und die Geschwister erlöst.
Ovid
schildert in seinen Metamorphosen die Geschichte des Cygnus
als Sohn des Sthenelus, der sich in einen Schwan verwandelt
und sich damit Zeus entzieht.
Auch
wird Cygnus als Sohn Neptuns geschildert, der von Achill mit
seinen Lanzen nicht getötet werden kann, aber dennoch
stirbt. Der Leichnam wird von Neptun in einen Schwan
verwandelt.
Oder
Cygnus ist der Sohn Apolls und der Hyrie, der sich bei einem
Sturz von einem Felsen in einen Schwan verwandelt. Hieran
knüpft sich die Version nach der Cygnus sich aus Trauer um
den Tod seines Verwandten Phaeton, der den Sonnenwagen
seines Vaters Helios lenken wollte und dabei umkam, in den
Fluss Eridanos stürzte. Erzürnt über Phaeton verwandelten
die Götter Cygnus in einen Schwan, der seitdem als Sternbild
am Himmel seinen Platz einnimmt.
In der
bildenden Kunst ist die Geschichte von Leda mit dem Schwan,
wonach sich Zeus in die Gestalt eines Schwanes Leda nähert,
bekannt. Aus dieser Verbindung stammen die Dioskuren und
Helena, deren Geschichte in der Tragödie ‘Helena’ von
Euripides erstmalig erzählt wird.
Auch
in der indischen Mythologie spielt der Schwan eine Rolle,
als der Schöpfergott Brahma auf einem Schwan Hamsa reitet
und so die für das Wachstum notwendige Vereinigung von Erde
mit Wasser symbolisiert.
In
allen erwähnten Darstellungen, Verwandlungen, Metamorphosen
des Schwans ist dieser nicht unbedingt an das männliche
Geschlecht gebunden.
In der
‘Edda’, in den Erzählungen von ‘Tausend und einer Nacht’ und
im ‘Ozean der Märchenströme’ finden sich Schwanenjungfrauen.
Die
ersten Angaben dieser Art finden sich in China im 2.
Jahrhundert nach der Zeitenwende, wobei sich zunächst eine
Bindung an asiatische Ursprünge zu verdeutlichen schien,
dann aber eher an eine polygenetischen Entstehung glauben
ließ, da bei Völkern aller Kontinente die Symbolfigur
‘Schwan’ entdeckt wurde.
Nach
eigener Aussage hatte sich RW die ‚Deutsche Mythologie’ von
Jacob Grimm bereits im Jahr 1843 in seinen Urlaub nach
Teplitz mitgenommen.
Aus
dieser Sammlung entnahm er auch die Grundlagen seiner Werke
nach dem ’Holländer’ wie z.B. ’Tannhäuser’, ’Lohengrin’,
’Der Ring’ und ’Parsifal’.
Neben
den Ausführungen über die Welt der nordischen Götter nahm er
Ausführungen über die Schwanenjungfrauen auf.
Danach
kam ein „[...] schwan über die Meeresflut, im Lohengrin
geleitet ein redender schwan den held im schif [...]“
(Deutsche Mythologie, Jacob Grimm, Berlin, 1854, Band 1,
Seite 356)
Welche
der übrigen Schwanensagen RW letztendlich bekannt waren, ist
von der Forschung in dem Sinne nie untersucht worden. Man
stützt sich auf seine eigenen Aussagen in der Biographie
‘Mein Leben’ und seiner Dresdener Bibliothek, nach der er
letztlich von einem bestimmten ’Lohengrin’ ausging, somit er
zu diesem Zeitpunkt der Konzeption eine unmittelbare
Beziehung zu dem Stoff nach den Brüdern Grimm und dem
anonymen ’Baierischen Lohengrin’ aufnimmt, die dann zunächst
im Sommer 1845 zur Prosafassung und im Laufe des Herbstes
1845 zu einer frühen Fassung der Dichtung führt.
RW
stützt sich bei der Beschreibung der Situation im
’Lohengrin’ auf die ’Flandrische Staats- und
Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305’ von Leopold August
Warnkönig, Tübingen, 1835, die Teil seiner Dresdener
Bibliothek war und in der Angaben über Flandern mit dessen
Gerichtswesen zusammengefasst sind.
Interessanterweise wird hier die Lage von Flandern in großer
Breite dargelegt, während Brabant, nach den kartographischen
Belegen – östlich der Schelde nur eine geringe Fläche
einnehmend – in diesen Dokumenten kaum Erwähnung findet.
RW
nahm ganz offensichtlich in erheblichen Maße Eindrücke aus
dieser Lektüre auf und verarbeitete sie auch durch
Vermischung und damit Neuschöpfung von Worten in der
Textdichtung, während die Prosafassung vom Sommer 1845 –
möglicherweise wegen der fehlenden Hinweise, weil nicht mit
auf die Reise nach Teplitz genommenen ’Flandrischen Staats-
und Rechtsgeschichte’ – dieser Klarheit noch entbehrt.
Die
flandrischen Urkundensammlungen enthalten „[...] Traktate
mit den Herzögen von Brabant [...]“, die sich wiederum auf
ältere Quellen stützen, obwohl die „[...] römischen und
griechischen Klassiker [...] über die Gegenden, welche seit
der Mitte des neunten Jahrhunderts die Grafschaft Flandern
bildeten, nur wenige zerstreute Notizen [...] beinhalteten.
[...]“
„[...]
Seit der Völkerwanderung bis gegen das Jahr 860 hat Flandern
keine eigene Geschichte und die wenigen Urkunden und kurzen
Chroniken gehen auf die der Klöster zurück. (Flandrische
Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305’ von Leopold
August Warnkönig, Tübingen, 1835 S. 33 / 39)
Ab dem
Jahr 863 hat Flandern seine eigenen „[...] Grafen, zuerst
Markgrafen genannt, die von Zeit zu Zeit noch andere
Grafschaften besaßen [...]“.(Flandrische Staats- und
Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305 von Leopold August
Warnkönig, Tübingen, 1835 S. 84)
„[...]
Flanderns östliche Grenze war nach Norden bis zum Ausfluss
des Rüppels die Schelde, südlich von diesem das Herzogthum
Brabant [...]“ (Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis
zum Jahre 1305 von Leopold August Warnkönig, Tübingen, 1835
S. 222)
Durch
die wechselvollen Beziehungen zu den Nachbarn, dem West- und
Ost-Frankenreich und Friesland verschoben sich auch die
Territorialgrenzen Flanderns immer wieder und „[...] seit
dem zehnten Jahrhundert war Flandern beständigen
Verminderungen unterworfen; weshalb [...] nur noch ein
kleiner Theil desselben den ursprünglichen Namen trägt.“
(Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahre 1305
von Leopold August Warnkönig, Tübingen, 1835 S. 106)
Nach
Warnkönig ist die Schelde als Grenzfluss schon seit ältesten
Zeiten so auch schon seit den Merowingern bekannt. Der Fluss
wurde auch im Teilungsvertrag von Verdun 843 beibehalten und
so trennte die Schelde das Westfränkische Reich Karl des
Kahlen von dem Lothar I und weiter bis zu Herrschaft Lothar
II. im Jahr 855.
Erst
als das Mittelreich 870 auch aufgeteilt wurde, verlor die
Schelde die Bedeutung als Grenzfluss zwischen zwei Reichen,
behielt aber Symbolgehalt als Trennung zwischen Flandern und
Brabant. (FSURG Band 1 S. 223)
RW
legt den Gerichtsraum unter die Gerichtseiche am Ufer der
Schelde und folgt auch hier Vorgaben von Warnkönig, wonach
„[...] gewöhnlich in feierlichen Sitzungen gerichtet wurde
und in der Regel an den eigens dazu bestimmten Orten. Nur
der Graf hielt seine Curia da, wo er sich befand[...]“
Nach
Grimm wurde ein Gericht immer im Freien abgehalten, um den
Zustrom der Bevölkerung aufzunehmen. Meist handelte es sich
um einen Platz unter „[...] breitschattenen bäumen [..]“,
womit die Gerichtseiche durch RW manifestiert wird.
und
„[…] die ansicht des heidenthums verlangte zur
gerichtshaltung heilge örter, an welchen opfer gebracht und
gottesurtheile vorgenommen werden konnten.[...]“
Aus
den Quellen ist jedoch nicht ersichtlich, warum [hier auf
dem Berg, dort unter dem Baum, hier auf der Straße, dort auf
dem Wasser Recht gesprochen wurde.[...]“ (Grimm, Jacob,
Deutsche Rechtsaltertümer, Band 1, S. 411, Berlin 1828)
Nicht
nur der Ort, sondern auch die Zeit war vorgegeben und wenn
RW den König - während der Anhörung von Elsa - sagen lässt
„[...] hoch im Mittag steht schon die Sonne [...] so
bestätigt es die Übernahme der Aussagen aus der Flandrischen
Staats- und Rechtsgeschichte, wonach „[...] die Sitzungen
[...] vor zwölf Uhr, (ante nonam] sowohl im Winter als im
Sommer [...]“ begannen. (FSURG Band 3 S. 271/273)
In
seinen ersten Entwürfen legt RW den Ort des Gottesgerichts
mit der Bezeichnung 'Gestühl’ fest.
Dieser
Begriff ist RW bereits bei der Lektüre des ’Baierischen
Lohengrins’ aufgefallen, wo es sich um einen vorbereiteten
Ort der Reichsversammlungen handelt.
Ir
nahtselde ich will gedagen hovierens mit den vrouwen.
An dem vünften morgen vruo
Zwisschen Oppenheim und Mênz sie zogten zuo
Und legeten sich dâ nider ûf den ouwen.
(Anonymos, Lohengrin, Vers 187, Zeile 1880)
oder
Nû
quam der keiser in die stat.
Diu diu vüstì zogt, als er sie âendes bat,
hin ze dem gestüele und leget sich dâ ze velde.
(Anonymos, Lohengrin, Vers 191, Zeile 1904)
Nach
Warnkönig hat es sich seit frühester Zeit um ein Viereck,
gebildet aus Stühlen oder Bänken, gehandelt. „[...] Auf
einer Bank saßen die vom Bailli präsidirten Schöffen, ihnen
die öffentliche Ordnung wahrende, mit der Execution
beauftragte Schultetus, auf den beiden Seitenbänken der
Kläger und der Beklagte. [...]“ (* S. 281)
Offensichtlich in Ermangelung der flandrischen Staats – und
Rechtsgeschichte gibt RW im Sommer 1845 in der Prosafassung
dem Marschall die Aufgabe, Aussagen des Königs zu verkünden.
Später
übernimmt er aus der Flandrischen Staats- und
Rechtsgeschichte – ihm nun zur Verfügunng stehend – in der
sich mehrere Urkunden befinden „[...].in welchen von den dem
[...] Praeco [...] zukommenden Gebühren die Rede ist. [...]“
Es
handelte sich bei einem Praeco um eine Person, die Aufträge
von Institutionen ausführte, wie Eintreiben von Forderungen,
Ladungen zu Gerichtsverhandlungen und Veröffentlichung
amtlicher Bekanntmachungen.
Und
somit verändert RW im Herbst 1845 bei der Textdichtung den
Marschall in Heerrufer, einen Begriff, den er aus der
Übersetzung des lateinischen Wortes Praeco = Herold /
Ausrufer zu seiner Wortschöpfung ’Heerrufer’ zusammenfasst.
Sehr
detailliert sind in der Flandrischen Staats- und
Rechtsgeschichte die Strafen aufgeführt, die ein im
Mittelalter begangenes Vergehen oder Verbrechen nach sich
zogen.
Wurden
in großem Umfange selbst bei Mord und Totschlag noch
Geldbußen auferlegt, so verhängte man auch Strafen die
Schäden an Leib und Leben zur Folge hatten.
So
übernimmt RW auch die Strafe für den Freien [...] mit dem
Verlust seiner Hand.[...] (FSURG Band 3, Seite 242).
Für an
sich geringfügige Vergehen wie Nichterscheinen vor Gericht,
Nichtzahlung einer gerichtlich angeordneten Geldbuße oder
„[...] Fraß und Völlerei zur Nacht und zur Unzeit [...]“
wird „[...] die Verbannung als Hauptstrafe [...]“ verhängt.
Hier
ist allerdings nach den flandrischen Regeln auch ‚eine
Auflage machen’ zu sehen und nicht ein sofortiges Entfernen
außerhalb der Grenzen des Landes. So erläutert Warnkönig
diese Auflage mit „[...] bannus in pane, in vino [...]“
Als
weitere Steigerung zur Verbannung kann das Rechtlosmachen
angesehen werden, das aus dem lateinischen abgeleitet „[...]
gewöhnlich Exleges (flandr. Wettelosen) [...]“ dem
deutschen Geächteten gleichkommt.
Dieses
Rechtloswerden „[...] oft „[...] ipso jure ein, z.B. wenn
der Verbannte sich nicht in das Exilium begibt [...]“ oder
„[...] es wird durch ein Urtheil ausgesprochen: a) gegen den
flüchtigen Verbrecher, b) gegen den Verbannten.[...]“(FSURG
Band 3, Seite 173, 174).
Die
Namen der Verbannten waren auch „[...] öffentlich vom Praeco
bekannt zu machen [...]“. (FSURG Band 3, Seite 177).
In der
3. Szene des Zweiten Aufzugs entspricht RW weitgehend diesen
Vorgaben als er den Heerrufer als Praeco verkünden lässt,
dass Friedrich Telramund in „[...] Bann und Acht [...]“ sei.
Die
von RW benutzte Bestrafung durch die Acht entspricht der
Ächtung. RW überträgt die Konsequenzen der Verbannung und
Ächtung auf alle, die Telramund unterstützen, verfährt
dramaturgisch aber nicht rechtskonform als er in der fünften
Szene Telramund den Hochzeitszug ins Münster aufhalten
lässt, ohne dass aus den Anwesenden einer irgendwelche
Konsequenzen zöge.
Diese
Situation schafft RW bewusst und bringt sie in Verbindung
mit der im Mittelalter möglichen Urteilsschelte.
Hiernach ist es möglich, in eine Berufung zu gehen, indem
das Urteil als falsch angesehen und öffentlich dies
vorgetragen wird.
Nach
Warnkönig wird dies als „[...] das gewöhnliche Rechtsmittel
eines Verurtheilten, der Unrecht erlitten zu haben behauptet
[...] das Falschschelten des Urtheils [...]“ erwähnt. (FSURG
Band 3, Seite 268).
„Ein
gefundenes Urtheil anfechten hieß: es schelten (blasphemare,
blâmer) oder strafen.“
Bei
einem angefochtenen Urteil konnte eine Entscheidung durch
ein Gottesurteil herbeigeführt werden. Nach Grimm scheint
„[...] die entscheidung über das erbrecht der enkel Otto des
I. zeit [...] auf eine solche weise hervorgegangen zu sein
[...]“ (Grimm, Jacob, Deutsche Rechtsaltertümer, Band 2,
Seite 502, Berlin, 1828)
In der
ersten Szene des zweiten Aufzuges stützt sich RW bei der
Textpassage von Telramund gegenüber Ortrud „Erhebe dich
Genossin meiner Schmach [...]“ ebenso auf die deutschen
Rechtsaltertümer von Jacob Grimm, wonach „[...] die frau
[...] durch die ehe des mannes genoßin, in seine familie
aufgenommen [...]“ wird.
Weiter
wird sie „[...] seiner ehren theilhaftig [...] und „[...] se
is sin genotinne unde trit in sin recht [...]“. Sie teilt
mit ihm Tisch, Bank und Bett und sie hat die Schlüsselgewalt
über das haus „[...] der inneren hauswirtschaft [...]“.
Aber
dieses Recht wird durch die Schwiegermutter wieder
eingeschränkt, wenn Vater und Sohn zusammen wohnen.
(Grimm, Jacob, Deutsche Rechtsaltertümer, Berlin, 1828)
Warum
hier von RW aus dem tatsächlichen König Heinrich I. nach
Grimm ein Kaiser gemacht wurde, lässt sich nur schwer
nachvollziehen. Es mag die Ansicht vorherrschen, dass hier
der Wunsch nach einem geeinten Kaiserreich - dem des Karls
des Gr. entsprechend - ausgeprägt war.
Von
den zur Dichtung des ’Lohengrin’ verwendeten Quellen wird
auch von Richard Wagner die Zeit der Regentschaft Heinrichs
I. übernommen.
Die Forschung ist sich einig, dass von dieser Zeit des 9.
Jh. nur sehr wenige Quellen etwas über die Zeit Heinrich I.
aussagen. Die einzigen Primärquellen stellen die
Geschichtsschreibungen von Widukind von Corvey, (gest. nach
973) und Thietmar von Merseburg, (gest. 1018) dar.
(Wird
fortgesetzt)
Veröffentlichung des Goethe-Instituts
Zitat
|
Schiller im Selbstversuch:
wie deutsche Theater Bildung an Jugendliche
vermitteln
Klassiker wie
Lessing, Goethe oder Schiller führen die
Inszenierungshitlisten
der deutschsprachigen Theater an. Oft gehören die
Aufführungen zum
Schulstoff und bescheren den Bühnen jugendliches
Publikum. Doch der Bildungsauftrag der Theater
erschöpft sich nicht in der Vermittlung kanonischer
Stoffe. Theaterpädagogische Programme ermöglichen
den Zugang zu Klassikern zunehmend im Selbstversuch.
Am Schauspiel Hannover wirken Wendla, Moritz und
Melchior in ihren Jeans wie einer heutigen
Schulklasse entsprungen. Der Regisseur Nuran David
Calis
hat Frank Wedekinds 1906 uraufgeführte
„Kindertragödie“ Frühlings
Erwachen konsequent in die Gegenwart geholt.
Auch der Präsidentensohn Ferdinand in Falk Richters
Schiller-Inszenierung Kabale und Liebe an der
Berliner Schaubühne könnte ohne weiteres als
Zeitgenosse durchgehen: Er becirct die
Musikantentochter Luise zwischen Videowänden. Oft
sind die Zuschauer dieser Aufführungen kaum älter
als die Protagonisten auf der Bühne: 13- bis
16-jährige Schüler, die für die Theater einen nicht
unwesentlichen Wirtschaftsfaktor darstellen.
Klassiker als
Bühnenhits
Denn Klassiker, im
mehr oder weniger modernen Gewand, sind die
Bestseller auf deutschsprachigen Bühnen. Die
Jahresstatistik des Deutschen Bühnenvereins für die
Spielzeit 2006/2007 – die aktuellste, die derzeit
vorliegt – beweist es schwarz auf weiß. Mit Johann
Wolfgang Goethes Faust führt ein klassisches
Standardwerk die Liste der meist gespielten Stücke
an: Es wurde an 46 verschiedenen Bühnen inszeniert.
Auf Platz zwei folgt William Shakespeares
Sommernachtstraum mit 28, danach Friedrich
Schillers Kabale und Liebe mit 26
Inszenierungen. In den Vorjahren sah die Tendenz
nicht viel anders aus. Sobald Theater speziell
Stücke auf den Spielplan setzen, die im jeweiligen
Bundesland zum Abiturstoff gehören, brauchen sie
sich um die Auslastung kaum zu sorgen. Erfüllen die
Theater damit einen klassischen Bildungsauftrag, der
sich in anderen Medien und möglicherweise auch in
den Schulen immer mehr verflüchtigt?
Bildung als
Reflexionspraxis
In Konkurrenz zu
den von ihm sehr geschätzten Lehrern sieht sich der
Intendant des Hamburger Thalia Theaters Ulrich Khuon
zwar nicht.
Was aber den Bildungsauftrag betrifft, stimmt der
Theaterleiter, dessen Haus
von der Jury der Fachzeitschrift ’Theater heute’
bereits mehrfach zum „Theater des Jahres“ gewählt
wurde, zu. Jedenfalls, so lange man „Bildung“ nicht
als starren Werk-Kanon begreift, sondern als
Möglichkeit, lustvoll Welt und Gesellschaft zu
reflektieren: „Theater trägt dazu bei, dass man sich
selbst besser versteht – und damit auch die
anderen.“ Dass sich das Theater speziell zur
Vermittlung klassischer bzw. nicht auf Anhieb leicht
zugänglicher Stoffe eigne, liege an seinem ureigenen
Charakter, die Lektüre gleichsam zu verlebendigen.
Aus diesem Grund allerdings die Inszenierungsweise
an vermeintlich leichter Konsumierbarkeit
auszurichten, wäre die völlig falsche Strategie.
Nicolas Stemanns Thalia-Inszenierung von Friedrich
Schillers Jugendwerk Die Räuber zum Beispiel
ist zwar in seiner Besetzung der Brüder Franz und
Karl Moor mit einer Art Schiller-Boygroup durchaus
modern, aber interpretatorisch zugleich
anspruchsvoll. „Kunst hat das Recht, kompliziert zu
sein“, stellt Khuon klar. „Aber umgekehrt hat der
Zuschauer genauso das Recht, von uns zu erfahren,
was wir uns dabei gedacht haben.“ Deshalb legt er
von jeher großen Wert auf Vermittlungsprogramme und
theaterpädagogische Angebote insbesondere für
Jugendliche.
Theaterpädagogische
Begleitprogramme
Tatsächlich ist die
Theaterpädagogik – oft als Sprungbrett für den
Inszenierungsbesuch – weiter auf dem Vormarsch:
Publikumsgespräche, Workshops und eigene
Jugendtheatergruppen gehören von Hamburg bis München
zum Standard. Initiativen wie das vom Berliner Senat
geförderte Projekt TUSCH (Theater und Schulen), in
dem Theater jeweils die Patenschaft für eine
bestimmte Schule übernehmen, stehen dabei
exemplarisch für die Tendenz, den Bildungsauftrag
eher durch theaterpraktische Selbsterfahrung
einzulösen als durch Theorie in
Deutschunterrichtsmanier. Wer Schiller oder
Shakespeare einmal am eigenen Leib durchgespielt
hat, versteht sie auch als Zuschauer besser, lautet
die These dahinter. Im Maxim-Gorki-Theater stehen
Jugendliche der Kreuzberger Rütli-Schule gemeinsam
mit Profi-Schauspielern in Shakespeares ’Romeo und
Julia’ auf der Bühne.
Schiller-Praxis in der
Berliner Schaubühne
Dieses Credo für
mehr Praxis hatte sich Uta Plate schon längst auf
die Fahnen geschrieben, als sie vor zehn Jahren an
der Berliner Schaubühne als Theaterpädagogin begann.
Ähnlich wie Khuon sieht sie den Bildungsauftrag der
Theater weniger in der Vermittlung spezifischer
Inhalte als vielmehr darin, in einem geschützten,
nicht den üblichen Verwertbarkeitskriterien
unterworfenen Raum über sich und die Gesellschaft
nachdenken und ins Gespräch kommen zu können. Die
Kenntnis der jeweiligen Klassiker kann sie dabei bei
Gymnasiasten so wenig wie bei Hauptschülern
voraussetzen. Plate konzipiert ihre Workshops daher
als ’Einstiege’ vor dem Theaterbesuch und weckt die
Lust durch lebensnahe Aufgaben.
Bei Kabale und Liebe etwa sollen die Schüler
aufschreiben, welche äußeren Umstände sie selbst
anstelle der Standesunterschiede bei Schiller
heutzutage daran hindern könnten, mit einem
bestimmten Jungen oder Mädchen zusammen zu sein.
Wenn sie am Ende nicht nur den Klassiker, sondern
durch ihn auch etwas von sich selbst verstanden
haben, ist der Bildungsauftrag
optimal erfüllt. |
Zitatende
Der
Beitrag bedarf eines
Kommentars:
Seminare der Frau Plate an der Schaubühne in Berlin können
kaum Erfolg haben, wenn diese Veranstaltungen nicht die
betreffende Produktion behandeln. Dass die Teilnehmer –
übrigens nicht nur Jugendliche, sondern auch Senioren –
meinen, in einem Theaterraum durch ’Spielchen’ dem Stück und
dem Autor nahe zu kommen, so ist dies leider ein Irrtum und
es stellt sich bereits hier - bei der Einführungsseminaren -
die Frage, ob die Schaubühne dem Bildungsauftrag gerecht
wird oder ob da nicht schon in kleinem Rahmen Subventionen
verschwendet werden.
Dass Dramaturgen- bzw. Intendanten-Willkür die Werke
entstellt, zeigt sich beispielsweise bei Schillers ’Kabale’,
als an der Schaubühne die zentrale Rolle des Hofmarschalls
von Kalb gestrichen ist.
Wenn Herr Khuon in dem Beitrag des Goehte-Instituts vorgibt:
“Kunst hat das Recht, kompliziert zu sein“.
“Aber umgekehrt hat der Zuschauer genauso das Recht, von uns
zu erfahren, was wir uns dabei gedacht haben.“ – so wird
nicht klar, warum an dem von ihm geführten DT Ferdinand von
Walter wie Klettermaxe den ganzen Abend kopfüber / kopfunter
die, die Bühne umstehenden, Wände besteigen darf, vom
Regisseur auf die Problematik des Absolutismus eines
deutschen Fürsten zur Zeit Schillers aber nicht eingegangen
wird.
Es geht nur um Jokus, damit möglichst voll zahlendes
Publikum ’a Freid hoat’, die Sitze belegt, um die Auslastung
der Häuser zu sichern, zumal, wie ausgeführt wird, man die
Kenntnis von Klassikern “bei Gymnasiasten so wenig wie bei
Hauptschülern voraussetzen“ könne, die Häuser also nur mit
Hampeleien zu füllen sind.
Es ist höchst bedenklich, wie schützenswertes Kulturgut,
ohne Hemmungen, nur des Gags wegen, zu Lasten des
Steuerzahlers preisgegeben wird.
Besonders ist dies im Zusammenhang mit dem
Stipendiatensponsoring für Bayreuth zu sehen.
Google:
Thema_des_Tages_07._August_2014_'Stipendiatenkonzert'_RW-Logo.htm
Google:
Thema_des_Tages_17._August_2016_'RWV-Stipendiatenkonzert'.htm
Die neapolitanische
Oper – Stimmfach und Charakter
(Fortsetzung der Oktober-Ausgabe Seite 27)
1.9 Die Ausbildung
Ein wesentlicher Teil
der Sängerausbildung vom 16. - 19.Jahrhundert bestand in der
Schulung des Variationsvermögens, zum virtuosen Passagieren
bzw. Koloraturen-Gesang.
Abgesehen davon, dass in
Norditalien ein helles Stimmtimbre, im Süden dagegen ein
dunkler Stimmklang bevorzugt wurde, pflegten alle Schulen
weitgehend dieselbe technische und musikalische
Grundausbildung in den Konservatorien, die meistens sechs
bis neun Jahre dauerte. Die Schüler erlernten ein
Instrument, das Lesen von Noten, Schlüsseln, Pausen und das
Solmisations-System.
"Erst wenn der Schüler
mühelos in Tonschritten, Intervallen und in Gruppen von
Tönen die Stimme in der Mittellage klar und rein ansetzen
konnte, wurde zunächst mit dem Aushalten, dann mit leichtem
Anschwellen der Töne und schließlich mit dem Training der
'Messa di Voce', begonnen."
Caccini bestand schon auf
der Bedeutung des Crescere la voce, der Kunst des An- und
Abschwellen der Töne.
Tosi betrachtete sie als
wichtigstes Stimmbildungsmittel überhaupt.
Ergänzt wurde die Messa di
Voce beim fortgeschrittenen Schüler durch den Esclamazio
viva und durch den Esclamatio languida.
"Mit diesen Vorübungen
wurde die Stimme sachte gestärkt und fast unbewusst die
Kontrolle des Atems trainiert, gleichzeitig aber auch eine
sorgfältige Entwicklung und Zusammenführung der
Stimmregister erzielt"
Die Kunst der rhythmisch -
melodischen Auszierung war für jeden geschulten Sänger bis
zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine selbstverständliche
Praxis und er war damit der Partner des Komponisten, der
durch Noten nur das zur Bestimmung des Charakters notwendige
Gerüst niederschrieb.
Etwas als wunderbar und
staunenswert erleben zu lassen, war der Ansatz zu dem
Prinzip des an Italien orientierten Operngesangs. Die
Virtuosität vermittelte menschliche Gefühle in der
Zauberwelt der mythologischen Fabeln des 17. und 18.
Jahrhunderts. Der 'Stile pianato', der auf Melodien ohne
Fiorituren und Ornamente (oder mit sehr sparsamer
Verzierung) basierte, und der 'stile fiorito' mit seinen
reichen, 'passaggi di agilita' waren die Mittel bei der
Wiedergabe von Empfindungen und Leidenschaften mit dem Ziel
der Stilisierung und Verklärung.
Vorschläge und Nachschläge,
der Triller, die kleinen Ausschmückungen einer Melodie bis
zu vier, fünf Tönen, 'accenti' genannt, der Ohrenkitzel der
'passaggi', der Schleifer, die 'tirata', der 'groppo' in der
Kadenz, die Bebung, das 'portar la voce', 'marcato'
gesungene Koloraturen mit dynamischen Schattierungen, das
Diminuieren, d.h. längere Notenwerte werden in kleinere bei
Beachtung des Taktes aufgeteilt, 'anticipazione' und 'cercar
della nota' und manches mehr waren die 'Manieren' des
Kunstgesanges, wurden von den Sängern erwartet und haben
grundsätzlich im wiederholten Schlussteil der Da-capo-Arie
ihren Platz.
In der Übersetzung von
Agricola schreib dazu Tosi: „Im ersten Teil verlangt man
nichts als ganz einfache Auszierungen, weiche aber
schmackhaft und ihrer wenig sein sollen, damit die Arbeit
des Verfassers in ihrer natürlichen Schönheit zum Gehör
komme.
Im anderen Theile will man,
bey der edeln Einfalt, noch etwas mehr von Auszierungskunst
hören damit ein Verständiger merken könne, daß die
Wissenschaft des Sängers einen weiteren Umfang habe.
Wer endlich beim
Wiederholen vom Anfange, nicht alles das, was er vorher
gesungen hat, durchs Verändern noch schöner und besser
macht, als es aufgeschrieben ist, der ist gewiß kein großer
Held".
1.10 Die Ausbildungsstätten
'Italien sorgte für die
Sängerausbildung in einer Weise, die für alle übrigen Länder
vorbildlich wurde.
Es besaß in seinen
Konservatorien und Singschulen die Ausbildungsstätten für
den Gesang, aus dem sie Europa mit Sängern und Sängerinnen
versorgten.
Es waren besonders die
Konservatorien: In Venedig, die schon im 16. Jahrhundert
entstanden und ursprünglich Krankenhäuser und Waisenhäuser
für arme Mädchen waren. Sie wurden vom Staat oder aus
privaten Mitteln unterhalten. Gegen Ende des 17.
Jahrhunderts entwickelte sich allmählich eine immer stärkere
Pflege des musikalischen Unterrichts, bis bald richtige
Musikschulen daraus entstanden, in denen die Mädchen nicht
nur im Gesang, sondern auch in allen Orchesterinstrumenten
und im Dirigieren ausgebildet werden konnten.
Die Verwaltung lag in den
Händen von reichen Musikliebhabern. Die Anzahl der Zöglinge
schwankte zwischen 50 und 70. Die Aufnahmebedingungen waren
(z.B. in Venedig) Armut, Krankheit und Angehörigkeit zur
Republik. Die Anstalten waren eine Art Kloster, in denen die
Mädchen bis zu ihrer Verheiratung, die mit einer Stiftung
des Ehemannes an die Schule erkauft werden konnte, oder bis
zu ihrer Reife zur Ausübung ihres musikalischen Berufs als
Sängerinnen an den Theatern oder als Orchestermitglied in
den Kapellen oder als Lehrerinnen in und außerhalb der
Schule.
Außerhalb der
Konservatorien gab es in Italien all die großen
Gesangsschulen, in denen Sänger und Sängerinnen ausgebildet
wurden.
Berühmte Schulen waren in
Neapel, Bologna, Venedig, Florenz, Mailand, Rom, Genua und
Modena.
Allgemein geschah das erste
Auftreten sehr früh, so dass das Studium schon im späteren
Kindesalter begonnen haben muss.
Es kam vor, dass eine
Sängerin schon mit dem 13. Lebensjahr auf der Bühne stand.
Entsprechend früh, nach 20- oder 30- jähriger Blütezeit,
waren die Stimmen meist verbraucht.
'Die Altersveränderungen
des Kehlkopfs und der Stimme sind von morphologischen,
endokrinologischen, biochemischen, zentralnervösen und
neuromuskulären Faktoren abhängig. Es ist daher mit dem
Erlöschen der Ovarialfunktionen und den damit verbundenen
neuro-vegetativen und psychischen Begleitsymptomen bei der
Kunststimme der ständige Verlust von Glanz und Höhe möglich.
An den Stimmlippen setzen
zwischen dem 51. und 70. Lebensjahr die morphologischen
Veränderungen ein, welche nach dem 70. Lebensjahr in
ausgeprägter Form vorliegen.
Aufgrund der
morphologischen, zentralnervösen Altersveränderungen im
Windkessel, Ossifikationen des Kehlkopfknorpels, Deszens des
Kehlkopfs, respiratorischer Altersinsuffizienz,
Spannungsverlust der Stimmlippen, mit einem inkompletten
Glottisschluss und einer gestörten phonoexpiratorischen
Koordination wird die Stimmgebung im höheren Lebensalter
hauchig, die Stimme verliert an Stärke und Ausdauer und
wirkt insgesamt schlaff und zittrig, dabei aber schärfer?.
(Wird fortgesetzt)
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Situationen des Todes und der Liebe
Interview mit Komponist Ludger
Vollmer, zu dessen Oper
’Lola rennt’ |
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|
Filmregisseur und Autor Tom Tykwer hat in
seinem mehrfach preisgekrönten und von
Publikum und Kritik gleichermaßen begeistert
aufgenommenem Film Lola rennt den
zutiefst menschlichen Traum, die Zeit
zurückzudrehen und beim nächsten Versuch
alles besser machen zu können, beim Wort
genommen.
Gleich dreimal
darf Lola losrennen, um Geld zu besorgen,
das ihren Freund Manni retten soll. Dreimal
hat Lola dieselbe Zeitspanne von zwanzig
Minuten zur Verfügung, jedes Mal mit kleinen
Unterschieden im Detail, die die Handlung
jeweils zu einem völlig anderen Ausgang
führen. Tykwers irrwitziges Spiel mit Zeit
und Möglichkeit kommt nun auf die
Opernbühne.
Mit dem Komponisten Ludger Vollmer (* 1961),
der mit Kirchen- und Kammermusik vor allem
mit Arbeiten für die Bühne international und
mit höchster Anerkennung in Erscheinung
trat, haben wir ein Interview geführt.
Wie oft haben Sie
den Film ’Lola rennt’ schon gesehen und
gesichtet?
Sehr oft. Die
Analyse des Quellstoffes auf kleinste
Details und Intentionen hin war gerade hier
Voraussetzung für ein autonomes Kunstwerk,
welches die Oper ja sein soll.
Stehen Sie in Kontakt mit Tom Tykwer? Wie
reagierte er, als er hörte, Sie vertonen
seinen Filmstoff?
Das Projekt gefiel ihm und er vertraute mir.
Allerdings schrieb er, dass er wie immer
kaum Zeit habe, sich in das Projekt
einzubringen.
Das Libretto: Wer
schreibt es, inwieweit ist es deckungsgleich
mit dem Filmdrehbuch?
Das Libretto
wurde von der Theaterautorin Bettina Erasmy
geschrieben. Es erzählt die Geschichte des
Films, allerdings so aufbereitet, dass die
speziellen Anforderungen der Kunstform Oper
berücksichtigt wurden. An manchen Stellen
wurden Aspekte, die Tykwer im Film schon
gesetzt hatte und die mir für die Oper sehr
wichtig erschienen, etwas verbreitert,
ausgebaut.
Hält sich Ihre
Komposition auch an den zeitlich gesetzten
Rahmen von dreimal 20 Minuten? Ist das
überhaupt möglich?
Der Film hält
diesen Rahmen selber nicht ein! Die drei
Runden haben eine Länge von 24, 19 und 20
Minuten, dazu kommt ein Prolog von
sechseinhalb Minuten und ein Epilog von 14
Sekunden, macht etwa 70 Minuten. Meine Oper
hat ebenso die Einteilung in drei Runden,
gerahmt von Prolog und Epilog. Sie wird
etwas länger werden, circa 90 bis 95
Minuten. Zeit wird in der Oper durch die
primäre Präsenz der Musik anders
wahrgenommen als im Film, dem musste ich
Rechnung tragen.
Inwieweit spielt
der Score des Films (Musik von Franka
Potente mit Thomas D., Tom Tykwer oder
Charles Ives) auch für Ihre Arbeit eine
Rolle?
Überhaupt keine.
Eine Einbeziehung der Originalmusik hätte
nicht nur rechtliche Probleme nach sich
gezogen, sondern vielmehr das gesamte
Projekt einer Oper über Lola rennt
ästhetisch ernsthaft gefährdet. Es sollte,
wie gesagt, ein autonomes Kunstwerk werden.
Das wäre keinesfalls möglich, hätte ich die
Filmmusik auch nur einmal zitiert.
Schreiben Sie dem
Ensemble die Partien auf den Leib oder
werden die Stimmen gezielt nach den von
Ihnen geschriebenen Partien gesucht?
Ich durfte meine
Vorstellungen über die Stimmfächer der
Protagonisten äußern; das Theater schlug mir
die Solistinnen und Solisten vor, und ich
habe mich dann mit ihnen persönlich in
Verbindung gesetzt, um ihre Stimmen
„auszumessen“ und zu prüfen, ob spezielle
Gesangstechniken, Spitzentöne und Linien,
die ich in ’Lola rennt’ anwenden wollte, für
sie auch realistisch sind.
Ein paar Worte
zur Orchestersprache. Sitzen im Graben
Instrumentalisten wie für eine Mozartoper
oder hören wir auch E-Gitarre, Schlagzeug,
Synthesizer?
Das Orchester ist
zunächst einmal ein ganz normales
klassisches Opernorchester mit akustischen
Instrumenten. Allerdings ist die Komposition
schlagzeugbasiert, das heißt, wir haben
einen Paukisten, zwei Schlagzeuger und ein
Drumset. Die ständige Präsenz des pulsenden
Grooves steht für mich als Symbol der
permanent ablaufenden Zeit; es gibt in der
Oper aber wie im Film Situationen, wo die
Zeit stehen bleibt: die Situationen des
Todes und der Liebe. Dort wird es Groove im
eigentlichen Sinn nicht geben. Ich greife
auf A-cappella-Techniken des Chors, sehr
sparsame Instrumentierung durch
Melodieinstrumente und schwebende Flächen,
erzeugt durch Vibraphon und Windmaschine,
zurück.
Nach ’Paul und
Paula’ und‚Gegen die Wand’ nun ’Lola rennt’.
Was reizt Sie, Opern auf Filmstoffe zu
schreiben?
Es ist die
Ästhetik und die daraus folgende
hochgeschwinde Dramaturgie des Films, die
vor allem jüngeres Publikum in seinen Hör-
und Sehgewohnheiten nachhaltig geprägt hat.
Für den Opernkomponisten halten schnelle
Schnitte, scharfe Kontraste, weite szenische
Sprünge und der drängende Rhythmus der
Filmdramaturgie spannendste
Herausforderungen bereit. Zudem: Die alten
Meister hatten nur die Möglichkeit, auf
Romane, Erzählungen oder Theaterstücke
zurückzugreifen. Hätten Mozart oder Verdi
den Film gekannt, ich bin überzeugt, sie
hätten sofort darauf zurückgegriffen.
Schauen Sie im Rückschluss auf Stoffe wie
’Herr der Ringe’ oder Scores wie die von
John Williams, die ganz sicher von Wagner
inspiriert wurden!
Was unterscheidet
’Lola rennt’ von anderen Opern?
In ’Lola rennt’
wird ja dieselbe Geschichte dreimal
erzählt – immer mit einem neuen Ausgang, der
sich durch eine minimale Zeitverschiebung
ergibt. Das machte die Oper auch zu einer
besonderen Herausforderung für meine
Variationstechnik: Natürlich kann man nicht
dreimal dieselbe Geschichte erzählen, ohne
zu ermüden. Und doch muss es den Anschein
haben, dass man genau das tut. Ein
Paradoxon.
Haben Sie eine
spezielle Botschaft, die Sie persönlich mit
der Oper dem Publikum mitteilen möchten?
In ’Lola rennt’
geht es um die Verletzlichkeit und
Endlichkeit, aber auch die
Durchhaltefähigkeit menschlicher
Beziehungen, menschlicher Liebe vor dem
Hintergrund der rasant ablaufenden Zeit.
Liebe – und ich meine hier nicht nur die
Liebe zwischen Mann und Frau – durchbricht
tödliche Automatismen und ist in der Lage,
die Zeit, die Welt anzuhalten. Wenn wir uns
ihr öffnen, gibt es überraschende Auswege
aus der Hoffnungslosigkeit. Der Mensch rückt
wieder in die Mitte. Eine beglückende
Erkenntnis, nicht wahr?
Hätten Sie eine
Antwort: Wie kommt man ganz schnell zu ganz
viel Geld?
Ich zitiere mal
Tewje, den Milchmann aus ’Anatewka’: „Möge
der Himmel mich damit überschütten!“ |
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Walhalla -
Klassizismus mit bester Aussicht
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Geschmäht, beliebt und kontrovers
diskutiert: Die Walhalla König
Ludwigs I. feierte am 18. Oktober
2017 ihren 175. Jahrestag der
Eröffnung.
|
Die
umliegende Landschaft beherrschend, erhebt
sich östlich von Donaustauf auf dem Bräuberg
die Walhalla. Mit diesem klassizistischen
Bau in Gestalt eines von Säulen umgebenen
Tempels entstand im Auftrag des bayerischen
Königs Ludwigs I. (1786–1868) eines der
bedeutendsten deutschen Nationaldenkmäler
des 19. Jahrhunderts.
Vor dem Hintergrund des als schmachvoll
empfundenen Siegeszugs der napoleonischen
Armeen wuchs in Ludwig, damals noch
Kronprinz, ab 1807 die Idee für einen
Gedächtnisort, an dem verdiente
deutschsprachige Männer und Frauen gewürdigt
werden sollten. Der Name Walhalla verweist
auf das Kriegerparadies der germanischen
Mythologie. wie diese sollten verdiente
Persönlichkeiten einen Ort der
immerwährenden Erinnerung erhalten.
Der Ort war nicht willkürlich
ausgesucht. Mit dem gotischen Regensburger
Dom in der Mitte, der auf Initiative König
Ludwigs seine Helme erhielt, mit der
Walhalla, die an die griechische Klassik
gemahnt und mit der 20 Jahre später
eröffneten Befreiungshalle bei Kelheim, ein
Rundbau nach byzantinischem Vorbild,
demonstrierte Ludwig sein Programm von einem
universellen Königtum.
Entworfen hat die Walhalla der bevorzugte
Architekt Ludwigs I., Leo von Klenze
(1784–1864), einer der wichtigsten
Baumeister des Klassizismus. 1830 erfolgte
die Grundsteinlegung, zwölf Jahre später, am
18. Oktober 1842, konnte der Bau feierlich
eröffnet werden. Inspiration für den Entwurf
lieferte Klenze der Parthenon auf der
Athener Akropolis. Diese Anregung verband
Klenze mit weiteren historischen Motiven und
kombinierte sie mit den modernen
Errungenschaften der zeitgenössischen
Bautechnik zu einer eigenständigen
Architekturschöpfung. Das Dach wird von
einer für die damalige Zeit modernen
Eisenkonstruktion getragen.
Der innen und außen mit kostbarem Marmor
verkleidete Tempel erhebt sich über dem
gewaltigen gestuften Unterbau. Er sollte
ursprünglich die sogenannte Halle der
Erwartung mit Büsten der zukünftig noch zu
ehrenden Personen aufnehmen. Im Inneren sind
entlang der Wände die Büsten und
Gedenktafeln der von Ludwig I. und seinen
Beratern ausgewählten ’Walhalla-Genossen’
aufgereiht, eine Zusammenstellung der im 19.
Jahrhundert als vorbildlich erachteten
Herrscher, Feldherren, Wissenschaftler und
Künstler. Zu Recht fragt man sich heute,
aufgrund welcher Verdienste Hans von
Hallwyl, Georg von Frundsberg oder Amalie
Elisabeth von Hanau-Münzenberg in die
Walhalla aufgenommen wurden. Die Idee eines
Ruhmestempels galt schon zur Zeit ihrer
Entstehung als fragwürdig. Heinrich Heine,
dessen Büste 2010 Einzug hielt, sprach sich
vehement gegen eine solche Ehrung aus, er
wollte nie in die „marmorne Schädelstätte“
integriert werden.
Die ursprünglich 96 Büsten beziehungsweise
Tafeln wurden im Lauf der Jahre immer wieder
ergänzt. Lediglich zwölf Frauen sind zu
finden. Momentan liegt eine Liste mit
Vorschlägen für Neuaufnahmen von circa 100
Persönlichkeiten vor. Darunter Franz Kafka,
Friedrich Nietzsche und Dietrich Bonhoeffer.
Die Entscheidung für die Neuaufstellung von
Büsten erfolgt durch den bayerischen
Ministerrat auf Empfehlung der Bayerischen
Akademie der Wissenschaften. Grundsätzlich
kann jeder Bürger und jede Institution
Persönlichkeiten für die Ehrung in der
Walhalla vorschlagen. Wer eine Neuaufnahme
anregt, muss auch die Kosten für die
Anfertigung der Büste und Aufstellung
übernehmen.
Aber vielleicht sind Inhalt und Sinngehalt
der Walhalla gar nicht der Grund, dass sie
nach und nach zu einem Besuchermagneten
wurde. Wegen fehlender Verkehrsverbindung
hatte der Ruhmestempel nach seiner
Fertigstellung kaum Besucher zu verzeichnen,
sodass man schließlich eine eigene
Eisenbahnstrecke von Regensburg zur Walhalla
realisierte, die bis 1960 Ausflügler und
Touristen in reicher Zahl beförderte. Zu den
aktuell 131.000 zahlenden Besuchern jährlich
kommen noch einmal so viel, die in erster
Linie das Erleben großer Architektur in
zauberhafter Landschaft suchen.
Alle Erzählungen, die Nationalsozialisten
hätten die Walhalla bevorzugt als Kulisse
für ihre Ideologie genutzt und weitreichende
Pläne mit dem Denkmal gehabt, gehören ins
Reich der Legenden. Lediglich ein
Propaganda-Auftritt ist belegt: die
Aufstellung des Büste des Komponisten Anton
Bruckner, der Adolf Hitler 1937 persönlich
beiwohnte. Die Präsentation der Büste
Adalbert Stifters 1944 durch Hitler wurde
aufgrund der Kriegswirren abgesagt. Auch gab
es in der „Halle der Erwartung“ niemals eine
Hilterbüste oder später entfernte Bildnisse
von Nazigrößen, wie oft geraunt wird. Die
Kellergewölbe hinter den pyramidenartig
aufgeschichteten Stützmauern mit dem
Aufstieg zur Walhalla wurden nie ausgebaut
und nie genutzt. In der Tat war geplant,
hier die Marmorbüsten verdienter
Persönlichkeiten aufzustellen, bis sie 20
Jahre nach dem Tod der Dargestellten
feierlich Aufnahme in der lichten Höhe des
Ruhmestempels finden sollten. Der pompöse
Aufgang mit seinen 385 Stufen zeigt
unverkennbar Anklänge an die antike
ägyptische Architektur.
Warum die Walhalla bei Donaustauf, vor 175
Jahren von seinem Erbauer als sichtbares
Zeichen der deutschen Einheit geplant, in
der breiten Bevölkerung bis heute kaum als
Nationaldenkmal wahrgenommen wird, warum die
Ruhmeshalle in der Bevölkerung nie die
Identifikation mit beispielsweise dem
Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, dem
Niederwalddenkmal bei Rüdesheim, dem
Hermannsdenkmal in Detmold oder dem
Kyffhäuserdenkmal bei Steinthaleben im
thüringischen Kyffhäuserkreis erreichte,
darauf hat der Regensburger Kunsthistoriker
Jörg Träger (1942–2005) die vielleicht
beste Antwort gefunden: „Der Name der
Walhalla ist nordisch, die Architektur
griechisch-dorisch, die Idee entfernt
französisch, die Büsten sind aus
italienischem Marmor, und unter den Helden
finden sich Engländer, Schweizer, Schweden,
Holländer, Balten, Österreicher, Polen und
Russen, einfach weil sie ihrerzeit
’teutscher Zunge‘ waren.“ In diesem Sinne
darf die Walhalla vielleicht in Zukunft als
Mahnmal einer europäischen Einheit begriffen
werden. Das wäre gut, das wäre schön und es
wäre in diesen Zeiten genau das richtige
Signal.
Walhalla
Adresse: Walhallastraße 48, 93093 Donaustauf
Telefon: 09403.961680
Internet:
schloesser.bayern.de/deutsch/schloss/objekte/
walhalla.htm
Öffnungszeiten: April bis Oktober: 9.00 bis
18 Uhr
(letzter Einlass: 17.45 Uhr); November bis
März: 10.00 bis 12.00 Uhr und 13.00
bis 16.00 Uhr (letzter Einlass: 11.45 Uhr
bzw. 15.45 Uhr). Geschlossen am
1. Januar, Faschingsdienstag, 24., 25. und
31. Dezember.
In der Walhalla finden keine regelmäßigen
Führungen statt.
Audioguides (auch in englischer Sprache)
sind vorhanden
Eintrittspreise: 4 Euro regulär, 3 Euro
ermäßigt
Barrierefrei: Für gehbehinderte Besucher,
die im Besitz eines EURO-Schlüssels sind,
ist die Zufahrt mit dem Pkw möglich. Die
Eingangsebene ist barrierefrei über eine
Zugangsrampe an der Nordseite zu erreichen.
Parkmöglichkeiten: kostenpflichtige Pkw- und
Busparkplätze vorhanden
Die Walhalla wurde von 2004 bis 2014 für
13,3 Millionen grundlegend saniert.
Seit 2016 wird sie von der Bayerischen
Schlösserverwaltung betreut. |
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Niedersächsische Staatstheater Hannover GmbH
Bemerkungen eines Vollzahlers zur
Repertoirevorstellung
'Der fliegende Holländer' – am 20. Oktober 2017 |
Bekanntmachung der
Nds. Staatstheater Hannover GmbH
Zitat
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Das Meer: aufgepeitschte
Wellen, sprühende Gischt, brausender Wind, ein Klang
von Abenteuer; der Mensch auf seinen Schiffen,
jederzeit der Katastrophe des Schiffbruchs in der
unbezähmbaren Naturgewalt der See ausgesetzt. Der
Holländer: Er hat sich in die Stürme geworfen,
Flauten und unberechenbaren Luftströmen getrotzt, um
seine Ziele in den fernen Häfen der Welt zu
erreichen – und im Moment größter Not, in der jeder
vernünftige Mensch die Segel gestrichen hätte und
umgekehrt wäre, hat er sich über das menschlich
Mögliche erhoben, das Schicksal, die Natur und Gott
herausgefordert. Der Lohn für seine Hybris ist ein
Fluch, der es ihm nur noch alle sieben Jahre
gestattet, an Land zu gehen und Erlösung zu suchen.
Nur eine Frau, die ihm auf ewig Treue schwört, kann
ihn von seiner Unbill befreien. Bis dahin trägt er
den unsteten Rhythmus des Meeres, den Klang der
Katastrophe – womöglich bis ans Ende aller Tage – in
sich.
Senta: könnte sie
die Erlösung des Holländers sein? Der Klang ihrer
Sehnsucht entspringt dem endlosen Rattern der
Spinnräder – an Land, bei den Frauen, die auf die
Heimkehr ihrer seefahrenden Männer warten, auf
Geschenke aus fernen Landen. Obsessiv träumt sich
Senta einen Mann wie den Holländer herbei, der
diesem monotonen Rauschen der Räder ein eigenes,
gewaltiges Rauschen entgegensetzen kann – einen
Mann, wie es der Förster Erik niemals sein kann:
Seine Liebesbekundungen gegenüber Senta, die diese
einst wohl erwiderte, sind wie ein lauer Wind über
Wiesen und Wälder. Sieben Jahre sind seit dem
letzten Landgang des Holländers verstrichen. Das
Schicksal führt ihn mit Sentas Vater Daland
zusammen. Dieser – ganz Geschäftsmann – wittert
seine Chance auf Reichtümer, wenn er Senta zur
Heirat mit dem Unbekannten bewegen kann. Und
tatsächlich: als sich der Holländer und Senta
begegnen, tritt zum ersten Mal Stille in die Herzen
der beiden Suchenden. Doch ist es der stille
Einklang zweier Herzen, die ihre Bestimmung gefunden
haben – oder die unheilvolle Stille im Auge des
Sturms, dem Unheil folgen wird?
Das Tosen der
Wellen, der durch die Segel heulende Wind: All dies
ist in der Ouvertüre zu Richard Wagners Der
fliegende Holländer zu hören – fast zu spüren –,
wenn die Hörner des Orchesters ihr Signal in die
tremolierenden Streicherwogen hinausrufen. Wagner
selbst war wenige Jahre vor Entstehen der Oper knapp
einem Unglück entkommen bei seiner Überfahrt von
Riga via England nach Paris: »Diese Seefahrt wird
mir ewig unvergeßlich bleiben; sie dauerte drei und
eine halbe Woche und war reich an Unfällen. Dreimal
litten wir von heftigstem Sturme, und einmal sah
sich der Kapitän genöthigt, in einem norwegischen
Hafen einzulaufen. Die Durchfahrt durch die
norwegischen Scheeren machte einen wunderbaren
Eindruck auf meine Fantasie; die Sage vom fliegenden
Holländer, wie ich sie aus dem Munde der Matrosen
bestätigt erhielt, gewann in mir eine bestimmte,
eigenthümliche Farbe, die ihr nur die von mir
erlebten Seeabenteuer verleihen konnten.«
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Zitatende
Das bedeutet: Im Internet keine
Informationen über die Ansichten des Regisseurs und der
Ausstatter zur Produktion dieses Stückes.
Die Einführung vor der Vorstellung am 20. Oktober 2017 – von
einer Dame vorgetragen, die ohne ihren Namen zu nennen – den
Text des Produktionsdramaturgen vorlas, der auswärtig
beschäftigt war und nicht erschien.
Auch im Verlauf dieser Worte kein Hinweis auf die Fragen:
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Warum dieser extrem aufwändige Bühnenaufbau, ein
Schiffswrack, ein aufs Ufer
gelaufener Kahn, man sieht Rolltreppen, eine Kuh
liegt hingestreckt auf dem oberen
Umgang oder Deck (wenn es denn ein Schiff sein
soll), Rolltreppen, die eine funktioniert nicht,
muss also als normale Treppe begangen werden, eine
demolierte Treppe hängt darüber frei im Raum? |
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Wozu liegt ein Einkaufswagen aus einem Supermarkt
am Strand? |
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Warum kommt der Herrenchor mit starken
Taschenlampen umherleuchtend auf die
dunkle Bühne? |
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Warum hat Daland einen Rollkoffer bei sich, wenn
er doch weiß, dass er nicht sein Haus erreicht hat,
sondern erst nur die Bucht von Sandwike? |
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Warum wird der Steuermann (der wichtigste Mann
nach dem Kapitän an Bord) von
einem offensichtlich psychisch gestörten Tenor
dargestellt? |
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Wozu schleppen Statisten gemessenen Schrittes
allerlei Krempel über die Bühne? |
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Wieso werden die rolloartigen Vorhänge links
beleuchtet, hinter denen sich die Schätze
des Holländers befinden sollen, wenn es sich doch um
das Schiff Dalands handelt? |
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Warum schaufelt der Chor irgendetwas – jedenfalls
hantieren sie emsig mit Spaten? |
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Was fummelt der ’irrsinnige’ Steuermann oben an
der Reling mit einem Riesentuch? |
Warum fällt der Vorhang,
wenn es sich doch um die einaktige Fassung handelt und das
Bühnenbild zum zweiten Aufzug nicht verändert wird?
(Antwort: Weil das Publikum sonst scharenweise das Haus
verlässt!)
• |
Warum tritt der Damenchor mit Einkaufstüten in
Einheitskostümierung Pelzmänteln im Takt der Musik
singend, hüpfend und die Tüten schwingend auf? |
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Was soll die Holzfigur auf der Gartenbank, an die
sich Senta lehnt? |
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Warum läuft Erik mit einer Flit-Spritze zum
Vertilgen von Irgendwas herum? |
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Warum fällt wieder der
Vorhang, zumal wie es sich herausstellt nur ein paar
Luftballons am Obergeschoss des Bühnenaufbaus aufgehängt
wurden?
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Warum wird von zwei Herren ein Rettungsring in
der Mitte der Bühne am Rande des Grabens
aufgestellt? |
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Warum sind die Chor-Damen und -Herren alle gleich
gekleidet, als handle es sich um
Uniformen? |
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Was soll der Statist, der mit brennender Fackel
von rechts aus der Kulisse rennend die
Rolltreppe rauf stürzt, die Flamme dann fallen
lässt, damit ein Motiv entsteht, um aus der
Unterbühne ’dämpfig Gedünst’ aufsteigen zu lassen? |
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Warum hampelt der Steuermann rechts am Portal mit
dem Kopf der Puppe mimend:
“ich habe deinen Mund geküsst!“ |
Es zeigt sich,
dass auch Einführungsvorträge – vor allem dann, wenn
verkündet wird:
“Wir wollen nicht viel verraten“ - keinerlei Aufschluss
geben, was das Publikum erwartet und warum es auf der Bühne
der Nds. Staatsoper Hannover so und nicht anders zugeht.
Das Publikum nur in geringer Zahl
anwesend – der dritte Rang ist per se schon von vornherein
geschlossen – versteht die Welt nicht mehr und geht in
Zukunft eben nicht mehr hin.
Warum wird ein Werk der Literatur so verhunzt, dass man es
nicht mehr erkennt?
Warum geschieht das zu Lasten der Steuerzahler?
Warum opponiert niemand?
Wie frei sind wir?
Beitrag aus Heft
10/17 der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger
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Zitat
In Sonntagsreden wird sie immer wieder beschworen,
die Kunstfreiheit.
Sie sei ein hohes
Gut, das nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfe. Doch
was bedeutet das in der Praxis?
Grundsätzlich
sollte es kein Problem bei der Betrachtung des
Zusammenhangs von Kunst und Freiheit geben. Denn in
Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes heißt es
lapidar: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und
Lehre sind frei“. In der Auslegung dieses Artikels
verstehen Juristen diesen als klassisches
Abwehrrecht das das bürgerliche Individuum gegen
willkürliche Eingriffe des Staates schützt so wie es
das ursprüngliche Anliegen der
Grund-und-Menschenrechte in der Geschichte war.
Vereinfacht ausgedrückt: Staatliche Stellen haben in
künstlerische Handlungen nicht einzugreifen. So
einfach ist es in der Praxis leider nicht. Zum einen
wird es immer dann problematisch, wenn der freien
Entfaltung der Kunst andere, genauso schutzwürdige
Interessen entgegenstehen. Zum anderen ist die
Freiheit der Kunst - zumindest hierzulande - nicht
in erster Linie durch staatliche Eingriffe bedroht,
sondern durch einen Zeitgeist, der sich zunehmend
schwertut, abweichende Meinungen zu akzeptieren.
KUNST PROVOZIERT
So machte im
Februar 2017 eine Kunstinstallation in Dresden
Schlagzeilen: Die aufrecht stehenden, demolierten
Busse sollten an das Leid syrischer Flüchtlinge
erinnern. Sowohl die Nutzungserlaubnis als auch der
Einsatz von Steuergeldern war diversen
rechtsgerichteten Organisationen ein Dorn im Auge.
Die Klage eines sogenannten Wutbürgers wurde jedoch
abgewiesen. Begründung des Gerichts: Kunstfreiheit.
Doch nicht nur von
rechts wird Kunst im öffentlichen Raum bedroht.
In Berlin ziert ein Gedicht des herausragenden
Lyrikers Eugen Gomringer die Fassade der
Alice-Salomon-Hochschule. Die Studentenvertretung
der Hochschule hat ihre sehr eigene Lesart des
Textes und meint, sexistische Inhalte ausgemacht zu
haben. Deshalb soll der Text, so ihre Forderung, bei
der Fassadenrenovierung 2018 verschwinden.
Die
Hochschulleitung zieht das in Erwägung - und sieht
sich nun massivem Druck anderer Parteien ausgesetzt,
die den Erhalt des Kunstwerks fordern. Wenn der
Eigner des Gebäudes sich für die Vernichtung des
Kunstwerks entscheidet, gibt es weder Kläger noch
Richter, die das verhindern könnten. In dieser
Konstellation nutzt die staatliche
Kunstfreiheitsgarantie genau gar nichts. Es bleibt
nichts, als abzuwarten, ob politische Korrektheit
oder Kunstverstand die Oberhand behalten.
Deutlich machen die
beiden Vorfälle zumindest eines: Kunst im
öffentlichen Raum wirkt und löst Denkprozesse aus.
Leider, auf beiden Seiten des politischen Spektrums,
manchmal allzu schlichte. Wer ein Stück abseits des
Mainstreams in Szene setzt und bewusst Regeln
verletzt, muss mindestens mit einem Shitstorm
rechnen. Vielleicht sieht er oder sie sich aber auch
einer Moralkeule ausgesetzt: Ergebnis könnte
Selbstzensur aus wirtschaftlichen Gründen sein. In
der Zeit sieht der Maler Neo Rauch eine Gefahr für
die Freiheit der Kunst vor allem in Bezug auf die
Sexismusdebatte.
Heute dominiert der Typus des gendersensiblen
Bücklings, sich nicht ins Lebens hineinwagt, weil
dort zu viele Gefahren lauern. Und weil man zu viel
falsch machen kann in dem Versuch, sich auszurichten
an den Meinungs- und Haltungsvorgaben."
STAATSKRITISCHE
KUNST - EIN RISIKO?
Doch auch dann,
wenn tatsächlich der Staat als Entscheider gefragt
ist, kommt die Kunst nicht immer ungeschoren davon.
Kunst beziehungsweise Satire als eine Form der Kunst
darf verzerren, übertreiben, verfremden. Jedoch
gelten auch für sie Grenzen: Dann etwa. wenn
Menschen mit Schmähkritik überzogen werden. Berühmt
ist etwa das sogenannte Strauß-Urteil von 1987: Eine
Karikatur, die den CSU-Vorsitzenden als
kopulierendes Schwein darstellte, war demnach nicht
von der Kunstfreiheit gedeckt.
Auch den Fall Böhmermann haben noch alle im Kopf.
Der als Ziel des Schmähgedichts auserkorene
türkische Staatspräsident Erdogan traf in
Deutschland auf nicht allzu viel Mitleid, doch die
Gerichte waren auf seiner Seite: Böhmermanns Gedicht
bleibt zu großen Teilen verboten. Weniger
überzeugend argumentierte AfD-Vizechefin Beatrix von
Storch, derer sich Falk Richter im Stück ’Fear’
annahm. Hier hielten Gerichte die Kunstfreiheit
hoch.
Abgesehen von solchen begründeten Einzelfällen darf
man sich in Deutschland jedoch eigentlich sicher
sein, dass man sich nicht aufgrund seines
künstlerischen Schaffens Repressalien ausgesetzt
sieht. Bleiben wir zum Vergleich in der Türkei: Im
Reich Erdogans ist von Kunstfreiheit schon längst
nicht mehr die Rede, Theater können nicht mehr
aufführen, was ihnen gefällt - jedenfalls dann
nicht, wenn ein Gegensatz zur Regierungslinie
konstruiert werden kann. Wegen angeblicher
Unterstützung der Gülen-Bewegung, die die Regierung
für den gescheiterten Militärputsch im vergangenen
Jahr verantwortlich macht, sitzen inzwischen auch
zahlreiche Künstlerinnen und Künstler in U-Haft. Von
einem rechtsstaatlichen Verfahren kann keine Rede
sein. Terrorvorwürfe werden missbraucht, um
Kritikerinnen und Kritiker mundtot zu machen.
Immerhin wurde gerade erst die Journalistin und
Schriftstellerin Asli Erdoan (nicht zu verwechseln
mit dem Präsidenten), die wegen angeblicher
Volksverhetzung angeklagt ist, die Ausreise nach
Deutschland erlaubt.
Die Türkei ist jedoch nicht der einzige autoritäre
Staat, der Sorgen bereitet. Im August 2017 wurde in
Moskau der Regisseur Kirill Serebrennikow verhaftet.
Der Vorwurf lautet nicht Terrorismus, sondern
Subventionsbetrug. Er soll rund eine Million Euro an
Fördergeldern veruntreut haben. Viele Beobachter
zweifeln daran. Die landläufige Meinung ist eher,
dass der offen homosexuelle Starregisseur mit seinen
teils kirchenkritischen Inszenierungen einigen
konservativen Politikern ein Dorn im Auge war -
obwohl Serebrennikow die Machthaber in Russland
selbst nicht angegriffen hat.
Dass das Schlagwort von der Kunstfreiheit manchmal
auch für je nach Standpunkt geschmacklosen Unfug
herhalten muss, zeigt ein Beispiel aus den USA vom
Mai: Die Schauspielerin und Komikerin Kathy Griffin
postete in den sozialen Netzwerken ein Foto, auf dem
sie in einer naturalistischen Darstellung den
abgeschlagenen und blutüberströmten Kopf von Donald
Trump hochhielt. Ein Shitstorm war die Folge. CNN,
nicht unbedingt als Trump-freundlich bekannt,
kündigte einen bestehenden Produktionsvertrag.
Unabhängig von der Frage, ob es sich beim
Griffinschen Machwerk um Kunst gehandelt hat oder
nicht, bleibt offen, ob existenzbedrohende Nachteile
für Künstlerinnen und Künstler entstehen können,
wenn sie das, was sie für Freiheit der Kunst halten,
für sich in Anspruch nehmen. Wenn
Grenzüberschreitungen den Verlust von Aufträgen zur
Folge haben, könnte zumindest der böse Eindruck
entstehen.
SOZIALE SICHERHEIT
VS. KUNSTFREIHEIT
Man muss sich
jedoch nicht in die Welt der großen Politik wagen
und sich als echter oder vermeintlicher Dissident
präsentieren. Das Thema der Kunstfreiheit betrifft
viele Theaterschaffende auf einer ganz alltäglichen
Ebene: bei der Gestaltung ihrer Arbeitsverträge.
Denn das Freiheitsprivileg kann beispielsweise im
Widerspruch zu Artikel 20 Grundgesetz stehen, dem
Sozialstaatsgebot. Will heißen: Einerseits gibt es
ein soziales Interesse der im Kunstbetrieb
betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf
der anderen Seite steht das eherne Prinzip der
Kunstfreiheit.
Zwar beschäftigt
sich die Bühnengenossenschaft eher selten mit
ZDF-Freitagabendkrimis. Allerdings hat ein aktuelles
Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nun eine
Ausnahme gebracht, denn das Gericht bezieht sich auf
Rundfunk- und Kunstfreiheit gleichermaßen. Die
Schauspieler Pierre Sanoussi-Bliss und Markus
Böttcher waren 18 Jahre beziehungsweise 28 Jahre
lang in der ZDF-Serie „Der Alte"
als Kommissare tätig. 2014 beschlossen die
Programmverantwortlichen, eine Verjüngung sei
notwendig und schrieben die beiden aus der Serie
heraus - was Sanoussi-Bliss und Böttcher
verständlicherweise gar nicht gefiel.
Das böse Wort vom
Verjüngungswahn fiel, vor allem aber zogen
Sanoussi-Bliss und Böttcher vor Gericht. Die Anwälte
der Schauspieler argumentierten gegen die Weigerung
der Produktionsfirma, neue Verträge zu schließen,
die letzte Befristung sei unwirksam gewesen, weil
ein sachlicher Grund hierfür gefehlt habe. Es habe
sich um „normale" Arbeitsverhältnisse gehandelt vor
allem hätten ihre Mandanten wegen strikter Vorgaben
des ZDF und der Produktionsfirma kaum künstlerischen
Gestaltungsspielraum beim Ausfüllen ihrer Rollen
gehabt Für einen dauerhaften Bedarf der Schauspieler
spreche auch die lange Kette von befristeten
Verträgen hintereinander (‚Kettenbefristung'). Die
beiden hatten für die einzelnen Folgen zwar jeweils
nur befristete „Mitarbeiterverträge abgeschlossen.
Die jeweilige Gage war jedoch, wie sie ihre Anwälte
formulieren ließen, „zur Grundlage ihrer
wirtschaftlichen Lebensführung geworden".
Trotzdem scheiterten sie mit ihren Klagen in allen
Instanzen: Das Arbeitsgericht und das
Landesarbeitsgericht München hatten diese
abgewiesen. Schließlich folgte auch das
Bundesarbeitsgericht den Vorinstanzen. Die Richter
in Erfurt waren ebenfalls der Meinung, dass die
Befristung der Verträge wegen der Eigenart der
Arbeitsleistung sachlich gerechtfertigt war. Zwar
sei ein Bestandsschutzinteresse der Kläger durchaus
anzuerkennen. Auf der anderen Seite sei jedoch auch
die verfassungsrechtlich geschützte Kunstfreiheit
der Producktionsfirma zu respektieren. Die
Kunstfreiheit umfasse insbesondere die Möglichkeit,
das Drehbuch und dessen Inhalt sowie dessen
Umsetzung autonom zu handhaben. Hierzu gehöre es
auch, Handlung und Personen einschließlich deren
Besetzung neu gestalten zu können. Das Gericht habe,
so die FAZ, zwischen der Kunstfreiheit und dem
Bestandsschutz für die Darsteller abwägen müssen.
Das Urteil
bestätigt im Grunde nur, was für vor allem
solistisch tätige Theaterkünstlerinnen und -künstler
schon lange gilt: Schon vor Jahrzehnten, 1981, hat
dasselbe Gericht festgestellt. „mit befristeten
Arbeitsverträgen (nach dem NV Bühne) könne ... dem
Abwechslungsbedürfnis des Publikums am ehesten
Rechnung getragen werden". Die jeweilige Intendanz
müsse ihre künstlerischen Vorstellungen
verwirklichen können.
Es ist also
deutlich, dass die im NV Bühne verankerten, sich
selbst verlängernden Zeitverträge Bestandteil jener
Kunstfreiheit sind, die das Grundgesetz vorschreibt,
Der Tarifvertrag berücksichtigt somit soziale
Bedürfnisse der künstlerisch Beschäftigten wie auch
die Tatsache, dass im künstlerischen Bereich eine
dauernde Bindung an einen Theaterbetrieb eben nicht
im Sinne des Grundsatzes der Kunstfreiheit ist.
Außerdem garantiert
das Prinzip, dass auf keiner künstlerischen
Leitungsebene hingenommen werden muss, dass sich
Rechtsträger ungeniert in die künstlerische
Produktion einmischen.
Alle Experten sind
sich über die Einzigartigkeit der deutschen
Theaterlandschaft einig. Das Regelwerk des NV Bühne
hat dazu unbestritten einen wichtigen Beitrag
geleistet - auch die darin festgeschriebenen
Zeitverträge sind Bestandteil dieser Vielfalt.
Jedenfalls müssten sich alle Beteiligten mit anderen
Vertragsformen an deutlich andere Arbeitsstrukturen
gewöhnen. Konsequenz einer Abschaffung der
Zeitverträge wären nämlich aller Voraussicht nach
wesentlich mehr Gastverträge als bereits heute
schon.
Folge: Soziale Sicherheit gäbe es bei diesen
Gastverträgen, die dann zur Regel würden, erst recht
nicht auch wenn GDBA und VdO gerade nach jahrelangen
Auseinandersetzungen eine Mindestgage für
Gastvorstellungen und Probentage erstritten haben.
Am Ziel sind
wir damit jedoch noch nicht. Wenn
Theaterkünstlerinnen und -künstler zu den wenigen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit fast
beliebig oft verlängerbaren Zeitarbeitsverträgen
gehören, dann müssen sich die damit verbundenen
unsicheren Zukunftsperspektiven auf jeden Fall in
einer besseren Bezahlung widerspiegeln. Dafür
streitet die GDBA. -
Jörg Rowohlt / Kai Hirdt - Zitatende |
Schule – Bildung – Theater
Die Schule vermittelt
Fertigkeiten und Kenntnisse, die zum Überleben notwendig
sind.
Auf der Grundlage
unseres aufgeklärten, christlich-humanistischen Wertekanons
sollen naturwissenschaftlich-technische und literarisch
künstlerische Inhalte weitergegeben werden.
Künstlerische Betätigung im Musik- und Theaterspiel
vervollständigen einen ausgewogenen Lehrplan, der auch den
Besuch von Konzerten, Schauspiel- und
Musiktheateraufführungen beinhaltet.
Leider haben Letztere seit den achtziger Jahren eine
verhängnisvoll Entwicklung durch das so genannte
Regietheater genommen.
Unterstützt von der um
Aufreger bedachten Presse und Intendanten, die sich durch
Skandale ’einen Namen’ machen, maßen sich Regisseure an,
Werke zu dekonstruieren, zu zertrümmern, zu verjuxen, und
einem weitgehend verbildeten Publikum die narzistische
Aufarbeitung ihrer Macht- und Sexualprobleme als ’Kunst’
vorzuführen.
Außer wildem
’Buh-Geschrei’, das Regisseure und Intendanten feixend mit
Dank entgegennehmen, haben wir alle feige murrend nichts
dagegen unternommen, so dass die junge Generation die großen
Werke unserer Theaterliteratur nur noch in verzerrter Form
kennenlernt.
Was kann dagegen unternommen werden?
Wie man
seinen Spielplan anlegt und erklärt,
ist zur Frage des Opern- und Konzertbetriebes geworden.
Wir,
die heute und ehemals im Musiktheater Tätigen - wie auch
unsere Gönner und Förderer-, stellen fest, dass das deutsche
Regisseurstheater - weltweit als 'GermanTrash-Theater
verabscheut - den Werken der Theaterkultur die eigenen
Bedürfnisse, politische, gewalttätige und sexuelle Neurosen
respektlos überstülpt.
Dies geschieht zu Lasten der Steuerzahler unter Missachtung
des Bildungsauftrags, so dass die junge Generation die
Werke, so wie sie von Autoren und Komponisten geschrieben
wurden, nur in verunglimpfender Form kennenlernt, das ältere
Publikum die Theater mehr und mehr meidet und das
Regisseurstheater auf diese verrohende Art der Darstellung
unsere wertebewusste Bildungskultur niedermacht.
Dagegen die Aussage von Ersan Mondtag - eigentlich Ersan
Aygün - Berliner Regisseur und Ausstatter an der Berliner
Volksbühne.
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Ich bin ein autonomer Künstler und kein
Dienstleister von einem Autor, dessen Drecksarbeit
ich machen soll …
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Es ist
nicht im Sinne der Steuerzahler, dass völlig aus dem Rahmen
des jeweiligen Stückes fallende, hochtechnische, begehbare,
betanzbare, komplizierte Bühnenaufbauten Verwendung finden,
die den Betrieb derartig negativ beeinflussen, dass eine
wirtschaftliche Nutzung des Hauses nicht gegeben ist.
Es
kann mit der Probe nicht begonnen werden, Solisten, Chor und
Orchester warten, da erst noch das 'Bühnenbild'
zusammengeschraubt bzw. wieder abgebaut werden muss,
folglich keine Vorstellung abends stattfinden kann.
Ein
Bühnenbild hat unterstützende Aufgaben zu erfüllen, den
Inhalt des Stückes optisch anzubieten, aber kein Eigenleben
zu führen und verfälschende Eindrücke in Verbindung mit
nicht stückbezogener Regie zu vermitteln.
In
diesem Falle kann nicht mit 'Freiheit der Kunst'
argumentiert werden. Hier geht es um Geld und Subventionen.
Daher stellt sich die Frage, ob unter den heute gegebenen
Umständen, Subventionen gekürzt werden sollen, um Theater
zur einer künstlerisch und wirtschaftlichen Betriebsleitung
zu zwingen.
Marie-Louise Gilles
Das Institut zur
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen gab in diesem Oktober
2017 Schulen ein schlechtes Zeugnis, das Rektorinnen und
Schulleiter wie Pädagogen und Lehrerinnen an Grundschulen
zum Weinen brachte.
Wie soll der Unterricht gestaltet
werden, um Kindern ein Wissen beizubringen, das Fortschritte
in der Entwicklung der Schüler aufzeigen kann?
Die Schule ist schon der zweite Schritt, der erste ist der
des Geborenwerdens in ein Umfeld, das oft nicht in der Lage
ist, Grundsätzliches zu vermitteln.
Da gibt es Kinder, die in die erste Klasse einer Grundschule
kommen und nicht einmal Farben unterscheiden können, die
nicht wissen, was rot und blau ist. Und dies nicht in der
neuen Landessprache und auch nicht in ihrer Muttersprache
ausdrücken können.
Manche, die aus dem Kindergarten in die Schule übernommen
werden, können schon lesen, andere, die nicht einmal einen
Bleistift richtig in der Hand zum Schreiben zu halten in der
Lage sind.
Deutlich fallen Unterschiede bei den einzelnen Ländern auf.
In Bayern und in Sachsen erfüllen
74 Prozent der Kinder die Regelstandards für ’stotterfreies’
Lesen, in Bremen nur 48 Prozent. Hier, an der Weser,
erreichen auch immerhin 35 Prozent der Schüler die
Regelsleistung in Mathematik nicht.
Bei der Orthographie erreichen die Bremer Schüler 40 Prozent
nicht die Mindestanforderungen, was bedeutet, dass diese
Kinder nicht einmal einen Schulabschluss schaffen und damit
gleich in die Arbeitslosigkeit fallen.
In Baden-Württemberg liegen die Kinder in Deutsch weit
zurück. Waren sie noch 2011 an der Spitze hinter Bayern, so
mussten sie alle Plätze räumen und positionierten sich jetzt
am Ende der Skala bei Bremen und Berlin.
Es gibt Rechte der Eltern, aber es sind auch Pflichten durch
das Elternhaus zu erfüllen.
Gibt es Schwierigkeiten, ist natürlich die Schule die
Schuldige, da kommt der Vater und droht handgreiflich zu
werden.
Der Elternteil, deren Kinder in die gleiche Klasse gehen,
aber aus einem anderen sozialen Umfeld stammen, will das
Klassenbuch sehen und erscheint mit einem Anwalt, um eine
Versetzung durchzusetzen, die dem Kind im Endeffekt, eben im
nächsten Schuljahr, noch größere Schwierigkeiten bereitet.
Oft sind die Eltern nicht in der Lage, Wissen zu vermitteln
– sie haben es selber nicht parat, können den Kindern nicht
vorlesen, sie selber zum Lesen anhalten – stellen die Kinder
mit Tablet und Handy oder Smartphone ruhig.
Nachhilfeunterricht kann meist nicht bezahlt werden oder
wird von den Eltern – vor allem vom Patriarchen, der die
Meinung vertritt, es ist eine Schande, dass Nachhilfe nötig
ist und im Übrigen brauche die Tochter gar nicht zur Schule
zu gehen, sie solle heiraten und wenigstens zwölf Kinder
bekommen - abgelehnt.
Kümmern sich die Eltern oder Elternteile nicht um die
Kinder, weil sie selbst mit Überleben beschäftigt - d.h.
beide berufstätig – sind, kann ein systematischer
Bildungsaufbau nicht funktionieren.
Es entstehen Defizite, die im Lauf der vier Jahre
Grundschule nicht aufgeholt werden können, denn werden die
Kenntnisse aus der vorherigen Klasse in einem Test von 30
Minuten abgerufen, stellt sich heraus, dass früher
vermitteltes Wissen – also in der Klasse davor - nicht mehr
vorhanden ist.
Den Kindern fehlt
die Fähigkeit zu lernen und das Erlernte zu behalten, sie
müssen erst das Lernen lernen und dafür ist es in der ersten
Klasse bereits zu spät.
Die Statistik zeigt, dass beim Lesen Viertklässler ein
Niveau in den letzten Jahren halten konnten. Problematisch
zeigt sich die Qualität in der Rechtschreibung. Nur die
Hälfte der Schüler erreicht den Regelstand, also ein
mittleres Leistungsniveau, jeder fünfte kann hier bundesweit
die Mindestanforderungen nicht erfüllen.
Erkennbar ist der Verfall des Bildungsniveaus schon in den
Grundschulen seit 2011 - innerhalb der letzten fünf Jahre.
Daher:
Zeig mir deine Eltern, und ich sage dir, was aus dir wird.
So könnte man die Ergebnisse des Nationalen Bildungsberichts
2016 zusammenfassen – meint die Wochenzeitung ’Die Zeit’.
Und die HAZ führte am 25. Oktober 2017 aus, dass an
Universitäten „32 Prozent aller Bachelor-Studenten ihr
Studium vorzeitig, an Fachhochschulen 27 Prozent“ vorzeitig
beenden. Etwa die Hälfte von ihnen begännen dann eine
Berufsausbildung.
Das heißt doch:
- entweder haben sich die Schüler falsch eingeschätzt,
- oder sie wurden vom Elternhaus und der Schule auf
wissenschaftliches Arbeiten nicht genügend vorbereitet.
Eine
neue Bertelsmannstudie
dokumentiert die Situation der Ganztagsschulen.
Sie zeigt auf, dass fast 40 Prozent aller Schüler in
Deutschland eine solche Bildungseinrichtung besuchen.
In
Hamburg besucht 91,5 Prozent der Schüler eine
Ganztagsschule, in Bayern sind es nur 16 Prozent.
Ganz deutlich hier der Vorteil der Ganztagsschule:
● |
die Kinder
kommen am Nachmittag aus der Schule – in den meisten
Fällen
gegen 16 Uhr – und können sich der Freizeit
widmen, die gerade in der Entwicklungsphase wichtig
ist; |
|
|
● |
die
Hausaufgaben sind unter Kontrolle in der Schule
erledigt worden. Die Eltern müssen sich nicht nach
deren Berufsalltag noch mit Themen, die sie nicht
beherrschen, auseinandersetzen. |
Die
psychologische Seite ist zu beachten:
ein ’ungebildeter’ Vater oder eine nicht wissende Mutter
verlieren an Autorität, wenn das Kind merkt, die Eltern
haben keine Ahnung. Sie werden dann auch nicht im normalen,
täglichen Erziehungsprozess die Eltern akzeptieren.
Förderung lernschwacher Kinder, auch aus bildungsmäßig
minderbemittelten deutschen Elternhäusern ist nur durch
kontinuierlichen Einfluss d.h. Betreuung möglich.
Dies gilt auch für Kinder, denen die deutsche Sprache mehr
oder minder geläufig ist.
Besonders aber für die – und das ist nun aber die
zusätzliche Schwierigkeit, die sich durch das Recht auf Asyl
im Deutschen Grundgesetz und aus der UN-Flüchtlingscharta
ergibt - die aus verschiedenen Gründen zuwandern.
Es strömen Menschen nach Deutschland, die andere europäische
Länder, die auch den Vereinten Nationen und deren Regelwerk
unterliegen, nicht aufnehmen.
Das
wird von der Politik nicht thematisiert, denn es könnten
sich ja diplomatischen Verwicklungen ergeben, wenn man
plötzlich Frau Merkel das und Frau
Szydło jenes sagen hört.
Je mehr und je länger Kinder aus den unterschiedlichsten
gesellschaftlichen Schichten und Nationen sich täglich unter
Aufsicht von pädagogisch und fachlich qualifiziertem
Personal begegnen, desto eher gelingt Integration und
Lernfortschritt zu einem für alle fachlich gleich hohen und
erreichbaren Ziel.
Nur mit einer soliden Grundausbildung ist die Gesellschaft
in der Lage, sich differenziert eine Meinung zu bilden, sich
dann zu äußern, um Missentwicklungen jedweder Art durch ihr
Veto zu verhindern.
Kommentar
|
Ivan
Repušić -
seit der Spielzeit 2016/2017
gerade mal neuer Generalmusikdirektor der Nds.
Staatsoper Hannover hat einen Vertrag bis 2019, den
er nun nicht verlängert.
Dabei war er vom Orchester eindeutig gewünscht.
Wer aber dirigiert gerne von leerem Haus wie in
Hannover. Da dürfte sich der GMD fragen:
’Kann ich es nicht reißen? Bei den Konzerten:
Ja!
Aber bei der Oper mit derart miserablen
Inszenierungen, dass keiner mehr hingeht:
Nein!’
Komme ich nach einem von mir
dirigierten ’Holländer’ auf die Bühne, sehe ich ein
leeres Haus. Der dritte Rang geschlossen, erster und
zweiter Rang und Parkett nur dürftig mit bis zu
höchstens 30 Prozent besucht.’
Und was jetzt?
Wie lange brauchen Theater, um endlich wieder eine
musikalische Führung zu erhalten.
Besonders schwierig dann, wenn der Intendant meint:
Google:
“Ich brauche keinen GMD!“
und das Orchester nach vielen Vordirigaten die
Meinung vertritt: ’Den oder die wollen wir nicht’ –
das Orchester hat ein Mitspracherecht bei der
Besetzung der GMD-Planstelle.
Nun kommt 2019 in Hannover der Wechsel bei der
Theaterdirektion Oper und Schauspiel und eben auch
bei der musikalischen Gesamtleitung – und dazu, in
Bezug auf Wissenschaft und Kultur, eine
unqualifizierte politische Führung in Stadt und
Land? |
Feststellung
Im Monat Oktober 2017 war die Nds. Staatsoper Hannover von
den 31 Kalendertagen an 25 Tagen vor Publikum szenisch oder
für Konzert-/Sonderveranstaltungen belegt.
Im Einzelnen wurde gegeben:
szenisch:
2 Vorstellungen ’Der junge Lord’ (4. / 19.10.)
2 Vorstellungen ’La Traviata’ (7. / 11.10.)
2 Vorstellungen ’Der fliegende Holländer’ (10. / 20.10.)
2 Vorstellungen ’Manon Lescaut’ (18. / 29.10.)
2 Vorstellungen ’Der Liebestrank’ (13. / 22.10.)
7 Vorstellungen ’West Side Story’ (1. / 3. / 5. / 14. / 17.
/ 25. / 27.10.)
2 Vorstellungen ’Heinrich VIII.’ (6. / 15.10.)
konzertant:
1 Vorstellung ’Wilhelm Tell’ (31.10.)
2 Sinfoniekonzerte (8. / 9. 10.)
2 Sonderveranstaltungen (an einem Tag) ’Poetry Slam’
(28.10.)
Bei neun szenischen Vorstellungen der Oper war lt. Angaben
des Kartenvermarkters der dritte Rang von vornherein
geschlossen, d.h. er ging gar nicht in den Verkauf.
Will der Besucher eine Karte für den dritten Rang, erhält er
vom Kassenpersonal den Hinweis:
“Wir haben noch so viele Karten im ersten und zweiten
Rang und im Parkett, da bleibt der dritte Rang zu.“
Dabei behauptet doch das Nds. Ministerium für Wissenschaft
und Kultur, Plätze würden nur aus künstlerischen oder
wirtschaftlichen Gründen nicht belegt.
Das Publikum in Hannover ist inzwischen gewarnt und lehnt
die szenischen Aufbereitungen von ’Lord ’, ’Holländer ’,
’Liebestrank’, ’Manon’ ab.
Lediglich ’Traviata’ und ’West Side Story’ füllen das Haus.
Auch das Ballett findet nicht in jeder Hinsicht die
Zustimmung.
Konzerte haben ihr Publikum, weil kein szenischer Unfug
getrieben wird.
Nachfolgend der Belegungsplan für den Monat Oktober 2017.
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Belegung Nds.
Staatsoper Hannover Oktober 2017 |
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2017 |
Belegung
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Oper-
szenisch |
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Konzert |
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Musical |
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Ballett |
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01.10. |
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West Side |
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02.10. |
leer |
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03.10. |
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|
West Side |
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04.10. |
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Lord |
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05.10. |
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|
West Side |
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06.10. |
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Henry VIII. |
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07.10. |
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Traviata |
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08.10. |
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|
Sinfoniekonzert |
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|
09.10. |
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|
|
Sinfoniekonzert |
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10.10. |
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Holländer |
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11.10. |
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|
Traviata |
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12.10. |
leer |
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13.10. |
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Liebestrank |
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14.10. |
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|
West Side |
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|
|
15.10. |
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|
|
|
|
|
|
Henry VIII. |
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16.10. |
leer |
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|
|
|
|
|
17.10. |
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|
|
|
|
West Side |
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|
18.10. |
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Manon |
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|
|
|
|
|
|
19.10. |
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|
Lord |
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|
|
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20.10. |
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|
Holländer |
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|
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|
|
|
21.10. |
|
|
Manon |
|
|
|
|
|
|
|
22.10. |
|
|
Liebestrank |
|
|
. |
|
|
|
|
23.10. |
leer |
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|
|
|
|
|
|
|
|
24.10. |
leer |
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|
|
|
|
|
|
|
25.10. |
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|
|
|
|
|
West Side |
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|
|
26.10. |
leer |
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|
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|
|
|
|
|
|
27.10. |
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|
|
|
|
|
West Side |
|
|
|
28.10. |
|
|
|
|
Poetry/Poetry |
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|
|
|
29.10. |
|
|
Manon |
|
|
|
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|
30.10. |
leer |
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|
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|
|
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|
|
|
31.10. |
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|
Tell |
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|
|
|
|
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|
|
|
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|
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Summe |
7 x |
|
11 x |
|
5 x |
|
7 x |
|
2 x |
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25 Nutzungen incl.
3 Konzerte und 2 Sonderveranstaltungen
(diese an
einem Tag),
davon 9 Opern-Veranstaltungen mit geschlossenem
dritten Rang |
Impressum
erscheint als
nichtkommerzielles Beiblatt zu
- ausgezeichnet mit dem Kulturförderpreis der Stadt
Regensburg
Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt:
KS Prof. Marie-Louise Gilles
Dipl. -
Kulturwissenschaftlerin
Büro 30655 Hannover – Fehrsweg 2
info@kulturjournal-hannover.de
Peter
Lang
Büro 93047 Regensburg – Holzländestr. 6
info@kulturjournal-regensburg.de
Ersterscheinung der Ausgabe Regensburg am 27.07.2007
Erscheinungsweise: kulturjournal-regensburg zehn Mal pro
Jahr von Februar bis August und Oktober bis Dezember
Ausgabe des Beiblattes als ’Mitteilung an meine Freunde’ mit
Auszügen aus dem
’kulturjournal-regensburg’ in loser Reihenfolge,
gebräuchlich am Anfang eines Monats
Titelbild: Bearbeitung ’November 2017 – Leporello’ der Nds.
Staatstheater Hannover GmbH
Verteilung Regensburg: Direktversand, Hotels, Theater,
Galerien, Veranstaltungsorte, Tourist-Info, Bahnhöfe
Verteilung Hannover: Direktversand an ausgewählte
Leserschaft,
Mitglieder der Bürgerinitiative Opernintendanz,
Niedersächsische Landesregierung,
Politische Parteien im Nds. Landtag, Hochschule für Musik,
Theater und Medien Hannover, Bund der Steuerzahler,
Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger,
Richard-Wagner-Vereine, Feuilletons von Tageszeitungen
RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover
Veröffentlicht auch auf:
www.marie-louise-gilles.de
Wir verstehen diese Besprechungen und Kommentare nicht als
Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach unserer Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes
und Satire.
Hierfür nehmen wir den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Wir benutzen Informationen, hauptsächlich aus eigenen
Unterlagen, aus dem Internet u.a. Veröffentlichungen des
Deutschen Historischen Museums, der Preußen-Chronik u.ä..
Texte werden paraphrasiert wiedergegeben oder als Zitate
kenntlich gemacht.
Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:
Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und
Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien
Verkauf verstehe ich diese Besprechungen und Kommentare
nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung -
Geglücktes oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes
und Satire.
Hierfür nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz,
in Anspruch.
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