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Belegung Nds.
Staatsoper Hannover |
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2018 |
Belegung
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Szene |
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Konzert |
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Januar |
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Nr. |
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Nr. |
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Nr. |
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01.01. |
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2 x Neujahrskonzert |
1+2 |
02.01. |
leer |
1 |
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03.01. |
leer |
2 |
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04.01. |
leer |
3 |
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05.01. |
leer |
4 |
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06.01. |
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Wilhelm Tell |
3 |
07.01. |
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Salome |
1 |
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08.01. |
leer |
5 |
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09.01. |
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Traviata
ersetzt Manon |
2 |
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10.01. |
leer |
6 |
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11.01. |
leer |
7 |
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12.01. |
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Traviata
ersetzt Manon |
3 |
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13.01. |
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Zauberflöte |
4 |
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14.01. |
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Daphnis |
5 |
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Neujahrskonzert
Mädchenchor |
4 |
15.01. |
leer |
8 |
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16.01. |
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Zauberflöte |
6 |
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17.01. |
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Daphnis |
7 |
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18.01. |
leer |
9 |
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19.01. |
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Zauberflöte |
8 |
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20.01. |
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Daphnis |
9 |
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21.01. |
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Sinfoniekonzert /
Gastspiel Tukur |
5 + 6 |
22.01. |
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Sinfoniekonzert |
7 |
23.01. |
leer |
10 |
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24.01. |
leer |
11 |
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25.01. |
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Zauberflöte |
10 |
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26.01. |
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Daphnis |
11 |
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27.01. |
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Zauberflöte |
12 |
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28.01. |
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Don Carlo |
13 |
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29.01. |
leer |
12 |
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30.01. |
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Liebestrank |
14 |
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31.01. |
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Don Carlo |
15 |
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Summen |
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12 |
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15 |
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7 |
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12 x Leerstand |
22 Nutzungen incl.
5 Konzerte
mit 2 Doppelnutzungen |
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Die Titelseite zeigt die Belegung der Nds. Staatsoper
Hannover.
Gemäß ’Leporello’ (veröffentlichter Spielplan) wird das Haus
im Januar 2018 bei 31 Kalendertagen nur an 22 Tagen vor
Publikum genutzt, wobei zwei Doppelnutzungen am 14.1.2018
und am 21.1.2018 vorgesehen sind. Es stellt sich die Frage,
warum ein derart hoher Leerstand von 12 Tagen zu verzeichnen
ist.
Unten abgebildet ein Screenshot der Internetseite der Nds.
Staatsoper Hannover. Sie gibt dort bekannt, dass sie zwei
Zusatzvorstellungen der ’Traviata’ in den Spielplan Januar
2018 aufgenommen hat.
Sie verschweigt aber auf dieser Seite, dass es sich hierbei
um den Ersatz der Produktion von Puccinis ’Manon Lescaut’
handelt, die beim Publikum nicht ankam.
Im November 2017 versuchte man die Bevölkerung in ’Manon’-Vorstellungen
zu locken, indem die Karten verschenkt wurden – nach dem
Motto:
“Eine Karte kaufen - zu zweit in die Oper gehen!“
Auch dieser Versuch, das Haus am Opernplatz in Hannover zu
füllen, misslang. So wurde die Produktion einfach gestrichen
und das Stück durch die ’Traviata’ ersetzt.
Vorwort zur Ausgabe Nr. 13 / Nr. 1 - 2018
Einleitung
Gedanken über Räume
Ein Revier, eine Hütte, ein Zelt, eine Wohnung, ein Haus,
eine Gemeinde, eine Stadt, ein Land – alle sind sie
eingeteilt in Räume mit unterschiedlichen Funktionen.
Da gibt es den Platz zum Schlafen, zum Kochen, den Platz zum
Essen, den Platz zum Beten, den Vorratsraum, den Müllplatz,
das Bad und die Toilette.
Als der homo erectus aufgrund seiner Schlauheit sich vom
reinen Fressen oder Gefressenwerden weiter entwickelte,
begann die Horde zu zeichnen, Gebrauchsgegenstände zu
schmücken, Idole zu formen und schließlich die Schrift und
die Philosophie zu entwickeln.
Eine Götterschar symbolisierte Naturphänomene und
menschliche Eigenschaften.
Das schlaueste Volk unter allen Stämmen schrieb seine
Geschichte auf und erklärte das Geschriebene zur Äußerung
einer Gottheit.
Ihr wurden Tempel gebaut und wegen der permanent brodelnden
Sexualität der Männer wurden Frauen mit der Erzählung vom
Sündenfall für minderwertig – bis heute - abqualifiziert.
Das langlebigste, hinterhältigste, brutalste Terrorsystem –
das Patriarchat – begann und wirkt mit allen Grausamkeiten
bis heute fort.
Die zweite Hälfte der Menschheit, die Frauen wurden von den
geheiligten Räumen ausgeschlossen – unter dem Vorwand ihrer
monatlichen Unreinheit.
Die Räume der Schulen und Universitäten wurden versperrt, um
die Frauen dann als dumm abqualifizieren zu können.
Die Räume des Theaters wurden ihnen nur bei intelligenten
Fürsten gestattet.
Wie steht es nun um die unterschiedlichen Räume unserer
Zeit?
Die menschliche Natur zu deuten, die Rätsel des Lebens zu
beschreiben, dazu drängt es die Menschen in großer Vielfalt
der Ausdrucksformen:
Masken, Tänze, Erzählungen, Dramen, Opern.
Alle finden an einem dafür bestimmten Ort statt.
Der Dorfplatz, das Haus, die Kirche, das Theater.
Neben der Kirche, die zur Sammlung und Erhebung geschaffen
wurde, ist auch das Theater – abgesehen von spätrömischen
Exzessen – ein Ort der Erkenntnis.
Unsere Zeit mit ihrem technischen Mitteln bringt jeden
überall und jederzeit in Kontakt.
Das kann überlebenswichtig sein, andererseits aber so sehr
quälen, dass ein Wunsch nach Stille, Sammlung und Schönheit
in einem von Transzendenz bestimmten Raum unübersehbar
zunimmt.
Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte der
evangelischen Kirche in Deutschland schreibt dazu:
Zitat
Es gibt seit einiger Zeit ein großes, intensives und
neuartiges Bedürfnis danach, Kirchen aufzusuchen.
Gerade in hochbeschleunigten Zeiten wächst das
Bedürfnis nach Orten der Stille, der Tradition, der
seelischen Vergewisserung, der Transzendenz.
Zitatende |
Auch ein
Theater ist ein Raum der seelischen Vergewisserung. Wir alle
müssen dafür kämpfen, dass Verfälschung und Brutalisierung
ein Ende haben.
Marie-Louise Gilles
Kalenderblätter Januar
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Otto
Engelhardt-Kyffhäuser
... am
05.
Januar 1884 geboren
Zur Unterscheidung mit
anderen Personen hängte er angeblich auf Empfehlung
von Max Liebermann den Kyffhäuser an seinen Namen.
Auf der Gottbegadetenliste des Führers war er als
der wichtigste Maler des NS-Staates aufgeführt. |
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Nach Schule und Studium wirkte er zunächst als
Studienrat in Görlitz.
Im Ersten Weltkrieg
kam er dann als Kriegsmaler bei der kämpfenden
Truppe zum Einsatz.
Seine Kriegserlebnisse und zahlreiche während des
Kriegs entstandene Bilder veröffentlichte
Engelhardt-Kyffhäuser 1935 im Buch:
’Vorn - Dokumente deutscher Frontkameradschaft in
Skizzen, Studien, Bild und Wort’.
Wie viele andere, die
im Kunstbetrieb zwischen 1933 und 1945 tätig waren,
musste er mitspielen und sein Talent einsetzen, um
zu überleben.
Er war auf Wunsch Himmlers zur Begleitung der
Umsiedlung von Volksdeutschen aus Galizien und
Wolhynien in den Warthegau dabei.
Zeichnungen, die er dabei anfertigte wurden als Buch
veröffentlicht. Engelhardt-Kyffhäuser gab ’Das Buch
vom großen Treck’ zusammen mit Alfred Karasek, dem
Gebietsbevollmächtigten im Umsiedlungsstab und Onkel
des im September 2015 verstorbenen
Literaturkritikers Hellmuth Karasek heraus.
Die Zeichnungen führten dann zum NS-Propagandafilm
’Heimkehr’ von Gustav Ucicky.
Im Rosenberg-Organ ’Die Kunst im Deutschen Reich’
wurde er als Maler des Weltkrieges 1914 - 1918
hervorgehoben.
Zur Ausstellung Polenfeldzug schrieb Goebbels im
Januar 1940:
„Die polnischen Köpfe aus den Gefangenenlagern
und die Judentypen übermitteln einen überwältigenden
Anschauungsunterricht von der rassischen
Minderwertigkeit der Dargestellten. Der Gegensatz zu
den prächtigen deutschen Soldatengestalten ist
eindringlich.“
Auf den großen Deutschen Kunstausstellungen in
München war Engelhardt mit 20 Objekten vertreten,
darunter 1943 mit ’Einmarsch in Riga’ und dem
Ölgemälde ’Heim ins Reich’. |
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Hilde
Krahl
...
am 10. Januar 1917 geboren
Als
Tochter eines Eisenbahningenieurs schloss sie die
Schule mit dem Abitur ab und besuchte dann eine
private Schauspielschule in Wien.
Nach den Anfängen im ’Theater in der
Josefstadt’ in Wien spielte sie bis 1944 – der
kriegsbedingten Schließung der Theater - in Berlin
am Deutschen Theater. |
|
Schon bald übernahm sie erste Rollen
beim Film.
So trat sie 1936 in dem
Film ’Die Puppenfee’ auf.
Zwischen 1939 und 1945
wirkte sie in 19 Filmen mit.
So 1940 in ’Der Postmeister’ in der Regie von Gustav
Ucicky als Dunja
zusammen mit
·
Heinrich George als Postmeister
·
Siegfried Breuer als Rittmeister Minskij
·
Hans Holt als Fähnrich Mitja
und 1944 in
’Träumerei’ mit
·
Mathias Wieman als
Robert Schumann
·
Friedrich Kayßler als
Friedrich Wieck
·
Ullrich Haupt als
Johannes Brahms
·
Emil Lohkamp als
Franz Liszt
1960 folgte ’Das Glas Wasser’ gemeinsam mit
·
Gustaf Gründgens:
Sir Henry St. John, später Lord Bolingbroke
·
Liselotte Pulver: Anna, Königin von England
·
Sabine Sinjen: Abigail, Verkäuferin
·
Hilde Krahl: Lady Churchill, Herzogin von
Marlborough
·
Horst Janson: Arthur Masham, Fähnrich
·
Rudolf Forster:
Marquis de Torcy
·
Hans Leibelt:
Thompson, Butler
·
Bobby Todd: Maitre de plaisir
in der Regie von Helmut Käutner.
1980 erhielt sie das Filmband in Gold für
hervorragendes Wirken im deutschen Film. |
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Werner Hinz
...
am 18. Januar 1903 geboren
Ab 1932 am
Deutschen Schauspielhaus in Berlin.
Zwischen 1935 und 1945 in 17 Filmen.
Auf der Gottbegnadetenliste des ’Führers’ als der
wichtigste Künstler des NS- Staates.
|
|
1935 im Unterwerfungs-Lehrstück: ’Der alte und der
junge König’ mit:
·
Emil Jannings:
König Friedrich Wilhelm I.
·
Leopoldine Konstantin:
Königin Sophie
·
Werner Hinz:
Kronprinz Friedrich
·
Carola Höhn:
Kronprinzessin
·
Marieluise Claudius:
Prinzessin Wilhelmine
·
Claus Clausen:
Leutnant
Katte
Kommentiert wurde der
Film:
“Wenn der Preußenkönig den Leutnant Katte enthaupten
lässt, …. handelt er wie Hitler als oberster
Gerichtsherr nach der angeblichen Meuterei Röhms.“
1937 folgte der Film Weiße Sklaven gegen
marxistische Volksmörder.
1939 engagiert an der Deutschen Volksbühne Berlin
1940 antibritischer Film ’Der Fuchs von Glenarvon’
1940 ’Bismarck’
1941 ’Mein Leben für Irland’ und
’Ohm Krüger’ – ausgezeichnet mit den
Prädikaten:
• |
Film der
Nation |
• |
Staatspolitisch und künstlerische besonders
wertvoll |
• |
kulturell
wertvoll |
• |
volkstümlich
wertvoll |
• |
volksbildend |
• |
jugendwert |
Ab 1955 wieder am
Deutschen Schauspielhaus in Hamburg.
Filme: 1958 ’Das Mädchen vom Moorhof’
1959 ’Buddenbrooks’
1969 ’Wenn süß das Mondlicht über den
Hügeln schläft’
Eintrag des Bühnenvereins zum 70. Geburtstag:
“In modernen Stücken schält Werner Hinz die
psychologischen Zusammenhänge mit intellektueller
Präzision heraus.“ |
|
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Eduard
Künneke
...
am 27. Januar 1885 geboren
Der Sohn eines
Kaufmanns studierte in Berlin Musik bei Max Bruch
und war dann als Chorleiter in Korrepetitor am
Operettenhaus am Schiffbauerdamm und
als Kapellmeister am Deutschen Theater in Berlin
tätig. |
|
Sein Bühnen-Erstlingswerk ’Robin
Hood’ wurde nach der Uraufführung am Nationaltheater
in Mannheim zum Erfolg, so dass er die abhängigen
Tätigkeiten an den Theater aufgeben konnte.
1921 kam seine Operette ’Der Vetter aus Dingsda’ und
1932 die Operette ’Glückliche Reise’ heraus.
Der 1933 im Mai erfolgte Beitritt zur NSDAP, der
aber wegen der nichtarischen Ehefrau wieder
storniert wurde.
Die Partei attackierte ihn wegen jüdischer
Versippung und wegen seiner jüdischen Textdichter.
Aber der Minister für Volksaufklärung und
Propaganda, Dr. Joseph Goebbels, legte fest, dass
Künneke weiter ungehindert seiner künstlerischen
Betätigung nachgehen durfte.
’Führer’ und Staat brauchten optimistische Schlager
und Musik zu den Filmen:
’Heimkehr ins Glück’
’Drei blaue Jungs - ein blondes Mädel’
’Abel mit der Mundharmonika’
’Der Page vom Dalmassehotel’
’Des jungen Dessauers große Liebe’.
1933 Uraufführung der Operette ’Lockende Flamme
1935 ’Herz über Bord’
auch 1935 ’Die große Sünderin’
1938 ’Hochzeit von Samarkand’
1941 ’Die Wunderbare’
Künneke war Mitglied im Verband Deutscher
Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten.
1943 kündigte die Litzmanstädter Zeitung an, dass am
10. und 11. Februar Eduard Künneke das von der KdF
engagierte ’Gauorchester Schlesien’ der NSDAP mit
eigenen Werke dirigieren werde.
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Walter Kollo
...
am 28. Januar 1878 geboren
Er war d e r
deutsche Komponist von Unterhaltungsmusik des
beginnenden 20. Jahrhunderts.
Damals war der Vater des Komponisten Willi Kollo und
der Großvater von René Kollo mit seinen Singspielen,
Possen und Operetten der Mann der
Unterhaltungsmusik. |
|
1913 entstand sein bekanntestes Werk:
’Wie einst im Mai’, mit den Schlagern: ’Es war in
Schöneberg, im Monat Mai, ein schönes Mädelchen war
auch dabei’ und ’Die Männer sind alle Verbrecher,
ihr Herz ist ein finsteres Loch’.
Die Dienststelle Rosenberg konnte ihm nichts
anhaben. Der Sohn eines Kaufmanns erbrachte formell
den arischen Nachweis, obwohl der Vater Inhaber
eines jüdischen Geschäftes war.
Da er ja von seinen Werken leben musste, betrieb er
die GEMA als Interessengesellschaft der Tonkünstler
und Autoren.
Geblieben - und nicht durch das Sieb der Zeit
gefallen - sind als Evergreens
die Titel:
-
Ach Gott, was
sind die Männer dumm
-
Alle Englein
lachen
-
Das ist der
Frühling von Berlin
-
Es war in
Schöneberg
-
Immer an der Wand
lang
-
Die kleine Bank
am „Großen Stern“
-
Es sang der
kleine Finkenhahn
-
Kleine Mädchen
müssen schlafen geh’n
-
Komm, hilf mir
mal die Rolle dreh’n
-
Mit dir möchte’
ich am Sonntag angeln geh'n
-
Mädel jung
gefreit
-
Max, du hast das
Schieben raus
-
Mein Papagei
frisst keine harten Eier
-
Solang noch
Untern Linden
-
Untern Linden
-
Warte, warte nur
ein Weilchen
-
Was eine Frau im
Frühling träumt
-
Wenn ein Mädel
einen Herrn hat
-
Zwei rote Rosen,
ein zarter Kuss
1934 wurde das
Singspiel ’Derfflinger’ am Berliner Metropol-Theater
uraufgeführt.
1935 folgte das Lustspiel ’Heirat nicht
ausgeschlossen’ an der Komischen Oper Berlin. |
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|
'Der
Besuch der alten Dame'
... am
29. Januar 1956 am Schauspielhaus Zürich
uraufgeführt
Dürrenmatt zeigte das
Problem der Schuld und der Rache auf, ausgerichtet
auf die Darstellerin der Hauptrolle.
Kritik an der
Gesellschaft wurde nicht geübt.
Die Giehse war die
erste Clara, die Flickenschildt war die Zachanassian,
der Hörbiger, die folgte, verdarb sie den Auftritt. |
|
Immer setzten die Inszenierungen auf die
Hauptdarstellerin, stellten so nur die Trägerin der
Titelrolle in den Vordergrund.
In Regensburg war es
Renate Hünlich, die in ihrer alten Heimat auftauchte
und Geld ins Dorf brachte, dass man sich dort
plötzlich einen PKW eines Autohauses vom Sarchinger
Weiher leisten konnte. Um es auch deutlich zu
machen, stand dann auf der Tür des Fahrzeugs der
Name des Händlers.
Und das auf der Szene
- das sollte nun der Ort Güllen sein.
Unaufmerksam gemacht
die Kostüme, die Milliardärin war den ganzen Abend
über im gleichen Outfit zu sehen.
Heute unterliegt auch 'die alte Dame' den Moden des
Regisseurtheaters, so am MGT in Berlin.
Ankündigung
Maxim Gorki Theater Berlin
In
einer Bearbeitung von Armin Petras
Koproduktion mit dem Staatsschauspiel
Dresden
Premiere am 12. Dezember 2009 im
Staatsschauspiel Dresden
Berliner Premiere am 9. Januar 2010 im Maxim
Gorki Theater Berlin
Diese Stadt ist stolz: auf ihre Geschichte,
die Baudenkmäler und darauf, dass durch ein
Aufbegehren der Bürger der Weg zur
Demokratie frei wurde. Nur ökonomisch läuft
der Laden nicht: Die Fabriken sind
geschlossen, es fehlt an allem. In dieser
Situation zwischen Euphorie und Enttäuschung
feiert man den Besuch eines prominenten
Gastes:
Clara, die vor 30 Jahren die Stadt als
17jährige verlassen hat, kehrt in ihre
Heimat zurück. Inzwischen ist sie ein
gefeierter Weltstar geworden. Den
erwartungsvollen Bürgern stellt sie ein
unglaubliches Geschenk in Aussicht: eine
Milliarde, verteilt auf alle. Doch die
Stiftung ist an eine Bedingung geknüpft. Für
ihr Geld will Clara "Gerechtigkeit“. Der
Kaufmann Alfred Ill, der sie damals
geschwängert und dann verlassen hat, soll
sterben. Die Bürger der Stadt werden auf
eine harte Probe gestellt: Reicht ihr
Widerstandsgeist, auf den sie so stolz sind,
um einer Versuchung, wie dieser zu
widerstehen?
In seiner Bearbeitung wendet Armin Petras
Friedrich Dürrenmatts dramatisches
Experiment über die ökonomischen Grenzen des
moralischen Diskurses auf die historische
Situation nach der Wende von 1989 an. Eine
Stadt im Konflikt der Werte:
Die Verletzlichkeit des Lebens, die
Ungesichertheit der politischen Kategorien
und der Magnetismus des Geldes stehen
gegeneinander. Einer wird verlieren.
Hier
finden Sie ein Interview mit Armin Petras
zur Inszenierung des Stückes, welches
Studentinnen der Humboldt-Universität zu
Berlin geführt haben.
Clara, eine
schöne Frau
Christine Hoppe,
Alfred Ill, früher ein Dandy
Andreas Leupold,
Frau Ill, Kauffrau
Sabine Waibel,
Sohn, Cineast
Stefko
Hanushevsky,
Das Mädchen
Anne Müller,
Bürgermeister, ein eloquenter Mann
Wolfgang
Michalek,
Der Polizist
Matthias
Reichwald, Journalist, früher
Dichter
Gunnar Teuber,
Leopard, eine junge Frau mit einer Krankheit
Berit Jentzsch
Regie
Armin Petras,
Bühne
Olaf Altmann,
Kostüme Katja Strohschneider,
Musik Thomas Kürstner, Sebastian Vogel,
Video
Niklas Ritter,
Dramaturgie
Ludwig Haugk
Zitatende
|
Kommentar
Es kommt ein Zug aus Irgendwo. Vermummte in
ärmlichen Klamotten warten in Sturm und
Flockenwirbel und heißen 'Willkommen'.
Da steht sie plötzlich, der Pelz offen, das helle
Kleid sichtbar, die aus der Wärme kam, sie singt ein
Lied.
Clara, 'die alte Dame' - eine schöne Frau - wer
definiert hier 'alt'?
Zur Zeit der SBZ hatte sie als Jugendliche ein
Verhältnis, das nicht ohne Folgen blieb - sie ließ
sich vertreiben, kehrt nun zurück und will 'Rache
für den Verrat'. Geld gegen Gerechtigkeit. Die
Bevölkerung spielt mit, attackiert - aus Gier nach
dem versprochenen Milliarde-Lohn - den ehemaligen
Liebhaber.
Die Inszenierung ist auf eine steile Treppe
gequetscht, glücklicherweise ist das Ensemble durch
Streichung von Rollen stark eingedampft, wohin sonst
mit den Leuten - von der ersten Parkett-Reihe bis
hinauf in die Deckenwölbung über der Bühne, wer oben
raus will, muss sich bücken. Ansonsten geht es auf
der Stiege des Lebens 'holter-die-polter' rauf und
runter, man kreischt, schreit herum - das Ensemble
zeigt Stimme und seine artistischen und
akrobatischen Fähigkeiten - 'Circus Gorki mit
Clara'.
Die ist nun nicht 'd
i e' Zachanassian, alt, vergrämt, in angestauter
Lust auf Rache erstarrt - diese Clara ging mit 17,
kommt jetzt nach 30 Jahren zurück und will ihren
Spaß mit der Vergeltung. Sie ist gut gelaunt, blond
gemähnt, langbeinig bis oben hin und mit fabelhaften
Endkonsonanten ihrer Sprache bestückt.
Weniger ein Star als eine Chefin, die wartet bis VDO
in Conti aufgegangen ist, um dann das in ihr eigenes
Unternehmen einzugliedern.
Als der Ehemalige am Ende entseelt am Boden liegt,
kann sie es kaum fassen - sie wollte sich doch nur
einen Jux machen, 'a weng tratz'n d' Leut'.'
Der Kindsvater - oder war es doch der Klassenfeind -
der Liebhaber, ihm wurde der Balg nicht
untergeschoben - ist ergraut durchs Leben und durch
die Braunkohle im Revier und zu Hause 'am stillen
Herd in Winterszeit'.
Ob es denn wirklich möglich war, dass eine junge
Frau, in den 60ern, schwanger sitzengelassen, vor
der 'DDR'-Bevölkerung floh. Hatten nicht Walter und
Erich bis hin zu Egon dafür gesorgt, dass man sich
um neue Werktätige kümmerte - ob berechtigt oder
nicht.
Filmeinblendungen zeigen das farblose Elend, das
Einheitsgrau des real existierenden Sozialismus, dem
heute noch so viele nachtrauern und Chancen,
verbrämt mit dem Wort 'Kommunismus', einräumen
wollen.
Plattenbauten, unfrohe Menschen, gejagt von
herumballernden VoPos wie Hyänen hinter allem her,
was rennt und sich des Deliktes 'Republikflucht'
schuldig zu machen hofft.
"Ach, Gesine!"
Die Kinder des Clara-Liebhabers aus der Ehe mit der
Frau im Konsum- oder Tante Emma-Laden - die
'dusslige Kuh' lässt grüßen - die Tochter,
Sentimentale, hat auch schon wieder was mit einem
Polizisten, der nun Angst vor Entdeckung seiner
Stasi-Akte hat.
Der Sohn, Naturbursche, jugendlicher Komiker, der
mit der Schwester in einer Wanne sitzt, und meint,
wenn er ins Badewasser wichst, er könnte so der
Vater des Kindes der Schwester sein. Aufklärung tut
Not, Oswald Kolle war damals fern.
Aber Sohnemann bläst passabel Trompete und dirigiert
die Darsteller - als griechischer Chor auf der
Treppe hinauf postiert - mit präziser Zeichengebung.
Eine stumme Jule - wohl die ausgetragene Tochter
Claras - übt sich in tänzerischen Übungen, zeigt
choreographierten Judo - der Bürgermeister, mit
Ansprachen hinein ins Publikum, die anderen kaum
auseinanderzuhalten, graue Mäuse - wie sollten mit
denen blühende Landschaften entstehen?
Die am Fließband warteten, bis wieder Teile
geliefert wurden - fünf Leute für eine Schraube,
nach der Wende fünf Schrauben für eine/n
Werktätige/n.
Das war zu viel verlangt.
"S'war doch schön damals in der 'DDR' - mir hatten
doch alles" - Verkäuferin Pleschke im Textilgeschäft
in der Regensburger Schäffnerstraße.
Der 'Umdichter-Intendant-Regisseur' holt in Berlin
aus, will er doch einem 55 Jahre alten
’Dürrenmatt-Teddybär’ eine neue Füllung verschaffen,
die dann nicht ausreicht, schlaff schlabbert das
Bärenfell herab.
Der Abend zieht sich
durch die akrobatischen Einlagen, die zwangsläufig
zur Unterbrechung der Handlung führen, in die Länge,
fast zwei Stunden Spielzeit, zu viel, um
Aufmerksamkeit und Spannung zu halten, zu wenig, um
über den Text mit erklärenden Aussagen historisch
auf die Sprünge zu helfen. Dass die 'Zonendödel' -
wie 'Motzki' Wolfgang Menge sie nannte - das Elend
in der so genannten 'DDR' mit Jokusmachen ertrugen,
ist nicht zu glauben.
Aber Klamotte ist ja heute angesagt, siehe auch
'Kabale und Liebe' am
DT oder an
der
Schaubühne,
da reißt der jugendliche Liebhaber den Bühnenboden
auf, dort geht Ferdinand die Wände hoch.
Hauptsache die Leute haben was zum Lachen und
plappern es weiter, damit viele kommen und für
Auslastung sorgen. |
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’Drei
Schwestern’
...
am 31. Januar 1901 uraufgeführt
Anton Tschechow zeigt
in seinem Schauspiel Figuren mit ihren eigenen
Problemen im Zusammenspiel miteinander, ohne einen
zentralen dramatischen Konflikt zu thematisieren.
Anton Tschechow, der Spezialist für dramatische
Sittengemälde, der über Leute, die essen, die
trinken und herumhängen und dabei Unsinn reden,
schreibt. Das war es, was er auf die Bühne bringen
musste. |
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"Nach Moskau" - Anton Tschechow starb im fernen
Schwarzwald. Im Zug kehrt sein Leichnam zurück in
die Heimat. Die Trauergemeinde folgt dem Sarg, der
von einer Militärkapelle begleitet wird - ein
General gleichen Namens ist zur gleichen Zeit in
seinem Sarg angekommen.
Die Leiche des Dichters erreicht Moskau in einem
Waggon mit Austern - was hätte Tschechow hierzu wohl
gesagt?
Russland am Beginn
des 20. Jahrhunderts, da betritt Anton Tschechow -
ein ehemaliger Leibeigener, sein Großvater kaufte
sich frei - die Bühne und nicht die große Sage wird
von ihm auf die Bretter gebracht, sondern die
Realität.
Die Leute im wahren Leben essen, trinken, lungern
herum, lieben und reden dabei Unsinn - Russland in
einer Zeit der Stagnation. Das Land leidet unter dem
Joch der Zarenherrschaft. Der Reformer Alexander II.
hat die Leibeigenschaft beendet, seine Nachfolger
Alexander III. und Nikolai II. belassen das
Riesenreich in Rückständigkeit, ein dem Niedergang
überlassenes Agrarland.
Geplagt von
Hungersnöten, Pogromen unter einem Regime der
Willkür. Vor diesem historischen Hintergrund
entsteht das Werk Tschechows.
Als genauer
Beobachter der für ihn sichtbaren Situationen
notiert er Details in seinem Notizblock.
Da er viel vom Leben weiß, gibt es in seinen Dramen
keine Helden und Schurken im ausgeprägtesten Sinne.
Seine Figuren reden ganz ungekünstelt, jeder kann
eine Krise haben - was den Menschen zu schaffen
macht, ist der Alltag. Was Tschechow erzählt, geht
alle ohne Ausnahme an, Liebe, die immer wieder
scheitert.
Existenzen, die durch
Alkohol oder aus anderen Gründen brechen, sprechen
das Publikum an - so ist Tschechow der erste
Schriftsteller, dem es gelang, das Leben selbst zu
dramatisieren.
Vielschichtig und
facettenreich sind seine Dramen und weitgehend
ausdeutbar in Glücksuche und Vergeblichkeit.
In Moskau lebt
Tschechow in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts,
studiert Medizin und ernährt Eltern und Geschwister
als Artikelschreiber für Zeitschriften - über 300
Texte in den ersten drei Jahren seines Schaffens.
Hier schon hält er seinen Zeitgenossen den Spiegel
vor - nicht anders als Ibsen.
Der Puschkin-Preis
und sein hoher Bekanntheitsgrad sind das Ergebnis.
Dann beginnt die Tätigkeit für die Bühne - es
entsteht 'Iwanow'. Dem ist noch kein Erfolg
beschieden, wird von der Kritik als Gewäsch abgetan,
erst nach einer Umarbeitung kann sich dieser
Antiheld auch beim Publikum durchsetzen.
Alle Figuren bei
Tschechow ruhen, prallen auf einander, leben und
lieben in den meisten Fällen, den oder die andere
und reden völlig untheatralisch, ohne eigentliche
Aussagen aneinander vorbei.
Eine neue
Dramaturgie, keine leitende Idee, keine Höhepunkte,
keine Hauptrollen, keine Handlung und wenn ein
Ereignis eintritt, dann hinter der Bühne oder in der
Pause zwischen Akten. Danach wird nur darüber
reflektiert.
Es wird in Tschechows
Dramen Zeit und Leben, oft in absurden Situationen,
oft auch in Hoffnungslosigkeit einfach so
miteinander verbracht, ohne dass Ausschlaggebendes
gesagt oder viel bewegt wird.
Seine Anregungen
erhält er aus der Landpraxis, die er als Arzt führt.
Hier sieht er die Menschen mit ihren Schwächen,
Eigenheiten, Nöten und ihrem Leid, die dann als
Figuren in seinen Dramen Einlass finden. Die Zeit,
in der sie leben, ist geprägt von Ausbeutung und vom
Unterdrückungssystem des Zarismus, Verbannung nach
Sibirien aus nichtigen Gründen - viele Arme,
Hungernde - und wenige Reiche.
Tschechow prangert,
trotz Sorge vor der russischen Zensur, die Zustände
im Gefangenenlager auf Sachalin an, das er selber
1890 besucht. Und bewirkt tatsächlich
Hafterleichterungen.
Tschechows Dramen,
ein Sittengemälde, eine Typologie der Charaktere der
Gesellschaft seiner Zeit - die Gutsverwalter, die
sich bemitleidenden Intellektuellen, herumlungernde
Soldaten, alternde Kindermädchen.
Seine Kritik ergießt
sich über Schwätzer und Salonschwadronierer, die in
Richtungslosigkeit und Verfall wie in seinen 'Drei
Schwestern' ausrufen - in wenigen Jahren werde die
Welt wundervoll sein.
Oder im 'Kirschgarten' - er wird versteigert und die
Gesellschaft, die nichts gelernt hat, feiert lieber
eine Party, ohne einzugreifen und ohne Anstalten zu
machen, den Garten zu retten.
Das aufstrebende Bürgertum handelt und sieht zu wie
eine ganze soziale Gesellschaftsschicht scheitert
und untergeht.
Tschechow hält den Menschen den Spiegel vor und ruft
über seine Werke und den darin enthaltenen Spott
auf, sich aus Lethargie zu lösen, nicht zu
stagnieren, nicht zu resignieren, sondern nach vorne
zu schauen, sich keinen Illusionen hinzugeben und
aktiv zu werden.
Seine Stücke werden am ’Petersburger
Künstlertheater’ aufgeführt, seine Frau Olga Knipper
spielt meist die Hauptrollen.
Es
muss den Darstellern der neue realitätsnahe Stil
erst beigebracht werden, noch zu sehr ist man im
Pathos verhaftet. Zu viel Gejammer, zu wenig
Wahrhaftigkeit kritisiert er. Ehrliches Spiel, statt
theatralischem Schnick-Schnack, Deklamation,
Künstlichkeit in großen Gesten.
Der Leiter des Theaters, Konstantin Sergejewitsch
Stanislawski, nimmt die Kritik auf und erdenkt eine
neue Darstellungsmethode, die weltweit Auswirkungen
haben wird. Später übernimmt sie Lee Strasberg und
schult in Amerika Darsteller in Sachen
'Menschlichkeit' und 'wahres Leben' auf der Bühne
wie man eine Rolle 'ist' und sie nicht nur 'spielt'.
Den Anstoß hierzu gab Anton Tschechow mit seinen
Werken.
Aber auch Dramatiker wie Giraudoux, Annouilh, Pinter,
O'Neill bis Albee lernten von ihm, Shaw nannte sich
Tschechow's Schüler.
Ins Heute Deutschlands führt die Familie Tschechow
über Olga von Knipper, die ihren Cousin Michael
Tschechow, einen Neffen von Anton Tschechow,
heiratete.
Aus dieser Ehe stammte die Tochter Ada,
Schauspielerin wie die Mutter und Künstleragentin,
die beim Absturz der D-ACAT, einer
zweimotorigen
Convair-Propellermaschine,
in Bremen ums Leben kam.
Olga Tschechowa war eine bekannte Filmschauspielerin
in den Jahren nach 1920 mit ungeleugneten Kontakten
zu Nazi-Größen. Sie war aber angeblich auch eine
Geheimagentin für den KGB, wie auch ihr Bruder Lew,
der für den russischen Geheimdienst tätig wurde.
In den 50er Jahren
gründete sie eine Kosmetikfirma in München.
Ada Tschechowa, die Tochter von Olga Tschechowa war
Schauspielerin und Managerin z.B. von Rex Gildo, dem
sie den ersten Filmvertrag vermittelte.
Olga Tschechowa's Enkelin Vera Tschechowa ist
Schauspielerin und Regisseurin. Sie war lange mit
Vadim Glowna, dem Sohn eines
Lufthansa-Flugnavigators verheiratet.
'Nach Moskau' -
wollen Tschechow's 'Drei Schwestern' und verharren
doch phlegmatisch in der Provinz, in die der Vater
sie bei seiner Versetzung vor elf Jahren mitnahm.
Seit einem Jahr ist der Vater tot - Andrej, der
Bruder von Olga, Mascha und Irina verspielt das
gemeinsame Erbe. Die Freunde verschwinden, weil die
abgelegene Garnison aufgelöst wird, die Zeit vergeht
und die Träume und ihre Vorhaben zerplatzen.
Die Schwägerin regiert, die herz- und geschmacklose
Natascha, ein Mädchen, das voll und ganz dem
rückständigen Milieu der Provinz verhaftet ist.
Ein Stück, in dem
sich die Beteiligten fragen, 'was soll ich nur in
diesem Kaff aus meinem Leben machen', das
unbeschwert beginnt und tragisch endet. Es gibt
keine Helden, es gibt nur dieses Haus mit all den
Menschen darin, die nach einer Aufgabe und einem
Sinn des Lebens suchen. Bald schon finden sie sich
in der Sinnlosigkeit wieder.
Die Zeit, das zu Ende gehende 19. Jahrhundert, steht
im Mittelpunkt der Werke von Tschechow und Ibsen.
Beide sehen ihr Land im Umbruch. Russland unter dem
Zaren, keine Möglichkeiten für die große Menge, alle
Möglichkeiten für den Adel.
In Norwegen die Veränderung durch die
Industrialisierung - wenige steigen auf, die meisten
bleiben auf der Strecke.
Vor allem Frauen müssen - von dem Zeitpunkt aus
gesehen - noch lange warten auf eine Gleichstellung
mit dem Mann.
1. Akt
Die gesamte Bühne eine Wohnhalle - Sitzgruppen
verstreut über diese Fläche bis in das Proszenium.
Das Haus eines oberen Militärs. Man feiert den
Namenstag der jüngsten Tochter, philosophiert über
das Jahr, das seit dem Tod des Vaters vergangen ist.
2. Akt
Gleiche Raumaufteilung, es ist Abend. Kerzen brennen
auf dem Boden verteilt, zur Ausleuchtung des Bodens.
Man philosophiert über das Leben.
3. Akt
Zwei Betten, Paravent, Garderobenständer.
Es werden Kleider aus den Schränken der Familie
gesammelt, um die Brand-Opfer mit dem Nötigsten zu
versorgen.
Man philosophiert über die wirtschaftliche Lage der
Familie.
4. Akt
Im Garten, man verabschiedet die Garnison.
Im Duell mit Soljony wird Tusenbach getötet. Die
drei Schwestern bleiben in der Provinz zurück.
Sie philosophieren über den Sinn des Lebens.
|
Ks. Prof.
Marie-Louise Gilles
Dipl. - Kulturwissenschaftlerin
Referat vor dem
Rotary-Club Hannover Luisenhof
Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Rotarische Freunde!
Wer die Annalen unseres Clubs im Kopf hat, wird bemerken,
dass ich vor zehn Jahren schon einmal zu diesem Thema
referierte.
Inzwischen haben wir glücklicherweise viele neue Mitglieder
aufgenommen und dazu hat sich die Situation unseres
Opernhauses derart verändert, dass ich gerade Ihnen, die
zumeist in der Wirtschaft und im Geldgeschäft Tätigen erneut
berichten möchte.
Zunächst aber ein Blick in die Geschichte.
Es ist ein menschliches Urbedürfnis, sich Geschichten
erzählen zu lassen und anzuhören.
Selbst der coolste Finanzmensch, für den Literatur, Musik
und Theater alles ’dummes Zeug’ sind, wird irgendwann von
seinem Kindern oder Enkeln gefragt:
“Wie war denn das damals, erzähl doch mal!?“
So begannen die Literatur und die Theaterkunst. In der
großen Zeit Griechenlands, als Baukunst und Philosophie,
Mathematik und Physik höchste Achtung genossen, schrieben
Aischylos, Sophokles und Euripides ihre unsterblichen
Dramen. Leider waren bei der Erfindung der Demokratie die
Frauen wie bei uns bis in die 1970er Jahre ausgeschlossen,
denn es galt:
Ein Mann ist ein Krieger, ein Krieger ist ein Mensch. Eine
Frau ist kein Krieger, also ist eine Frau kein Mensch.
Für die szenische Realisation bauten die Griechen und später
die Römer Theater, deren akustische Perfektion – ich habe es
selbst mehrmals ausprobiert – unübertrefflich ist und für
Richard Wagner bei der großartigen Akustik des Bayreuther
Festspielhauses beispielhaft war.
Aber Dramen müssen aufgeführt werden, sonst verdorren sie in
der Bibliothek.
In der Antike lag die Aufsicht über die Aufführungen bei den
kultischen Spielen in den Händen der Choregen. Es waren
vermögende Bürger, die die Aufstellung, Ausbildung,
Ausstattung und Unterhaltssicherung des Chores und der
Darsteller gewährleisteten und bei den attischen Dyonisien
ebenso geehrt wurden wie die Dichter.
Die allgemeine Verarmung nach
den Peloponnesischen Kriegen - Ende des 5. Jahrhunderts vor
der Zeitrechnung - hatte zunächst die Übernahme der Choregia
durch die Staatskasse, später den weitgehenden Verzicht auf
Chöre im Drama überhaupt zur Folge. Stellenabbau - das kommt
einem bekannt vor!
Die Mysterienspiele des
Mittelalters wurden von Geistlichen und Lehrern geleitet,
bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert wurde die Leitung der
Aufführungen von den Autoren selbst, von Theaterdirektoren -
die oft völlig berufsfremd waren - und von prominenten
Schauspielern ausgeübt, wie z.B. Ekhof, Schröder, Iffland.
Regieführende Autoren waren
z.B. Shakespeare, Lope de Vega, Calderon, Moliere, Carlo
Goldoni, Raimund, Nestroy und Richard Wagner.
In der Neuzeit kennen wir als
Autoren-Regisseure: Berthold Brecht, Friedrich Dürrenmatt,
Franz-Xaver Kroetz, Fassbinder. Seit der Etablierung fester
Theater trat die Regie - (französisch von lateinisch regere
= leiten) dann verstärkt als eine eigene Gestaltungsinstanz
hervor. Wir kennen die Arbeit von Goethe in Weimar - er
stand auch selbst auf der Bühne - Immermann in Berlin,
Heinrich Laube in Wien. Herzog Georg III. schuf in Meiningen
einen eigenen an der Historie orientierten Regie-Stil.
Zusammen mit der Schauspielerin Ellen Franz etablierte er
ein Musterensemble und nach gründlichen Vorstudien und
Proben die Musteraufführungen, die von 1874 - 1890 auf
Gastspielreisen in Europa und Amerika gezeigt wurden.
Vom Zusammenklang von
historisierendem Detail, psychologischer Einzel- und
Ensemble-Arbeit und suggestiver Atmosphäre haben große
eigenständige Nachfolger wie Max Reinhard und Konstantin
Stanislawski gelernt, während zweitklassige Epigonen die 'Meiningerei'
in Verruf brachten.
In der Barock-Oper regierten
die Komponisten, die Impresarii und die Sänger. Strenge
Regeln legten fest, wer aufgrund der stimmlichen Rangfolge -
Virtuosität war der Maßstab für Haupt- und Nebenrollen - wie
viele Arien pro Akt in der Opera seria zugewiesen bekam.
Man kannte kein Repertoire,
der Theaterbesuch war kultiviertes Amüsement,
Selbstbestätigung des Adels, Herrscherhuld.
Wer dafür sorgte, dass die
Sänger im richtigen Moment auf der Bühne standen, war egal,
es ging nicht um Glaubwürdigkeit; standardisierte Affekte,
Gesten, Bühnenbilder und Kostüme schufen eine Kunstwelt,
deren Mechanik Staunen hervorrufen sollte.
Im 19. Jahrhundert war es
nicht viel anders und die bitteren Vorwürfe gegen den
Schlendrian und die schlechte Ausbildung der Sänger kann man
in Briefen und Schriften von Eduard Devrient, Albert
Lortzing und vor allem Richard Wagner nachlesen, der mit
nahezu unerschöpflicher Energie für Verbesserungen im
Theaterbereich kämpfte und den die szenischen Realitäten
seiner Werke in seinem musterhaften Bayreuther Festspielhaus
überhaupt nicht zufrieden stellten, trotz detaillierter
Regieanweisungen, die präzise wie Filmdrehbücher, fast schon
wie Storyboards aussehen.
Das Opernhaus wurde der
Mittelpunkt des bürgerlichen Lebens, ein Repertoire sammelte
sich und je mehr sich ein Bewusstsein für Geschichtlichkeit
bildete, desto stärker wurde die Notwendigkeit eines
szenischen Arrangeurs, der mehr und mehr zum Interpreten des
Werkes wurde. Aber trotz antinaturalistischer Bühnenbilder
von z.B. Ewald Dülling und Alfred Roller fehlte in der
gestischen Darstellung noch eine wirkliche Verschmelzung mit
der Aussage der Musik.
Das Ende der zwanziger Jahre
im 20. Jahrhundert und der heraufziehende
Nationalsozialismus brachen die Bedeutung des Theaters als
kulturellen Mittelpunkt der Städte. Die letzten weltweit
gespielten populären Opern sind 'Der Rosenkavalier' von 1911
und Puccinis 'Turandot' im Jahr 1926.
Die Komponisten begannen am Publikum vorbeizuschreiben. Leos
Janacek und Benjamin Britten fanden zwar ins Repertoire,
aber die Oper hatte ihre Bedeutung als aktuelles Kunstwerk
verloren.
Umso wichtiger wurde es,
durch Interpretation die vorhandenen Werke attraktiv für das
Publikum zu machen. Die Schlüsselfigur zur Verlebendigung
des Musiktheaters war Walter Felsenstein, geboren 1901,
gestorben 1975.
Er hat ungeheuer viel Kluges
gesagt und vor allem erarbeitet, erwartete bedingungslose
Hingabe an die Arbeit, was nicht jeder ertragen konnte, aber
wer je eine original Felsenstein-Vorstellung erlebt hat,
wird dieses Wunder an Lebendigkeit, Präzision, Charme oder
Erschütterung nie vergessen.
Aus einem Referat vom 4.
Dezember 1951 ein Zitat:
„Jedem bedeutenden Werk der
Opernliteratur liegt fraglos und nachweislich eine echte
theatralische Vision zugrunde. Komponist und Autor wollten
nichts anderes bewirken als das menschlich wahrhafte
Theatererlebnis und haben sich - jeweils auf ihre Art - die
vielfältigen, aber auch strengen Gesetze der
Bühnengestaltung erobert. Die Musik eines solchen Werkes
dient ausschließlich des im dramatischen Vorgang
befindlichen Menschen.
Eine den Absichten dieser Autoren gerechte und gültige
Wiedergabe des Werkes vereint daher die Freunde dramatischer
Gestaltungskunst und die Freunde der Musik und des Gesanges
im musikalischen Theatererlebnis."
Aus dem Kreise seiner
Assistenten, die sich vom 'Meister' zwar emanzipierten, aber
das Werk immer respektierten, gingen Joachim Herz und Götz
Friedrich hervor, mit dem ich das anstrengende Vergnügen
hatte: ‚'Carmen', 'Salome', 'Troubadour und 'Figaros
Hochzeit' zu erarbeiten.
Die etikettierungssüchtigen Wissenschaftler haben für
Felsenstein und seine Nachfolger das Schlagwort vom
'Realistischen Musiktheater' erfunden, wohl in Anlehnung an
den 'sozialistischen Realismus', um ihm eins auszuwischen,
weil die 'Komische Oper' zufällig in Ost-Berlin lag. Aber
Oper kann niemals realistisch sein, denn kein Mensch singt,
wenn er verzweifelt oder wütend ist oder stirbt - nur im
'Wunder Oper'.
Gustaf Gründgens und Jürgen Fehling arbeiteten intelligent,
ästhetisch und werkdienlich. In der Oper kam es in Bayreuth
ab 1951 zu einem radikalen Umbruch und Neuanfang mit Wieland
Wagner. Das Spannungsgeflecht der handelnden Personen auf
einer häufig leeren Bühne, wenige Symbole und aussagestarke
Farben, so schuf er Archetypen und Rituale, wurde ein
weltweit gefragter Regisseur und durch ihn wurde 'das
In-Szene-setzen' zur eigenständigen, aber immer noch am Werk
orientierten Kunst.
Die Revolte der 68er war als Reaktion auf den blinden
Gehorsam der Nazi-Zeit und vieler noch amtierender Altnazis
und Sympathisanten notwendig, brachte uns Frauen die
allmähliche Umsetzung des Gleichheitsgesetzes von 1957, aber
den Wahlspruch: "Macht kaputt, was euch kaputt macht" hat
die deutsche Gründlichkeit so gründlich befolgt, dass die
Tugenden, die das menschliche Zusammenleben regeln -
Ehrlichkeit, Höflichkeit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit,
Rücksichtnahme, Treue, Mitgefühl, Fleiß, Disziplin -
verhöhnt und abgeschafft wurden. Antiautoritäre Erziehung,
Mengen soziologischer Begriffe ergossen sich über uns. Es
gab wilde Happenings und das 'Werk' wurde zum Abbruch
freigegeben für assoziative Bilder und Aktionen.
Aus der Tanzkunst wurden brutale oder melancholische
Performances und die aus der Dresdener Palucca-Schule
stammende Ruth Berghaus landete im 'Berliner Ensemble' mit
den choreographischen Schlachtszenen im 'Coriolan' einen
genialen Coup, wurde aber im Laufe ihres Lebens humorlos,
spröde und didaktisch eng, wie sie war, zur Begründerin
dessen, was man 'Regie-Theater' nennt. Ihre verrätselten
Bilder, die Nichtidentität ihre Figuren als Ausdruck ihrer
gesellschaftlichen Entfremdung, die politische Begründung
jeder Aktion waren ihr Markenzeichen.
Ihr 'Ring des Nibelungen' in Frankfurt - vor lauter
verquasten Symbolen wusste man nicht, in welchem Stück man
sich befand. Nach ihr kamen die Epigonen - Josef Beuys
behauptet: „Jeder Mensch ist ein Künstler" und ein Musical
führt den Titel 'Anything goes' und das Ergebnis ist ein
entsprechendes.
Die Vertreter des neuen Musiktheaters, von übersättigten
Kritikern und vor allem der Zeitschrift Theater heute'
propagiert, bringen ihre infantilen Analprobleme, ihre
pubertären Sexual-Abnormitäten und Potenz-Schwierigkeiten
wie auch Machtphantasien auf die Bühne, quälen damit die
Darstellerinnen und Darsteller bis zur Entwürdigung und
belästigen das Publikum. Leider aber bestärken die
Proteststürme des Publikums die Vertreter des Regietheaters,
die Spirale von Gewalt und Sex auf der Bühne immer weiter zu
drehen.
Wann greifen die Intendanten als Wahrer der
zur Verfügung stehenden Gelder ein, wann ist der Höhepunkt
des Ekels erreicht, wann schlägt das Pendel mit der
philosophischen Ausrede von Jacques Derrida's Dekonstruktion
zurück? -
Wie lange geht es so weiter - bis keiner mehr hingeht?
Um nun die im Thema des Tages
gestellten Fragen zu beantworten: 'Was ist Regie? - Was ist
Regie-Theater?'
Es sind dies zwei völlig unterschiedliche Wege, ein
Theaterstück auf der Bühne zu verlebendigen.
Für die Regie ist das Werk
und der darin enthaltene Wille des Autors oberste Maxime,
die sorgfältig studiert, mit den technischen und
künstlerischen Mitteln der Gegenwart interpretiert wird.
Für das Regie-Theater ist
der Wille des Autors irrelevant. Das Werk wird vom Regisseur
als gleichberechtigtem Co-Autor dekonstruiert, nach seinem
Willen zur Konkretisierung heutiger Lebensgefühle mit den
Mitteln zeitgenössischer Medien:
Installation, - Video, -
Aktionen - auf die Bühne gebracht und mit den Erkenntnissen
der Tiefenpsychologie und Soziologie begründet.
Inzwischen hat sich die Spirale noch weitergedreht. Aus dem
’Regie-Theater’ ist das ’Regisseurstheater’ geworden, ein
Begriff, den ich zeitgleich mit Prof. Dr. Armin Klein, dem
Kulturwissenschaftler aus Ludwigsburg und Co-Autor des
Buches ’Der Kulturinfarkt’, prägte.
Er besagt, dass der gesungene Text und das, was auf der
Szene geschieht oder als Bühnenbild zu sehen ist, nichts
mehr miteinander zu tun haben.
Ersan Aygün, Künstlername Ersan Mondtag, Ausstatter der
Berliner Volksbühne, äußerte sich:
“Ich bin ein autonomer Künstler und kein Dienstleister
von einem Autor, dessen Drecksarbeit ich machen soll!“
Es ist jetzt modisch, Werke von so genannten ’bildenden
Künstlern’ auf die Bühne zu packen und dazu eine Oper
spielen zu lassen. Denken wir an Schlingensiefs Gerümpel im
Parsifal oder die Biogasanlage im Tannhäuser oder die Route
66 im ’Ring’ in Bayreuth.
Und wer hat das zu verantworten?
Der Intendant, der absolute Fürst!
Für den speziellen Opernfreund ist das Gläschen Sekt mit dem
Intendanten nach der Premiere so etwas wie die Erhebung in
den Adelsstand. Ihn umgibt die Aura als die eines Fürsten
und Herrn über Leben und Tod.
Ich habe acht von ihnen erlebt und überlebt:
1.)
den gewitzten Geschäftsmann und Überlebenskünstler;
2.)
den aalglatten, intellektuellen Schöngeist;
3.)
den unnahbaren Repräsentanten der Macht;
4.)
den energischen Neuerer mit dem Gespür für zukunftsweisende
Talente;
5.)
den treusorgenden Hausvater;
6.)
den sprühenden Vollblut Theatermenschen;
7.)
den (interemistisch) gefährlich-ängstlich Bewahrenden;
8.)
den antoprosophischen Menschenfreund, an einer glanzvollen
Theatervergangenheit orientiert.
Eine
wahrhaft bunte Mischung!
Das
Theatergebäude ist scharf in zwei Teile getrennt. Auf der
einen Seite wird laut und schwitzend gesungen, getanzt,
gegeigt, und geblasen – auf der anderen Seite ist es leise
und unheimlich.
Hier wird über Spielpläne, Besetzungen und Kündigungen
entschieden, Honorare und Verträge werden ersonnen, und
getreu dem Sprichwort ’gehe nie zu deinem Fürst, wenn du
nicht gerufen wirst!’ meiden die hart arbeitenden Menschen
von der anderen Seite dieses verminte Gelände.
Die
Ausnahme ist natürlich das quirlige Betriebsbüro, das alles
am Laufen halten muss und in dem man auf den heiß ersehnten
Urlaubsschein wartet, um bei einem Konzert oder
Bühnengastspiel das mickrige Gehalt aufbessern zu können.
Den Urlaubsschein unterschreibt natürlich der Intendant, der
voller Genuss das arme Sängerlein zappeln lässt.
Wie aber wird man Intendant?
Dem
Internet kann man die Beschreibung des Berufsbildes nach
’einem einschlägigen Gutachten’ formuliert, entnehmen.
In
jeden ’anständigen’ Beruf: Schreiner, Dachdecker, Uhrmacher,
Arzt, Lehrer absolviert man eine Lehre oder ein Studium.
Bezüglich des Intendantenberufs steht aber dort kurz und
knapp:
’Eine Ausbildung zum Intendanten gibt es nicht!’
Weiter heißt es, nach einigen Studienempfehlungen:
’Wer den Beruf des Intendanten anstrebt, sollte frühzeitig
auf seine Person aufmerksam machen, entsprechende Kontakte
knüpfen und in Führungspositionen arbeiten, um seine
Fähigkeiten herausstellen zu können.’
Ministerien, wenn sie einmal installiert sind, wollen nicht
gestört werden, so dass die zweite oder dritte Reihe der
Mitarbeiter nach zufälliger Kenntnis des Marktes eine/n
Intendanten/in vorschlägt.
Der Aufsichtsrat eines Theaters – bestehend aus Mitarbeitern
der Verwaltung der betreffenden Kommune, aus Juristen,
Geschäftsleuten, fachfremden Personen - sagt “Ja und Amen“
und schon ist mit ’der notwendigen Diskretion’, wie das Nds.
Ministerium für Wissenschaft und Kultur mitteilte – ein/e
Intendant/in inthronisiert.
Auf eine öffentliche Ausschreibung – um Transparenz und
Fairness walten zu lassen – wurde seitens des grünen Nds.
Ministeriums verzichtet.
So ins Amt gekommen muss der oder die jetzt die Macht
sichern, in dem er /sie erstmal das bisherige Ensemble
kündigt.
Dieser Satz führt mich natürlich zu Niccolo Machiavelli und
seinen nie alternden Anleitungen zum Machterwerb und
Machterhalt.
’Es ist also wohl zu merken, dass derjenige, der sich der
Herrschaft bemächtigen will, alle Grausamkeiten mit einem
Mal vollführen muss, um nicht alle Tage wieder anzufangen.
[…]
Alle Verletzungen anderer müssen auf einmal geschehen, damit
sie weniger überdacht und besprochen und weniger tief
gefühlt werden.
Wohltaten aber müssen nach und nach erzeigt
werden, damit man sich unaufhörlich damit beschäftigt’.
(Niccolo Machiavelli: ’Der Fürst’, Seite 39/40, Fischer
Taschenbuchverlag)
Problemtisch werden derartige erste Aktionen insofern, wenn
der oder die ins Amt kommt und die öffentliche Meinung schon
im Vorfeld gegen sich hat. Besonders dann, wenn auf
Empfehlung jemand noch kurz vor der Rente in eine solche
Position gehievt wird, um die Ansprüche für die
Altersversorgung möglichst hoch zu treiben.
Da gab es Herrschaften, denen der Job zuteil wurde als sie
mit 55 Jahren wechselten mit der Aussicht durch eine
Vertragsverlängerung die 65 zu erreichen, um dann in Rente
zu gehen.
Man kann natürlich, wenn die ’Promotion’ gut funktioniert
hat, auch mit 59 Jahren den Dienst noch antreten, muss sich
aber überlegen:
“Wo
komme ich her, wo gehe ich hin?!“
Zusätzlich schwierig das alles, wenn der oder die
’verbrannte Erde’ an der neuen ’location’ betritt.
Natürlich will der Opernfreund nicht fortwährend die
gleichen Inszenierungen mit den gleichen Leuten erleben,
aber immer der gleiche Ekel unter wechselnden Intendanten
ist unangenehmer und kostenträchtiger als gleich bleibende
Schönheit in einer zunehmend verrohenden Welt zu ertragen.
Und auch das Glas Sekt mit dem Fürsten als Theaterleiter
nach einer Premiere sollte mit Vorsicht genossen werden.
Und
nun zu Hannover:
Als unser verehrter Rotarischer Freund Prof. Hans-Peter
Lehmann im Jahr 2001 in den Ruhestand trat, erschien als
neuer Intendant Albrecht Puhlmann als Operndirektor und
Leitender Dramaturg der Oper am Theater Basel.
Er war ein gut gekleideter Mann mit Manieren aber einer
chaotischen Entourage, die sofort die Initiative an sich
riss und alle Werte, die Peter Lehmann in langer Arbeit mit
Einverständnis eines zahlreichen und begeisterten Publikums
aufgebaut hatte, über den Haufen warf.
Er engagierte modische Regisseure wie den Berserker Calixto
Bieito und so wurde die Opernbühne zum Schlachtfeld mit Blut
und allem sonstigen was der menschliche Körper so hergibt.
Zu Tausenden gab das Publikum Abonnements zurück, die oft
über Generationen gehütet und vererbt zur kulturellen
Bildung unserer kunstbegeisterten Bevölkerung beitrugen.
Im Jahr 2006 hatte sich ein Hinterzimmer des Ministeriums
für Wissenschaft und Kultur als neuen Intendanten Dr.
Michael Klügl aus Linz ausgeguckt, weil er dort eine hohe
Platzauslastung vorzeigen konnte.
Sein Interesse gilt dem Unterhaltungstheater und er stellte
sich bei seiner Einführung dem hannoverschen Publikum in
bemerkenswert alternativer Kleidung vor.
Der Spielplan wurde ausgedünnt, die Leertage wurden
zahlreicher, Alibi-Veranstaltungen werden eingefügt und das
Publikum stimmt mit den Füßen ab und geht nicht mehr ins
Opernhaus.
Ungeheuer massive Bühnenbilder, die mit dem Werk nichts zu
tun haben, sind teuer und werden nach Absetzen der
Produktion vernichtet.
Fahrende Wohncontainer mit hässlichem Inhalt im eigentlich
zarten, naturverbundenem ’Werther’, ein komplizierter Zugang
in eine unterirdische Leichenhalle in der eigentlich
tragisch-romantischen ’Rusalka’, eine shopping-mall im
’Fliegenden Holländer, ein Werk über die Unbesiegbarkeit der
Elemente und die Kraft der Liebe.
’Tosca’, eine Oper, mit einen genauen Zeitbezug, die
Schlacht bei Marengo am 14. Juli 1800, wird als
sozialistisches Stück mit jungen Pionieren als Chorknaben,
Scarpia als DDR-Vergewaltiger, statt in seinem Palast in
einem schäbigen, riesigen Holzkasten gezeigt.
Selbst eine gut gemachte ’Manon Lescaut’ spielt vor
halbleerem Saal. Als Ausweg werden Karten verschenkt, wenn
man eine kauft. Verschleudert wie der letzte Hering auf dem
Fischmarkt.
Einzig die ’Traviata’ ist dank der ungeheuren sportlichen
Leistung von Frau Chevalier z.Zt. Publikumsrenner, aber die
Interpretation als arme besoffene Schnapsdrossel ist nicht
die Intention des Werkes in dem eine zarte, liebeshungrige
Seele im Pariser Luxus zugrunde geht.
Ein Renner ist jetzt die ’West Side Story’, in der vom
Opernhaus aber nur sieben Tänzer und eine Sopranistin
mitwirken, alles andere kommt von außen.
Wenn ich alles dies aufzeige, ruft es natürlich bei einigen
Opernfreunden einen Behüterreflex hervor.
Diese giftige Person will uns das Opernhaus schlecht reden!
Nun ja, da ich mir den Zugang zu diesem Beruf mit äußerster
Härte gegen mich selbst erkämpft habe, halte ich es im Sinne
einer Verbesserung der Situation unseres kulturellen
Mittelpunkts gerne aus.
Ihnen, die Sie in Führungspositionen tätig sein, möchte ich
jetzt einige Beispiel der Korrespondenz vortragen, denn es
geht neben dem Niedergang unseres Opernhause um viel Geld.
Präambel:
Es wird gegenüber der Nds. Staatsoper Hannover GmbH
der Vorwurf der mangelhaften, nichtsach- und
nichtfachgerechten Geschäftsführung erhoben.
Begründung:
Die Nds. Staatstheater Hannover GmbH veröffentlicht
Auslastungszahlen für die Nds. Staatsoper Hannover
auf Grund ’zur Verfügung gestellter’ Plätze, nicht
jedoch aufgrund ’zur Verfügung stehender’ Plätze.
Das Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur
argumentiert, Sitze würden nur aus künstlerischen
und / oder wirtschaftlichen Gründen, vom Verkauf
ausgeschlossen.
Dies ist möglich.
Wurde auch beispielhaft bei der Produktion 'La
Traviata' praktiziert.
Dies Verfahren behindert jedoch - aus den
anzufechtenden Argumenten einer ’Freiheit der Kunst’
- eine wirtschaftliche Nutzung des Hauses.
Die Aussage des Nds. Ministeriums für
Wissenschaft und Kultur ist aber auch grundsätzlich
nicht anwendbar.
Die Vorstellungen der Produktionen der Opern z.B.
'Holländer', 'Manon', 'Liebestrank', 'Traumgörge',
'LOT' wurden in den meisten Fällen vor geschlossenem
dritten Rang gespielt, weil nicht genügend Karten
für diese Sitzregion abgesetzt werden konnten.
Das Kassenpersonal zur Begründung der Schließung
des dritten Ranges befragt, gab zur Kenntnis, dass
„genügend Karten für Parkett und erstem wie zweitem
Rang zur Verfügung stehen, da brauchen wir den
dritten Rang nicht.“
Dies zeigt auf, das Haus wird in wirtschaftlicher
Hinsicht unqualifiziert geführt.
1.
Die Nds. Staatsoper Hannover spielt im Schnitt nur
an zwanzig von dreißig Tagen pro Monat vor Publikum
im großen Haus am Opernplatz 1 in Hannover.
Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur
behauptet, die übrigen Zeiten müssten für Proben zur
Verfügung stehen und aus tarifpolitischen Gründen
könnten nicht mehr Vorstellungen eingerichtet
werden, da Freizeiten für das technische Personal
einzuplanen seien.
Dies würde bedeuten,
- dass das Haus am Opernplatz für Proben zur
Verfügung stehen muss und anderweitig zur Verfügung
stehende Räume nicht notwendig sind, somit Kosten
für derartige Räume gespart werden können;
- dass eine bestimmte Mitarbeitervertretung die
Nutzung des Hauses behindert bzw. die
Landesregierung als Trägerin der Nds. Staatsoper
Hannover nicht willens oder in der Lage ist, die
Nds. Staatsoper Hannover mit den entsprechenden
Möglichkeiten wie Geldern auszustatten, die einen
Betrieb vor Publikum an dreißig Tagen pro Monat
ermöglichen, der qualitativ dem Status der Nds.
Landeshauptstadt würdig ist und wie es über
Jahrzehnte praktiziert wurde.
Hinderlich in diesem Zusammenhang sind
Bühnenbauten/Bühnenbilder in dreidimensionaler Form,
für die in bestimmten Gebäuden Räume zum Bau von
Bühnenbauten/Bühnenbildern eingerichtet werden, die
dann auch noch in den meisten Fällen nicht zum
Verständnis der originären Handlung des Werkes
beitragen, das im Rahmen der ’Freiheit der Kunst’
das Publikum irritieren und den Proben- und
Vorstellungsablauf nachhaltig behindern.
Hinzu kommt, dass diese Bühnenbauten/Bühnenbilder
nach Absetzen der Produktion in den meisten ihrer
Teile vernichtet werden.
2.
Die Nds. Staatsoper verschenkt Eintrittskarten
nach dem Muster:
'Eine Karte kaufen - und zu zweit in die Oper
gehen.'
Am 17. März 2017 fand eine Vorstellung der
Produktion 'Candide' unter dieser Maßgabe statt.
Diese Vorstellung war ausverkauft.
Da keiner in der Bevölkerung eine voll bezahlte
Karte für eine zweite Person kauft, ist davon
auszugehen, dass die Hälfte der Karten für die 1202
zur Verfügung stehenden Plätze – also 600 Karten
verschenkt wurden.
Die Nds. Staatsoper trug also bei dieser
Vorstellung nicht einmal mit dem Minimalbetrag der
Eigenleistung zum wirtschaftlichen Erfolg bei.
Im Monat November 2017 wurden unter diesem Aspekt
vier Vorstellungen der Nds. Staatsoper Hannover -
dreimal 'Manon', einmal 'Liebestrank' - als 'Eine
Karte kaufen und zu zweit in die Oper gehen' -
angeboten.
3.
Am 6. Mai 2017 vertrat der kaufmännische Leiter
der Nds. Staatsoper Hannover, Jürgen Braasch, coram
publico die Meinung:
„für die Kunst habe ich meine Intendanten!“.
Er schließt sich also von der künstlerischen
Verantwortung aus, wenn die Intendanz nicht in der
Lage ist, Produktionen auf die Bühne zu bringen, die
das Publikum als Vollzahler ins Haus ziehen.
Beispielhaft hierzu - vor vollen Häusern zu
agieren - ist die hiesige Produktion des Musicals
'West Side Story'
4.
Mit Schreiben vom 20. März 2017 behauptete das
Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Herr
Dr. Klügl habe während der Zeit seiner Tätigkeit als
Intendant der Nds. Staatsoper Hannover 1,5 Millionen
jährlich – das bedeutet jedes Jahr seiner Tätigkeit
in Hannover – zusätzlich erwirtschaftet.
Das Ministerium bleibt bisher die Antwort
schuldig, auf welche Weise dieser Betrag zustande
kam und kommt.
Zusammenfassung
Die Niedersächsische Staatoper Hannover wird
monatlich vor Publikum meist nur an 20 von 30 Tagen
betrieben.
Beispielhaft wird hier:
- der März 2017 angegeben, der eine Auslastung
vor Publikum von lediglich 54,8 Prozent erreichte.
- der 10. Oktober 2017 für die Vorstellung ’Der
fliegende Holländer’ angegeben, für den insgesamt
nur 360 Karten abgesetzt wurden. Hieraus errechnet
sich eine Auslastung des Hauses von gerade einmal
von 30 Prozent
Dies bedeutet auch, dass ein wirtschaftlicher
Einsatz des Orchesters, des Chores und der Solisten
nicht gegeben ist.
Die übrigen Zeiten - im Schnitt 10 Tage im Monat
- werden mit allerlei Pseudoveranstaltungen wie
- Führung durch das Opernhaus
- Gesangsworkshop für Kinder
- Singen mit dem Publikum
gefüllt bzw. durch später im Jahr liegende
Veranstaltungen wie Tanztage im April zu Ostern oder
ein Evita-Sommergastspiel im Juli 2017 der
Öffentlichkeit gegenüber im Spielplan überdeckt und
damit optisch eine Vollbelegung des Hauses
vorgetäuscht.
Da Anfragen an das Land Niedersachsen bezüglich
der Auslastung des Hauses und der Nutzung vor
Publikum bisher nur mit Ausflüchten beantwortet
wurden, muss davon ausgegangen werden, dass hier
Missstände bestehen, deren Aufklärung der
Öffentlichkeit, aus für den Steuerzahler gegenüber
unerfindlichen Gründen, nicht aufgezeigt werden
sollen.
Es muss vermerkt werden, dass der Nds.
Landesrechnungshof in seinem Schreiben vom 09.
Februar 2017 – in Beantwortung unserer Anfrage vom
16. April 2016 – immerhin fast acht Monate später –
von:
[…]
Auslastungsproblemen
der Niedersächsischen Staatsoper Hannover
[…]
spricht.
Kommentar
Die Niedersächsische Staatsoper Hannover arbeitet
unter der Leitung des Herrn Dr. Klügl am Publikum
mit den angebotenen Inszenierungen wie ’Die
Meistersinger’, ’Don Giovanni’, ’Falstaff’, ’Der
Freischütz’, ’Rusalka’, ’Werther’, ’Die verkaufte
Braut’, ’Der fliegende Holländer’ usw. mit
finanziell aufwändigen Bühnenbildern am Publikum
vorbei, so dass:
- der dritte Rang häufig geschlossen bleibt;
- Produktionen vorzeitig abgesetzt werden;
- Karten auf der Basis 'Eine Karte kaufen - und
zu zweit in die
Oper gehen' verschleudert werden;
- Karten für z.B. Holländer auf völlig unseriöse
Weise mit einer
Art Schnitzeljagd per Fahrradsattelschoner 'unters Volk'
gebracht werden sollten (siehe HAZ vom 9.2.17).
und der Aufsichtsrat nicht in der Lage ist, einen
ordnungsgemäßen und erfolgreichen Spielbetrieb vor
Publikum an 30 Tagen pro Monat auf hohem Niveau, der
Landeshauptstadt entsprechend gemäß dem
Bildungsauftrag und unter sinnvoller Verwendung der
hohen Subventionen aus Steuergeldern zu realisieren
Damit ist die gesamte Institution der Nds.
Staatsoper Hannover in künstlerischer wie
wirtschaftlicher Hinsicht in Frage zu stellen, neu
zu bewerten und ’im Zweifelsfalle’ eine Reduzierung
der Zuschüsse aus Steuergeldern zu verfügen.
Verschanzt hinter dem Artikel 5 des
Grundgesetzes vollziehen die Vertreter des
Regisseurstheaters ihr Zerstörungswerk an den über
Jahrhunderte vom Publikum geliebten Opern und
vertreiben es aus den Theatern.
Belastet vom Trauma nationalsozialistischer
Verfolgung unliebsamer Künstler sollte der Artikel 5
Zensur für alle Zeiten ausschließen.
Das ist verständlich und richtig.
Aber dass die Ausdehnung des Freiheitsbegriffs zur
Selbstzerstörung einer Kunstform führen würde,
konnte 1949 niemand voraussehen.
Zwar grenzt Absatz 2 des Artikels 5 die Freiheit der
Kunst ein:
Zitat
“Diese Rechte finden ihre
Schranken in den Vorschriften der allgemeinen
Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze
der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“
Zitatende
Also
1. Allgemeine Gesetze
2. Schutz der Jugend
3. Persönliche Ehre
Sollte nun ein mit Recht erzürnter Opernfreund einen
Intendanten und seine Regiecrew wegen Vergehen gegen
die allgemeinen Gesetze, Vergehen gegen den Schutz
der Jugend und Vergehen gegen die persönliche Ehre
verklagen wollen, findet er einen unter den
honorarbewussten Juristen, der Rechtsbeistand
leisten würde?
Die Materie ist ungreifbar, geschmackabhängig, wenig
erfolgversprechend.
Bleibt dem Opernfreund nur das Buhgeschrei und die
Abstimmung mit den Füßen?
Trotzdem wird sie vom Steuerzahler weiter
subventioniert, weil:
Verschwendung von Steuergeldern ist – noch – kein
Delikt.
Wenn ich auch vom Naturell her ein friedliebendes
Wesen bin, packt mich doch wegen des weltweit
verabscheuten ’german-trash theater’ nicht blinde
Wut, sondern der berechtigte ’heilige Zorn’: Eine so
wundervolle, wörtlich ’voller Wunder!’ uns
anvertraute Kunstform wie die Oper mit echt
deutscher Lust an der Selbstzerstörung von
Geltungssucht oder Selbsthass bestimmten
musikverachtenden Regisseuren zur Zertrümmerung
freizugeben ist ein Frevel – und sie mit Geld der
Steuerzahler dafür prächtig zu belohnen macht
fassungslos.
Mit wie viel Begeisterung habe ich meine Partien
studiert und mit wie viel freudiger Spannung sind
wir, das Ensemble, zu Götz Friedrich, zu Günther
Roth zu Peter Lehmann Tag für Tag in die Proben
gegangen.
Bereichernd, beglückend, spannend war die Arbeit,
wir haben sportlich geschwitzt, waren glücklich, die
Zeit verging wie im Fluge und das Haus voller
Publikum jubelte uns zu. Bei einer normalen
Vorstellung des ’Rosenkavalier’ hatten wir 43
Vorhänge und mussten zuletzt, als schon der eiserne
Vorhang unten war, durch das Türchen in ihm treten.
Heute spielt unser großartiges Staatsorchester und
singen die Kollegen vor halbleerem Haus, und da
verwundert es nicht, dass der Generalmusikdirektor
Ivan Repusic - vom Orchester mit großer Zustimmung
ausgewählt - das Opernhaus Hannover zum
nächst-möglichen Termin in 2019 verlässt.
Mit wie viel Freude sind wir
Kolleginnen in die Damenschneiderei, die unter
Leitung unserer Freundin Barbara Brokate weltweit
berühmt war, gegangen, um das Entstehen einmalig
schöner Kostüme am eigenen Leib zu erleben.
Heutzutage musste meine bildschöne Nachfolgerin
Mekaberize sich z.B. als Venus im ’Tannhäuser’,
Göttin der Liebe und der Schönheit im schäbigen
grauen Kittel in einer schmuddeligen Pfütze
unterhalb einer Fußballtribüne aufhalten statt im
luxuriösen Venusberg.
Der ’Freischütz’, trauriger Höhepunkt der
Verschandelung eines Meisterwerks wurde von einer
Truppe so genannter progressiver Künstler aus den
Schauspiel zu einer widerwärtigen Hasstirade gegen
Deutschland, aber das Geld der Steuerzahler wird
gerne genommen.
Der Protest eines promovierten Hannoverschen
Ratsherrn wurde vom Bühnenkünstler als “geistiger
Dünnschiss“ bezeichnet und Hannover als “brauner
Sumpf“ abqualifiziert.
Demnächst wird die Inszenierung wieder in den
Spielplan aufgenommen und es wird schon ein paar
reeperbahnerfahrene Leute geben, die unbedingt
zuschauen wollen, wie während Agathes zarter Arie
sich hinter ihr Schneewittchen – pardon – sich in
der Scheiße wälzt, um hier nur ein Detail von den
vielen Hässlichkeiten zu erwähnen, die übrigens
nichts mit dem Stück zu tun haben.
An wen soll sich der gequälte Opernfreund und
Steuerzahler nun wenden?
Die Intendanten, die absoluten Fürsten sind
zusammengeschlossen im ’Deutschen Bühnenverein’.
Deren Vorsitzender ist Prof. Ulrich Khuon.
An ihn richtete sich folgender Brief vom 2.
September 2017 auf dessen Beantwortung ich noch
heute warte:
Sehr geehrter Herr Professor Khuon,
gewiss
werden Sie sich noch gerne an Ihre
Intendantenzeit in Hannover erinnern, die
man mit dem Titel Professor der Hochschule
für Musik und Theater würdigte.
Inzwischen
wurden Sie zum Präsidenten der Deutschen
Bühnenvereins ernannt, wozu ich Ihnen
gratuliere.
Mittlerweile hat sich an den deutschen
Bühnen viel verändert und bei allem
Verständnis für die Lebendigkeit der
Theaterkunst sind die Inszenierungen der
Vertreter des 'Regisseurtheaters' so extrem
und kontraproduktiv geworden, dass sich das
Publikum verweigert.
Die 'Freiheit der Kunst' brachte
Dekonstruktion, Sexualisierung,
Politisierung, Brutalisierung, Kopien von
Hollywood, die den Werken übergestülpt
wurden und werden, um private Probleme zu
verarbeiten.
Das kann
doch nicht in Ihrem Sinne sein!?
Hinzu
kommt, dass die Auslastungszahlen der
Theater so geschönt werden, dass die
Theaterleitungen bei ihrer Zählung von den
'zur Verfügung gestellten Plätzen' ausgehen
und nicht von den 'zur Verfügung stehenden'.
Sperrt man die Ränge und das halbe Parkett,
indem man einen Vorhang quer durch den Raum
zieht, kommt man leicht auf 100 Prozent.
Diese
’Mogelei’ kann doch nicht in Ihrem Sinne
sein!?
Der
Steuerzahler subventioniert mit vielen
Millionen die Kunst, und das ist auch gut
und richtig so.
Aber wenn
ihm unablässig die Stücke verfälscht geboten
werden, die man weder der heranwachsenden
Jugend noch den zu uns kommenden Migranten
zumuten kann, bleibt er zu Hause.
Die Presse
hat bei der Premiere ihren 'Aufreger', aber
leere Häuser können, Herr Präsident, doch
nicht im Sinne des Deutschen Bühnenvereins
sein!?
Beigefügt die aktuellen Ausgaben des von mir
herausgegebenen Kulturjournals sowie der
’Mitteilung an meine Freunde.’
Mit
freundlichen rotarischen Grüßen
ML Gilles
RC Hannover
Luisenhof
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Zitat
Ein
Leben Jenseits der Bühne
Das Ende des Traumberufs vor
Augen, wenn bei anderen die Karriere erst richtig
los geht: Wer sich für das Tanzen als Profession
entscheidet, weiß, dass die Karriere hart ist und
meist nicht lange dauert. Doch wie kann es für
Tänzerinnen und Tänzer danach weitergehen?
In Deutschland gibt
es nach Schätzungen bis zu 4000 Tänzerinnen und
Tänzer, davon um die 1400 in festen Engagements. Oft
reicht deren Berufswunsch bis in die frühe Jugend
zurück, ebenso häufig haben sie große Teile ihrer
Kindheit und Jugend im Ballett verbracht und kannten
nicht viel anderes. Die mit Studien- oder
Schülerjobs verbundenen Berufserfahrungen fehlten
vielfach. Die Ausbildung war hart und fordernd. Auf
der anderen Seite war damit aber auch ein Leben wie
unter einer Glocke verbunden, in einem schützenden
Kokon. Gerade bei Tänzerinnen und Tänzern, die fest
an einer staatlichen Bühne engagiert waren, setzte
sich das fort. Deren Leben bestand aus Trainieren,
Proben, Auftreten, Schlafen und dann alles von
vorne. Vom ’gewöhnlichen’ gesellschaftlichen Leben
bekommen viele kaum etwas mit, Freundschaften mit
Menschen außerhalb der Ballett-Szene blieben oft auf
der Strecke. Zudem handelt es sich bei etwa 70
Prozent um ausländische Tänzer, die hierzulande
zunächst auch noch die Sprache erlernen mussten,
sehr oft das Engagement wechseln und eine hohe
Mobilität aufweisen.
„Wieso haben Sie
nichts Richtiges gelernt?"
Solche
Vollbluttänzer haben dann später im besten Fall eine
klassische Tänzer-Laufbahn hinter sich: Es lief wie
am Schnürchen - Halbsolist, Solist, eine Rolle nach
der anderen. Und trotzdem gerät die Karriere mit
Ende 30 meist an ihr Ende, auch wenn heute viele
Compagnien Tänzerinnen und Tänzerjenseits der 40
beschäftigen. Der Körper und seine jahrzehntelange
Belastung verlangen ihren Tribut. Das erwartet
unerwartet frühe Karriereende ändert aber nichts
daran, dass sich viele Betroffene schutz- und
hilflos fühlen. Das gilt umso mehr, wenn etwa eine
Verletzung eben doch einen plötzlichen Abbruch
fordert. Während der aktiven Zeit haben viele das
Thema verdrängt, was die Fallhöhe noch verstärkt.
Zum Schmerz des Abschieds vom Tanz, von der Bühne
und von einem heiß geliebten Beruf kommt dann noch
Demütigung hinzu. Denn nicht selten hören Tänzer von
den Sachbearbeitern der Arbeitsagenturen Sätze wie
„Wieso haben Sie nichts Richtiges gelernt?" oder
„Und was haben Sie tagsüber gemacht?" Andere haben
schon früh begonnen, sich mit dem Übergang in einen
anderen Beruf (,Transition’) auseinanderzusetzen und
beginnen noch während des Tänzerlebens ein
Fernstudium oder eine berufsbegleitende Ausbildung.
Ohnedies sind freischaffende Tänzer meist schon auf,
einem dualen Karriereweg - weil sie vom Tanzen
allein nicht leben können. So studierte der Däne
Johan Hamburg als Gruppentänzer engagiert,
Kunstgeschichte und Kulturwissenschaft und wurde
2011 Direktor der Staatlichen Kunsthalle
Baden-Baden.
Seit 2010 hilft die
Stiftung TANZ
Die meisten aber
haben es mehr oder weniger schwer, nach Abschluss
ihrer Karriere in einem anderen Beruf Fuß zu fassen.
Ihr Leben bestand all die Jahre zuvor aus Tanz und
nichts anderem. Auch wenn Tanz mittlerweile ein
akademischer Beruf ist und an Hochschulen studiert
wird, werden Betroffene vielfach immer noch wie
‚Ungelernte" behandelt.
Anders als bei
Athleten der olympischen Disziplinen ‚denen während
ihrer Karriere eine stattliche Anzahl vom Bund
bezahlte Laufbahnberater zur Seite stehen und
olympische Zentren sich nach der Sportkarriere um
die Betroffenen kümmern, konnten sich Tänzerinnen
und Tänzer bis 2010 hierzulande noch nicht einmal an
einen einzigen kompetenten Berater wenden. Seither
gibt es die Stiftung TANZ - Transition Zentrum
Deutschland, die inzwischen um die 900 Betroffene
betreut hat. Zum Angebot der Stiftung gehören
persönliche Beratungsgespräche durch die Berliner
Geschäftsstelle sowie externe Coaches, aber auch per
Telefon, E-Mail oder Skype.
Es gilt, individuelle Fragen zur persönlichen
Transition-Situation zu klären und Informationen zu
bürokratischen Fragen oder
Finanzierungsmöglichkeiten einer Transition zu
vermitteln. Die Diplom-Psychologin Heike Scharpff
steht dort Tänzerinnen und Tänzern zur Verfügung. In
Einzel-Coachings werden neue berufliche Ziele
erarbeitet Die Stiftung bietet Unterstützung in der
Kommunikation mit Behörden wie Arbeitsagentur,
Rentenversicherung und Berufsgenossenschaft.
Die Orientierung nach außen, in die Gesellschaft
hinein, ist oft zwingend notwendig, denn an den
Bühnen ist für viele keine weitere
Beschäftigungsmöglichkeit vorhanden. Selbst wenn
Tänzer heutzutage oftmals Bachelor- und
Masterabschlüsse haben, ändert das nichts daran,
dass an den Häusern nur wenige Planstellen für
Ballettmeister oder Trainingsleiter existieren und
auch der Wechsel in Berufsfelder wie lnspizienz,
Maskenbild, Dramaturgie oder Physiotherapie nur
eingeschränkt möglich ist. Der jeweilige
Transition-Prozess wird begleitet, indem die
aktuelle emotionale Situation ebenso wie persönliche
Interessen, Kompetenzen und Ziele geklärt werden.
Eine, wenn auch bescheidene, finanzielle Hilfe ist
ebenfalls möglich. Es gibt Stipendien für
Tänzerinnen und Tänzer, die eine neue berufliche
Ausbildung oder ein Studium von öffentlicher Seite
nicht finanziert bekommen. Zusätzlich finden dreimal
jährlich in verschiedenen Städten wie München,
Hamburg, Berlin, Karlsruhe, Düsseldorf, Dresden oder
Mannheim Workshops mit Experten statt. Neben dem
Serviceangebot in Berlin wurden 2016 acht
90-minütige Transition-Vorträge wie auch
Beratungstage vor Ort in den Deutschen Ballett- und
Tanztheaterkompanien wie auch Hochschulen
durchgeführt: Bayerisches Staatsballett München,
Ballett Ulm, Ballett Gelsenkirchen, Ballett Leipzig,
Ballett Mannheim, Tanztheater Braunschweig.
Die GDBA ist im
Kuratorium der Stiftung vertreten und bietet ihren
Mitgliedern ebenfalls Beratung an.
Hürden gibt es
genug
Die Stiftung TANZ -
Transition Zentrum Deutschland haben vor fast acht
Jahren Inka Atassi und Sabrina Sadowska ins Leben
gerufen. Beide waren selbst Tänzerinnen,
Sadowska ist seit vielen Jahren auch Mitglied der
GDBA. Dem Kuratorium der Stiftung steht John
Neumeier vor. Die tanzstarken Länder
Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg,
Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen
und Thüringen fördern die Geschäftsstelle in Berlin
über die Kulturstiftung der Länder mit jährlichen
Beiträgen und es werden an diversen Theatern
Benefizveranstaltungen organisiert. Die
Mitarbeiterinnen der Stiftung sind immer wieder mit
ganz unterschiedlichen Lebensläufen konfrontiert:
Manche bleiben „irgendwie" immer Tänzerin oder
Tänzer, auch wenn sie nicht mehr auf der Bühne
stehen; andere suchen bewusst die Distanz.
Entsprechend breit
ist das Spektrum der Berufe, für die sich die
’Ehemaligen’ entscheiden: Alles ist dabei, etwa
Gärtnerin, Architekten, Lehrer, Industriekauffrau,
Juristin, Dramaturg, Journalist oder Yoga-Lehrer.
Beim Übergang zur
zweiten Karriere gibt es genug bürokratische Hürden:
Wenn der Vertrag eines fest angestellten Tänzers
nicht verlängert wird, muss er sich wie jeder
Arbeitnehmer spätestens drei Monate vor Ablauf bei
der zuständigen Arbeitsagentur vor Ort melden.
Für den Anspruch
auf Weiterbildung müssen die Antragsteller entweder
eine Berufsausbildung abgeschlossen oder drei Jahre
eine berufliche Tätigkeit ausgeübt haben. Auch eine
Förderungsmöglichkeit für einen weiteren Beruf kommt
infrage, eben weil Tänzer selbst kein anerkannter
Ausbildungsberuf ist. In der Praxis können aber
verschiedene Probleme auftreten. Haben Tänzerinnen
oder Tänzer an einer Hochschule studiert und BAföG
bekommen, wird dieses kein weiteres Mal gezahlt. Die
Arbeitsagentur unterstützt zudem nur zweijährige
Umschulungen, viele Ausbildungen dauern aber drei
Jahre.
Der Prozess
der Transition ist vor allem für freie Tänzer
oftmals mit finanziellen Schwierigkeiten verbunden.
Während eines Engagements an einer deutschen Bühne
ist die Versicherung bei der Versorgungsanstalt der
deutschen Bühnen Pflicht. Bei dieser für alle
Bühnenkünstler als zusätzliche Altersversorgung
gedachten Einrichtung können sich Tänzerinnen und
Tänzer, die zwischen dem 32. und 44. Lebensjahr ihre
Laufbahn beenden, die selbst eingezahlten Beiträge
und die Arbeitgeberanteile plus Zinsen als Abfindung
auszahlen lassen - etwa für eine nachgewiesene
Weiterbildung oder Existenzgründung - und haben so
die Möglichkeit, den Transition-Prozess finanziell
zu unterstützen. Dann entfällt jedoch die spätere
Zahlung von Altersruhegeld.
Lebenslanges Lernen ist entscheidend
Bei allen
Schwierigkeiten, darauf verweist Sabrina Sadowska
von der Stiftung TANZ, gehört Lernen im Lebenslauf
zu den großen politischen und gesellschaftlichen
Herausforderungen unserer Wissensgesellschaft und
globalisierten Welt. Die Verwirklichung des Lernens
sei entscheidend für die Perspektive des Einzelnen,
den Erfolg der Wirtschaft und die Zukunft von Kultur
und Gesellschaft. Die Ausbildung zum Tänzer,
Tanzpädagogen und Choreographen hat inzwischen einen
akademischen Status erreicht. An vielen
Ausbildungsinstituten sind Abitur, Fachabitur,
Bachelor und Master als Abschluss möglich. Sadowska
verweist darauf, dass mehr als die Hälfte der
Stipendienbewerber der Stiftung TANZ - Transition
Zentrum Deutschland inzwischen Abitur hätten, wovon
früher nicht zu träumen gewesen sei.
Die Verbindung von
lebenslangem Lernen und dem tänzerischen
Transition-Prozess war auch einer der Hauptpunkte,
derer sich eine Konferenz der FIA (International
Federation of Actors) angenommen hatte, die im Juni
2011 in Berlin stattfand. Die Delegierten
beschäftigten sich mit der Frage, welchen Beitrag
die Gewerkschaften leisten können) um
Transition-Projekte zu unterstützen und verwiesen
beispielhaft auf mehrere Programme aus EU-Ländern:
Das niederländische „Dutch Retraining Program for
Dancers' ‚What NXT? - Laufbahnunterstützung für
professionelle Tänzer" aus Belgien, die oben bereits
erwähnten Regelungen zur Tänzerabfindung bei der
Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen und der
Übergangsfonds des französischen Kulturministeriums.
Als Ergebnis der
Konferenz veröffentlichte die FIA ein eigenes
Handbuch mit vielen nützlichen Informationen:
Dancers' Career Transition: A Euro FIA Handbook. In
dem kostenlos in unserem Blog herunter ladbaren
Handbuch (englisch) wurden Daten und Informationen
aufbereitet, die durch Recherche unter
FIA-Mitgliedsgewerkschaften (darunter der GDBA)
gesammelt und analysiert wurden und aufs Neue
zeigten, wie wichtig lebenslanges Lernen ist.
Denn auch
abgesehen von formaler Bildung ist klar, dass
Tanzschaffende vielseitig, flexibel, mehrsprachig
und im Besitz vieler Eigenschaften sind, die die
Wirtschaft schätzt: Disziplin, Teamfähigkeit,
Durchhaltevermögen, hohe Belastungsfähigkeit und
Leistungsbereitschaft, Zielstrebigkeit und
Risikobereitschaft. Es gibt ein Leben jenseits der
Bühne.
Jörg Rowohlt
INFOS
Berlin,
Kollwitzstraße 64, Tel. (0)30-32 667141,
E-MaiI:infostiftung-tanz.com
Internet:
stiftung-tanz.com
http://www.buehnengenossenschaft.de/
eurofia-handbuch-zur-transition-von-taenzerinnen‑und-taenzern-in-europa.
Zitatende
|
Auszug aus dem Fachblatt der Genossenschaft Deutscher
Bühnen-Angehöriger Heft 12/2017
-
Bürgerinitiative
Opernintendanz
-
www.bi-opernintendanz.de
Kommentar
“Mensch
ärgere dich!“
Ein Beitrag von Bernd
Weikl |
|
Foto: BT-Festspiele |
„Der Homer-Übersetzer
Wolfgang Schadewald meinte“, so Jan Küveler, Katharsis sei
bloß ein kompliziertes Wort für Thrill. Durch Furcht und
Schrecken empfinde man Lust, denn nach durchlittener Qual
hüpfe das Herz. Wer sich demnach als Publikum einer Frank
Castorf Inszenierung nach 5 bis 6 Stunden des intensiven „Genervt-Seins“
aus dieser Tortur ins Freie begebe, habe in Form einer
Katharsis eine Ableitung belastender Gefühle erfahren. Ja,
gerade über diese empfundene Qual wäre sogar ein geistiger
Humus entstanden und das von Langeweile und Überdruss
geplagte Auditorium einer Erleichterung unterzogen worden.
Von Verzückung, Erhebung und Glück, berichtet Jan Küveler.
Beneidenswert, wenn er so dabei empfinden kann. Ich hätte
kein Bedürfnis mich von einer Bühnenproduktion „nerven“ zu
lassen.
Und Castorf betone immer
wieder, er habe nichts anderes im Sinn, als Publikum bis zu
dessen Erschöpfung fertig zu machen.
Jan Küveler berichtet von
einer siebenein-halbstündigen Performance der „Brüder
Karamasow“ und der geistigen Folter, wäh-rend dieser Zeit
nur im Dunkeln sitzen zu müssen – wobei man dazu auch noch
kein Wort verstanden habe. Er erwähnt nicht, ob dies
vielleicht sogar Absicht war. In vielen Fernseh-Produktionen
nuscheln mehrheitlich jüngere Schauspieler, während ältere –
viel-leicht noch aus meiner Zeit – durch Stimm-bildung
deutlich verständlich sprechen. Das „Genervt-Sein“ am
Theater sei mittlerweile schon der Normalfall, - meint Jan
Küveler.
Küveler, Jan (2016):
Theater hassen. Eine dramatische Beziehung. Cotta’sche
Buchhandlung ISBN: 978-3-608-50160-5
Und wie denkt der Regisseur
Castorf darüber? „Ich spucke auf alles, was mich umgibt,
das habe ich in der DDR gelernt, und ich werde es auch nicht
mehr ändern!“, so formuliert er sein Credo und setzt –
immerhin Berliner Kulturpreisträger 2016 – hinzu:
„Ich kann im Theater machen was ich will. Mir gefällt nicht,
dass sich das Theater unserer Tage immer mehr nach
Zuschauern, Kritikern, Kulturpolitikern richtet.“ Dieser
Gedanke wird vertieft in einem ganzseitigen Interview in der
Sektion „Gesellschaft“ der Süddeutschen Zeitung vom
30. April/1. Mai 2016. Dort äußert sich Castorf erneut: „...
Mich interessiert kein Bürgermeister und
Kulturstaatssekretär ... Ich habe immer gemacht, was mir
gefällt ... Mich interessiert unsere Gesellschaft heute
überhaupt nicht ...“.
Das Publikum – liebt es denn wirklich das „Genervt-Sein“?
Haben wir einen Paradigmenwechsel in der Gesellschaft zu
verzeichnen? Benötigt Publikum eine anscheinend auf diese
Weise funktionieren-de Katharsis?
Ist das der Sinn des staatlichen Bildungsauftrags? Dieser
wird z. B. explizit in der bayerischen Verfassung, Artikel
131, als Länder-sache definiert:
„Bildung soll nicht nur Wissen und Können, sondern auch Herz
und Charakter erreichen und die Ehrfurcht vor der Würde des
Menschen ... im Geiste der Demokratie ... und im Sinne der
Völkerversöhnung.
Und im Freistaat Sachsen, Absatz 2.3.: „Theater und Konzertbesuche tragen
in hohem Maße zur musischen Bildung bei, die für die
Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unerlässlich ist.
Es geht bei kultureller
Bildung um eine ganzheitliche Bildung der Sinne als
notwendige Ergänzung zur Wissensvermittlung.
Die Beschäftigung mit den Künsten hat nachweislich einen
erheblichen Einfluss auf das soziale Verhalten, auf die
soziale Kom-petenz, auf die Entwicklung demokratischer
Haltungen und Strukturen. (vermitteln).“
Die mehr oder weniger
offizielle Begrün-dung des kulturellen Bildungsauftrages
findet sich bereits in der deutschen Weimarer Klassik, vor
allem bei Schiller und hier etwa in seinen Schriften zur
"Ästhetischen Erziehung des Menschengeschlechts". In seiner
1802 veröffentlichten programmatischen Schrift "Die
Schaubühne als mora-lische Anstalt betrachtet" schreibt
Schiller: "Die Schaubühne ist mehr als jede andere
öffentliche Anstalt des Staates eine Schule der praktischen
Weisheit, ein Wegweiser durch das bürgerliche Leben, ein
Schlüssel zu den geheimsten Zugängen der menschlichen
Seele."
Und vor mehr als zweihundert Jahren hat sich Friedrich
Schiller erneut dazu geäußert: „... Es ist nicht wahr, was
man gewöhnlich behaupten hört, dass das Publikum die Kunst
herabzieht; der Künstler zieht das Publikum herab, und zu
allen Zeiten, wo die Kunst verfiel, ist sie durch die
Künstler gefallen. Das Publikum braucht nichts als
Empfänglichkeit, und diese besitzt es ... Zu dem Höchsten
bringt es eine Fähigkeit mit; es erfreut sich an dem
Verständigen und Rechten, und wenn es damit angefangen hat
sich mit dem Schlechten zu begnügen, so wird es zuverlässig
damit aufhören das Vortreffliche zu fordern, wenn man es ihm
erst gegeben hat. ...
Alle Kunst ist der Freude gewidmet, und es gibt keine höhere
und keine ernsthaftere Aufgabe, als die Menschen zu
beglücken. Die rechte Kunst ist nur diese, welche den
höchsten Genuss verschafft“.
Der Auswurf von
Glückshormonen in unseren „Grauen Zellen“ durch das freudige
Erlebnis unterstützt bei Rezipien-ten die im staatlichen
Bildungsauftrag deutlich beschriebene und daher unbedingt
erwünschte Persönlichkeitsbildung.
Altenmüller, Eckart /
Gruhn, Wilfried / Parlitz, Dietrich (1997): Musiklernen.
Pädagogische Auswirkungen neurobiologischer
Grundlagenforschung. In: Scheidegger, Josef / Eiholzer,
Hubert (Hrsg.): Persönlichkeitsentfaltung durch
Musikerziehung. Aarau, 1997 S. 97–109.
Miller, B. (2001): Gehirn,
Sitz der Persönlichkeit, In: Spiegel online, 09. Mai 2001.
Altenmüller, Eckart (2002):
Musik im Kopf; in Gehirn & Geist, Nr. 1, S. 18-25
„Fragen Sie Professor
Flimm“ prangt in großen Lettern auf einer ganzen Seite der
Berliner Broschüre „Staatsoper“ und darunter etwas kleiner:
„Um eine ungefragte Frage an Prof.
Flimm erschöpfend zu beantworten.“
Und dann: „Heiseres
Räuspern. Zu Hause hatten sie noch weidlich geübt, die
Lippen zum Trichter nach vorne gewölbt, Hände wie Rohre,
davor gerundet und dann! Der lang gezogene tiefe Ton, wie
das herrische Tuten der vernebelten Schiffe auf breiten
Flüssen: Hier bin ich und ich bin ich und mir kann sowieso
keiner.
Geneigter Leser, sie sind
wieder unter uns, Buhfrau und Buhmann. Auf ihrem fleißigen
Weg durch die Premieren in Nah und Fern, in Paris und London
und New York. Auch in kleineren Residenzstädtchen alter
heiliger deutscher Kunst. Gerangel in den Reihen, Küsschen,
Küsschen, Schaumermal. Buhfrau und Buhmann lehnen sich
seufzend ins weiche Gestühl.“
„Buhmann und Buhfrau“
(nennt Flimm das Publikum) „und da öffnet sich der Vorhang –
o Graus – dann wispert Buhmann seiner Helga ins Ohr: Nabucco
in der Tiefgarage, Figaro auf Sohle Sieben, Otello im
Welt-raum, Maria Stuarda im Großraumbüro, Medea gar als
Selbstschussanlage an der Zonengrenze ... Entsetzlich!
Aufsteigender Ingrimm und endlich Pause nach all der Pein.
Auf hastiger Suche finden sich gleich-gesinnte Paare,
höhnische Augenbrauen, schnelle Rückkehr. Buhmann und
Buhfrau trichtern die Hände und schürzen die Lip-pen, röhren
das bibliophile Programmheft. Ja, die tönende Mehrheit hat
die Ochsen-stimme erhoben, und röhrt und blökt und muht ...
rasch steigt der Pegel, der sich bald zu infernalischem
Protest dunkler Klang-wolken ballt ... und in einer Woche
ist Cosí fan tutte – Die Lippen geschürzt! Kehlen geölt! Es
soll in einem Eiscafé spielen! Unter lauter Schwulen! Zu
Weihnachten! Mit einem lebenden Schaf – Nichts wie hin!!!“
Herr Flimm irrt keineswegs
in der Beurteilung dieses Publikums, wenn er notiert,
Buhmann und Buhfrau genössen es, lautstark mit „röhrenden
Ochsenstimmen ihre Buhs zu blöken“. Ja, denn Publikum
genießt es auch beim nächsten Mal: „Nichts wie hin!!!“
Schiller s.o. wird bestätigt.
Ein Präzedenzfall an
künstlerischer Freiheit ist die Produktion „Tannhäuser“ an
der Deutschen Oper am Rhein am 04. Mai 2013: Es wird von
widerlichen Szenen berichtet, die das Publikum schockierten.
Nackte Darsteller in gläsernen Würfeln werden dort
„vergast“. In der ersten Szene, dem sogenannten Venusberg,
wird eine jüdische Familie, unter ihnen Tannhäuser, von
Nazis ermordet. Dabei fließt viel Blut, überall sind
Hakenkreuze und SS-Uniformen präsent.
Dazu eine Staatsanwältin
als Antwort auf eine Anzeige: „Nach § 152, Abs. 2 der
Strafprozessordnung voraus, dass zureichende tatsächliche
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat
bestehen ...
Die in Düsseldorf am
04.05.2013 aufgeführte Oper „Tannhäuser“ nach Richard Wagner
unterfällt dem verfassungsrechtlich geschützten Bereich der
Kunstfreiheit (Art. 5, Abs. 3 GG). Die in Betracht kommenden
Straftatbestände sind im Lichte dieses Verfassungsrechts zu
betrachten und unterliegen der Schranke der Sozialadäquanz,
die in § 86, Abs. 3 StGB ausdrücklich geregelt und über die
Verweisungen in §§ 86a, Abs. 3, 130, Abs. 6 und 130a, Abs. 3
StGB anwendbar ist. Darüber hinaus gilt Art. 5, Abs. 3 GG
unmittelbar. Danach ist der jeweilige Straftatbestand
ausgeschlossen, wenn die Tat der Kunst, der Wissenschaft,
der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über
Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder
ähnlichen Zwecken dient. So liegt es hier ...
Der Regisseur hat es in der Hand, das Werk zu interpretieren
und in Szene zu setzen. Strafrechtlicher Wertung ist die
lnterpretation dabei nicht zugänglich. Der Regisseur – und
der mit ihm verantwortliche Intendant – darf auch zu
schockierenden und drastischen Mitteln greifen, ohne sich
strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt zu sehen ... Die
Einleitung von Ermittlungen kommt des-halb nicht in
Betracht.“
Hochachtungsvoll,
Staatsanwältin.
Und anschließend ein
Generalstaatsanwalt:
„... nach Prüfung des Sachverhalts sehe ich keinen Anlass,
die Aufnahme von Ermittlungen anzuordnen. Die Entschließung
der Staatsanwaltschaft entspricht ... in allen Belangen der
Sach- und Rechtslage“. Ergänzend bemerkt der deutsche
General-staatsanwalt: „Gemäß § 152, Absatz 2 StPO
(Strafprozessordnung) darf die Staatsanwaltschaft nur bei
dem Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für
eine Straftat Ermittlungen tätigen.
Liegen diese – wie hier – bereits aus rechtlichen Gründen
nicht vor, so sind den Ermittlungsbehörden jedwede
Ermittlungshand-lungen gesetzlich untersagt.“
Die staatlichen Theater in
Deutschland werden mit sehr hohen Subventionen am Leben
gehalten.
Ergo sollten sie auch den staatlichen Bildungsauftrag
erfüllen.
Doch die grenzenlose Freiheit der Art. 5.3 des Grundgesetzes
trägt ungehindert den Sieg davon. Wozu also noch die hohen
staatlichen Subventionen an die staatliche Kunst, wenn diese
sich die gleiche Freiheit erlaubt im Vergleich mit der
freien und nicht staatlich finanziell geförderten Kunst.
Der Bildungsauftrag an die staatlichen Theater wird viel zu
oft nicht erfüllt.
Ergo könnte man die
Subventionen aus Steuergeldern besser streichen.
Und Herrn Flimms
modernes Publikum „brüllt sein Buh mit Ochsenstimmen“ und
meint: „Was weh tut, tut auch gut!“
Allerdings müssten solche teuren Vergnügungen z. B. in
Hamburg auf St. Pauli besser aus eigener Tasche berappt
werden.
Exzerpt aus Bernd Weikl (2017):
Singen. In der Oper, als Therapie und in der Post und
Postpostmoderne.
Leipziger Universitätsverlag ISBN 978-3-96023-129-5
Auszug aus einem Schreiben
eines promovierten Oberstudienrats an einem
niedersächsischen Gymnasium:
Zitat
"Was Schule angeht, so hat die Presse ja ausführlich darüber
berichtet, dass jede Menge Gymnasiallehrer an Grund-, Real-
und Hauptschulen abgeordnet werden mussten, weil das
Kultusministerium offensichtlich kein vorausschauendes Auge
für Stellenplanungen hatte/hat. […] Bemerkenswert auch der
Zeitpunkt, zu dem die damalige Kultusministerin
Heiligenstadt die Verfügungen verschickt hat: Erst nachdem
die Stundenpläne für das bereits laufende Schuljahr fertig
waren.
Mein bisheriges Bild von der Hauptschule hat sich nach den
dort gemachten Erfahrungen grundlegend geändert: Anstatt
diese qualitativ aufzuwerten und diese zu einem Lernort für
eine solide Grundbildung zukünftiger Auszubildender zu
machen, wurde sie disqualifiziert zu einem mehr oder weniger
(meist perspektivlosen) Abstellgleis für Kinder mit
kompliziertem sozialem Hintergrund. Vom „Lernort“ zum „Lärmort“
mit überforderten und weitgehend allein gelassenen
Lehrkräften.
Das, was den meisten Kindern dort
derzeit fehlt, das ist - noch VOR der Umsetzung des
Bildungsgedankens - in erster Linie ein vertrauenswürdiger,
sympathischer Ansprechpartner; quasi ein Freund, ein
Orientierungspunkt, ein Vorbild für im wesentlichen
außerschulische Angelegenheiten. Diese
Individualbehandlungen können Lehrer vielleicht gelegentlich
„auf Sicht“ leisten, auf keinen Fall aber auf lange Sicht.
Dafür sind sie auch gar nicht ausgebildet.
Und in zweiter Linie steht dann das, was den meisten Kindern
dort auch zu häufig fehlt: Es ist die Rede von den (auch
ganz) kleinen Erfolgserlebnissen, die die meisten
Hauptschüler zu selten haben, die sie aber sichtbar
glücklich machen und für kurze Zeit aufblühen lassen. In
diesen Momenten bekommt man als Lehrer viel zurück.
Ich bin nur für
ein einziges Schuljahr dort und fülle in erster Linie die
Rolle eines Ersatzpapas denn die eines Lehrers aus.
Mittlerweile habe ich höchsten Respekt vor denjenigen
Kolleginnen und Kollegen, die ihr ganzes Berufsleben dort
verbringen (müssen). Keine Ahnung, wie man das durchhalten
kann, ohne restlos zu verzweifeln."
Zitatende
Schlussbemerkung
Sie können es doch besser! Warum tun sie es nicht?
Frauen in Führungspositionen sind
immer noch selten, auch in der Welt des Theaters.
Der Wille zur Macht ist unterschiedlich ausgeprägt, je
nachdem das werdende Wesen im Mutterleib mehr Östrogen oder
Testosteron entwickelt. Der Vorgang ist so diffizil, dass
dabei auch Zwischenwesen entstehen, was die Politik in
Mitteleuropa eingesehen hat, nachdem die Antike es
selbstverständlich fand.
Aufgrund meiner Stimmlage ’Mezzosopran’ hatte ich
Gelegenheit sowohl Knaben als auch Mädchen, Frauen und Alte
darzustellen.
Bei meiner Ausbildung an der Folkwanghochschule Essen habe
ich in der Tanzabteilung von Kurt Joos gelernt, dass die
Charakterisierung einer Figur bei den Füßen beginnt.
Viel Gewissheit brachten mir auch die Ergebnisse der
Verhaltensforschung und die
Beobachtung der Körpersprache.
Mit präziser Kenntnis der Musik und Freude an der
Darstellung auf der Bühne gelingen die unterschiedlichen
Figuren, wenn kein egomanischer Regisseur etwas
Widersinniges verlangt.
Angeregt durch Glanz von Pop-Stars, durch Schulaufführungen,
durch kulturinteressiertes Elternhaus, Mitwirkung im Chor
wünschen sich zahllose Mädchen:
„Ich möchte irgendwas mit Musik und Theater machen!“
Ist das Töchterchen niedlich, wird Mami sie bei
Casting-Agenturen vorstellen, kann sie gut Texte behalten
und aufsagen, wird sie bei einer privaten
Schauspielausbildung ihr Geld los, hat sie einen starken
Willen macht sie als eine unter Tausenden die
Aufnahmeprüfung an staatlichen Schauspielschulen, ist sie
ein wenig intellektuell, studiert sie Musikvermittlung,
Dramaturgie oder sogar Opernregie.
Mit einem - wie auch immer gearteten Zertifikat in der
Tasche – betritt sie nun den Markt.
Alle Theater sind meist mit – wenn überhaupt honorierten –
schlechtbezahlten, fleißigen Assistentinnen in jeder Sparte
mehr als zahlreich ausgestattet.
Dabeisitzen, Kaffee holen, Stühle rücken, Requisiten
herbeitragen und wieder wegräumen, mitschreiben – mancher
gelingt der Einstieg in die Zusammenarbeit mit Schulen oder
das Jugendtheater.
Die Meisten sind inzwischen schon ermüdet, zermürbt – oder
verheiratet.
Einige kämpfen sich weiter nach oben, werden
Chefdramaturgin, Operndirektorin – wenn der Intendant ein
Schauspielmann ist – und die Regieassistentin bekommt
schließlich auch mal gnädigst eine Regie. Die braucht sie
natürlich, um sich weiter anderswo bewerben zu können.
Aber was überlässt ihr ein gnädiger Intendant:
Ein kleines Stück, ein Kammeroperchen, eine Operette. Wenn
sie ihr Handwerk gelernt hat, verfasst sie ein Regiebuch.
Die Frage stellt sich ihr:
Inszeniere ich aus dem Stück ,seiner historischen
Problematik, seiner Musik, seinen Figuren heraus oder
schwimme ich mit dem modischen Trend und verfremde,
politisiere, sexualisiere, brutalisiere usw.?
Hat sie Autorität, mit den beteiligten Gewerken umzugehen,
mit dem Chor, den Solisten, dem Dirigenten?
Wie wird sie die unweigerlich eintretende Krisensituation –
meistens die Klavier-Hauptprobe - meistern und wenn dann die
Theaterleitung erscheint, um zu beurteilen, was das
’Mädchen’ denn so macht? Wird sie sich hinsetzen und die
Presse im weiten Umkreis einladen?
Aber wer kommt schon, wenn so eine Anfänger-Tussi etwas
inszeniert?
Unaufhaltsam naht die die Generalprobe mit Kritik, kleinen
oder größeren Veränderungen und dann die Premiere.
Gefällt es dem Publikum, ist das eventuell gut für die
Besucherzahlen. Hat es den für die Presse gewünschten ’Aufreger’,
damit es die nötige Beachtung findet?
Kann sie sich jetzt in ein Netzwerk einbringen, die
richtigen Kontakte knüpfen?
Oder hat sie einen Namen als erfahrene Sängerin, der ein
Intendant die Chance gibt, eine neue Laufbahn zu beginnen?
Die Luft in den Chefetagen wird dünn und kalt. Netzwerke,
Vereinigungen, Clubs der Männer sind alt und dicht. Die paar
Jahrzehnte, seit es den Frauen erst überhaupt erlaubt ist,
frei zu arbeiten, sogar Führungspositionen zu erreichen sind
dagegen minimal.
Betrachtet man die Statistik, wird klar, dass die
Machtverhältnisse noch immer so sind, wie vor Jahrhunderten.
Von 76 Musiktheaterintendanzen sind vier zur Zeit mit Frauen
besetzt.
Und die Regisseurinnen?
Es gibt inzwischen einige, deren Namen man kennt, aber nur
wenige haben den Mut gegen den Mainstream der Verfälschung
zur Irreführung des durch permanente Schulreformen im
16-Länder-Föderalstaates unter mangelhafter, inkonsequenter
Schulbildung leidenden jungen Publikums anzukämpfen und
Fehlentwicklungen abzufangen.
Vor einigen Jahren
gab es in Frankfurt einen ’Ring’ in der Regie von Vera
Nemirova zu erleben. Technisch auf Höchststand, die
Personenführung so subtil, dass alles stimmte, es war
beigeisternd und unvergesslich!
Vor einigen Tagen sah ich ’Hänsel und Gretel’ in
Braunschweig von einer Frau inszeniert. Es war langweilig,
unpoetisch, krampfhaft.
Warum?
Einen ’Rosenkavalier’ soll die Dame laut Berichten diverser
Rezensenten “in den Sand“ gesetzt haben.
Kürzlich endete ihre ’Salome’-Inszenierung damit, dass
Jochanaan am Ende des Werkes auf dem Boden liegt, Herodias
schiebt ihm ein Silbertablett unter den Kopf. Auf den Text
des Herodes: “Man töte dieses Weib“
erhebt sich Jochanaan mit Kopf und in voller Körpergröße. Er
würgt Salome. Diese sinkt lauthals röchelnd zu Boden.
Kommentar aus dem Publikum:
“Was soll der Quatsch?“
In Journalistenkreisen heißt es, vor allem in die Jahre
gekommene Regisseure/innen wollten durch Übertreibungen den
Anschluss an die Jungen mit ihren ’modischen Inszenierungen’
nicht verlieren.
Frauen haben zwar dünnere Knochen, eine dünnere Haut, sind
nicht so sehr mit Muskeln bepackt, haben keinen Bart im
Gesicht, aber warum nutzen sie nicht ihre Fähigkeit des
schnelleren Durchblicks, ihren Sinn für Schönheit, ihren
Sinn für einen intakten Finanzhaushalt, ihre Phantasie, ihre
erzieherischen Fähigkeiten?
Sie brauchen jetzt Netzwerke u.U. auch eine Quotenregelung,
dazu Mut und den festen Willen, es anders zu machen.
Dann geht das Publikum auch wieder gern in die Oper.
Marie-Louise Gilles
Impressum
erscheint als
nichtkommerzielles Beiblatt zu
- ausgezeichnet mit dem Kulturförderpreis der Stadt Regensburg
Herausgeber: kulturjournal.de
Büro 93047 Regensburg – Holzländestr. 6
info@kulturjournal-regensburg.de
Ersterscheinung der Ausgabe
Regensburg am 27.07.2007
Erscheinungsweise: kulturjournal-regensburg zehn Mal pro Jahr
von Februar bis August und Oktober bis Dezember
Ausgabe des Beiblattes als ’Mitteilung an meine Freunde’ – in
loser Reihenfolge, gewöhnlich zum Anfang eines Monats
Titelbild:
Darstellung der Belegung der Oper vor Publikum im Januar 2018
gemäß dem von der Nds. Staatsoper Hannover herausgegebenem
Spielplan
Verteilung Regensburg: Direktversand, Hotels, Theater, Galerien,
Veranstaltungsorte, Tourist-Info, Bahnhöfe
Verteilung Hannover: Direktversand an ausgewählte Leserschaft,
Mitglieder der Bürgerinitiative Opernintendanz, Niedersächsische
Landesregierung,
Politische Parteien im Nds. Landtag, Hochschule für Musik,
Theater und Medien Hannover, Bund der Steuerzahler,
Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger,
Richard-Wagner-Vereine, Feuilletons von Tageszeitungen
RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover
Wir verstehen
diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der
Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach unserer Auffassung - Geglücktes
oder Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und
Satire.
Hierfür nehmen wir den Kunstvorbehalt nach Artikel 5,
Grundgesetz, in Anspruch.
Wir benutzen Informationen, hauptsächlich aus eigenen
Unterlagen, aus dem Internet u.a. Veröffentlichungen des
Deutschen Historischen Museums, der Preußen-Chronik,
www.tele-journal.de
u.ä..
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