Vorwort
zur Dezember-Ausgabe Nr. 12 / 2017
Verschanzt hinter dem Artikel 5
des Grundgesetzes vollziehen die Vertreter des Regisseurstheaters ihr
Zerstörungswerk an den über Jahrhunderte vom Publikum geliebten Opern
und vertreiben es aus den Theatern.
Belastet vom Trauma nationalsozialistischer Verfolgung unliebsamer
Künstler sollte der Artikel 5 Zensur für alle Zeiten ausschließen.
Das ist verständlich und richtig.
Aber dass die Ausdehnung des Freiheitsbegriffs zur Selbstzerstörung
einer Kunstform führen würde, konnte 1949 niemand voraussehen.
Zwar grenzt Absatz 2 des Artikels 5 die Freiheit der Kunst ein:
“Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen
Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem
Recht der persönlichen Ehre.“
Also
1. Allgemeine Gesetze
2. Schutz der Jugend
3. Persönliche Ehre
Sollte nun ein mit Recht erzürnter Opernfreund einen Intendanten und
seine Regiecrew wegen Vergehen gegen die allgemeinen Gesetze, Vergehen
gegen den Schutz der Jugend und Vergehen gegen die persönliche Ehre
verklagen wollen, findet er einen unter den honorarbewussten Juristen,
der Rechtsbeistand leisten würde?
Die Materie ist ungreifbar, geschmackabhängig, wenig erfolgversprechend.
Bleibt dem Opernfreund nur das Buhgeschrei und die Abstimmung mit den
Füßen?
Trotzdem wird sie vom Steuerzahler weiter subventioniert, weil:
Verschwendung von Steuergeldern ist – noch – kein Delikt.
Marie-Louise Gilles
Kalenderblätter Dezember
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Wilhelmine
Schröder-Devrient
...
am 06. Dezember 1804 geboren
Schon als Kind stand sie auf der Bühne, spielte neben ihrer
Mutter Sophie Schröder am Burgtheater in Wien, ging mit ihr nach
Dresden.
1823 heiratete die damals Achtzehnjährige den Schauspieler Carl
August Devrient. Sohn Friedrich wurde 1827 in Dresden geboren,
mit ihm spielte der Vater häufig gemeinsam.
1828 ließ er sich von Wilhelmine scheiden; sie arbeiteten aber
bis 1834 weiterhin zusammen. |
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Für Richard Wagner war sie der Prototyp der dramatischen
Sängerin - speziell - des dramatischen Soprans und damit stand
sie Modell für alle Brünnhilden, die Isolde, die Kundry. - Sie
gestaltete die Senta, die Venus auf der Bühne und brachte sie
mit Richard Wagners dramaturgischen Vorgaben in Einklang.
Er erlebte sie als
Fidelio-Leonore auf dem Höhepunkt ihrer Künstler-Laufbahn -
'jugendlich, schön und warm, wie nie seitdem auf der Bühne mir
ein Weib erscheinen sollte.'
Wörtlich notierte er:
“
Ein sehr
junges Mädchen gab die Leonore; diese Sängerin schien sich aber
schon in so früher Jugend mit dem Genius Beethoven's vermählt zu
haben. Mit welcher Gluth, mit welcher Poesie, wie tief
erschütternd stellte sie dieß außerordentliche Weib dar!“
[Sämtliche
Schriften und Dichtungen: Erster Band, S. 184. Digitale
Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und
Briefe, S. 217 (vgl. Wagner-SuD Bd. 1, S. 105)]
Nach dem Gastspiel
schrieb er ihr in einem Brief, gab den im Hotel ab, dass von dem
Tage an sein Leben seine Bedeutung erhalten habe und wenn sie je
dereinst in der Kunstwelt seinen Namen rühmlich genannt hören
sollte, sie sich erinnern möge, dass sie an diesem Abend ihn zu
dem gemacht habe, was er schwöre zu werden wolle.
Als die
Schröder-Devrient dann 1842 in Dresden den Adriano in Wagners
'Rienzi' sang, zitierte sie nach der Vorstellung aus Wagners
Brief, den sie - da er ihr offensichtlich etwas bedeutete -
aufbewahrt hatte.
In Bezug auf die Isolde schrieb er an König Ludwig II.:
Frau Schnorr
übertrifft Alles, was ich erwarten konnte: ich wüsste keine für
diese Aufgabe ihr an die Seite stellen zu können: sie ruft mir
lebhaft mein Jugendvorbild, die berühmte Wilhelmine
Schröder-Devrient zurück. Von ihr wird man lernen können, was
eine Tragödin ist!
[Briefe und
Briefwechsel in Einzelausgaben: König Ludwig II und Richard
Wagner: Briefwechsel, S. 754 / 755. Digitale Bibliothek Band
107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 24381 (vgl.
BW-Ludwig II. Bd. 1, S. 89)]
Und Eduard Devrient zeichnete in seinen Tagebüchern diverse
Bemerkungen – nicht gerade schmeichelhafte - über seine
Schwägerin Wilhelmine auf:
23. Juli 1839 |
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Frau Schröder-Devrient war bei
uns bis ½ 9, sehr wohl aussehend und angenehm. Therese
[Ehefrau von Eduard
Devrient] war entzückt
von ihr. Es ist eine schöne Natur in ihr verhunzt. |
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23. Mai 1842 |
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Abends ’Werner’. Küstner kam
auf die Bühne, machte mir Komplimente und schwatzte noch
allerlei. Die Schröder-Devrient trat zu uns und fuhr ihm
im Gespräch stets über den Mund, verhöhnte ihn; er ließ
es lachend geschehn. |
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28. Mai 1843 |
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Besuch von der
Schröder-Devrient. Ich liebe diesen Theaterton der
Unterhaltung nicht, noch weniger die zynischen
Redensarten, die man kaum einem Manne zugute hält. Ihr
Gesang schubertscher Lieder war mir auch viel zu
manirieert gewaltsam. Sie ist für die Kunst voll
redlichen Eifers, eine tüchtige, großartig geschnittene,
aber mir persönlich nicht wohltuende Natur. |
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23. Februar 1844 |
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Abends im Theater ’Der
fliegende Holländer’ gehört. […] Die Schröder ist
allerdings in eine pathetische Manier verfallen, gibt
ihre Momente, die von je große Wirkungen machten, jetzt
überall hin wie kleine Münze. Das nor-
dische Fischermädchen Senta war wenig charakterisiert
zwischen ihr und Norma, Armida usw. war in Haltung und
Bewegung kein Unterschied. Den ganzen Abend
ausgebreitete, viel über den Kopf erhobene Arme. Für das
Publikum aber war genug da, es zum Entzücken zu
verpflichten; aber sie ist nur einmal abgeurteilt, sie
sei alt, habe keine Stimme mehr usw. Dies wundervolle
Talent muß auf der Höhe seiner Kraft hier nah am
Ausladen stehn. So fand ich die Stimmung im Publikum.
Und für solch Lumpenpack gibt man nun sein Leben hin. |
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29. Februar 1844 |
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Zu Hause fand ich die
Schröder-Devrient, die aus Leibeskräften zuredete, nach
Dresden zu kommen, und Lüttichau gegen alle
Beschuldigungen in Schutz nahm. Sie behauptete, dass
gerade meine Natur die der seinigen zusagende sei, dass
er meiner bedürfe, dass er selbst aus Eigensinn, da er
meine Berufung gemacht, mich in jeder Weise auf dem
Posten erhalten werde. Das ist ungefähr, was ich mir
auch im Stillen sage, aber wird es sich erfüllen. Wüsste
ich das, nichts sollte mich von Dresden zurückhalten. |
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19. März 1844 |
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Ich trieb mich im Theater eine
Stunde lang umher, geriet in die Garderobe der
Schröder-Devrient, der ich erzählte, dass ich die
Oberregie auch über die Dresdener Oper übernehme, wofür
sie mir an den Hals flog und mich abküsste, dass ich
ganz verdutzt stand. |
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19. März 1845 |
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Abends Carl – er war
unerwartet angekommen – und Fritz bei uns. Wir waren
ganz munter im Austausch von Erinnerungen aus unserer
Kinderzeit. Zuletzt teilt Carl mir allein seine Absicht
mit, von seiner geschiedenen Frau Wilhelmine
Schröder-Devrient gewisse Erziehungsgelder zu
reklamieren. Mir ekelt vor dieser stets wiederkehrenden
Rupferei. Er wollte von mir Nachweise und Erklärungen,
die zu befürchtende Gegenreklamation entkräften zu
sollten. Ich hatte ihm solche nicht zu geben und suchte
ihn von seiner Absicht abzubringen zu Ehren unseres
Namens. Er scheint, er wird die Suche ruhen lassen. |
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6. November 1845 |
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Abends im Theater ’Fidelio’.
Tote, geistlose Aufführung, selbst die Schröder-Devrient
war komödiantisch allgemein und sang nicht gut. |
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16. Februar 1846 |
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Abends mit Marie in ’Alceste’.
Frau Schröder-Devrient in vieler Hinsicht vortrefflich,
aber sie war nicht einmal sicher in der Partie, fehlte
in wichtigen Momenten, hatte also auch die Rolle
durchaus nicht reiflich studiert, wodurch sie nun in
ihrer gewohnten monoton pathetischen Manier hinging.
Alle Momente des fortreißenden Ungetüms der Leidenschaft
blieben aus, sie verschleppte die Tempi, weil ihre
Stimme nicht frisch anschlägt – welch ein Abstand gegen
die Milder! |
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27. März 1946 |
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Abends mit Terese und Marie
die Schröder-Devrient als Lucrezia Borgia gesehen. Es
ist nicht anders, dies große Talent ist kalt geworden
und steht jetzt außerhalb ihrer Darstellungen, zeigt
eine Reihe von Akzenten und Stellungen, die sie in ihrer
guten Zeit erfunden, und die ihr von dieser als
beifallswürdig bekannt sind. Die Momente der äußersten
Leidenschaft sind immer noch durch ihre Energie
erschütternd. |
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6. Februar 1847 |
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Abends in ’Acosta’ gespielt.
Danach war Schauspielerball. Ich saß zwischen Frau
Schröder-Devrient und Kapellmeister Wagner, mit dem ich
viel über den Entwicklungsprozess des deutschen Geistes
und des deutschen Dramas sprach. |
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24. Februar 1847 |
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Abends ’Iphigenie in Aulis’
gehört. Wagner hat schöne Blasinstrumente dazu gesetzt
und den Schluss sehr schön geändert. Der 2. und 3. Akt
prachtvoll. Tichatscheck, Frau Wagner
[Johanna Wagner, Nichte von
Richard Wagner]
exzellent gesungen, die Schröder-Devrient erst im letzen
Akte, aber da auch in voller Größe. Mitterwurer als
Agamemnon nobel, aber matt; er bleibt zu sehr hinter der
Aufgabe zurück. |
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9. Juni 1847 |
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Abends bei Hillers. Die
Schröder-Devrient machte mir lange Vorwürfe, dass ich
die Regie aufgegeben und damit das Beispiel eine
besseren Leitung für ganz Deutschland, sprach dann von
ihrem Aufgeben der hiesigen Verhältnisse und beschwerte
sich gerade über Wagners durchgreifende Leitung bei der
Oper, derer es sich nun einmal energisch annimmt,
während sie bedauert, dass meine Leitung vorüber sei.
Welche Konfusion in diesen Köpfen vor bloßer
Selbstsucht. |
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18. August 1848 |
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Mit Therese und Marie
[Tochter von Eduard Devrient]
auf der Ausstellung. Bega’s Portrait von der
Schröder-Devrient ist ein Meisterwerk. Wie hat er die
ganze Geschichte des Weibes in der schönsten Weise auf
dies Gesicht geprägt. |
Richard Wagner,
der in finanzieller Hinsicht anfangs seines Lebens stets Klamme
musste, als Wilhelmine Schröder-Devrient im August 1846 einen
alten Schuldschein einklagte, bei der Hofintendanz in Dresden
ein Darlehen von fünftausend Talern aufnehmen, rückzahlbar in
zehn Jahresraten bei fünfprozentiger Verzinsung.
Wilhelmine Schröder-Devrient, sang seinen Adriano, die Senta und
die Venus in den Dresdner Uraufführungen von ’Rienzi’,
’Fliegender Holländer’ und ’Tannhäuser’; seit 1850 mit dem
Gutsbesitzer H. v. Bock verheirtet, der vierzehn Jahre jünger
war als sie und dem sie in seine livländische Heimat folgte.
1849 beteiligte sie sich nicht unmittelbar aktiv am Aufstand in
Dresden, doch wurde sie zeitweilig verhaftet und musste das Land
verlassen.
Die Amouren, die sie sich erlaubte, ruinierten ihre finanziellen
Möglichkeiten und die vielen Auftritte in dramatischen Rollen
überforderten ihre Möglichkeiten, dass sie sich stimmlich
schadete. Später meinte Richard Wagner:
“Nein! Sie
hatte gar keine »Stimme«; aber sie wußte so schön mit ihrem
Athem umzugehen und eine wahrhaftige weibliche Seele durch ihn
so wundervoll tönend ausströmen zu lassen, daß man dabei weder
an Singen noch an Stimme dachte!“
(Richard
Wagner: ’Über Schauspieler und Sänger’, Leipzig 1872)
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Ursula Grabley
... am 08. Dezember 1908 geboren
Gelernt hatte sie
modernen Tanz bei Rudolf von Laban.
Nach ihrer Ausbildung war sie in Hamburg an den Kammerspielen,
in Berlin an der Komischen Oper, am Deutschen Theater engagiert.
Immerhin hatte sie bis 1939 schon in 28 Filmen mitgewirkt. |
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Ihr erster war die Verfilmung des Zuckmayer-Stückes
'Katharina Knie' in der Regie von Karl Grune als
Stummfilm von 1929 mit Eugen Klöpfer als der alte Knie,
Carmen Boni als seine Tochter Katharina Knie, Adele
Sandrock als Bibo, Fritz Kampers als Trapezkünstler
Ignaz Scheel und Viktor de Kowa - mit dem sie seit 1926
verheiratet war - als Lorenz Knie.
Es folgte u.a. der Historienfilm 'Der schwarze Husar'
von Gerhard Lamprecht mit Conrad Veidt als Rittmeister
Hansgeorg von Hochberg und Wolf Albach-Retty als
Leutnant Aribert von Blome.
1935 war sie im Abenteuerfilm 'Der Dschungel ruft' von
Harry Piel mit Paul Henckels als Prof. Johannes Helmer
und Alexander Golling als William Edwards dabei.
1936 kam 'Ritt in die Freiheit' von Karl Hartl mit Willy
Birgel als Graf Julek Staniewski, Viktor Staal als Jan
Wolski und Hansi Knoteck als Janka Koslowska.
1938 produzierte Harry Piel 'Der unmögliche Herr Pitt'
mit sich selbst in der Titelrolle und Hilde Weissner als
Lucienne Pitt.
1939 drehte sie 'Hurra! Ich bin Papa!' in der Regie von
Kurt Hoffmann mit Heinz Rühmann als Peter Ohlsen, Albert
Florath als Ludwig Ohlsen und Carola Höhn als Kathrin
Gebhardt.
Der Film war ein Beitrag zur NS-Bevölkerungspolitik,
einer Aufforderung zur Kinderfreudigkeit.
Sich dann aber mit dem Reichspropagandaminister
anzulegen - in welcher Form auch immer - konnte
zumindest die Karriere behindern.
So kam es dazu, dass sie ab 1939 nur wenig im Film
Beschäftigung fand.
1940 kam noch der Film 'Zwielicht' heraus mit dem
'Reichsjägermeister' als Gemälde im Szenenbild.
Danach spielte sie Theater und wurde auch an Frontbühnen
wie der 'Nadolle' beschäftigt
Nach dem Krieg war sie am Deutschen Theater in Göttingen
engagiert und wieder beim Film. Insgesamt sah man sie
nach 1945 in 20 Kino- und TV-Produktionen.
Sie starb 1977 auf der Bühne während einer
Tourneevorstellung von 'Endstation Sehnsucht'. |
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Elisabeth
Schwarzkopf
...
am 09. Dezember 1915 geboren
Ihre Marschallin,
ihre Fiordiligi, ihre Elvira sind unvergessen - ihre 'Auftritte'
GesangschülerInnen gegenüber - als zum Teil unerträglich
eingeordnet - ebenso.
Elisabeth
Schwarzkopf
- Die
Biografie - bei Langen Müller |
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Mit Walter Legge verheiratet, saß sie an der Quelle der
Möglichkeiten, mit Schallplatten Geld zu machen.
Er war es auch, der meinte, seine Frau habe der Flagstad
für eine Isolde hohe Cs geborgt.
Am 26.1.1940 stellte sie - als Mitglieder der Berliner
Lindenoper - den Antrag auf Aufnahme in die NSDAP, dem
bereits am 1.3.1940 mit der Mitgliedsnummer 7548960
stattgegeben wurde.
Nach dem Krieg behauptete sie, in 'die Partei gezwungen'
worden zu sein - ihr sei es immer nur um die Kunst
gegangen. Und ihr Vater habe sie gedrängt, der NSDAP
beizutreten.
Immerhin war sie 1941 bei einer von KdF organisierten
und vom Reichspropagandaministerium veranstalteten 'Fledermaus'-Produktion
in Paris mit von der Partie, sang 1942 in Posen Lieder
von Pfitzner und war bis 1944 zu nationalsozialistischen
Zeiten in verschiedenen Filmen wie 'Drei Unteroffiziere'
beschäftigt.
1947 sang sie wieder in
Wien, ging mit auf Tourneen der Staatsoper - so nach
London, wo Richard Tauber noch einmal als Ottavio
auftrat.
1951 war sie schon bei
den ersten Bayreuther-Festspielen nach dem Krieg als 'Evchen'
dabei - kurz darauf sang sie in der Uraufführung von
Strawinskis 'The Rake's Progress' in Venedig die Anne
Trulove. |
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Salome
am 09. Dezember 1905 uraufgeführt
'Eine Operette mit tödlichem Ausgang.'
In der Schlussszene - ein Spruch, der öfter Verwendung fände,
wäre er mehr im Volksmund verhaftet:
'Man töte dieses Weib!' |
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Strauss
zögerte nicht, suchte nicht nach einem Librettisten,
sondern nahm die Lachmann'sche Übersetzung der
Wilde'schen Dichtung und komponierte ein Werk, das
deutlich eine Gegenüberstellung von Askese und
Sinnlichkeit auch in der Musik ermöglicht.
Er hatte lange schon beanstandet, dass in den großen
Orient- und Judenopern des vergangenen Jahrhunderts das
Kolorit und die sonnendurchglühte Landschaft fehle.
Es gelang ihm, das Flirren der Luft 'am Abend, da es
kühle ward' musikalisch zu verdeutlichen.
Das Gieren der 'Tochter der Herodias' nach dem 'Kopf des
Jochanaan', aufgestachelt durch die blutschänderische
Mutter, die Geilheit des Tetrachen - sind in einer
Stunde und fünfundvierzig Minuten zusammengefasst.
In Berlin sah er 1902 Wildes Schauspiel mit Gertrud
Eysoldt als Salome.
Dresden erlebte die Uraufführung des Straussschen
musikalischen Dramas in einem Aufzuge - die damals schon
reife Marie Wittich, immerhin 37 Jahr alt, sang die
Titelrolle - und Wilhelm II. meinte 1907 nach der
Vorstellung des Werkes in Berlin, Strauss habe sich mit
der 'Salome' sehr geschadet, worauf der Komponist
antwortete, er habe sich von dem 'Schaden' die Villa in
Garmisch bauen können.
'Ich hatte schon lange an den Orient-
und Judenopern auszusetzen, daß ihnen
wirklich östliches Kolorit und glühende
Sonne fehlt. Das Bedürfnis gab mir
wirklich exotische Harmonik ein, die
besonders in fremdartigen Kadenzen
schillerte, wie Changeant-Seide.
Der Wunsch nach schärfster
Personencharakteristik brachte mich auf
die Bitonalität, da mir für die
Gegensätze Herodes - Nazarener eine bloß
rhythmische Charakterisierung, wie sie
Mozart in genialster Weise anwendet,
nicht stark genug erschien. Man kann es
als ein einmaliges Experiment an einem
besonderen Stoff gelten lassen, aber zur
Nachahmung nicht empfehlen.'
Richard Strauß - 'Betrachtungen und
Erinnerungen' - 1942 - herausgegeben von
Willi Schuh. |
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Eine der berühmtesten
und auch eigenwilligsten Sängerinnen der Rolle war Mitte
des vorigen Jahrhunderts:
Ljuba Welitsch
http://youtu.be/rjD8NSGDuu8 |
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Hektor
Berlioz
... am 11.
Dezember 1803 geboren
Mit ihm, dem
Musiktheoretiker und Komponisten setzte sich Wagner schon in
seiner ersten Pariser Zeit auseinander, als dessen 'Symphonie
funèbre et triomphale' zum zehnten Jahrestag der Juli Revolution
von 1830 aufgeführt wurde. |
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Persönlich
begegneten sich die beiden Vertreter der damals
zeitgenössischen Musik erst in London, als Wagner dort
Konzerte dirigierte.
Wagner hat mit Sicherheit sehr viel von Berlioz und
dessen Instrumentierungskunst profitiert, erhalten sind
Schriften an und über Berlioz, wobei das Schreiben an
Liszt vom 9. September 1852 entscheidende Passagen
enthält, die heute von den Musiktheatermachern - ohne
Widerspruch der ehemaligen Präsidentin von
Richard-Wagner-International - benutzt werden, um ihrem
Wirken freie Hand zu geben.
Interessant in dem Zusammenhang, dass auf Betreiben der
ehemaligen externen Lehrbeauftragten der HMTMH und
nunmehro Frau Präsidentin RW-International außer
Diensten, sich der RW-Verein auferlegt, in keinem Fall
die Qualifikation von Richard Wagners Urenkelin
Katharina Wagner in Bezug auf inszenatorische
Fähigkeiten in Frage zu stellen.
Da ist doch einfach lächerlich.
Alle Welt kritisiert das Inszenierungs-Gemurkse in
gerade in BT.
Da wie dort - siehe SZ vom 27. Juli 2011 - wird
behauptet, Richard Wagner meine mit 'Kinder, macht
Neues' Theaterproduktionen seiner Werke im Sinne von
Verfälschung unter gleichzeitiger
Steuergeldverschwendung zu produzieren.
Im Gegensatz dazu hebt er darauf ab, Berlioz möge die
ständige Bearbeitung seines 'Bevenuto Cellini'
unterlassen - er solle lieber etwas Neues schreiben.
Das 'Kinder, macht Neues' wurde im Nordbayerischen
Kurier am
16. Januar 2012
’Freunde von Bayreuth:
Regie-Ideen vergraulen Mäzene’
von Internet-Nutzern wie
folgt kommentiert:
#1 |
fauxpas
16.01.2012, 17:44 Uhr
"Kinder, schafft Neues!" (Richard Wagner)
-
Wer immer nur das ewig Gestrige sehen will,
kaufe sich eine DVD!
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#2 |
tristan
17.01.2012, 11:41 Uhr
Und dabei meinte er bekanntlich:
Schafft neue Werke!
Wussten Sie das nicht?
Was lernt man eigentlich in den deutschen
Schulen?
Als Norweger bin ich erstaunt über das niedrige
Niveau.
Dagegen hat Wagner gesagt, man solle seine Werke
geben so wie er sich es vorgestellt hat.
Wer das nicht kann oder will, soll es lassen,
sagt er.
Also keine freie Bahn für narzisstische
Regisseure.
Ich schlage vor, Sie halten sich zu RTL, Sat1
und anderen Sendern,
die zu Ihnen passen.
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Ein
Ausländer muss darauf hinweisen, wie falsch hochdotierte
Redakteure in ihren Aussagen - wie die am 27. Juli 2011
in der SZ - liegen.
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Maria Koppenhöfer
... am 11.12.1901
geboren
Schon mit 24 Jahren wurde
sie ans Deutsche Theater Berlin und 1926 ans Preußische
Staatstheater Berlin verpflichtet. Sie spielte derbe
Mütterrollen als auch Königinnen und Damen der Gesellschaft.
Verheiratet war sie mit dem Regisseur Julius Halewicz, der dann
ab 1933 im Exil leben musste.
Alfred Kerr schrieb am 6. Februar 1928 im Berliner Tageblatt
über die Koppenhöfer in Hauptmanns ’Die Weber’:
“Und die Koppenhöfer – eine Wucht, ein Schrei.“
Gleich mit der Erfindung des Tonfilms wurde sie für:
• 1931: Opernredoute (Regie:
Max Neufeld)
• 1931:
24 Stunden aus dem Leben einer Frau (Robert
Land)
• 1932:
Unheimliche Geschichten (Richard
Oswald)
• 1932: Rosmarin im Glück (Richard
Löwenbein) (Kurzfilm)
• 1932:
Das erste Recht des Kindes (Fritz
Wendhausen)
engagiert.
In der NS-Zeit wirkte sie in 33 Filmen mit.
1933 unter dem Titel
'Flüchtlinge' über Wolgadeutsche, die angeblich 'heim ins Reich'
wollten inszeniert von Gustav Ucicky mit Hans Albers als Arneth,
Käthe von Nagy als Kristja Laudy, Eugen Klöpfer alsl Bernhard
Laudy, Ida Wüst als Megele und Veit Harlan als Mannlinger.
1935 dann 'Friesennot' - eine
Friesengemeinschaft an der Wolga bringt zur Verteidigung der
Reinheit der Rasse Rotgardisten um - von Regisseur Willi Krause
mit Friedrich Kayßler als Jürgen Wagner und Hermann Schomberg
als Klaus Niegebüll.
1937 'Der Herrscher' – eine
Hitlerhuldigung nach dem Schauspiel von Gerhart Hauptmann 'Vor
Sonnenuntergang' von Veit Harlan, Regie mit Emil Jannings als
Matthias Clausen, Marianne Hoppe als Inken Peters, Hilde Körber
als Bettina Clausen, Käthe Haack als Ottilie Klamroth.
1940 der antibritische Film 'Das
Herz der Königin' von Carl Froelich, Regie mit Maria Koppenhöfer
als Elisabeth I., Zarah Leander als Maria Stuart, Willy Birgel
als Lord Bothwell, Lotte Koch als Johanna Gordon, Axel von
Ambesser als Henry Darnley, Will Quadflieg als Page Olivier,
Hubert von Meyerinck als Sir John, Erich Ponto als Gaukler und
Ursula Herking als Mitglied der Gauklertruppe.
Auch im Jahr 1940 der Film
'Bismarck', mit dem die Nazis eine Verbindung des ehemaligen
Reichskanzler Bismarck zu Hitler herstellen wollten.
Regie führte Wolfgang
Liebeneiner mit Paul Hartmann als Otto von Bismarck, Friedrich
Kayßler als Wilhelm I.
Maria Koppenhöfer spielte die
Königin Augusta,
Walter Franck war Kaiser
Napoleon III., Lil Dagover die Kaiserin Eugénie und Käthe Haack
die Johanna von Bismarck.
Vor Kriegsende war sie noch in
'Wetterleuchten um Barbara', dem Heimatfilm um die Befreiung
Österreichs und in 'Tiefland', für den Leni Riefenstahl mehrere
Jahre zur Herstellung benötigte, beschäftigt.
1934 erhielt sie den Titel Staatsschauspielerin
Nach dem Krieg übernahm sie
Bühnenrollen in Frankfurt und in München.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44419961.html |
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Uraufführung von
Bergs 'Wozzeck
... am 14. Dezember 1925
Karl Emil
Franzos, ein jüdischer Jurist und Journalist - er schrieb für
die Freie Wiener Presse Rezensionen und Reiseberichte - gab 1879
die Werke 'Dantons Tod', 'Leonce und Lena' und 'Woyzeck' -
letzterer in seiner Bearbeitung - des damals schon in
Vergessenheit geratenen deutschen Dichters Georg Büchner heraus. |
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Alban Berg sah das Werk 1914 im Wiener Residenztheater und
begann sehr bald mit der Komposition, die er aber bis zum Ende
seiner Militärzeit zurückstellte.
Mitte Oktober 1921
war das Werk beendet und wurde 1922 als Privatdruck von Alma
Mahler-Werfel herausgegeben.
Bergs 'Wozzeck'
ist die erste atonale Oper, sie schließt an die großen
Musikdramen Wagners und Strauss an, bildet einen Bogen zu
Schreker und sieht sich der Musik von Gustav Mahler
verpflichtet.
’Wozzeck’ ist der Klassiker der Moderne und hat sich unter den
ganz wenigen Opern aus gleicher Entstehungszeit auf den Bühnen
gehalten
Auszüge wurden
1924 in einer Privatveranstaltung in Frankfurt am Main
aufgeführt. Die Uraufführung dirigierte Erich Kleiber 1925 an
der Lindenoper in Berlin.
Bergs Musik war nach 1933 als ’Verfallskunst’ verfemt.
Seit 1935 auf der Liste der ’Musik-Bolschewisten’ der
NS-Kulturgemeinde.
http://www.telezeitung-online.de/
Damals_in_Regensburg_06.01.2009_Bemerkungen_zu_%27Wozzeck%27_final.htm
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Alfred Kerr
... am 25.
Dezember 1876 geboren
Er war der
schärfste Kritiker des Berliner Tagblatts, er entschied, wer,
mit was, in welcher Rolle, in welchem Stück, mit welcher
Darstellung Möglichkeiten hatte und befand sich oft in einer
gegensätzlichen Position zu Herbert Ihring.
Über Zuckmayers Theaterdebut schrieb er: “Dieser heillose
Lyriker wird niemals einen auf der Bühne sprechbaren Satz
hervorbringen“. |
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Zuckmayer selber bezeichnete Kerr, “der gefährlichste
Scharfschütze, dessen Daumen auf- oder abwärts über Tod und
Leben des neuen Dramatikers entscheiden konnte.“
Max Brod über Kerr: “In den Kritiken fällt er fast so viele
Fehlurteile wie Karl Kraus. Das haben die beiden Todfeinde
miteinander gemein.“
Er nannte Brecht
am 7. Februar 1931 im Berliner Tageblatt ein 'zusammenhangloses
Kleintalent'.
Kerrs Ablehnung
gegenüber Brecht ging dann soweit, dass er eine
Plagiatsdiskussion auslöste.
Der Text der
'Dreigroschenoper' beinhalte Originaltexte von François Villon.
Der Übersetzer werde aber nicht genannt.
Brecht konterte,
er habe tatsächlich 25 Texte der insgesamt 625 Verse des Stückes
verwendet - er habe aber vergessen, den Übersetzer Karl Anton
Klammer anzugeben und im Übrigen erkläre er das mit seiner
grundsätzlichen Laxheit in Fragen geistigen Eigentums.
Als Brecht
allerdings 1942 feststellen musste, dass eine gemeinsam mit
Elisabeth Bergner entwickelte Story hinter seinem Rücken an ein
Filmstudio für 35.000 Dollar verkauft worden war, fand er das -
'ehrenrührig'.
Kerr floh bereits
am 15. Februar 1933, also unmittelbar nach der Machtergreifung
am 30. Januar 1933, über Prag, Wien, Zürich nach Paris.
Ab 1935 lebte er
in London und war für die BBC tätig, agitierte per Radio gegen
Nazi-Deutschland.
In Meyers Lexikon stand 1939 über Kerr:
“Jude, Literaturpapst im Novemberdeutschland, Musterbeispiel
eines zersetzenden Theaterkritikers um der Kritik willen, übte
einen verderblichen Einfluss auf die Literaturentwicklung aus.“ |
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Marlene Dietrich
.... am 27. Dezember 1901 geboren
Es war 'Der
Blaue Engel', der ihren Weltruhm begründete.
Goebbels hätte sie gerne aus den USA zurückgeholt - sie aber
hielt an der neuen Heimat fest - bekam 1939 einen amerikanischen
Pass und machte während des Krieges Truppenbetreuung für die
US-Soldaten.
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Ihr Besuch
in der Bundesrepublik war 1960 überschattet von
Vorwürfen, sie habe ihr Heimatland durch das Fernbleiben
im Dritten Reich verraten.
Als ein Ei, das ein Zuschauer warf, sie traf, meinte
sie, vor einem Deutschen habe sie keine Angst, eher
davor, die Flecke aus ihrem Abendmantel nicht mehr
herauszubekommen.
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Thea
Dorn -
'Marleni'
Zwei
Männer - zwei Diven
Gisela Uhlen und Gisela Mai, zwei große
Damen des deutschen Theaters und Films
schmachten, schmeicheln, schnurren auf
CD die Diven Marlene Dietrich und Leni
Riefenstahl.
Und im Regensburger Turmtheater?
Sie gurren kaum, sie schnurren kaum, sie
murren kaum, sondern schmettern lauthals
in einer szenischen Fassung Thea Dorns
Text ins Publikum.
Hat Christian Hettkamp und Jens
Schnarre, die beiden talentierten
niemand kontrolliert und gebremst?
Voller Saft und Kraft, ohne das, was
zwischen den Zeilen steht, rezitieren
die beiden an den gemeinten zwei
Neunzigjährigen vorbei.
Zu zügig wird der Text absolviert.
Ganz selten gelingen leise, atemlose
Töne.
Warum haben die beiden nicht mehr in die
eingespielten Tondokumente hineingehört,
oder wollte man unbedingt Männer in den
Rollen der beiden Legenden heraushängen
lassen?
Sollte es auf keinen Fall Travestie
werden?
Eine alte Frau nur über die Modulation
der Stimme darzustellen, ist doch schon
eine lmprovisationsübung bei der
Aufnahmeprüfung an einer Hochschule.
Hettkamp gelingen noch am ehesten die
zickigen, hysterischen Töne der
Riefenstahl.
Schnarre ist zwar von der Tongebung eher
die Dietrich, aber es fehlt das von der
alten Diva bekannte Geraune.
Wollte man nicht imitieren?
Ein Konzept ist nicht erkennbar.
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Marlenes Schwester Elisabeth, ein schüchternes,
ordnungsliebendes, braves Mädel, kam 1900 zur Welt und zwischen
Marlene, die keck und von sich als Herausragende überzeugt,
klafften Welten.
Die Jüngere nannte ihre Schwester später den ’Tugendmoppel’, der
sich anpasste und so gar ihren Beruf als Lehrerin gemäß den
Weisungen des autoritären Ehemanns aufgab.
Mit ihm, Georg Hugo Will, übernahm Elisabeth die Leitungs des
Truppenkinos in Bergen am Rande der Lüneburger Heide.
Während Marlene die amerikanischen Truppen weltweit mit ihren
Auftritten erfreute, spielte die ältere Schwester die NS-Filme -
in dem Heide-Kino, das nach dem Krieg für die englischen
Besatzungstruppen bis 1950 weiterbetrieben wurde - zur Betreuung
der deutschen Soldaten.
Trotz aller Gegensätze blieben die beiden sich gut. Marlene
versorgte die Schwester sogar mit Luxusgegenständen, dass die
ältere Schwester im schicken Pelzmantel in Bergen, nahe dem KZ,
wo Anne Frank ums Leben kam, einhergehen konnte.
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Fortsetzung von Seite 16, Heft elf, November-Ausgabe
Lohengrin
Die
Quellen -
Literarische und historische Grundlagen
Richard Wagner war nicht nur durch die
Lektüre über das Mittelalter stark mit Glaubensfragen in Berührung
gekommen. Seine ganze Erziehung spielte sich sehr im Schatten der Kirche
ab, die ihren Einfluss durch die eigene Familie oder den Aufenthalt als
junger Mensch in einer Pastorenfamilie sich prägend ausgewirkt hatte.
Nimmt man vor allem seine Briefe, auch
die an seine Frau Minna, so treten immer wieder Aussprüche zu Tage, die
offensichtlich einen starken christlichen Glauben dokumentieren.
“ [...] - komm zu mir, grüße Weib u.
Kind, fürchte Vater u. Mutter, und Gott gebe mir seinen Segen” [...]”
(Magdeburg, 15. September 1834)
“ [...] Bewahre uns Deine Treue u.
Liebe, u. wir wollen Dir wie einem Heiland danken u. unsre besten
Gefühle opfern! - [...]”
(Magdeburg, 20. September 1835)
“ [...] - so etwas muß man vollends
zusammen besprechen. Wir meinen es ja gut, warum soll uns denn Gott
verlassen? - [...]”
(Magdeburg, 12. November 1835)
“ [...] Adieu, - Gott sei mit Dir, mein
liebes Weib. [...]”
(Berlin, 20. Juni 1837)
“ [...] sie hat ihr Wort schon gelöst!
Gott segne Euch u. gebe Euch eine glückliche Reise! [...]
“ [...] auch könnt Ihr eine Nacht in
seinem Hause ausruhen u. schlafen. Das wird Euch auch wohl thun. Befolgt
dies also ja genau. - Mit Gott, euer Richard.”
Riga, 9. September 1837
“ [ Nun mein alter treuer Freund, - ich
habe Probe, - nimm mit diesem Kurzen vorlieb, zu was einen Langen?
Behüte Dich Gott, sei mir nicht böse, u. gedenke freundlich Deines
Richard W.”
(Riga, 17. September 1837)
“ [...] ob es die Möglichkeit sei,
binnen 50 Jahren, so Gott mir das Leben schenkt, ihn auf die Berliner
große Oper zu bringen. [...]”
(Riga, 12. November 1838)
“ [...] Die schreckliche Nachricht von
dem elenden Tode des armen Herzogs von Orleans hast du wohl erfahren!
Ist das nicht fürchterlich - ich habe um ihn mich der Thränen nicht
enthalten können! - Gott gebe uns ein besseres Ende! [...]”
“ [...] Jetzt packe ich es ein und
schicke es sogleich durch die Leipziger Handlung ab. - Nun, Gott gebe,
daß Ihr alle recht wohl seit: [...]”
(Dresden 25. Juli 1842)
“ [...] Wie steht es mit Anders? Gott
mit Dir, schlechter Kerl! [...]”
(Dresden 26. Februar 1843)
“ [...] Wenn du ganz bei mir wärest!
Gott behüte Dich! Leb wohl! Leb wohl!
Sei gesund und heiter! [...]
(Dresden 02. Juni 1843)
“ [...] so würden Sie mich durch eine
baldige günstige Nachricht recht sehr freuen. Gott erhalte Sie und
beschere Ihnen recht bald einen famosen Operntext! [...]
“ [ Im Januar war ich in Berlin u.
dirigierte den Holländer. Das weißt Du wohl? - Gott behüte Dich u. die
Deinen. [...]”
(Dresden, Februar 1844)
“ [...] Also mein innigst verehrter
Meister, auf das Glück, Sie bald Auge in Auge begrüßen zu können!
Bis dahin möge Gott Sie wohl und gesund
erhalten, damit Sie in unserem reizenden Dresden recht rüstig und
wohlgemuht einem schönen Triumphe entgegensehen können! [...]
(Dresden 4. März 1845)
“ [...] Er soll sehr willkommen sein!
Ach Gott, wenn ein Regisseur krank ist, hat ein Kapellmeister doch
schreckliche Sorgen! Gott der Allmächtige erhalte Sie! [...]
(Dresden im Dezember 1845)
(Wagner, Richard, Sämtliche Briefe,
Leipzig 1970)
Diese Aussprüche liegen vor und noch im
Bereich der Entstehung des Lohengrin. Sie sind sicher nicht nur Floskeln
am Ende eines Briefes, sondern dokumentieren eine ganz bestimmte
Einstellung.
Mit der Bekanntschaft zu Feuerbach, von
dem er nach eigenen Aussagen “ [...] bis Aug. 1849 [...] lediglich die
‘Gedanken über Tod und Unsterblichkeit’ zu Gesicht bekommen” haben will,
wobei “ [...] schon Rudolf Louis in seinem Werk ‘Die Weltanschauung
Richard Wagners (Leipzig 1898) darauf hingewiesen [.habe ] “daß sich W.
mit seiner Bemerkung auf die Gesamtausgabe bezogen und durchaus frühere
Einzelausgaben gekannt habe.” verlieren sich diese Aussagen, was
unbewiesen mit dem philosophischen Gedanken Feuerbachs in Verbindung
gebracht werden kann.
(Bauer, Hans-Joachim, Richard Wagner
Lexikon, Bergisch-Gladbach, 1988)
In RW’s Werken einschließlich dem
Lohengrin spielt der christliche Glaube eine Rolle, der auch in den
Texten deutlich wird.
Rienzi:
“Allmächt’ger
Vater blick herab!
Hör mich im Staube
zu dir flehn.
[ ...]
O Gott, vernichte
nicht das Werk,
das dir zum Preis
errichtet steht!
Ach, löse Herr die
tiefe Nacht,
die noch der
Menschen Seele deckt!
[ ... ]
Holländer:
“Doch kann dem
bleichen Manne Erlösung einstens noch werden,
fänd er ein Weib,
das bis in den Tod getreu ihm auf Erden! -
Ach! wann wirst
du, bleicher Seemann, sie finden?
Betet zum Himmel,
daß bald
ein Weib Treue ihm
halt!”
Tannhäuser:
“Mein Heil! Mein
Heil ruht in Maria!”
“Allmächt’ger, dir
sein Preis!
Groß sind die
Wunder deiner Gnade!”
Als seine Schwester Rosalie in Prag ein
Engagement am Theater antritt, übersiedelt die Mutter mit den
Geschwistern nach Prag und Richard Wagner bleibt allein bei Pflegeeltern
in Leipzig zurück und bei einem Besuch seiner Familie, trifft er auf
“einige Schöngeister Prags [....] leidenschaftlich unterhielt man sich
oft über die Hoffmannschen Erzählungen, welche damals noch ziemlich neu
und von großen Eindruck waren. Ich erhielt von hier an durch mein
erstes, zunächst nur oberflächliches Bekanntwerden mit dem Phantastiker
eine Anregung, welche sich längere Jahre hindurch bis zur exzentrischen
Aufgeregtheit steigerte und mich durch die sonderbarste Anschauungsweise
der Welt beherrsche.” (ML S. 24)
Hier machten auch “die überall
wahrnehmbaren Merkmale des Katholizismus, die vielen Kapellen und
Heiligenbilder” einen starken Eindruck auf ihn und mischten sich mit den
aus der Theaterwelt ihm bekannten Bildern, zumal er diese aus der
protestantischen Umgebung seiner bisherigen Erziehung betrachtete.(ML S.
23)
Trotz dieser Nüchternheit hatte er doch
noch “vor wenigen Jahren mit schmerzlicher Sehnsucht nach dem
Altarblatte der Kreuzkirche geblickt und in ekstatischer Begeisterung
sich an die Stelle des Erlösers gewünscht.” (ML S. 27)
Bei den Vorbereitungen zur seiner
Konfirmation ist diese Einstellung allerdings der “Herabstimmung meiner
Hochachtung für kirchliche Gebräuche” gewichen und doch bleiben ihm “die
Schauer der Empfindung bei Darreichung und empfang des Brotes und des
Weines” in unvergesslicher Erinnerung. (ML S. 27)
Nicht übernommen in die Text-Dichtung
wird die Aussage der Frauenfeindlichkeit des Grals. Die Forschung geht
weitgehend davon aus, dass RW sich in die Lage des Lohengrin als
unverstandenes Lebewesen hineinversetzt gefühlt haben soll. Einem Wesen,
nach dessen Namen und Herkunft man nicht zu forschen habe und das man
ungefragt lieben müsse, hier besonders als dem unverstandenen Künstler
nach dem nicht durchschlagenden Erfolg des Holländers und des
Tannhäusers.
Ob er sich allerdings auch in der
Hinsicht dem Lohengrin als einem Gralsritter gleichgestellt sah, dass
“wer seinem Dienste geweiht ist, nie der Weibesliebe pflegen” darf [...]
dem Könige der Templer Schaar allein ist ein reines Weib erlaubt, damit
sein erhabnes Geschlecht sich ewig ungemischt fortpflanze.[...]” darf
aufs das Stärkste bezweifelt werden.
Über welche Kenntnisse RW bezüglich der
Gralsgemeinschaft und deren sexueller Bedürfnisse und Kontakte sowie des
grundsätzlichen Umgangs mit der Außenwelt er zur Zeit der Entstehung des
Lohengrin im Detail verfügte, ist aus den Quellen nicht klar
ersichtlich.
Um so erstaunlicher ist es, dass er in
der Prosafassung derartig einschränkende Vorgaben für die
Männergemeinschaft des Grals ausführt, die er dann aber nicht in die
Text-Dichtung zur Vertonung übernimmt.
Ob hier homosexuelle Gedanken eine Rolle
gespielt haben, kann aufgrund fehlender Nachweise nur spekulativ
ausgeführt werden.
Der folgende Teil der Prosafassung der
Gralserzählung ist in Gänze auch in die Text-Dichtung übernommen worden
und wurde auch so vertont, jedoch hat RW am 2. Juli 1850, also nur
wenige Wochen vor der Ur-Aufführung am 28.8.1859 in Weimar Franz Liszt
als Operndirektor und Dirigent der Ur-Aufführung nach Weimar mitgeteilt,
dass er darauf “bestehe” den “zweiten Abschnitt der Erzählung”
wegzulassen, da er nach seiner Meinung “einen erkältenden Eindruck
hervorbringen” werde. So sollten auch die Textbücher entsprechend
korrigiert werden.
(Wagner, Richard, Briefwechsel mit Franz
Liszt, Kassel 2000)
Nicht nur - wie bereits in Verbindung
mit der Ankunft Lohengrins beschrieben - sollte es allen in Brabant
unter Lohengrin materiell besser gehen “ [...] eure Fluren wollte ich
mit reichen Früchten schmücken, euer Volk in Liebe und Eintracht groß
erziehen, [...]
Oder an anderer Stelle “[...] O höret
an! Hätt’ ich bei euch verweilen dürfen, mit solchem Segen hätt’ ich
dieses Land geschmückt, daß ihr das Himmelreich zu euch herabgekommen
hättet wähnen sollen [...]
In der Prosafassung verleiht RW seinem
Lohengrin somit die Stellung eines Messias, denn nach dessen Worten
wollte er weiter “ [...] euren Herzen den himmlischsten Frieden geben:
dies war der Zauber, den ich über euch ausgießen wollte u. dies zu
bewirken vermocht’ ich durch die Wunderkraft des Grales.”
Und in den Passagen [...] Doch ach! ihr
sollt solchem Glück noch fernbleiben, der rohe Kampf der Habgier um
gemeinen Besitz, um ohnmächtige Gewalt - dieses Ringen um ein Nichts
soll lange noch eure schönsten Kräfte verzehren [...] dokumentiert sich
schon ein fast kommunistischer Gedanke, wonach Eigentum Diebstahl
bedeutet.
Es ist nicht schlüssig feststellbar, ob
nach diesen Vorgaben der Kampflosigkeit des Grals RW seinen Lohengrin
nicht mit nach Mainz und dann mit dem gesamten Heer gegen die Ungarn
ziehen, sondern zum Gral zurückkehren lässt, zumal ein Teil der Quellen
die erfolgreiche Teilnahme Lohengrins an den Feldzügen vorgeben. In der
Prosafassung wird im Gegensatz hierzu allerdings ausgeführt, “ [...] wie
gern hätte er die Streiter Brabant’s geführt, - jetzt müsse er sie
allein, führerlos dem Kaiser übergeben.” und in der Text-Dichtung heißt
es
“[...] Mein Herr
und König, laß dir melden:
die ich berief,
die kühnen Helden,
zum Streit sie
führen darf ich nicht [...]
und weiter
[ ...] Als
Streitgenoß bin ich nicht hergekommen [...]
Die Abreise Lohengrins wird in der
Prosafassung in der Form durch die Hinweise auf den verschollenen Bruder
Elsam’s, Gottfried begleitet, als Lohengrin Elsam vorhält [...] hättest
du nur ein Jahr dich zweifellos bewährt, dein Glück wäre übergroß
gewesen [...] dein Bruder, in einem Jahr wär’ er dir und Brabant als
herrlicher Jüngling zurückgekehrt!” und für sich selber führt er aus,
dass “Nun werd’ ich nicht mehr Zeuge eures Glückes sein; kehrt dein
Bruder zurück, bin ich in weiter, weiter Ferne!
In der Text-Dichtung werden diese
Ausführungen nur insoweit übernommen als Lohengrin sich “im Ausbruch
heftigen Schmerzens” sich an Elsa wendet
O Elsa! Nur ein
Jahr an deiner Seite
hätt’ ich als
Zeuge deines Glücks ersehnt!
Dann kehrte, selig
in des Grals Geleite,
dein Bruder
wieder, den du tot gewähnt.”
In der Prosafassung wie in der
Text-Dichtung erscheint Gottfried für alle - auch für Lohengrin -
unerwartet durch die Rückverwandlung des Schwans in die menschliche
Gestalt. In der Prosafassung wie auch in der Text-Dichtung schwebt “eine
weiße Taube” bzw. “die weiße Gralstaube” über dem Nachen und Lohengrin
selber löst dem Schwan die Kette an der dieser den Nachen gezogen hatte.
Während in der Prosafassung “[...] ein
schöner Jüngling (Gottfried) von Lohengrin auf das Ufer gehoben wird”,
und “Gottfried tritt vor und verneigt sich vor dem Kaiser” hebt
Lohengrin in der Text-Dichtung “einen schönen Knaben in glänzendem
Silbergewande - Gottfried - aus dem Flusse an das Ufer.”
“Ortrude ist” ist in der Prosafassung
“mit dem Augenblicke der Entzauberung Gottfried’s laut kreischend todt
zusammengestürzt.” Dagegen ist in der vertonten Text-Dichtung die
Aussage der Regie-Anweisung weniger spektakulär, denn “Ortrud sinkt bei
Gottfrieds Anblick mit einem Schrei zusammen”. Somit ist anzunehmen,
dass Ortrud das Ende der Oper überlebt und sie in ihrem Sinne fortwirken
kann.
RW hatte, nach dem Eindruck den
Wilhelmine Schröder-Devrient als Fidelio-Leonore, Adriano im Rienzi,
Senta im Holländer und Venus im Tannhäuser auf ihn gemacht hat, auch die
Rolle der Ortrud für diese Sängerin vorgesehen, wäre es zur geplanten
Uraufführung des Lohengrin in Dresden gekommen.
Die Erfahrungen, die RW mit dieser
Sängerin in Bezug auf deren dramatischen Ausdruck und deren Wirkung auf
der Bühne machte, können nur den Schluss zulassen, dass er ihr - die mit
der Partie der Venus nicht sehr zufrieden war - nun wieder die
Möglichkeit des dramatischen Auftritts geben wollte.
In Gemeinschaft
wurde die Besetzung der Hauptpartien durchgesprochen. Die Darsteller
derselben hatten Wagner wohl beim Schaffen der Oper lebhaft
vorgeschwebt.
Lohengrin –
Joseph Tichatscheck,
Elsa – Johanna
Wagner,
Telramund
– Anton Mitterwurzer,
Ortrud
– Wilhelmine Schröder-Devrient.
(Richard Wagner
Briefe, Die Sammlung Burrell, Frankfurt/Main, 1953, S. 183)
Und bereits mit seinem Schreiben vom 4.
August 1845 an seinen Bruder Albert hatte er in Bezug auf die Besetzung
der Elsa mitgeteilt „[...] Aber ganz abgesehen davon, welch ein
glückliches Opernbuch ist es! Wirkungsvoll, anziehend, imponirend u.
rührend in jedem Theile! – Johanns’s Partie darin, - welche sehr
bedeutend u. eigentlich die Hauptpartie ist, - muß das Reizendste u.
Ergreifendste von der Welt werden.
(Strobel / Wolf, Die Briefe von 1842 -
1849, Leipzig, 1970)
Während seines Aufenthaltes in Marienbad
und der Zeit der Entstehung der Prosafassung schreibt RW an seinen Arzt
Pusinelli nach Helgoland: “ [...] Um das Seebad beneide ich Dich sehr,
denn auch mir würde es nach beendigter Brunnenkur gewiß vortrefflich
bekommen sein. Hätte ich Zeit und - Geld, so ginge ich jedenfalls noch
nach Helgoland.-
Ich kann mich hier nicht genug
zerstreuen, denn immer schon gehen mir Entwürfe zu einer neuen Oper so
lebhaft im Kopfe herum, daß ich mich nur mit aller Gewalt davon abziehen
kann.”
(Richard Wagner, Sämtliche Briefe,
Leipzig, 1970)
Die Prosafassung des Lohengrin entstand
– neben der für die ‚Meistersinger’ - in der Zeit vom 3. Juli bis zum 9.
August 1845
Die Text-Dichtung wurde unmittelbar nach
der Tannhäuser - Premiere am 19. Oktober 1845 - bis zum Spätherbst 1845
fertiggestellt, denn “bereits im November las ich dieses Gedicht meinen
Hausfreunden [...] vor. (ML S. 339)
Robert Schumann, der einer der Zuhörer
war, “war ganz damit einverstanden; nur begriff die musikalische Form
nicht [...] da er keinerlei Anhalt zu eigentlichen Musiknummern ersah.”
(ML S. 339)
Und so kommt es dazu, dass RW zunächst
einmal zu zweifeln begann, ob der Schluss der Oper nicht tatsächlich zu
krass sei und so “kam ich doch darauf, mir zu überlegen, ob die grausame
Trennung nicht erspart, das unerläßliche Fortziehen in die Ferne aber
doch erhalten werden könnte [...] “ (ML S 339) und so beginnt der sonst
so selbstsichere Autor, herumzufragen, um andere Meinungen einzuholen.
So kommt es dazu, dass er sogar die Frau seines Intendanten - Ida von
Lüttichau - um Rat fragt und sie äußert sich, “ [...] daß der
‘Lohengrin’ gerade so und auf gar keine andere Weise ausgehen könne.”
(ML S 340)
Seine ganze Größe erhält das Werk und
“die dramatische Auseinandersetzung durch das Auftreten Ortruds mit
Telramund als willfährigem Werkzeug.” Ortrud nutzt ihren Einfluss und
bringt Telramund zum Mordanschlag und Elsa dazu die verbotene Frage zu
stellen.
Nach Meinung von Strobel / Wolf “erweist
sie sich als Demagogin, die kein Mittel scheut. Bis in viele
Einzelheiten gleicht ihr heimtückischer Kampf gegen Lohengrin, den
Vertreter des Guten, des Neuen, dem demagogischen Treiben der
konservativen Adelskräfte während der Revolution 1848/49.
(Strobel / Wolf, Die Briefe von 1842 -
1849, Leipzig, 1970)
Betrachtet man diese Aussagen, so gilt
es zu bedenken, dass Strobel / Wolf ihre Kommentare aus dem Blickwinkel
der DDR und unter dem Einfluss der Kämpfer des Sozialismus während des
‘kalten Krieges’ 1970 aus Leipzig heraus abgegeben haben.
Es fragt sich, ob nicht auch Strobel /
Wolf heute nach Sturz des Kommunismus und Sozialismus, allgemeiner
Umweltverwüstung durch Industrialisierung der Global Player und dem
Nachhängen einer unbewiesenen Glaubenslehre, sich auf natürliche
Lebensregeln besännen, als nur unreflektiert unbedingt irgend etwas
‘Neuem’ nachzuhängen.
Die Forschung meint feststellen zu
können, dass Richard Wagner bereits während der Erstellung der
Prosafassung in Marienbad im Sommer 1845 seine persönlichen Verhältnisse
in Bezug auch auf seine Frau Minna schon in den ‚Lohengrin’ eingebracht
habe und damit der Figur des Lohengrin eine spezielle Bindung an die
persönliche Situation Richard Wagners vor und zur Zeit der Entstehung
der Prosaskizze, der Dichtung und der Komposition des Lohengrin gegeben
habe und somit sein Denken und Fühlen Quellen des Werkes darstellten.
Strobel / Wolf meinen, RW sehnte sich
mit seinem Tannhäuser “aus der ihn ‘anwidernden Sinnlichkeit ... der
modernen Gegenwart - heraus.” (Schriften, Band 4, S. 294) Aus einer
Einsamkeit wiederum sehnte er sich mit seinem Lohengrin nach echter,
menschlicher Liebe, nun aber auf einer höheren Stufe als der Holländer
und Tannhäuser.
Lohengrin will nicht, wie die
Gralsritter, einsam abgeschieden als Hüter der Menschlichkeit und
Gerechtigkeit wirken, sondern in echter menschlicher Gemeinschaft an der
‘wärmenden Brust der Erde’. Er suchte das Weib, das an ihn glaubte.
(Ebenda, S. 295) Er möchte nicht als ungewöhnliche, geniale Erscheinung
durch ein erhöhtes Wesen bewundert, sondern als Mensch verstanden und
geliebt werden. Deshalb versucht er sein Wesen, seine Herkunft, sein
Künstlertum zu verschweigen und er legt Elsa das Frageverbot auf.”
Strobel / Wolf sehen auch hier ein
Aufbegehren gegen Standesdünkel und ein Stück jungdeutschen Protestes
“gegen die konventionelle Standesehe” zu entdecken. Und dies steht auch
in Verbindung zu Feuerbach, wenn “einzig gegenseitiges Vertrauen,
liebevolles Verstehen” entscheiden solle und “nicht der Stand und die
Herkunft.”
(Strobel, Gertrud / Wolf, Werner, Die
Briefe der Jahre 1842 - 1849, Leipzig, 1970, S. 59)
Dass Minna ihm nach
dem Erfolg des Rienzi in der Meyerbeerschen Form der großen Oper und den
nachfolgenden ‚Fliegenden Holländer’, dem ‚Tannhäuser’ geistig nicht
folgen konnte und es ihr im Endeffekt nur um die versorgte Ehefrau ging,
ist nachvollziehbar, ob aber die Umstände seiner Ehe ihn an eine
Trennung von seiner Frau im Sinne der Entzweiung Lohengrin von Elsa die
Basis für die Lohengrin-Dichtung sein können oder sein müssen, kann nur
vermutet werden.
Die Briefe RW’s an seine Frau zeigen in
vielen Beispielen aus der Zeit der Entstehung des Lohengrin ein anderes
Bild.
RW schreibt herzlich und unter Benutzung
freundlichster und liebevollster Worte an seine Frau. Und dies geschieht
weit in die Zeit der Krisen, bedingt durch seine Frauen-Bekanntschaften
hinein.
Dass es tatsächlich ein Missverhältnis
zwischen ihr und ihm bzw. von seiner Seite aus gegeben haben könnte,
lässt sich aus dem Schriftverkehr des Ehegatten mit seiner Frau nicht
ohne weiteres ableiten.
Es würde den Umfang
der Arbeit sprengen, ginge man hier auf die einzelnen Schriftstücke und
deren persönliche Aussagen ein. Somit kann nur auf die gesammelten
Briefe von Richard Wagner an seine Frau Minna, verlegt bei Schuster und
Loeffler, Berlin / Leipzig, 1908 verwiesen werden.
(Wird fortgesetzt)
Die neapolitanische Oper – Stimmfach und
Charakter
(Fortsetzung der Oktober-Ausgabe Seite 27)
2. Interpreten der Frauenrollen in der
neapolitanischen Oper
2.1 Die Kastraten
Die Korrelation zwischen Hormonen und
Stimme machte sich die Kirche in ihrem Hass auf die Frauen in einer
Weise zunutze, was die Menschen unserer Zelt, die an die gesetzlich
gesicherte Unversehrtheit von Leib und Leben gewöhnt sind, im höchsten
Grade verbrecherisch anmutet.
Die präpuberale Kastration verhindert
eine normale Pubertätsentwicklung, wobei insbesondere die fehlende
Ausbildung sekundärer Geschlechtsmerkmale auffällig ist.
Die Gonadotropinausscheidung ist stets
erhöht. ¶
Gonodotropine sind hochmolekulare
Proteohormone (Giykoproteide), die Wachstum, inkretorische und
excretorische Funktion der Gonaden (Ovarien, Testes) stimulieren und
regulieren. Steuerung direkt oder über hypothalamische Zentren via
Reieasing factor durch die Höhe des Blutspiegels der peripheren Hormone
sowie durch zentrale Impulse.
Messungen verschiedener Ärzte (Gumber
1847, Tandier und Grosz 1909/10, Wagenseil 1926/27, Joren 1955, Labhart
1957 sowie Nowakowski 1959) ergaben in etwa übereinstimmend, daß der
normale männliche Kehlkopf ein Viertel größer als der Kastratenkehlkopf
war, während der Kastratenkehlkopf den Umfang eines normalen weiblichen
Kehlkopfes nur um ein Siebentel überragt.
Die Stimmlippenlänge fand sich in der
Mitte zwischen der Frau und der des Mannes, jedenfalls was die pars
vocalis betraf, in Bezug auf die pars respiratoria näherte sie sich sehr
jener des Mannes.
Die Ossifikation entsprach der des
weiblichen Geschlechts.
Der Stimmumfang der Kastraten reichte
meist von c bis c", manchmal bis f" und eine besondere Leistung stellten
Schwelltöne von 50 sec. Dauer und mehr dar.
Der Ausfall des inkretorischen Anteils
der Keimdrüsen bedingt - infolge Verringerung des intermediären
Stoffwechsels - Fettsucht.
Die Fettablagerungen finden in einer gewissen typischen Form besonders
an den Brüsten und den Hüften statt und schafft damit beim männlichen
Kastraten die dem weiblichen ähnelnde äußere Körperform.
Nicht selten beobachtet man nach der
Kastration vor Abschluss der körperlichen Entwicklung ein beschleunigtes
Längenwachstum, einen Hochwuchs bis 2 m Körperlänge, indem der
Antigonismus der Keimdrüse zur Hypophyse entfällt, welche das
Längenwachstum durch vermehrte Zellwucherung und Verkalkung in der
Epiphysenfuge der Röhrenknochen begünstigt.
Die Beobachtung, dass Kastration bei
Tieren die Fettbildung begünstigt, ist schon seit Jahrtausenden bei der
Züchtung von Mastvieh nutzbar gemacht worden.
Der barbarische Brauch der Kastration
beim Menschen findet sich bereits im frühesten Altertum.
Als Strafe der Kriegsgefangenen und
Besiegten lesen wir sie unter anderem bei Herodot und Xenophon, bei
Aristoteles und Plinius, über die Tiere als religiösen Brauch nicht nur
bei asiatischen Völkern des Altertums, auch bei einer in Russland und
Rumänien verbreiteten religiösen Sekte, den Skopzen.
Im ost-römischen Reich verwendete man
kastrierte Individuen (Eunuchen) als ungefährliche Sklaven und Wächter
für Frauen.
In christlicher Zeit nahmen asketische
Fanatiker die Kastration an sich selbst vor.
Da gemäß dem Wort des Paulus es den
Frauen verboten war, im Kirchenchor mitzuwirken, wurden als Ersatz
Knaben und Falsettisten bevorzugt, weil sie ihre in der Technik des
Falsettierens ausgebildeten Stimmen lange Zeit erhalten konnten, während
die Knaben ja spätestens nach 3 - 4 Jahren mit dem Singen wieder
aufhören mussten, kaum, dass sie durch Schulung brauchbare Kräfte
geworden waren.
Mit der Entstehung des 'Dramma per
musica' fand das madrigalische Singen ein Ende, und Ludovico Viadana
führte 1602 den neuen monodischen Stil mit seinem 'Cento concerti
ecciesastici' in die Kirchenmusik ein.
Der leblose Stimmklang der Falsettisten
wurde den neuen Anforderungen nach Virtuosität und nuancierter
Wiedergabe der Kompositionen nicht mehr gerecht, und so wirkte im
päpstlichen Chor zum ersten Mai 1562 der spanische Kastrat Francisco
Soto mit.
Als 1599 zwei italienische Kastraten,
Pier Paolo Folignato und Girolamo Rossini in die sixtinische Kapelle
aufgenommen wurden, ging die Zeit der spanischen 'weißen Stimmen' zu
Ende.
Von 1609 an übernahmen nur noch
Kastraten den Sopran und Alt und da Urban VIII. 1635 eine achtfache
Besetzung der 4 Stimmen anordnete und Clemens XIII. diese Verordnung
1762 erneuerte, waren für eine sehr lange Zeit hindurch mindestens 6
Kastraten in der Sixtinischen Kapelle angestellt.
Einige wurden durch ihren Gesang sehr
bekannt und erhielten gute Pfründe oder sonstige Auszeichnungen, so
bekam Vittorio Loreto (gest. 1760) vom Papst den Christusorden.
Andere gingen zur Oper und machten sich
da einen Namen. Manche von ihnen waren Welt- oder Ordenspriester.
Jedenfalls sollten alle Kleriker sein und ehelos leben; das war für die
kirchlichen Sänger von jeher eine Bestimmung, von der nur in Notfällen
eine Ausnahme gemacht werden durfte.
So wurde Giovanni Pierluigi da
Palestrina, weil er verheiratet war, 1555 von Paul IV. entlassen, konnte
aber in anderen Kirchen und unter Plus IV. auch wieder in St. Peter als
Kapellmeister wirken. In der sixtinischen Kapelle hielten sich die
Kastraten drei Jahrhunderte hindurch; ihre Zahl betrug acht oder mehr,
je nachdem sie nicht nur Sopran, sondern auch noch Alt sangen
Außer in der sixtinischen Kapelle waren
auch in vielen anderen Kirchen Roms und Italiens Eunuchen als
Sopranisten und Altisten tätig.
Auch in Deutschland sangen Kastraten
statt Frauen in einigen katholischen Kirchen: München, Salzburg,
Dresden, Wolfenbüttel, jedoch in die Kirchenchöre der protestantischen
Länder haben sie nie Aufnahme gefunden.
Papst Leo XIII. setzte durch, dass keine
neuen Kastraten mehr aufgenommen wurden, nur die vorher schon
angestellten traten noch bis ungefähr 1929 auf.
Eine noch größere Bedeutung und viel
weitere Verbreitung als im Kirchengesang erlangten die Kastraten in der
Oper, in der die ersten um das Jahr 1622 auftraten.
Den Beginn der solistischen Tätigkeit
von Frauen können wir mit dem 'Discorso sopra la musica di suol tempi'
von Vicenzo Giustiniani auf das Jahr 1575 und dem Wirken der großen
Sängerin Vittoria Archilei ansetzen, obwohl es schon seit 1550 in
Italien Frauen auf der Bühne gegeben habe. Deshalb nämlich erfolgte
durch Papst Sixtus V. ein Erlass, der den Frauen das Auftreten in Rom
verbot.
Auf das Drängen der Königin Christine von Schweden lockerte Papst
Clemens X. das Verbot im Jahre 1671, aber nach Streitereien unter
Sängerkolleginnen untersagte 1676 lnnozenz Xl. die Tätigkeit von Frauen
wieder und schränkte sogar die Freiheit der Männer derart ein, dass
niemand, der im Theater aufgetreten war, in der Kirche singen durfte.
Das leidenschaftliche Interesse aller
Volkskreise an Oper und Konzert zwangen den Papst 1678 nachzugeben und
den Frauen die unentgeltliche Mitwirkung in privaten Aufführungen zu
gestatten. Das Verbot der Päpste hat als allgemein gültiges Recht für
andere Städte nie bestanden, obwohl es hier und da vorübergehend gewirkt
hat. So waren in Florenz zu Zeiten des Papstes Cosimo III. die Frauen
bis 1727 im Schauspiel verboten und Mantua hat von 1640 - 1677 keine
Sängerin neu zu verzeichnen.
Clemens Xl. (1700 - 1721) verschärfte alsdann das Verbot wieder und
entschied:
"daß keine Weibsperson bei hoher Strafe
Musik aus Vorsatz lernen solle, um sich als Sängerin gebrauchen zu
lassen, denn man wisse wohl, daß eine Schönheit, welche auf dem Theater
singen und dennoch ihre Keuschheit bewahren wolle, nichts anderes tue,
als wenn man in die Tiber springen und doch die Füße nicht naß machen
wolle."
Die Polarisierung der Frau in Hure und
Madonna führte nun dazu, dass jährlich etwa 4000 Knaben kastriert
wurden, von denen nur ein kleiner Teil eine Stimme entwickelte, die zu
einer Anstellung im Kirchenchor oder in der Oper befähigte.
Angeblich diente sie dem öffentlichen
Wohle, da die hohen Stimmen für den weltlichen und kirchlichen Gesang,
der ohne sie unerträglich wäre und nicht gefiele, nützlich und sogar
notwendig sei. Das bewiesen auch die Fürsten, die diese Kastraten
begünstigten, und die Kirche, die sie duldete. Also werden die Übel,
welche diese Operation mit sich bringt, reichlich wettgemacht.
Noch im Jahre 1828 wurde der Versuch
gemacht, das Auftrittsverbot für Frauen im Kirchenstaat zu erneuern.
Wie zu allen Zelten die Lobpreisungen
der Vorzüge mit den Schmähungen der Missstände im Gesangswesen sich die
Waage hielten, so fehlt es auch nicht an unzähligen Berichten über den
unsittlichen Charakter der Kastraten, die besonders begehrt waren, da
die Affären ohne unerwünschte Folgen blieben, ihre unmännliche Gestalt,
über den sinnlich-weiblichen unnatürlichen Klang ihrer Stimmen und die
seelenlose Betonung des rein virtuosen Elements.
Wenn wir überhaupt Zugang zum barocken
Musiktheater finden wollen, müssen wir uns völlig vom spätromantischen
und realistischen Denken freimachen und bereit sein, zu staunen über
eine Wunderwelt der akustischen und optischen Genüsse, die die Phantasie
der Realität gegenüberstellt. Dies war auch der Grund, weshalb die
wundersamen, unnatürlichen Kastratenstimmen einen so immensen Erfolg
hatten. Waren sie der Ausdruck mystischer Motive, die Suche nach der
Verschmelzung männlicher und weiblicher Eigenschaften?
Paul J. Moses deutete diese Sehnsucht
nach androgyner Gemeinsamkeit in seiner Schrift.
‘The Psychology of the
Castrato Voice’:
"Undoubtedly the castrato voice filled a definite need in its day, and
in Italy it was the supreme vocal expression of deep-rooted, almost
mystical motives. lt is therefore unfair to dismis the problem as part
of Baroque, degenerative art, a decline from the dassical heigts of the
Renaissance."
Die ausschließliche Behandlung von
Themen aus Mythologie und Historie, die 'poetica della meraviglia'
bedingen einen völligen Verzicht auf Realismus und dramatische Wahrheit,
ja sie wird sogar als banal und gewöhnlich verachtet zugunsten einer der
Fabelwelt entlehnten Vision der Natur und der menschlichen Empfindungen.
Das androgyne Wesen, der Hermaphrodit, der singende Halbgott war der
Protagonist des Traums vom geschlechts-unabhängigen Abstractum.
Die Kastratenstimme bedeutete Erfüllung derselben hermaphroditischen
Wunschträume wie in derselben Periode der Stein der Weisen, das
mythische Symbol des Halb-Weiblichen und Halb-Männlichen. Der Hörer
musste zu stimmlichen Abstraktionen fähig sein, die nichts mit dem
Geschlecht der dargestellten Rolle zu tun hatte.
Die singende Stimme als Handlungsfaktor
bedingt die Irrealität des von ihr dargestellten Menschen. Indem sie ihn
singend wiedergibt, hebt sie ihn aus allen Voraussetzungen der
Wirklichkeit heraus, kennzeichnet ihn als ein stets scheinhaft
bleibendes Wesen.
Die lyrische Ekstase oder die zarten,
deliziösen und leicht sinnlichen Melodien bestimmter Arien und
Liebesduette ertrugen ebensowenig wie die gewagten akrobatischen
Virtuosismen die naturhaft männlichen Stimmen von Bariton und Baß, die
als zu hart und ungeschliffen galten für einen Gesang, der Behendigkeit,
Biegsamheit, nuancierte und transparente Farben sowie ein sehnsüchtiges
Timbre voraussetzte.
In der Tonhöhe symbolisierte die Oper
den hohen Rang des Haupthelden.
Heroismus und heftige Leidenschaft
wollte man in hoher Stimmlage hören, und es schien die hohe Lage der
Kastraten eine Art ewige Jugend auszustrahlen. Sie entrückte die
dargestellten hohen Personen auf eine Ebene, die nicht mehr der
sterblichen Natur des Menschen, sondern dem überirdischen Kreis der
Götter entsprach, wohin ja vielfach auch die Handlung fürstliche
Opernveranstalter und die Exempel ihrer Tugend hob.
Mit wieviel körperlichen Qualen, hartem
Drill und Demütigung die herausragende Stellung eines hochqualifizierten
Kastraten erkämpft werden musste, können wir uns heute kaum vorstellen,
abgesehen von den unzähligen erfolglos Verstümmelten, deren Stimme nicht
die gewünschte Schönheit erlangte.
Im Conservatorio fand eine Ausbildung in
der Strenge einer Kadettenanstalt ihre Durchführung.
Stimmübungen, Instrumentalunterricht,
Komposition und Dirigieren gehörten zum Lernstoff, dessen Lehrpläne aber
leider nicht schriftlich fixiert wurden, sondern im Ermessen der
erfahrenen berühmten Maestri lag. Nach sechs bis neunjähriger Ausbildung
verfügten die Sänger über eine gewaltige Kraft und große
Ausdrucksfähigkeit bei einem riesigen Umfang ihrer Stimme, andererseits
scheint darstellerisches Temperament nicht unbedingt eine
Charaktereigenschaft aller Kastratensänger gewesen zu sein. So werfen
Jean Jaques Rousseau und der reisende Musikfreund Charles Burney den
Kastraten vor, dass
"sie nehmlich zwar
schön, aber ohne Feuer und Leidenschaft singen. Denn das Feuer ist ihnen
genommen."
Als Casanova im Winter 1761 in Rom den
Karneval erlebte, berichtete er jedoch begeistert:
"Die Stimme des
Kastraten war herrlich, noch herrlicher war seine Schönheit. Ich habe
ihn als Mann auf der Promenade gesehen, aber obwohl er sehr hübsch war,
hatte sein Gesicht auf mich keinen Eindruck gemacht, denn man sah
sofort, daß er ein verstümmelter Mann war. Auf der Bühne dagegen war die
Täuschung vollkommen, er entflammte. In ein gut gearbeitetes Mieder
geschnürt, hat er eine Nymphentaille, und sein Busen - es ist fast
unglaublich - nahm es an Form und Schönheit mit jedem Frauenbusen auf.
Wenn er auf das Ritornell seiner Arie wartend auf der Bühne auf und ab
ging, hatte sein Gang etwas Majestätisches und zugleich Wollüstiges,"
(Zitat nach
Habermann)
Dagegen schildert J.
Richard in seiner 'Description historique de L'Italie' 1766 (Bd. 5 S.
175) den Widersinn der Darstellung junger Mädchen durch Kastraten als
Gestalten
“de grands pieds et de
gros bras."
(Wird fortgesetzt)
Niedersächsische Staatstheater
Hannover GmbH
Bemerkungen
eines Vollzahlers zur Repertoirevorstellung
’Manon
Lescaut’ – am 24. November 2017
’Wo lebte
wohl ein Wesen reizvoll wie sie!’ |
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Bekanntmachung der
Nds. Staatstheater Hannover GmbH
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Die Staatsoper Hannover reagiert auf die große Nachfrage und
setzt am Dienstag, 9. Januar 2018 und Freitag, 12. Januar 2018,
jeweils um 19.30 Uhr weitere Vorstellungen der umjubelten »La
traviata«-Inszenierung mit Nicole Chevalier als Violetta Valéry
auf den Spielplan.
Die Zusatzvorstellungen ersetzen die ursprünglich angekündigte
Vorstellungen »Manon Lescaut«.
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Kurz
kommentiert
So geht sie dahin, die Manon.
Wieder einmal wird eine Produktion vorzeitig abgesetzt, da das Publikum
sich der Nds. Staatsoper Hannover verweigert.
Auch die Vorstellung am 24. November 2017 – es war ja dann nach der
Änderung der Dispo die letzte - war bemerkenswert.
Der ’Zuschauerandrang’ dokumentierte sich in 300 zahlenden Personen, die
übrigen 300 Karten bei insgesamt 600 Anwesenden wurden nach der Maßgabe
’Eine Karte kaufen und zu zweit in die Oper gehen’ verschenkt.
Der dritte Rang war geschlossen.
Es ergab sich
somit eine Auslastung von 30 Prozent mit Zahlenden bei 1200 Plätzen.
Niedersächsische Staatstheater
Hannover GmbH
Bemerkungen
eines Vollzahlers zur Repertoirevorstellung
’Wilhelm
Tell’ – am 03. Dezember 2017
’Oh
Mathilde’ |
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Bekanntmachung der
Nds. Staatstheater Hannover GmbH
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Zitat
Wilhelm Tell*
Oper von Gioachino Rossini (halbszenische
Aufführung)
Oper in drei Akten (1831)
Text von Étienne de Jouy und Hippolyte Louis Florent Bis nach
Friedrich Schillers »Wilhelm Tell« (1804) und der Erzählung
»Guillaume Tell ou La Suisse libre« (1800) von Jean-Pierre
Claris Florian
In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Premiere der
halbszenischen Aufführung am 31. Oktober 2017
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Kurz
kommentiert
Da gibt es nun
eine Seltenheit zu sehen:
Rossinis letzte Oper, die er mit 37 Jahren und nach dem Schaffen von 40
Opern komponierte: Wilhelm Tell.
Hannover bot das Werk in der französischen Originalsprache in einer
teilszenischen Fassung.
Da steht der Chor in Kostümen, die man von Heidi und dem Alm-Öhi kennt,
auf nach hinten ansteigenden Stufenpodien.
Die Damen Mathilde und Hedwig in dunklem wie rotem Abendkleid, Tell in
einem rot
leuchtenden Anzug, der kleine Tell in Lederhosen.
Die Ansage, man möge das Handy ausschalten und keine Bild- und
Tonaufnahmen machen, wurde in Swizerdütsch vorgetragen, Pfeil und Bogen
probierte man mit einem Schuss in den Bühnenhimmel aus, mit dem Erfolg,
dass ein fertig zubereitetes Brathuhn herunterfiel.
Zum Schluss wurden Äpfel an die an ihren Notenpulten ausharrenden
Solisten verteilt, die beim Apfelschuss übriggeblieben waren und als
Ersatz dalagen, falls Tell danebengeschossen hätte.
Die Produktion zeigt, dass aufwändige Bühnenbauten als Bühnenbilder
nicht erforderlich sind. Operafolie, Lichteffekte, Nebel taugen, um
Atmosphäre zu schaffen.
Kämen noch sinnvolle Bewegungsabläufe für den Chor – außer dem Blättern
in den Noten – und eine dem Stücke entsprechende Solistenführung hinzu,
gäbe es eine perfekte Inszenierung, bei der sich dann auch die einzelnen
Solo-Charaktere erschlössen, was bei dem jetzt konzertanten Herumstehen
nicht der Fall ist.
Die ca. 500 Zuschauer bedankten sich für die Leistung des Ensembles und
dessen Mut, dem Frust zu widerstehen, vor leerem Haus singen zu müssen.
Vor hundert Jahren war der ’Tell’ dagegen eine viel gespielte große Oper
und die Rollen waren auch entsprechend besetzt. Aber welches Haus hat
einen Arnold von Melchtal zur Verfügung wie seinerzeit die Wiener
Staatsoper mit Leo Slezak.
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Auszug aus ’Mein Lebensmärchen’
Piper Verlag München
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Belästigung muss niemand hinnehmen
Immer mehr Frauen (und einige Männer) fassen den Mut, sexuelle
Übergriffe zu benennen. Inwieweit sind auch Theaterschaffende
betroffen?
Auslöser waren Vorwürfe gegen den
Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein in der New York Times und im New
Yorker, die sich binnen wenigen Wochen zu einem ungeheuerlichen Skandal
ausweiteten - und eine weltweite Debatte über Sexismus und
sexualisierte Gewalt auslösten. Inzwischen wird Weinstein auch
Vergewaltigung vorgeworfen, die Polizei in New York, Los Angeles und
London nahm Ermittlungen auf, die Oscar-Akademie schloss ihr Mitglied
Weinstein aus. Bis heute haben sich Dutzende mutmaßliche Opfer geäußert.
Die Weinstein-Firmen in Hollywood waren
im Laufe der Zeit zu Nadelöhren geworden, durch die aufstrebende
Schauspieler mussten, um nach oben zu kommen. Und das gab dem
Produzenten Macht, die er offenbar vor allem gegenüber Schauspielerinnen
schamlos ausnutzte. Sein Verhalten war in Hollywood angeblich ein
offenes Geheimnis - geduldet von Kollegen und verschwiegen von den
Medien. In diesem Klima war es besonders schwer für Frauen, sexuelle
Übergriffe öffentlich zu machen. Grundsätzlich ist das ein schwieriger
Schritt, es gibt viele nachvollziehbare Gründe zu schweigen. Etwa aus
Scham oder Angst, dass ihnen niemand glaubt.
Nach Einschätzung von Experten seien die
nun erfolgten Enthüllungen auch zu erwarten gewesen. „Nun getrauen sich
die Menschen etwas zu sagen gegen ihre Peiniger', denn jetzt werde
sichtbar, dass diese auch eine Verfolgung durch ihre Umwelt, die
Öffentlichkeit und die Behörden erfahren. Prominentes Beispiel ist hier
Kevin Spacey („House of Cards"), der vor über 30 Jahren einen damals
14-Jährigen bedrängt haben soll. Seine Produktionsfirma feuerte ihn
umstandslos und die Szenen des neuen Ridley Scott-Films
„Alles Geld der Welt", in denen Spacey
auftauchte, fielen der Schere zum Opfer und werden nachgedreht.
Seitdem wird auch in Deutschland viel
gestritten. Sexismus und sexuelle Gewalt seien alltäglich, heißt es auf
der einen Seite. Die Frauen in Hollywood seien Einzelfälle, auf der
anderen. Weitere Betroffene schildern unter dem Hashtag #MeToo Beispiele
für Übergriffe, die oft am Arbeitsplatz geschehen, und zwar in allen
möglichen Branchen.
Unter Wahrung der Anonymität hat sich
die GDBA bemüht, Medien bei deren einschlägigen Recherchen zu
unterstützen und leitete beispielsweise eine entsprechende Anfrage von
Spiegel-Online an die bei uns organisierten Schauspieler und
Schauspielerinnen weiter, um der Gefahr des Verschweigens
entgegenzutreten.
Was unumstößliche Zahlen angeht,
herrscht Uneinigkeit.
So befragte die Zeit über 130
Personalverantwortliche, Geschäftsführer und Führungskräfte aus allen
Branchen und kleinen, mittleren und großen Unternehmen. Das nicht
repräsentative Ergebnis: Knapp ein Viertel der befragten Unternehmen
erhält durchschnittlich mindestens einmal im Jahr eine Beschwerde wegen
sexueller Belästigung. Nicht erfasst sind in der Studie jene Fälle, in
denen sich die Betroffenen nicht beschweren. Die Dunkelziffer könnte
also deutlich höher liegen. Auch bei einer Studie der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes hatte vor zwei Jahren jeder
zweite Beschäftigte angegeben, schon einmal selbst belästigt worden zu
sein.
Die meisten Fälle sexueller Belästigung
kommen der Zeit-Umfrage nach in Unternehmen ab 250 Mitarbeitern vor.
Ausnahmslos alle kleinen Unternehmen mit weniger Personal haben demnach
keine Informationen über solche Fälle.
Das könnte daran liegen, dass mit der
Zahl der Mitarbeiter schlicht die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein
Mitarbeiter von einem Kollegen oder einem Vorgesetzten belästigt wird.
Es könnte aber auch daran liegen, dass in größeren Unternehmen offener
mit dem Thema umgegangen wird und mehr Mitarbeiter sich trauen,
Beschwerde zu erheben. So haben laut der Zeit-Umfrage mehr als 80
Prozent der Unternehmen ab 250 Mitarbeitern eine Anlaufstelle für
sexuelle Belästigung, aber nur knapp 30 Prozent der kleinen Firmen.
„Bei vielen Unternehmen hat das Thema
bis heute nicht oberste Priorität", sagte Christine Lüders, die Leiterin
der Antidiskriminierungsstelle des Bundes der Zeit.
„Führungskräfte müssen sich klar gegen
sexuelle Belästigung positionieren, jedes Unternehmen braucht eine
Beschwerdestelle."
Vorgesetzte sollten eigens geschult
werden - in speziellen Führungskräfte-Trainings könne man
Gesprächsabläufe üben. Außerdem könne eine Betriebsvereinbarung
definieren, was überhaupt als sexuelle Belästigung verstanden werde.
Sodann müsse es ein transparentes Beschwerdeverfahren mit konkreten
Ansprechpartnern und ebensolchen Regeln und Sanktionen geben.
Dass in den vergangenen Wochen so hitzig
diskutiert wurde, lag auch daran, dass die Grenzen nicht klar sind: Was
ist Sexismus und wo fängt sexuelle Belästigung an? Eine generelle
Grenzziehung ist schwierig bis unmöglich - es kommt auf den Einzelfall
an. Die GDBA steht betroffenen Mitgliedern beratend zur Seite und
unterstützt bei der Vermittlung therapeutischer Hilfe.
Denn die gesetzliche Lage ist oft
eindeutiger, als es die aktuelle Debatte glauben machen könnte. Viele
solcher problematischen Situationen sind im Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz (AGG) längst geregelt. Auch in Fällen, die
strafrechtlich nicht relevant sind, aber vom Gesetz als sexuelle
Belästigung definiert werden, muss der Arbeitgeber das Verhalten
abzustellen versuchen. So zählt das AGG das unerwünschte Anbringen von
pornografischen Darstellungen zu sexueller Belästigung.
Und schließlich wurde 2o16 die „Nein
heißt Nein" - Sexualstrafrechtsreform verabschiedet, mit der sexuelle
Gewalt leichter geahndet werden kann. Danach reicht es aus, wenn sich
der Täter über den „erkennbaren Willen" des Opfers hinwegsetzt. Allein
die körperliche Berührung „in sexuell bestimmter Weise" ist danach
strafbar.
Zitatende
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Auszug aus Fachblatt
der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger Heft 12/2017
Ausschnitt aus ’Hannoversche Allgemeine’
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Zitat
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Regie! Regietheater! Regisseurstheater?
Es ist ein menschliches
Urbedürfnis, sich Geschichten erzählen zu lassen und anzuhören.
Selbst der coolste Finanzmensch, für den Literatur, Musik und Theater
alles ’dummes Zeug’ sind, wird irgendwann von seinem Kindern oder Enkeln
gefragt:
“Wie war denn das damals, erzähl doch mal!?“
So begannen die Literatur und die Theaterkunst. In der großen Zeit
Griechenlands, als Baukunst und Philosophie, Mathematik und Physik
höchste Achtung genossen, schrieben Aischylos, Sophokles und Euripides
ihre unsterblichen Dramen. Leider waren bei der Erfindung der Demokratie
die Frauen wie bei uns bis in die 1970er Jahre ausgeschlossen, denn es
galt:
Ein Mann ist ein Krieger, ein Krieger ist ein Mensch. Eine Frau ist kein
Krieger, also ist eine Frau kein Mensch.
Für die szenische Realisation bauten die Griechen und später die Römer
Theater, deren akustische Perfektion – ich habe es selbst einmal
ausprobiert – unübertrefflich ist und für Richard Wagner bei der
großartigen Akustik des Bayreuther Festspielhauses beispielhaft war.
Aber Dramen müssen aufgeführt werden, sonst verdorren sie in der
Bibliothek.
In der Antike lag die Aufsicht über die Aufführungen bei den kultischen
Spielen in den Händen der Choregen. Es waren vermögende Bürger, die die
Aufstellung, Ausbildung, Ausstattung und Unterhaltssicherung des Chores
und der Darsteller gewährleisteten und bei den attischen Dyonisien
ebenso geehrt wurden wie die Dichter.
Die allgemeine Verarmung nach den
peleponesischen Kriegen - Ende des 5. Jahrhunderts vor der Zeitrechnung
- hatte zunächst die Übernahme der Choregia durch die Staatskasse,
später den weitgehenden Verzicht auf Chöre im Drama überhaupt zur Folge.
Stellenabbau - das kommt einem bekannt vor!
Die Mysterienspiele des Mittelalters
wurden von Geistlichen und Lehrern geleitet, bis zum ausgehenden 18.
Jahrhundert wurde die Leitung der Aufführungen von den Autoren selbst,
von Theaterdirektoren - die oft völlig berufsfremd waren - und von
prominenten Schauspielern ausgeübt, wie z.B. Ekhof, Schröder, Iffland.
Regieführende Autoren waren z.B.
Shakespeare, Lope de Vega, Calder6n, Moliere, Carlo Goldoni, Raimund,
Nestroy und Richard Wagner.
In der Neuzeit kennen wir als
Autoren-Regisseure: Berthold Brecht, Friedrich Dürrenmatt, Franz-Xaver
Kroetz, Fassbinder. Seit der Etablierung fester Theater trat die Regie -
(französisch von lateinisch regere = leiten) dann verstärkt als eine
eigene Gestaltungsinstanz hervor. Wir kennen die Arbeit von Goethe in
Weimar - er stand auch selbst auf der Bühne - Immermann in Berlin,
Heinrich Laube in Wien. Herzog Georg III. schuf in Meiningen einen
eigenen an der Historie orientierten Regie-Stil. Zusammen mit der
Schauspielerin Ellen Franz etablierte er ein Musterensemble und nach
gründlichen Vorstudien und Proben die Musteraufführungen, die von 1874 -
1890 auf Gastspielreisen in Europa und Amerika gezeigt wurden.
Vom Zusammenklang von historisierendem
Detail, psychologischer Einzel- und Ensemble-Arbeit und suggestiver
Atmosphäre haben große eigenständige Nachfolger wie Max Reinhard und
Konstantin Stanislawski gelernt, während zweitklassige Epigonen die 'Meiningerei'
in Verruf brachten.
In der Barock-Oper regierten die
Komponisten, die Impresarii und die Sänger. Strenge Regeln legten fest,
wer aufgrund der stimmlichen Rangfolge - Virtuosität war der Maßstab für
Haupt- und Nebenrollen - wie viele Arien pro Akt in der Opera seria
zugewiesen bekam.
Man kannte kein Repertoire, der
Theaterbesuch war kultiviertes Amüsement, Selbstbestätigung des Adels,
Herrscherhuld.
Wer dafür sorgte, dass die Sänger im
richtigen Moment auf der Bühne standen, war egal, es ging nicht um
Glaubwürdigkeit; standardisierte Affekte, Gesten, Bühnenbilder und
Kostüme schufen eine Kunstwelt, deren Mechanik Staunen hervorrufen
sollte.
Im 19. Jahrhundert war es nicht viel
anders und die bitteren Vorwürfe gegen den Schlendrian und die schlechte
Ausbildung der Sänger kann man in Briefen und Schriften von Eduard
Devrient, Albert Lortzing und vor allem Richard Wagner nachlesen, der
mit nahezu unerschöpflicher Energie für Verbesserungen im Theaterbereich
kämpfte und den die szenischen Realitäten seiner
Werke in seinem musterhaften Bayreuther
Festspielhaus überhaupt nicht zufrieden stellten, trotz detaillierter
Regieanweisungen, die präzise wie Filmdrehbücher, fast schon wie
Storyboards aussehen.
Das Opernhaus wurde der Mittelpunkt des
bürgerlichen Lebens, ein Repertoire sammelte sich und je mehr sich ein
Bewusstsein für Geschichtlichkeit bildete, desto stärker wurde die
Notwendigkeit eines szenischen Arrangeurs, der mehr und mehr zum
Interpreten des Werkes wurde. Aber trotz antinaturalistischer
Bühnenbilder von z.B. Ewald Dülling und Alfred Roller fehlte in der
gestischen Darstellung noch eine wirkliche Verschmelzung mit der Aussage
der Musik.
Das Ende der zwanziger Jahre im 20.
Jahrhundert und der heraufziehende Nationalsozialismus brachen die
Bedeutung des Theaters als kulturellen Mittelpunkt der Städte. Die
letzten weltweit gespielten populären Opern sind 'Der Rosenkavalier' von
1911 und Puccinis 'Turandot' im Jahr 1926.
Die Komponisten begannen am Publikum
vorbei zu schreiben. Leos Janacek und Benjamin Britten fanden zwar ins
Repertoire, aber die Oper hatte ihre Bedeutung als aktuelles Kunstwerk
verloren.
Umso wichtiger wurde es, durch
Interpretation die vorhandenen Werke attraktiv für das Publikum zu
machen. Die Schlüsselfigur zur Verlebendigung des Musiktheaters war
Walter Felsenstein, geboren 1901, gestorben 1975.
Er hat ungeheuer viel Kluges gesagt und
vor allem erarbeitet, erwartete bedingungslose Hingabe in die Arbeit,
was nicht jeder ertragen konnte, aber wer je eine original
Felsenstein-Vorstellung erlebt hat, wird dieses Wunder an Lebendigkeit,
Präzision, Charme oder Erschütterung nie vergessen.
Aus einen Referat vom 4. Dezember 1951
ein Zitat:
„Jedem bedeutenden Werk der
Opernliteratur liegt fraglos und nachweislich eine echte theatralische
Vision zugrunde. Komponist und Autor wollten nichts anderes bewirken als
das menschlich wahrhafte Theatererlebnis und haben sich - jeweils auf
ihre Art - die vielfältigen, aber auch strengen Gesetze der
Bühnengestaltung erobert. Die Musik eines solchen Werkes dient
ausschließlich des im dramatischen Vorgang befindlichen Menschen.
Eine den Absichten dieser Autoren
gerechte und gültige Wiedergabe des Werkes vereint daher die Freunde
dramatischer Gestaltungskunst und die Freunde der Musik und des Gesanges
im musikalischen Theatererlebnis."
Aus dem Kreise seiner Assistenten, die
sich vom 'Meister' zwar emanzipierten, aber das Werk immer
respektierten, gingen Joachim Herz und Götz Friedrich hervor, mit dem
ich das anstrengende Vergnügen hatte: ‚'Carmen', 'Salome', 'Troubadour
und 'Figaros Hochzeit' zu erarbeiten.
Die etikettierungssüchtigen
Wissenschaftler haben für Felsenstein und seine Nachfolger das
Schlagwort vom 'Realistischen Musiktheater' erfunden, wohl in Anlehnung
an den 'sozialistischen Realismus', um ihnen eines auszuwischen, weil
die 'Komische Oper' zufällig in Ost-Berlin lag. Aber Oper kann niemals
realistisch sein, denn kein Mensch singt, wenn er verzweifelt oder
wütend ist oder stirbt - nur im 'Wunder Oper'.
Gustav Gründgens und Jürgen Fehling
arbeiteten intelligent, ästhetisch und werkdienlich, in der Oper brachte
einen radikalen Umbruch und Neuanfang ab 1951 in Bayreuth: Wieland
Wagner. Das Spannungsgeflecht der handelnden Personen auf einer häufig
leeren Bühne, wenige Symbole und aussagestarke Farben, so schuf er
Archetypen und Rituale, wurde ein weltweit gefragter Regisseur und durch
ihn wurde 'das In-Szene-setzen' zur eigenständigen, aber immer noch am
Werk orientierten Kunst. Die Revolte der 68er war als Reaktion auf den
blinden Gehorsam der Nazi-Zeit und vieler noch amtierender Altnazis und
Sympathisanten notwendig, brachte uns Frauen die allmähliche Umsetzung
des Gleichheitsgesetzes von 1957, aber den Wahlspruch: "Macht kaputt,
was euch kaputt macht" hat die deutsche Gründlichkeit so gründlich
befolgt, dass die Tugenden, die das menschliche Zusammenleben regeln -
Ehrlichkeit,
Höflichkeit, Pünktlichkeit,
Zuverlässigkeit, Rücksichtnahme, Treue, Mitgefühl, Fleiß, Disziplin -
verhöhnt und abgeschafft wurden. Antiautoritäre Erziehung, Mengen
soziologischer Begriffe ergossen sich über uns. Es gab wilde Happenings
und das 'Werk' wurde zum Abbruch freigegeben für assoziative Bilder und
Aktionen.
Aus der Tanzkunst wurden brutale oder
melancholische Performances und die aus der Dresdener Palucca-Schule
stammende Ruth Berghaus landete im 'Berliner Ensemble' mit den
choreographischen Schlachtszenen im 'Coriolan' einen genialen Coup,
wurde aber im Laufe ihres Lebens humorlos, spröde und didaktisch eng,
wie sie war, zur Begründerin dessen, was man 'Regie-Theater' nennt. Ihre
verrätselten Bilder, die Nichtidentität ihre Figuren als Ausdruck ihrer
gesellschaftlichen Entfremdung, die politische Begründung jeder Aktion
waren ihr Markenzeichen.
Ihr 'Ring des Nibelungen' in Frankfurt -
vor lauter verquasten Symbolen wusste man nicht, in welchem Stück man
sich befand. Nach ihr kamen die Epigonen - Josef Beuys behauptet: „Jeder
Mensch ist ein Künstler" und ein Musical führt den Titel 'Anything goes'
und das Ergebnis ist ein entsprechendes.
Die Vertreter des neuen Musiktheaters,
von übersättigten Kritikern und vor allem der Zeitschrift Theater heute'
propagiert, bringen ihre infantilen Analprobleme, ihre pubertären
Sexual-Abnormitäten und Potenz-Schwierigkeiten wie auch Machtphantasien
auf die Bühne, quälen damit die Darstellerinnen und Darsteller - bis zur
Entwürdigung und belästigen das Publikum. Leider aber bestärken die
Proteststürme des Publikums die Vertreter des Musiktheaters, die Spirale
von Gewalt und Sex auf der Bühne immer weiter zu drehen.
Wann greifen die Intendanten als Wahrer
der zur Verfügung stehenden Gelder ein, wann ist der Höhepunkt des Ekels
erreicht, wann schlägt das Pendel mit der philosophischen Ausrede von
Jacques Derrida's Dekonstruktion zurück? -
Wie lange geht es so weiter - bis keiner
mehr hingeht?
Für die Regie ist das Werk und der darin
enthaltenen Wille des Autors oberste Maxime, die sorgfältig studiert,
mit den technischen und künstlerischen Mitteln der Gegenwart
interpretiert wird.
Für das Regie-Theater ist der Wille des
Autors irrelevant. Das Werk wird vom Regisseur als gleichberechtigtem
Co-Autor dekonstruiert, nach seinem Willen zur Konkretisierung heutiger
Lebensgefühle mit den Mitteln zeitgenössischer Medien:
Installation, - Video, - Aktionen - auf
die Bühne gebracht und mit den Erkenntnissen der Tiefenpsychologie und
Soziologie begründet.
Schlussbemerkung
Die Intendanz – Ein Fürstenthron
Für den speziellen Opernfreund ist das Gläschen Sekt mit dem Intendanten
nach der Premiere so etwas wie die Erhebung in den Adelsstand. Ihn
umgibt die Aura als die eines Fürsten und Herrn über Leben und Tod.
Ich habe acht von ihnen erlebt und überlebt:
1.)
den gewitzten Geschäftsmann und
Überlebenskünstler;
2.)
den aalglatten, intellektuellen Schöngeist;
3.)
den unnahbaren Repräsentanten der Macht;
4.)
den energischen Neuerer mit dem Gespür für zukunftsweisende Talente;
5.)
den treusorgenden Hausvater;
6.)
den sprühenden Vollblut Theatermenschen;
7.)
den (interemistisch) gefährlich-ängstlich Bewahrenden;
8.)
den antoprosophischen Menschenfreund, an einer glanzvollen
Theatervergangenheit orientiert.
Eine wahrhaft bunte Mischung!
Das Theatergebäude ist scharf in zwei Teile getrennt. Auf der einen
Seite wird laut und schwitzend gesungen, getanzt, gegeigt, und geblasen
– auf der anderen Seite ist es leise und unheimlich.
Hier wird über Spielpläne, Besetzungen und Kündigungen unterschieden,
Honorare und Verträge werden ersonnen, und getreu dem Sprichwort ’gehe
nie zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst!’
meiden die hart arbeitenden Menschen von der anderen Seite dieses
verminte Gelände.
Die Ausnahme ist natürlich das quirlige Betriebsbüro, das alles am
Laufen halten muss und in dem man auf den heiß ersehnten Urlaubsschein
wartet, um bei einem Konzert oder Bühnengastspiel das mickrige Gehalt
aufbessern zu können. Den Urlaubsschein unterschreibt natürlich der
Intendant, der voller Genuss das arme Sängerlein zappeln lässt.
Wie aber wird man Intendant?
Dem Internet kann man die Beschreibung des Berufsbildes nach ’einem
einschlägigen Gutachten’ formuliert, entnehmen.
In jeden ’anständigen’ Beruf: Schreiner, Dachdecker, Uhrmacher, Arzt,
Lehrer absolviert man eine Lehre oder ein Studium. Bezüglich des
Intendantenberufs steht aber dort kurz und knapp:
’Eine Ausbildung zum Intendanten gibt es nicht!’
Weiter heißt es, nach einigen Studienempfehlungen:
’Wer den Beruf des Intendanten anstrebt, sollte frühzeitig auf seine
Person aufmerksam machen, entsprechende Kontakte knüpfen und in
Führungspositionen arbeiten, um seine Fähigkeiten herausstellen zu
können.’
Dieser Satz führt natürlich zu Niccolo
Machiavelli und seinen nie alternden Anleitungen zum Machterwerb und
Machterhalt.
Ministerien, wenn sie einmal installiert sind, wollen nicht gestört
werden, so dass die zweite oder dritte Reihe der Mitarbeiter nach
zufälliger Kenntnis des Marktes eine/n Intendanten/in vorschlägt.
Der Aufsichtsrat eines Theaters – bestehend aus Mitarbeitern der
Verwaltung der betreffenden Kommune, aus Juristen, Geschäftsleuten,
fachfremden Personen - sagt “Ja und Amen“ und schon ist mit ’der
notwendigen Diskretion’, wie das Nds. Ministerium für Wissenschaft und
Kultur mitteilte – ein/e Intendant/in inthronisiert.
Auf eine öffentliche Ausschreibung – um Transparenz und Fairness walten
zu lassen – wurde für Hannover seitens des grünen Nds. Ministeriums verzichtet.
So ins Amt gekommen muss der oder die jetzt die Macht sichern, in dem er
/ sie erstmal das bisherige Ensemble kündigt.
’Es ist also wohl zu merken, dass
derjenige, der sich der Herrschaft bemächtigen will, alle Grausamkeiten
mit einem Mal vollführen muss, um nicht alle Tage wieder anzufangen.
[…]
Alle Verletzungen anderer
müssen auf einmal geschehen, damit sie weniger überdacht und besprochen
und weniger tief gefühlt werden.
Wohltaten aber müssen nach und nach erzeigt werden, damit man sich
unaufhörlich damit beschäftigt’.
(Niccolo Machiavelli: ’Der Fürst’, Seite 39
Fischer Taschenbuchverlag)
Problemtisch werden derartige erste Aktionen insofern, wenn der oder die
ins Amt kommt und die öffentliche Meinung schon im Vorfeld gegen sich
hat. Besonders dann, wenn auf Empfehlung jemand noch kurz vor der Rente
in eine solche Position gehievt wird, um die Ansprüche für die
Altersversorgung möglichst hoch zu treiben.
Da gab es Herrschaften, denen der Job zuteil wurde als sie mit 55 Jahren
wechselten mit der Aussicht durch eine Vertragsverlängerung die 65 zu
erreichen, um dann in Rente zu gehen.
Man kann natürlich, wenn die ’Promotion’ gut funktioniert hat, auch mit
59 Jahren den Dienst noch antreten, muss sich aber überlegen:
“Wo komme ich her, wo gehe ich hin?!“.
Zusätzlich schwierig das alles, wenn der oder die ’verbrannte Erde’ an
der neuen ’location’ betritt.
Natürlich will der Opernfreund nicht fortwährend die gleichen
Inszenierungen mit den gleichen Leuten erleben, aber immer der gleiche
Ekel unter wechselnden Intendanten ist unangenehmer und kostenträchtiger
als gleich bleibende Schönheit in einer zunehmend verrohenden Welt zu
ertragen.
Dem ’wahren Opernfreund’ sei geraten, das Glas Sekt mit der
Theaterleitung nach einer Premiere mit Vorsicht zu konsumieren.
Impressum
erscheint als
nichtkommerzielles Beiblatt zu
- ausgezeichnet mit dem Kulturförderpreis der Stadt Regensburg
Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt:
KS Prof. Marie-Louise Gilles
Dipl. -
Kulturwissenschaftlerin
Büro 30655 Hannover – Fehrsweg 2
info@kulturjournal-hannover.de
Peter Lang
Büro 93047 Regensburg – Holzländestr. 6
info@kulturjournal-regensburg.de
Ersterscheinung der
Ausgabe Regensburg am 27.07.2007
Erscheinungsweise: kulturjournal-regensburg zehn Mal pro Jahr von
Februar bis August und Oktober bis Dezember
Ausgabe des Beiblattes als ’Mitteilung an meine Freunde’ mit Auszügen
aus dem
’kulturjournal-regensburg’ in loser Reihenfolge, gebräuchlich am Anfang
eines Monats
Titelbild: Georges Bizet – ’Die Perlenfischer’ – Theater Regensburg –
Inszenierung ML Gilles / Bühnenbild und Licht Olaf Zombeck
Verteilung Regensburg: Direktversand, Hotels, Theater, Galerien,
Veranstaltungsorte, Tourist-Info, Bahnhöfe
Verteilung Hannover: Direktversand an ausgewählte Leserschaft,
Mitglieder der Bürgerinitiative Opernintendanz, Niedersächsische
Landesregierung,
Politische Parteien im Nds. Landtag, Hochschule für Musik, Theater und
Medien Hannover, Bund der Steuerzahler, Genossenschaft Deutscher
Bühnen-Angehöriger, Richard-Wagner-Vereine, Feuilletons von
Tageszeitungen
RA Frank Wahner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hannover
Veröffentlicht auch auf:
www.marie-louise-gilles.de
Wir verstehen
diese Besprechungen und Kommentare
nicht als Kritik um der Kritik willen,
sondern als Hinweis auf - nach unserer Auffassung - Geglücktes oder
Misslungenes.
Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.
Hierfür nehmen wir den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz,
in Anspruch.
Wir benutzen Informationen, hauptsächlich aus eigenen Unterlagen,
aus dem Internet u.a. Veröffentlichungen des Deutschen Historischen
Museums, der Preußen-Chronik u.ä..
Texte werden paraphrasiert wiedergegeben oder als Zitate kenntlich
gemacht.
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