* Impressum *



'Eine Mitteilung an meine Freunde'

Ausgabe März 2018

 

 
   
   

 

Ausgabe Nr. 15 / Nr. 3 - 2018

Am 8. Februar 2018 veröffentlichte ’Die Zeit’ einen Beitrag von Peter Kümmel unter dem Titel ’Macht und Scham’.
http://www.zeit.de/2018/07/burgtheater-metoo-matthias-hartmann

In diesem fragt er, warum das Thema #MeToo erst jetzt auch das Theater erreicht.
Schließlich lebe das Theater vom Unklaren seiner Verhältnisse.

Womöglich werde das Theater gerade deshalb so spät vom #MeToo-Sturm erfasst, weil es sich in den beklagten Verhältnissen schon lange, mit einer gewissen Hoffnungslosigkeit, eingerichtet hat.

Anlass für den Artikel war der offene Brief, den 60 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Burgtheaters in Wien publizierten.
https://derstandard.at/2000073542781/Aufschrei-auf-offener-Buehne-Burgtheater-Mitarbeiter-stehen-gegen-Machtmissbrauch-auf

Dass dieser nun zu diesem Zeitpunkt erscheint, sei nur schwer nachzuvollziehen, wurde doch der damalige Intendant des Burgtheaters – um den es bei der Klage der Mitarbeiter geht - schon 2014 gekündigt, da man ihm eine Mitverantwortung für Bilanzfälschungen unterstellte.
Diese Vorwürfe seien nun angeblich nach Vorlage von Gutachten nicht mehr haltbar, so dass der Eindruck in der Öffentlichkeit entstehe, man müsse nachlegen.

Auch könnte sein, dass man dem ab 2019 kommenden Intendanten ein Warnsignal senden müsse, denn ihm gehe ein Ruf wie Donnerhall voraus.

Die Zeit, 8. Februar 2018, Seite 42

Zitat

[…]
Den scharfen Auswahlverfahren, denen Schauspieler bei der Suche nach Arbeit unterworfen sind, müssten transparente Findungsprozesse gegenüberstehen, wenn es um die Besetzung von Intendantenposten geht.
[…]
Zitatende
 

Gerade dies - Transparenz und Fairness - wurden bei der Besetzung von Oper und Schauspiel in Hannover von der rot-grünen Regierung und deren Mitarbeiter vermieden. Die HAZ vom 28.01.2017 15:14 Uhr berichtete, Verwaltungsdirektor der Nds. Staatstheater Hannover GmbH - Jürgen Braasch - zeige sich “überzeugt, dass die Fachleute im Kulturministerium – vor allem Annette Schwandner, die Leiterin der Kulturabteilung, und Detlef Lehmbruck, Referatsleiter für Theater und Musik – über die nötige Kompetenz für die Auswahl verfügen.“


Edgar Selge gab ein Interview, in welchem er sich schon 2016 beschwerte:
 

Der Stern  - 26. August 2016 - 14.48 Uhr

Zitat

"[...]
Wenn ich daran denke, dass in meinem Vertrag steht, wie bei allen anderen Kollegen in Deutschland auch:
"in künstlerischen Fragen ist der Schauspieler weisungsgebunden, dann sehe ich rot.
[...]"


Zitatende
 


Die Initiative 'Art but fair' reklamierte in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung vom 19. August 2016 mehr Rechte für Künstler.
So auch bei der Auswahl von Leitungspersonal von Theatern.

Aber auch die Regelung von Arbeitszeiten, Honoraren und Beschäftigung müssen mit dem Personal abgestimmt werden.
In einer Studie hat 'Art but fair' festgestellt, dass 35 Prozent der Befragten Missbrauch durch Vorgesetzte beklagen.

Endlich sind die Themen 'Machtmissbrauch' und 'Sexuelle Übergriff' erneut in der Öffentlichkeit angekommen.

In meiner 'Mitteilung an meine Freunde' Nr. 13 vom Januar 2018 wurde der Intendant als absolutistischer Herrscher behandelt.


Jetzt häufen sich grundsätzliche Meldungen über unerträgliche Zwänge, denen sich Darsteller unterwerfen müssen.
 

Hannoversche Allgemeine Zeitung - 13. Februar 2018 - Seite 26

Zitat

"Vorwürfe gegen Regisseur
MeToo in Braunschweig?
Der ehemalige Braunschweiger Operndirektor Philipp Kochheim sieht sich Vorwürfen der sexuellen Belästigungen ausgesetzt. Wie der Österreichische Rundfunk berichtet, gab es im Umfeld einer Produktion des Musicals „Ragtime" an der Oper Graz, die Kochheim im Januar als Gast inszeniert hat, Beschwerden über den Regisseur.

Vier Frauen gaben an, von Kochheim belästigt worden zu sein, berichtet der Sender. Der Regisseur habe sie teils mitten in der Nacht auf sozialen Netzwerken kontaktiert, ihr Aussehen kommentiert und ihnen Engagements in Aussicht gestellt. Kochheim selbst räumt die Annäherungsversuche ein, bezeichnete sie aber als Privatangelegenheit, die nichts mit seiner beruflichen Position zu tun habe.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gab es am Wochenende auch Reaktionen in Braunschweig, wo Kochheim - seit 2017 Intendant der Dänischen Nationaloper in Aarhus - von 2013 bis 2017 Operndirektor war. Bei der „Braunschweiger Zeitung' ging ein Brief ein, in dem von ähnlichen Fällen während Kochheims Zeit am Staatstheater die Rede war. Recherchen des Blattes konnten die Vorwürfe aber nicht erhärten.

Intendantin Dagmar Schlingmann, die seit Sommer in Braunschweig ist und Kochheim nicht kennt, sagte gestern, sie setzte sich für ein Klima des Vertrauens an ihrem Haus ein. Ihre Grazer Amtskollegin Nora Schmidt kündigte derweil an, künftig nicht mehr mit Kochheim zusammenarbeiten zu wollen."
[...]


Zitatende
 

 

Natürlich fragen sich 'normale' Bürger, warum junge Menschen Tanz, Gesang und Schauspiel studieren wollen, und, wenn sie einen Studienplatz erkämpft haben, jahrelang lernen, Prüfungen machen, dann sich Agenturen vorstellen müssen, sich gelangweilten Intendanten vorstellen müssen, um, wenn sie sich ein Engagement erkämpft haben, stehen sie endlich auf der Bühne, liefern das Erarbeitete ab und oft genug kann das Publikum nichts damit anfangen, weil die Regie das Werk bis zur Unkenntlichkeit verdreht hat.
Dass sie teilweise unter 'merkwürdigen Arbeitsbedingungen' und nahezu rechtlos der Regie und der Theaterleitung ausgeliefert sind, erfährt die Öffentlichkeit nur selten.

 

Süddeutsche Zeitung - 20. Februar 2018 - Seite 36

Zitat

"Das „System Kuhn"
Vorwürfe gegen den Leiter der Festspiele in Erl

Erl - Regisseur, Dirigent und künstlerischer Leiter, damit vereint Gustav Kuhn die drei wichtigsten Ämter der Tiroler Festspiele in Erl in seiner Person. Nun veröffentlichte der österreichische Enthüllungsblog dietiwag.org eine Reihe anonymer Äußerungen von in Erl beschäftigten Künstlern, die die schlechten Arbeitsbedingungen und das autoritäre Verhalten Kuhns anprangern. Der Blogger Markus Wilhelm stellte die Zitate sowie ebenfalls anonymisierte Passagen aus Arbeitsverträgen am 13. Februar online.
Daraus geht hervor, dass die Künstler zu Dumpinglöhnen beschäftigt und übliche Arbeitszeiten nicht eingehalten worden sein sollen. Außerdem, so heißt es in den Einträgen, pflege Kuhn ein autoritäres, unangemessen angstschürendes, in Einzelfällen zudringliches Verhalten gegenüber den Künstlern. In Zeiten der „Me Too"-Debatte reagiert die Öffentlichkeit auf diese Themen sensibel, die österreichische Zeitung 'Der Standard' hat Wilhelms Veröffentlichungen bereits aufgegriffen.


Zitatende
 


Einigen mutigen Filmdarstellerinnen ist zu danken, jetzt Übergriffe von 'Entscheidungsträgern' zu veröffentlichen, denen sich inzwischen zahlreichen ebenfalls Betroffene in der 'Me Too'-Bewegung anschließen.

Aber prompt regt sich der Widerspruch und fürchtet um die 'Freiheit der Kunst' prognostiziert einen puritanischen Tugendterror und will nicht wahrhaben, dass des auch ein zivilisiertes Miteinander gibt, in dem Respekt, Zuverlässigkeit und Höflichkeit die Regeln sind.

Die meisten von uns haben bisher gut damit gelebt, bis das 'anything goes' ausbrach.
Einer brachte das Wort das Wort 'Scheiße' so in Mode, dass es auch in München auf der Bude - bei Richard Wagners Schusterstube - des Penners Hans Sachs steht, die britische Modeschöpferin Vivian Westwood, als Genie gepriesen, propagiert als Mode ein Gerümpel aus nicht zusammenpassenden Fetzen, die jungen Schauspieler nuscheln ihre Texte unverständlich herunter, weil es cool ist authentisch zu sein.

Man starrt auf das Smartphone, ist vor lauter Bemühung um seine Individualität gleich grau mit Turnschuhen gekleidet, der Wortschatz ist zu einigen Likes und Emojies geschrumpft und man sucht das Heil in der Digitalisierung, was aber nichts anderes ist, als das Bestehende in Zahlen zu fassen, also nichts als ein Hilfsmittel.

Wichtiger als alles Getöse um Bankengewinne, Schurkereien der Automobilbosse, alle die Gauner, die sich durch 'legale' Wahlen, zu Herren der Welt gemacht haben, ist die Stabilität der Vernünftigen. Sie müssen denen beistehen, die unter einen System von Ausbeutung und Diffamierung leiden, das seinen Ursprung sowohl sowohl in den patriarchalen Religionen als auch im gewissenlosen Kapitalismus hat.  
 

Der Spiegel  - 10. Februar 2018 - Seite 110

Zitat

'Erweiterte Kampfzone'
[...]
"Wenn es nicht um Moral und Anstand, Pornografie und Jugendschutz geht, dann um die Frau als Objekt und als Opfer, um die pornografische Zerstückelung des weiblichen Körpers, um Männerfantasien, um maskulin dominierte Machtverhältnisse. Aber müsste es nicht mindestens ebenso laut darum gehen, was Kunst darf und dürfen muss und wer das zu bestimmen hat? Hat die Kunstfreiheit Grenzen?"
[...]

Zitatende
 


Zweifelsohne hat auch die Freiheit der Kunst ihre Grenzen, zumal dann, wenn die Gelder an Kunstinstitutionen verteilt werden, die dann auch in Honorare für Regisseure, Bühnen- Kostümbildner und vor allem das Führungspersonal wahllos verteilt werden.

Hierzu wird auf Heft 2 / 2018 ab Seite .... verwiesen auf denen Beispiele für die Bezahlung von Intendanten aufgezeigt werden, die dann ihren Verpflichtungen nicht nachkommen und Steuergelder verplempern.



Kalenderblätter 

 

 



 

’Der zerbrochne Krug’
 
 ... am 02. März 1808 uraufgeführt

Am Abend des 02. März 1808 fällt im Weimarer Hoftheater Heinrich von Kleists populärstes Werk - 'Der zerbrochne Krug'- durch.

Goethe, damals Intendant des Hoftheaters, hatte das Stück akzeptiert, jedoch in drei Akte zerteilt und damit die Spannung genommen. Zudem war dem 'Krug' noch das Stück 'Der Gefangene' vorausgegangen.

 

 

 

 

 



Aus: 'Goethes Verhältnis zur Romantik' von Hartmut Fröschle
 


Im Jahre 2005 lief 'der Krug' im Velodrom des Theaters Regensburg.
Striche verstümmelten z.B. den Monolog der Marthe Rull, der die Hinweise auf die Verbindung der Eve zum Richter Adam über die Frage nach der Pflege von Perlhühnern beinhaltet.
Unter Kritik_'Der_zerbrochne_Krug' erschien eine Beschreibung des Eindrucks, den man von dieser Produktion haben musste.


2009 kam am Residenztheater in München unter der kaufmännischen Leitung von Holger von Berg der 'Krug' heraus. Maßgebliche Zeitungen gaben ihre Meinung kund. Ausschnitte sind unter:

Kritik_'Der_zerbrochne_Krug' - Bayer._Staatsschauspiel_-_Nachlese

zusammengefasst.

Er gehört einfach ins Repertoire, so auch bei Peymann

Kritik_'Der_zerbrochne_Krug' - Berliner_Ensemble

- und ebenfalls im MGT Berlin spielte man Kleist's Meisterwerk.


 

 

       

 



 

Therese Giehse
   .
.. am 6. März 1898 geboren

Eigentlich hieß sie Therese Gift und wurde als Tochter des jüdischen Textilkaufmanns Salomon Gift und dessen Frau Gertrude - geb. Heinemann - am 06. März 1898 in München geboren.

Eine Ausbildung zur Schauspielerin erhielt sie in ihrer Heimatstadt, ging in ihren Anfängerjahren nach Siegen, Landshut, Breslau - von wo sie nach München empfohlen, bei Otto Falckenberg an den Kammerspielen ein Engagement bekam.

 

 

Schon am 6. Dezember 1932 erspielte sie sich an diesem renommierten Theater einen besonders großen Erfolg. Die Kritik bezeichneten sie als 'Käthe Kollwitz' der Bühne.

Als Otto Falckenberg aus Anlass des 70. Geburtstages von Gerhart Hauptmann dessen 'Ratten' aufführte, war die Giehse die 'Mutter John'.

Marianne Hoppe die spätere Frau Gründgens war die 'Piperkarcka'.

Im Zuschauerraum saß die geliebte Freundin der Giehse, die geschiedene Frau Gründgens - Erika Mann.

Anfang 1933 gründete sie gemeinsam mit Erika Mann das Kabarett 'Die Pfeffermühle', in dessen Programm sie die aktuelle Situation in Deutschland anprangerte.

Nach der Machübernahme durch die Nazis emigrierte sie, als 'artfremd' bezeichnet, im März 1933 in die Schweiz.

Mit dem Programm der Pfeffermühle gastierte sie von dort aus mit großem Erfolg im noch nicht besetzten europäischen Ausland.

1936 heiratete sie den englischen Schriftsteller John Hampson-Simpson, wodurch sie einen britischen Pass erhielt.

Als Mitglied des Züricher Schauspielhauses spielte sie1941 bei der Uraufführung die Titelrolle in Brechts 'Mutter Courage' und die Schmuggleremma in Brechts 'Puntila und sein Knecht Matti', die Claire Zachanassian im 'Besuch der alten Dame' und die Irrenärztin Mathilde von Zahnd in 'Die Physiker'.

1949 war sie bei Brecht in Berlin in der Produktion von 'Wassa Schelesnowa'.

Dort traf sie wieder mit der Hoppe zusammen.

Nach dem Krieg - wieder an den Kammerspielen in München - spielte sie u.a. in Hauptmanns 'Ratten' und Büchners 'Woyzeck'.

Mit Marianne Hoppe wohnte sie im gleichen Haus in München.

Als Therese Giehse 1975 krank wurde, vermachte sie der Kollegin schöne alte Möbel aus ihrer Wohnung.

Michael Verhoeven hatte sein Medizinstudium beendet, inszenierte zum ersten Mal in München und 'die Giehse' assistierte ihm als erfahrene Kollegin.

Während der Arbeit starb sie.

Paul Verhoeven hielt die Trauerrede und erlitt während derer eine Herzattacke, die der Sohn nicht behandeln konnte.

Und so starb der Vater während der Trauerfeier für die große Kollegin Therese Giehse.

 



 

Moses und Aaron

   ... am 12. März 1954 in Hamburg uraufgeführt

Eine szenische Aufführung fand in Zürich am 6. Juni 1957 statt. Die Komposition des Werkes war von Schönberg nicht vollendet worden.

In den zwanziger Jahren hatte Schönberg mit der Rückwendung zum jüdischen Glauben einen neuen Weg für sich eingeschlagen, war er doch 1892 zum evangelischen Glauben übergetreten.

 


Dies dokumentierte sich auch in einem von ihm geschaffenen Text für ein Schauspiel 'Der biblische Weg' und führt zur Textdichtung und zur Komposition von 'Moses und Aron' in den Jahren 1930 - 32.

Schon 1923 hatte Schönberg sich Kandinsky gegenüber geäußert, dass er nun endlich kapiert habe, kein Deutscher, kein Europäer, nicht einmal ein Mensch zu sein - sondern Jude.

1924 starb der Leiter der Meisterklasse für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin, Ferruccio Busoni, und Schönberg übersiedelte nach Berlin, um die Stelle als Nachfolger anzutreten.

Am 1. März 1933 fielen in einer Sitzung des Präsidiums der Akademie diskriminierende Äußerungen, gegen die sich Schönberg zur Wehr setzte.

Als Präsident der Akademie antwortete Max von Schillings hierauf am 23. Mai in einem Schreiben und entließ Schönberg mit Wirkung zum 30. Juni 1933.

Zu dem Zeitpunkt war der bereits mit seiner Familie nach Frankreich abgereist, von wo er im Herbst zur Erfüllung von Lehraufträgen in die Vereinigten Staaten von Amerika ging.

Hier konvertierte er zurück zum jüdischen Glauben.

1938 erklärte Reichskultursenator Ziegler die Atonalität, die auf der Harmonielehre des Juden Schönberg fuße, als ein Produkt des jüdischen Geistes - wer davon esse, stürbe daran.

'Moses und Aron' fasst Schönbergs frühere Erfahrungen auf dem Gebiet des Musiktheaters zusammen, wird aber durch die Form weniger mit der Oper in Verbindung gebracht, sondern mit der eines szenischen Oratoriums. Hierbei tritt der Chor nicht nur als Beiwerk, sondern als Handlungsträger auf, er wird dadurch zum Protagonisten.

1959 brachte die damals im Westen Berlins ansässige Städtische Oper in der Regie von Gustav Rudolf Sellner und der musikalischen Leitung von Hermann Scherchen das Werk heraus, das eine starke Publikumswirkung hatte, so dass diese Produktion als Gastspiel 1961 in Paris und Mailand wie auch 1962 in München und 1966 in Rom gezeigt wurde.

Eine Düsseldorfer Produktion (Dirigent: Günther Wich, Regie:
Georg Reinhardt) wurde 1968 im Amsterdam, 1969 in Florenz und 1970 in Tokyo und Osaka und 1971 in Warschau gezeigt.

1970 zeigte Hans-Peter Lehmann das Werk in Nürnberg. Hans Gierster dirigierte, die Bühneneinrichtung entwarf Rudolf Heinrich, wobei der Einschluss des 3. Aktes besonders gut gelang und Lehmann einen Weg fand, den ansonsten statisch auftretenden Chor durch eine dynamische Bewegungschoreographie aus dem Oratorium in aktives Musiktheater zu überführen.

1985 inszenierte Hans-Peter Lehmann das Werk an der Staatsoper Hannover. Mit George-Alexander Albrecht am Pult, in den Bühnenbildern von Ekkehard Grübler, Choreographie Lothar Höfgen mit Siegfried Härtel und Hans-Dieter Bader.
 

 



 

Elisabeth Flickenschildt
  
.... am 16. März 1905 geboren

'Flicki' - war Frau Brigitte in der 'Krug'-Verfilmung im Jahr 1937 von Gustav Ucicky, war die Zachanassian in der 'Alte-Dame'-Inszenierung von Ludwig Cremer, die am 19. Februar 1959 in der ARD und am 8.1.2011 anlässlich des 90. Geburtstages von Friedrich Dürrenmatt gezeigt wurde. Sie war die Marthe Schwerdtlein in der 'Faust'-Verfilmung von Gustav Gründgens.

 

 

Drei Jahre als Anfängerin in München bei Falckenberg. Sie sollte die Paulina im 'Wintermärchen' spielen - und fand keinen Zugang zur Rolle, zweifelte an ihrem Talent.

Hatte sie sich dieses nur eingeredet?

Es kam 1936 - wieder für drei Jahre das Deutsche Theater in Berlin. Sie war die Olga in 'Drei Schwestern' - unter Gründgens im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin.

Dort gleich zu Anfang die 'Quickly' neben Käthe Gold, Marianne Hoppe, Gustav Knuth - aber sie hatte auch zu spielen die Mutter Wolffen im 'Biberpelz' - und lag schon vom Typ her daneben.

Goebbels sah sie und sie fiel ihm auf im Schauspiel 'Katte' von Hermann Burte, das er am 1. Dezember 1936 in seinem Tagebuch kommentierte:

"Abends Deutsches Theater 'Katte' von Burte. Das Stück ist ein Attentat auf die Tränendrüsen. Zu sentimental. [...] Ich lerne Burte kennen. Keine Leuchte. Ein alemannischer Spießer."

Flicki war auch bei dem von Goebbels nach dem 'Anschluss' finanzierten Salzburger Festspielen 1938 im 'Egmont' dabei.

Im antibritischen Film 'Der Fuchs von Glenarvon' lobte der Reichspropagandaminister:
'Sehr gut für unsere Propaganda zu gebrauchen!' und den Hetzfilm 'Ohm Krüger' fand er '... zum Rasendwerden'.

1942 kam mit ihr der Film 'Der große König' heraus - was kommentiert wurde mit: 'Am Sieg zweifeln ist Hochverrat'.

Dieser 'Film wurde zum politischen Erziehungsmittel erster Klasse'.

Joseph Goebbels setzte sie auf die Liste der unersetzlichen Schauspieler des Reichspropagandaministeriums.

Nach dem Krieg von 1947 bis 1954 am Düsseldorfer Schauspielhaus - da war sie die Klytämnestra in Sartres 'Die Fliegen'.

Neue Stücke wurden gespielt:

'Die Cocktailarty',

'Der Familientag',

'Der Privatsekretär',

'Herrenhaus' -

und dann Hamburg - Gründgens ist auch da wieder ihr Intendant.

Hier 'Sappho' von Durrell und eben Dürrenmatts 'Der Besuch der alten Dame' wie auch Hamsuns 'Vom Teufel geholt'.

Nach dem Tod von GG drehte sie eine größere Anzahl von Filmen, in denen sie - meist verhüllt durch ein großes Kopf- und Halstuch - geheimnisvolle und auch z.T. undurchsichtige Figuren verkörperte.

Sie war interessiert an Geld, von dem sie sich in der Nähe von Hamburg einen Bauernhof kaufte, nachdem sie den in Bayern aufgegeben hatte.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40749060.html

 

 



 

Margarete
   .... am 19. März 1859 uraufgeführt

Obwohl das Ganze den Franzosen zunächst 'zu deutsch' erschien, setzte die Oper sich schnell durch und kann bis in die heutige Zeit auf mehr als 3.000 Aufführungen zurückblicken.

Gounod lernte Goethes 'Faust'-Dichtung bereits um 1828 kennen. Doch erst Carrés französische Fassung, dem Drame fantastique 'Faust et Marguerite' regte ihn zu einer Oper angeregt, die schließlich 1856 bis1858 in Zusammenarbeit mit dem Librettisten Barbier entstand.
 

 


Von der Pariser Opéra wurde das Werk abgelehnt, so dass es schließlich am Théâtre Lyrique seine Uraufführung erlebte und dort bis 1868 bereits mehr als 300 mal gespielt wurde.

Die Erstfassung wurde im Stile der Opéra comique aufgeführt, also mit gesprochenen Dialogen.

Später wurden diese durch komponierte Rezitative ersetzt. Auch einige Szenen kamen für die Aufführung an der Pariser Oper noch dazu wie die Romanze des Siébel, die Arie des Valentin, die Ballettmusik zur Walpurgisnacht, die Serenade Mephistos.

Die deutsche Erstaufführung am 15. Februar 1861 in Darmstadt, wobei in Deutschland die 'zu französische Bearbeitung der Goetheschen Dichtung' auf Widerstand stieß. Man hatte eine fast eins-zu-eins Übernahme des Originals erwartet und sah sich nun einem Werk gegenüber, das dem Publikum musikalische Nummern präsentiert, die ihre Wirkung bis heute nicht verloren haben.

Nach Darmstadt folgten in Deutschland Stuttgart und Dresden und im Ausland Mailand und London wie später auch New York.
 

 



 

Arturo Toscanini
  ... am 25. März 1867 geboren

Nach einem Cello-Studium und Einsatz im Orchester während einer Süd-Amerika-Tournee wurde er als 19-Jähriger überraschend gebeten, für den erkrankten Dirigenten einzuspringen und eine Vorstellung der 'Aida' zu dirigieren.
Nach der Rückkehr nach Italien widmete er sich dem Ausbau seiner Dirigier-Erfahrungen während mehrerer Theater-Spielzeiten.

In Mailands Teatro Dal Verme dirigierte er 1892 die Uraufführung von Leoncavallo’s 'Pagliacci'.

 


Drei Jahre später wurde der zum künstlerischen Leiter des Teatro Regio in Turin ernannt, wo er die Uraufführung von Puccini’s La Boheme, die erste italienische Aufführung von Wagner’s 'Götterdämmerung' und die erste lokale Aufführung von 'Tristan und Isolde' dirigierte.

An der Mailänder Scala, an der er von 1898 bis 1903 und von 1906 bis 1908 engagiert war, leitete er die ersten italienischen Aufführungen von Wagner’s 'Siegfried', Tchaikovsky’s 'Eugene Onegin', Strauss’s 'Salome', Debussy’s 'Pelléas et Mélisande'.

Er begann sein Engagement in Mailand mit 'Meistersinger' und wurde von der Öffentlichkeit attackiert, als habe man nicht genügend Opern in Italien, die man zu einem solchen Anlass aufführen könne. Mascagni, Puccini kritisierten dieses Wagner-Programm - Heinrich Porges dagegen fand die Wiedergabe zwar von jugendlichen Urarten durchsetzt, aber mit optimaler Ausschöpfung der Details.

Eugen d'Albert - auch bei der Meistersinger-Vorstellung an der Scala zugegen, meinte, Toscanini habe das Werk zu geschwind durchlaufen lassen.

Das Publikum war begeistert und forderte Dacapos für die Stolzing-Arien.

1899 besuchte Toscanini die Bayreuther Festspiele und erlebte dort die 'Meistersinger' unter Hans Richter. Mit dem auch anwesenden Edward Elgar diskutierte man Fragen der Werktreue - er habe eingesehen, dass seine bisherigen Dirigate der Werke Wagners unter zu geringer innerer Beteiligung gelitten hätten.

Schon in der Mitte der 20-er Jahre war Toscanini mit dem Faschismus in Italien konfrontiert worden - er verließ Italien und wurde Leiter des New Yorker Philharmonic Orchestra, reiste mit dem Orchester und wurde wegen der Qualität seiner Dirigate gerühmt.

1929 gab er einen Empfang im Adlon, zu dem tout Berlin von Eleonora von Mendelssohn, der Tochter es Bankiers Robert von Mendelssohn, eingeladen worden war - ausdrücklich unerwünscht waren Personen, die dem Dirigenten Furtwängler nahe standen. Dieser hatte Toscanini einen 'Pedanten' und 'Schulmeister' genannt.

Als Furtwängler die stellvertretende Leitung der Reichsmusikkammer niederlegte und ernsthaft erwog, in die USA zu gehen, widersetzte sich Toscanini diesem Gedanken, als er drohte New York zu verlassen, wenn Furtwängler als ein den Nationalsozialisten Nahestehender nach Amerika käme.

1930 leitete er die Vorstellungen von 'Tristan und Isolde' mit Lauritz Melchior, Nanny Larsen-Todsen, Alexander Kipnis, Rudolf Bockelmann bei den Bayreuther Festspielen.

Damals war man in Bayreuth noch verbunden mit der Zeit, die von Richard Wagner herüberreichte, gerade weil am 1. April 1930 Cosima Wagner hochbetagt und am 4. August 1930 der Sohn Siegfried in der Wagnerstadt gestorben war - letzterer mitten während der Festspiele.

Es gab am 8. August um 19.30 Uhr eine Trauerfeier im Festspielhaus, in der Reihenfolge der Programmpunkte erlebten die Trauergäste das 'Siegfriedidyll' unter der Leitung von Arturo Toscanini, Gedenkworte, gesprochen von Kammersänger Carl Braun, das Vorspiel zu 'Der Friedensengel', das Zwischenspiel aus 'Der Heidenkönig' beides Werke von Siegfried Wagner gespielt vom Festspielorchester unter der Leitung von Karl Elmendorff und abschließend den Trauermarsch aus der 'Götterdämmerung' unter der musikalischen Leitung von Dr. Karl Muck.

Und der duldete als musikalische Bayreuther Institution keinen Dirigenten neben sich. Doch 1929 bat Siegfried Wagner Arturo Toscanini in Bayreuth zu dirigieren - den neuen 'Tannhäuser' und eventuell den 'Tristan'.

Und der sagte zu, zum Entsetzten von Karl Muck.

Toscanini dirigierte den 'Tristan' mit italienischer Inspiration, nahm ihm so die Schwere - der 'Tannhäuser' gelang auch durch die publikumswirksame Inszenierung von Siegfried Wagner. Es war seine letzte.

1931 - Muck hatte abgesagt - Furtwängler dirigierte trotz der Aversionen Toscaninis in Bayreuth -  allerdings plante Toscanini, den Vertrag deswegen zurückzugeben.

Winifred Wagner überredete ihn, doch zu kommen - die Saison wurde aber vom Engagement Heinz Tietjens belastet, den der Dirigent mit italienischen Schimpfworten belegte, weil der überall - ohne eine verbriefte Order zu haben - herumschnüffle.

Nach Hitlers Machtübernahme kam Arturo Toscanini nicht mehr nach Bayreuth, wo er auch 'Parsifal' dirigieren sollte. Er sagte Hitler in einem persönlichen Schreiben ab. Statt seiner trat Richard Strauss ans Pult.

Er dirigierte auch bei den Salzburger Festspielen. Als sich der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich abzeichnete, beendete er die Mitarbeit dort.
 


 



 

Tennessee Williams
   ... am 26. März 1911 geboren

Er stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, Vater reisender Schuhverkäufer, lebte in der Kindheit sorgenfrei unter dem Einfluss von Großeltern und Eltern anfänglich in Columbus/Mississippi, dann in St. Louis/Missouri, als Heranwachsender sieht er die Probleme in der eigenen Familie mit Krankheit und Degeneration und er lernt den Unterschied zwischen arm und reich in seiner unmittelbaren Umgebung kennen.
 

Um sein Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitet er in einer Schuhfabrik, beginnt aber schon früh zu schreiben. Er studiert Publizistik und Theaterwissenschaften von 1929 bis 1932 an der Columbia Universität Missouri und Washington University, St. Louis.

In dieser Zeit wurde er sich seiner homosexuellen Neigungen bewusst.

Seine erste sexuelle Affäre mit einem Mann hatte er in Provincetown, Massachusetts und mit einer Tänzerin namens Kip Kiernan.

Er trug ein Foto von dieser Frau für viele Jahre in seiner Brieftasche, versuchte seine Neigungen gegenüber sich selber und nach außen hin zu kaschieren.

Als homosexuell geouted wurde Williams von Louis Kronenberger in einem Time Magazine in den 1950er Jahren.

Während seiner Zeit in New Orleans traf Williams Frank Merlo und verliebte sich in ihn, einen in der zweiten Generation sizilianischen Amerikaner, der in der US Navy im Zweiten Weltkrieg gedient hatte. Dies war seine einzige dauerhafte Beziehung, die von 1947 bis 1962 dauerte.  In dieser Zeit der Stabilität schuf Williams seine wichtigsten Werke.

Die persönliche Veranlagung wie auch die Einflüsse seiner Umgebung übertrugen sich auf seine Werke. Elia Kazan sagte später:

'Alles in seinem Leben ist in seinen Stücken, und alles in seinen Stücken ist in seinem Leben.'

Er besuchte in New York den Dramatic Workshop von Erwin Piscator. Zu den Mitarbeitern des Workshops gehörten u. a. Carl Zuckmayer, Stella Adler, Lee Strasberg, Hans José Rehfisch, Kurt Pinthus, Hanns Eisler, Erich Leinsdorf, George Szell und Jascha Horenstein.

Bekannte Studenten der Einrichtung waren neben Tennessee Williams, Judith Malina, Gene Saks, Marlon Brando, Elaine Stritch, Harry Guardino, Tony Curtis, Harry Belafonte, Bea Arthur, Michael V. Gazzo, Walter Matthau, Ben Gazzara, Shelley Winters und Rod Steiger.

Der erste große schriftstellerische Erfolg stellte sich 1940 mit der 'Glasmenagerie' ein.

Zwischen 1948 und 1959 wurden sieben seiner Stücke am Broadway aufgeführt:

Sommer und Rauch (1948), Die tätowierte Rose (1951), Camino Real (1953), Die Katze auf dem heißen Blechdach (1955), Orpheus Descending (1957), Garden District (1958) und Süßer Vogel Jugend (1959).

Bis 1959 erhielt er zwei Pulitzer Preise, drei New York Drama Critics' Circle Awards, drei Donaldson Awards und einen Tony Award.

Hinzu kamen neben anderen Schriften und Dichtungen 1958 'Plötzlich letzten Sommer', 1959: 'Period of Adjustment', 1961: 'Die Nacht des Leguan', 1963: 'The Milk Train Doesn't Stop Here Anymore' (Filmadaption: Brandung, 1968)

 

 

 

       

 



 

Heinrich Mann
  
... am 27. März 1871 geboren

1905 erschien sein im Jahr davor entstandener Roman 'Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen', der von der Bevölkerung Lübecks, seiner Heimatstadt, totgeschwiegen wurde.

Der Eindruck, den die 'Buddenbrooks' seines Bruders Thomas schon 1900 in der Hansestadt machten, wirkte hier nach und verunglimpfte Heinrich Manns Erstling mit Weltgeltung. Bereits früher hatte er Novellen und Essays veröffentlicht, die zum Teil starke antisemitische Züge trugen.

 

 


Ab 1912 arbeitete er an 'Der Untertan', dessen Verbreitung verboten und erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in großen Stückzahlen verkauft wurde.

In beiden Werken - Professor Unrat' und 'Der Untertan' übte Heinrich Mann Kritik an den Zuständen in der wilhelminischen Zeit, das stets gebückt sich vorwärts bewegende Bürgertum, die soziale Ungerechtigkeit, die falsche moralische Entrüstung und der überall spürbare Nationalismus der Bevölkerung.

Er stand im Gegensatz zu seinem Bruder Thomas den Kommunisten und Sozialdemokraten nahe, deren Vereinigung er gemeinsam mit Käthe Kollwitz und Albert Einstein forderte.

Diese Kontroverse führte zur Entfremdung der Brüder Mann und erst 1922 konnte eine Versöhnung herbeigeführt werden.

Unmittelbar vor dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 floh er aus Berlin nach Nizza, später, 1940, weiter mit seiner zweiten Frau Nelly und den Werfels über die Pyrenäen nach Portugal in die USA.
 


 

 



 

Uraufführung von 'Rusalka'
  
... am 31.3.1901


Nach der Uraufführung in Prag kam die Oper des Nationalkomponisten Antonin Dvorak sehr schnell auf die Bühnen des Böhmischen Teils der Österreich-Ungarischen Monarchie.

Das Ausland zögerte, waren doch der Stoff schon vorher von E.T.A. Hoffmann mit seiner Undine - Libretto von de la Motte Fouqués - 1816 und von Lortzing in seiner Undine1845 vertont worden.


 

 

1908 wurde das Werk in Laibach gespielt, 1929 folgte eine deutschsprachige Aufführung in Stuttgart.

Dvorak hatte den bösen Menschen die guten Naturgeister des Wassers gegenübergestellt.

Heutige Meister des deutschen Trash-Theaters bemächtigten sich des Werkes und lassen in obskursten Bühneneinrichtungen und Kostümen spielen.
Meist haben diese Inszenierungen eine soziopolitische Basis, deren Konzept dann mit dem Publikum bei einer Tasse Tee ausdiskutiert werden solle.

Ein Beispiel ist die
'Rusalka'-Inszenierung an der Nds. Staatsoper Hannover.


 

Nds. Staatsoper Hannover

Zitat
Eröffnungspremiere der Spielzeit 2015/16:
Antonín Dvořák:

Rusalka

Antonín Dvořáks Oper »Rusalka« steht am Beginn der neuen Spielzeit der Staatsoper Hannover. »Rusalka« ist die Geschichte einer unmöglichen und dennoch bedingungslosen Liebe zwischen zwei Wesen aus ganz unterschiedlichen, unvereinbaren Welten. Rusalka muss ein allzu großes Opfer bringen, um mit ihrem geliebten Prinzen zusammenleben zu können: sie wird zwar von einer Nixe in eine Frau verwandelt, muss dafür aber verstummen. Schon bald wendet sich der Prinz einer anderen Frau zu und erkennt zu spät die aufrichtige Liebe Rusalkas. Mit seinem 1901 uraufgeführten »Lyrischen Märchen« etabliert Dvorak 35 Jahre nach Smetanas »Verkaufter Braut« endgültig die tschechische Nationaloper. »Rusalka« wird in tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln gespielt.
Mit Dietrich W. Hilsdorf inszeniert einer der bedeutendsten Regisseure erstmals an der Staatsoper Hannover. Hilsdorf hat mit seinen zahlreichen Arbeiten in Schauspiel, Oper und Musical seit vielen Jahren Maßstäbe gesetzt. In Frankfurt/M. zum Schauspieler ausgebildet, ist er seit 1978 als Regisseur tätig und hat seitdem über 130 Inszenierungen an den großen Bühnen des deutschsprachigen Raums erarbeitet. Zu seinen Opernschwerpunkten zählen die Werke Mozarts und Verdis. 2007 wurde ihm der deutsche Theaterpreis »Faust« verliehen.

Die Bühne hat Dieter Richter geschaffen, der ebenso wie die Kostümbildnerin Renate Schmitzer seit vielen Jahren eng mit Dietrich W. Hilsdorf zusammenarbeitet.

Die Titelpartie interpretiert die italienische Sopranistin Sara Eterno, die seit 2011 fest zum Ensemble der Staatsoper gehört und zuletzt große Erfolge als Rosalinde in der »Fledermaus« und als Margherita/Elena in Boitos »Mefistofele« feierte. Neu im Ensemble ist der koreanische Tenor Andrea Shin, der den Prinzen singt – mit einem Ausschnitt aus dieser Rolle konnte er bereits bei den beiden Eröffnungskonzerten am vergangenen Wochenende begeistern. Als Fremde Fürstin ist Brigitte Hahn zu erleben, die Rolle der Hexe übernimmt Khatuna Mikaberidze. Von der Spree an die Leine zurückgekehrt ist der »Wassermann«-Darsteller Tobias Schabel, der nun wieder zum Ensemble der Staatsoper Hannover gehört. Generalmusikdirektorin Karen Kamensek steht am Pult des Niedersächsischen Staatsorchesters Hannover.
Zitatende


 

 
Kommentar

http://www.telezeitung-online.de/Thema_des_Tages_27._Oktober_2015_%27Rusalka%27.htm

Thema des Tages
27.10.2015
'Rusalka' in Hannover

War es doch sicherlich ganz im Sinne der ehemaligen externen Lehrbeauftragten der HMTMH, in Personalunion mit ehemaliger Präsidentin des RW-Vereins International und Ehrenvorsitzenden des RW-Vereins Hannover, dass hier wieder einmal eine 'modische Inszenierung' eines musikalischen Werkes gezeigt wurde.

Es ist für das allgemeine Publikum äußerst bedauerlich, dass die Nds. Staatoper dem agierenden Regisseur - woher kommt eigentlich das eingeschobene 'W' im Namen, das gab's doch früher nicht - offensichtlich kein Text-Heft der 'Rusalka' zur Verfügung stellen konnte.
So inszenierte er munter drauflos und stellte auf die Bühne, was ihm so einfiel.

Bei den Endproben bemerkte er dann auch nicht, dass alles, was da ablief, nichts mit dem Stück zu tun hatte, was der Text auf der Übertitelungsanlage vorgab.

Leider versäumte auch Herr Dr. Klügl – in Hannover als Theaterdirektor für die Oper zuständig - einzugreifen und diese Übertitel abzuschalten, denn so wurde auch dem Publikum klar, dass der Regisseur am Stück - hier 'Übergang von der Märchenoper zum symbolistischen Musikdrama' hin oder her - vorbei tätig war.

Dadurch wurde alles noch deutlicher, dass die Inszenierung - es stand zwar ein handwerklich hervorragendes Bühnenbild zur Verfügung, das im ersten und letzten Teil des Stückes einen Leichenschauraum mit mehreren herumrollbaren Leichentragen und einer mitten auf der Bühne positionierten Wendeltreppe mit sie ummantelnden vertikalen Stäben sah - aber den Text des Werkes nicht umsetzte.

Neben der Treppe ein Gebäude, das wie ein Eingang zu einer U-Bahn-Station mit aufgesetzter voll funktionsfähiger Uhr - wie am Kröpke in Hannover - aussah.

An dem Zeitmesser ließ sich klar ablesen, dass die Szene an den Mond um
12 Uhr 15 spielte, um
12 Uhr 20 der Auftritt der Hexe folgte, um
12 Uhr 25 war Rusalka klar, auf was sie sich einließ.
12 Uhr 30 kam der Prinz,
12 Uhr 40 waren sich die beiden soweit einig,
12 Uhr 45 konnte noch von einer Eheschließung ausgegangen werden, als um
12 Uhr 47 plötzlich Rusalka das Gewehr des eben noch die weiße Hirschkuh jagenden Prinzen gegen ihn erhob, was der mit der unausgesprochenen Warnung: 'Schieß nicht, ich bin der Tauber' abwenden konnte.

Für den Auftritt im zweiten Teil muss - nach Vorgabe der Hexe - die Sängerin ihre Stimme verlieren und - falls die ganze Sache nicht klappt - der Geliebte sterben.

In eben dieser zweiten Abteilung sah man einen - auch wieder von den Werkstätten hervorragend ausgeführten - umgitterten Treppenausgang.

Jemand tritt von rechts mit einem riesigen Geweih am Kopf auf (hat der sich aus Falstaff oder den 'Lustigen Weibern von Windsor' verirrt?).
Eine Magd schabt Rüben oder sind es Heringe (?) - man bereitet eine Festivität vor, die sich dann auch in großem Chorauftritt zeigt.

Da es Rusalka ja auf Anordnung der Hexe die Stimme verschlug, ist die Sache dann leider nicht so geworden wie die Sopranistin es sich vorstellte.
Es mischt plötzlich eine schwarz gewandete Dame mit, die sich an den Prinzen ranschmeißt und die Wassernixe verdrängt. Diese sieht ihre Felle davon schwimmen und will in ihren Teich, sprich das Leichenschauhaus, zurück.

Es gelingt durch Umbau auf offener Szene, denn das Bühnenpodium fährt rauf und runter und schon ist man wieder im Leichenkeller.
Nun hat sie aber die Sache ohne die Hexe entschieden, die das Ende des Prinzen verlangt, damit Rusalka sich wieder frei im Wasser tummeln kann.

Der Prinz erscheint, aber Rusalka traut sich nicht, mit dem Messer auf ihn einzustechen, so küsst Rusalka ihn und das reicht schon, dass sich der Tenor von sich aus entschließt, auf einer Leichentrage rechts am Bühnenportal zu sterben.

Die Wassernixe Rusalka sitzt auf einem Stuhl in gebührendem Abstand vom dann toten Prinzen und wartet darauf, dass endlich vor diesem obskuren Gemache in einem völlig - auf diese Oper bezogen - inakzeptablen Bühnenbild, der Vorhang fällt. 
 

Quintessenz:

Der Einführungsvortrag des Chefdramaturgen führt nur zu Irritationen.
Ersten kann man die Menge der Worte, ohne die Szene gesehen zu haben, nicht umsetzen.
Zweites werden Hinweise auf das Inszenierungskonzept gegeben - wie die Geschichte des Golem oder den Entdecker der Syphilis -, die dann nicht erkennbar werden.

Wer die Vorstellung so - in ihrer Verfälschung des Werkes zu Lasten des Steuerzahlers - und nur mit Lektüre des heimischen Opernführers vorbereitet, besucht, erlebt sein blaues Wunder.

Nichts stimmt mit dem übertitelten Text überein. Die Sänger hantieren da auf der Bühne in einer Szenerie, die im ersten und letzen Teil vielleicht die U-Bahn-Station am Kröpke nach einem Unfall der U-Bahn, mit abstellten Opfern zeigt, aber nicht die Oper, deren Text Dvorak vertonte.
So stellt sich die Frage, ist das Irreführung und damit eine Straftat?

 





Fortsetzung von Seite 14, Heft zwölf, Ausgabe Dezember 2017


Lohengrin
Die Quellen - Literarische und historische Grundlagen

Ausgabe März 2018

Richard Wagner steht immer wieder in schriftlichem Kontakt zu seiner Umwelt und stellt seine Gedanken vor.

Auch in Bezug auf den Lohengrin führt er Korrespondenz und so teilte er seinem Bruder mit, wie er immer wieder Sorge trug, einmal keinen Stoff zur Vertonung zur Verfügung zu haben und in Bezug auf den Lohengrin sich zwar am ursprünglichen Werk orientiert habe,

aber “Meine Erfindung u. Gestaltung hat bei dieser Schöpfung den größten Anteil: das altdeutsche Gedicht, welches uns diese hochpoetische Sage bewahrt hat, ist das dürftigste und platteste, was in dieser Art auf uns gekommen ist, und ich fühle mich in der Befriedigung des Reizes sehr glücklich, die fast ganz unkenntlich gewordene Sage aus dem Schutt u. Moder der schlechten, prosaischen Behandlung des alten Dichters erlöst u. durch eigene Erfindung u. Nachgestaltung sie wieder zu ihrem reichen, hochpoetischen Werte gebracht zu haben.”

(Aus einem Brief Wagners an seinen Bruder Albert, Marienbad, 4. August 1845, Sämtliche Briefe 1842 – 1849, Leipzig 1970)

Was RW nun mit ‚das dürftigste und platteste’ gemeint hat, ist nicht festzustellen und es ist kaum vorstellbar, dass er dies nun auf den 'Baierischen Lohengrin' bezog, den er ja nach Mareinbad als Kur-Lektüre mitgenommen hatte, der allerdings tatsächlich sehr stark ausholt bei der Beschreibung von Geschehnissen an den jeweiligen Höfen, der aber dann doch mit der Sage nach den Brüdern Grimm zur Grundlage Richard Wagner’s Fassung wurde.

RW hält sich nicht zurück mit Eigenlob. Zweifelsohne hat er die Handlung gestrafft und durch neue Elemente verdichtet, wozu die Erfindung der Ortrud beiträgt.

Anfänglich wehrte er sich gegen die Arbeit am Lohengrin, obwohl ihn “diese Erscheinung mich wohl rührte, keineswegs mich aber zunächst schon bestimmte, diesen Stoff zur Ausführung mir vorzubehalten.”

Und er geht noch weiter, wenn er sagt, dass “auch weil die Form, in der Lohengrin mir entgegentrat, einen fast unangenehmen Eindruck auf mein Gefühl machte” er noch Abstand nahm, sich mit dem Stoff näher zu befassen.

Selbst wenn ihn die Sorge sehrte, kein Sujet mehr zu haben, das er hätte zur Vertonung vorsehen zu können, “am allerwenigsten war es haushälterische Sparsamkeit. die mich etwa vermocht hätte, den gesammelten Vorrat nicht umkommen zu lassen”.

Suchen wir nach einer Begründung, warum der Stoff so geradezu abstoßend auf ihn wirkte, so gibt ihn RW in erstaunlich drastischer Weise selber, denn “Das mittelalterliche Gedicht brachte mir den Lohengrin in einer zwielichtig mystischen Gestalt zu, die mich mit Mißtrauen und dem gewissen Widerwillen erfüllte, den wir beim Anblicke der geschnitzten und bemalten Heiligen an den Heerstraßen und in den Kirchen katholischer Länder empfinden.”

Es ist zu bedenken, dass dieser Text aus einer Mitteilung an meine Freunde aus dem Jahr 1851 stammt, er zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre im Exil zugebracht und inzwischen auch die Feuerbach’sche Lehre kennen gelernt hatte, also er mit einer anderen Überzeugung dem christlichen Glauben gegenüber stand, als noch zur Zeit der Entstehung des Lohengrin in unmittelbarer Folge des Tannhäuser mit seinen deutlichen Elementen der katholischen Kirche und ihrer Heilslehre.

In Bezug auf die Dichtung wird er sehr deutlich, wenn er die Herkunft des Stoffes für sich darlegt mit “Lohengrin ist kein eben nur der christlichen Anschauung entwachsenes, sondern ein uralt menschliches Gedicht; wie es überhaupt ein gründlicher Irrtum unserer oberflächlichen Betrachtungsweise ist, wenn wir die spezifisch christliche Anschauung für irgendwie urschöpferisch in ihren Gestaltungen halten. Keiner der bezeichnendsten und ergreifendsten christlichen Mythen gehört dem christlichen Geiste, wie wir ihn gewöhnlich fassen, ureigentümlich an: er hat sie alle aus den rein menschlichen Anschauungen der Vorzeit übernommen und - nur nach seiner besonderen Eigentümlichkeit gemodelt.”

Hatte er noch beim Tannhäuser die Grimm’sche Sage übernommen in all ihrer kirchenbezogenen Deutlichkeit und das Thema noch durch das Auftreten der Elisabeth als Nichte des thüringischen Landgrafen als ‚Erlöserin’ überhöht, so spricht er sechs Jahre nach der Uraufführung des Tannhäusers und ein Jahr nach der Uraufführung des Lohengrin eine andere Sprache und teilt diese Überlegungen der Welt in der Form mit, dass er nach der ersten Lektüre des Themas in Paris 1842 und “erst als der unmittelbare Eindruck dieser Lektüre sich mir verwischt hatte, dann der Grimm’schen Sagen, wie er aus dem läuternden Forschungen der neueren Sagenkunde hervorgegangen ist [...] tauchte die Gestalt des Lohengrin wiederholt und mit wachsender Anziehungskraft vor meiner Seele auf [...].”

So hatte er für sich in Anspruch genommen, daß ich den Lohengrin-Mythos in seinen einfacheren Zügen und zugleich nach seiner tieferen Bedeutung als eigentliches Gedicht des Volkes kennen lernte,” und “nachdem ich ihn so als ein edles Gedicht des sehnsüchtigen menschlichen Verlangens ersehen hatte, das seinen Keim keineswegs nur im christlichen Übernatürlichkeitshange, sondern in der wahrhaftesten menschlichen Natur überhaupt hat, ward diese Gestalt mir immer vertrauter; und der Drang,” das Thema aufzugreifen und zur Dichtung und Vertonung zu führen immer deutlicher.

RW nimmt gänzlich für sich in Anspruch, den Stoff von allem Ballast einer kirchen-katholischen Überfrachtung befreit zu haben und “von dem widerspruchsvollen Wesen dieses Einflusses sie so zu läutern, daß wir das rein menschliche, ewige Gedicht in ihnen zu erkennen vermögen, dies war die Aufgabe des neueren Forschers, die dem Dichter zu vollenden übrigbleiben mußte.”

(Aus: Eine Mitteilung an meine Freunde, 1851,

In Kenntnis der Situation der Gralsritter legt RW und für die Welt fest, dass [...] Lohengrin [...] das Weib [...], das an ihn glaubte, [...] suchte [...] das nicht früge, wer er sei und woher er komme, sondern ihn liebte, wie er sei und weil er so sei, wie er ihm erschiene. Er suchte das Weib, dem er sich nicht zu erklären, nicht zu rechtfertigen habe, sondern das ihn unbedingt liebe. Er mußte deshalb seine höhere Natur verbergen, denn gerade eben in der Nichtaufdeckung, in der Nichtoffenbarung dieses höheren - oder richtiger gesagt: erhöhten - Wesens konnte ihm die einzige Gewähr liegen, daß er nicht nur um dieses Wesens willen bewundert und angestaunt, oder ihm, als einem Unverstandenen, anbetungsvoll demütig gehuldigt würde, wo es ihn eben nicht nach Bewunderung und Anbetung, sondern nach dem einzigen, was ihn aus seiner Einsamkeit erlösen, seine Sehnsucht stillen konnte: nach Liebe, nach Geliebtsein, nach Verstandensein durch die Liebe, verlangte. Mit seinem höchsten Sinnen, mit seinem wissendsten Bewußtsein wollte er nichts anderes werden und sein als voller ganzer; warm empfindender und warm empfundener Mensch, nicht Gott, d. h. absoluter Künstler: - So ersehnte er sich das Weib, - das menschliche Herz.”

Oder sieht er in dem 'Unverstandenen, dem anbetungsvoll demüthig gehuldigt würde’ und 'Gott’ sich selber wegen des Unverständnisses, das das Publikum ihm entgegenbringt oder das fehlende Verständnis seiner Frau für seinen Weg des Musiktheaters?

Warum nun RW aus einer Gestalt, die aus einer Bruderschaft wie der Gralsgemeinschaft geradezu ausbricht, dann zu einem Gott, dem absoluten Künstler hochstilisiert, kann nur in seinem ausgeprägten Selbstbewusstsein gesucht werden.

Es ist von der Forschung gerade in dieser Hinsicht immer wieder unternommen worden, den Bogen vom Gott-Künstler-Richard-Wagner-Lohengrin zu dem Unverständnis seiner Umwelt ihm gegenüber zu schlagen.

Ob dies sich so unbedingt aus den Worten der ‚Mitteilung an meine Freunde’ aus dem Jahr 1851 ableiten lässt oder man auch sagen könnte ‚es steht doch deutlich zwischen den Zeilen’, ist nicht mit absoluter Sicherheit festzulegen.

Dass RW das überirdische Wesen Lohengrin dann ohnmächtig Ortrud und der Welt aussetzt, in die dieser sich doch so unbedingt und zu einem Weib wünschte und damit der Gefahr des Scheiterns aussetzte, ist fast nur unter dem Aspekt der dramaturgischen Stärkung des theatralischen Ausdrucks zu sehen.

RW braucht das Staunen der Gemeinheit, das Geifern des Neides [was ...] seine Schatten bis in das Herz des liebenden Weibes [wirft]; Zweifel und Eifersucht bezeugen ihm, daß er nicht verstanden, sondern nur angebetet wurde, und entreißen ihm das Geständnis seiner Göttlichkeit, mit dem er vernichtet in seine Einsamkeit zurückkehrt. [...] Elsa ist das Unbewußte, Unwillkürliche, in welchem das bewußte, willkürliche Wesen Lohengrins sich zu erlösen sehnt; dieses Verlangen ist aber selbst wiederum das unbewußt Notwendige, Unwillkürliche im Lohengrin, durch das er dem Wesen Elsas sich verwandt fühlt.”

Die Quellen geben RW alle dichterische Freiheit und damit die Möglichkeit, den Schluss in ein Verbleiben Lohengrins in Brabant zu ändern, aber durch das Einfügen der dramatischen Gestalt der Ortrud mit ihrem Andersdenken schafft er die Möglichkeit, von der Verstrickung Elsas in den Zwang für Lohengrins Rückkehr in den Gral abzulenken und die Last des Unglücks von der reinen Frau abzuleiten und dem gegnerischen Paar aufzubürden.

Und so meint er mit der Aussage, Ortrud sei “ein Weib, das die Liebe nicht kennt. Hiermit ist alles, und zwar das Furchtbarste, gesagt. Ihr Wesen ist Politik. Ein politischer Mann ist widerlich, ein politisches Weib aber grauenhaft: diese Grauenhaftigkeit hatte ich darzustellen.” grundsätzlich feststellen zu können, dass damit die Basis für Ortruds Handeln gelegt sei.

Mit dem "ein politischer Mann ist widerlich" spricht er sich selber die Legitimation ab, in Dresden auf die Barrikaden gegangen zu sein oder ist  die 1852 geäußerte Ansicht die eines Bekehrten oder gilt es nur Stimmung für eine Amnestie zu machen.

Spricht RW vom 'widerlichen’ politischen Mann, so gibt er an dieser Stelle doch wieder den Kommentar als politischer Mann ab, wenn er - emotional überzogen - seinen Nichterfolg bei der Revolution in Dresden eingestehen muss.

Ortrud sah - und dies wird ausführlich an anderer Stelle dargelegt - genügend Entwicklungen in ihrem Umfeld, wie die Gesellschaft unter dem Einfluss der Kirche in Westeuropa Schäden anrichtete, die sich heute im 21. Jahrhundert noch immer unter dem Einfluss der christ-katholischen Kirche in ihrer ganzen Brutalität auswirken.

“Es ist eine Liebe in diesem Weibe, die Liebe zur Vergangenheit, zu untergegangenen Geschlechtern, die entsetzlich wahnsinnige Liebe des Ahnenstolzes, die sich nur als Haß gegen alles Lebende, wirklich Existierende äußern kann [...] .”

Die ‚entsetzlich wahnsinnige Liebe zur Vergangenheit’ bedeutet für RW das Beharren auf alten Regeln nur aus reiner Opposition ohne Ziel.

Ortrud hingegen versucht durch ihre Einflussnahme eben durch das Anrufen der 'längst verschollenen Götter’ auf Werte hinzuweisen, die heute nicht mehr personifiziert dargelegt werden, sondern in entsprechenden politischen Richtungsvorgaben für Umweltschutz, Antworten auf Frauenfragen, Lösungen von Problemen der Überbevölkerung ihren Niederschlag finden.

“Nicht Eifersucht auf Elsa - etwa um Friedrichs willen - bestimmt daher Ortrud, sondern ihre ganze Leidenschaft enthüllt sich einzig in der Szene des zweiten Aktes, wo sie - nach Elsas Verschwinden vom Söller - von den Stufen des Münsters aufspringt und ihre alten, anruft [...] Aber dies ist keine eigensinnige, kränkelnde Laune bei Ortrud, sondern mit der ganzen Wucht eines - eben nur verkümmerten, unentwickelten, gegenstandslosen - weiblichen Liebesverlangens nimmt diese Leidenschaft sie ein: und daher ist sie furchtbar großartig.”

Heute, 150 Jahre nach der Uraufführung und 155 Jahre nach dem Entstehen der Prosafassung und der Text-Dichtung ist es unverständlich, dass damals eine Frau abgetan wurde, weil sie angeblich die Liebe nicht kannte. Und obwohl sie die Liebe nicht kannte, ist Ortrud bei RW furchtbar großartig. Sein Frauenbild – an anderer Stelle abgehandelt – sah nur die kränkelnde, sich dem Mann mit unbedingtem Gehorsam unterordnende Gattin oder

Im Gegensatz dazu die 'femme fatale‘.

Die handelnde Frau ist bei RW immer die Außenseiterin.

“Jede Äußerung ihres Hohnes, ihrer Tücke muß die ganze Gewalt des entsetzlichen Wahnsinns durchblicken lassen, der nur durch die Vernichtung andrer oder durch eigene Vernichtung zu befriedigen ist.”

Somit ist auch verständlich, warum RW die Rolle in der Vertonung der Text-Dichtung so angelegt hat.

Sie ist zu besetzen mit einem kraftvollen Mezzosopran, der über die ausreichende Tief und Mittellage, aber auch in den dramatischen Höhen-Passagen über die notwendige Durchschlagskraft verfügt.

Die schauspielerische Darstellung steht in diesem Zusammenhang mit der Rollen-Interpretation Richard Wagners, wenn er sagt: “Nicht das mindeste Kleinliche darf daher in ihrer Darstellung vorkommen; niemals darf sie etwa nur maliziös oder pikiert erscheinen.”

Die Forschung hat sich bisher mit der Rolle der Ortrud nicht weiter auseinander gesetzt.

Die Hintergründe ihres Handelns sind auch mit den wenigen Aussagen des Text-Dichters und Komponisten Richard Wagner - zumal sie zu anderen Zeitpunkten als während der Entstehung des Werkes in der Zeit vom 11. Juli 1845 bis 28. April 1848 abgegeben wurden - nicht geklärt.

 (Wird fortgesetzt)


 

 

Die Frauenrollen in der neapolitanischen Oper

Stimmfach und Charakter

Fortsetzung aus Heft 11 / 2017 – Seite 19

 
2.3 Die Sängerinnen

Im Jahre 1484 hatte Papst Innozens VIII. seine Hexenbulle erlassen, Heinrich Istitoris und Jakobus Sprenger als Inquisitoren in Deutschland eingesetzt, in deren bis ins 18 Jahrhundert wirkendem Buch 'Malleus maleficarum' auch ein Kapitel über die Frauenstimme nicht fehlen durfte.

"Wie nämlich die Frau von Natur lügnerisch ist, so auch beim Sprechen. Denn sie sticht und ergötzt zugleich: daher wird auch ihre Stimme dem Gesange der Sirenen verglichen, welche durch ihre süße Melodie die Vorübergehenden anlocken und dann töten. Sie töten, weil sie den Geldbeutel entleeren, die Kräfte rauben und Gott zu verachten zwingen..."

Es folgen zahlreiche Bibelzitate, u.a. Prediger 7:

"Ich fand das Weib bitterer als den Tod; sie ist die Schlinge des Jägers; ein Netz ist ihr Herz; Fesseln sind ihre Hände; wer Gott gefällt, wird sie fliehen; wer aber ein Sünder ist, wird von ihr gefangen werden."

Es ist bitterer als der Tod, d.h. der Teufel. 1775 war die letzte Hexenhinrichtung in Deutschland (Kempten).

Immerhin gesteht Immanuel Kant den Frauen eine begrenzte Daseinsberechtigung zu, denn:

"Das Frauenzimmer hat ein vorzügliches Gefühl vor das Schöne so ferne es ihnen zu­kommt, aber vor das Edle in so weit es am männlichen Geschlechte angetroffen wird. Der Mann dagegen hat ein entschiedenes Gefühl vor das Edle, was zu seinen Eigenschaften gehört, vor das Schöne aber, in so ferne es an dem Frauenzimmer anzutreffen ist. Daraus muß folgen, daß die Zwecke der Natur darauf gehen, den Mann durch die Geschlechterneigung noch mehr zu veredeln und das Frauenzimmer durch eben dieselbe noch mehr zu verschönen. Ein Frauenzimmer ist darüber wenig verlegen, daß sie gewisse hohe Einsichten nicht besitzt, ... sie ist schön und nimmt ein und das ist genug."
 

Kant, Immanuel:
'Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen'
Werke in 12 Bänden hrsg. von W. Welschedel Bd. II
Frankfurt/M 1960/61



Eine ähnliche Sicht der wegen der 'Natur' ihrer Gattung zu kulturellen Leistungen nicht fähigen Frau beschreibt J.J. Rousseau:

"Junge Mädchen müssen sofort an Zwang gewöhnt werden, damit er sie nie etwas ko­stet; sie müssen daran gewöhnt werden, alle ihre Launen zu beherrschen, um sie dem Willen der anderen unterzuordnen. .... Aus diesem gewohnheitsmäßigen Zwang ent­steht eine Gefügigkeit, deren die Frauen ihr ganzes Leben bedürfen, da sie niemals aufhören, unterworfen zu sein, sei es einem Mann oder dem Urteil der Männer, und es ihnen nie erlaubt ist, sich über dieses Urteil zu erheben. Die erste und wichtigste Qua­lität einer Frau ist die Sanftmut."

Rousseau, Jean Jaques:
'Emile oder über die Erziehung'
Stuttgart 1970


"Sowohl im römischen Recht als auch in den verschiedenen deutschen Rechtsbüchern, wie dem Sachsenspiegel und Schwabenspiegel, erscheint die Frau als Eigentum des Mannes, unter der Vormundschaft des Vaters oder eines Verwandten, und war sie verwitwet, auch unter der Vormundschaft ihres Sohnes. Sie war nicht rechtsfähig und hatte keine Verfü­gungsgewalt über ihr Vermögen. Diese Geschlechtsvormundschaft läßt sich bis ins 19. Jahrhundert nachweisen, so wurde sie auf dem Gebiet Bayerns erst 1861 aufgehoben."

Aber noch

"dreimal, 1973, 1982 und 1990 verweigerten die Appenzeller Männer den Frauen standhaft und stur den Zugang zur Landsgemeinde, zur alljährlichen Volksversammlung, auf der gewählt und über kantonale Angelegenheiten abgestimmt wird." Getreu ihrem Wahl­spruch: "Erst der Mann, dann die Kuh, dann - mit gebührendem Abstand - die Frau".
(Fredy Steiger In 'Die Zeit' vom 7.12.90)



Ein Terrain aber, das nicht mit der Faust zu erkämpfen war, sondern mit der Stimme und der Kunst der Verwandlung haben sich die Frauen trotz aller Anfeindungen schon früh erkämpft und nicht mehr verlassen: die Bühne.

In seinem Essay: 'Die Frau als Schauspielerin' schreibt Julius Bab:

"Es gibt eine Kunst, die die Frau nicht als gelegentliche Ausnahme, als Helferin, als Kraft zweiten Ranges beschäftigt, sondern an der von vornherein, in jeder Epoche, bei jeder Gesellschaftslage, die Frau den vollsten, ebenbürtigen Anteil hat, und in der mit vollster Ebenbürtigkeit Frauen die höchstmögliche Spitze erreichen, die Männern zugänglich ist. Diesen ganz einzigen Platz im Umkreis unserer gesamten Kultur nimmt die Schauspielkunst ein. Hier handelt es sich nicht um beliebig zahlreiche Einzelaus­nahmen, nicht um Individuen, die sich dem Grundsatz von der Aneignung der Frau zum Werkschaffen kraft größerer Nähe an den männlichen Pol entziehen - hier steht auf bestimmtem Gebiet eine ganze Gruppe von Frauen als große, als regelmäßige Ausnahme da. Als Schauspielerin ist die Frau dem Manne seit langem ebenbürtig ge­wesen, und die höchsten Werke der Schauspielkunst in unseren Tagen sind vielleicht von den schönen Händen einer Frau geschaffen.
So lange ist die Schauspielerin dem Schauspieler ebenbürtig, wie es eine Menschen­darstellungskunst im heutigen Sinne überhaupt gibt: d.h. eine persönliche, geistige und gemütliche Kräfte offenbarende, auf Erlebnis bestimmter Menschlichkeiten zie­lende, auf dramatischer Dichtung aufgebauter Körper-Bewegungskunst .... Wie das echte, im Grundsinne seiner Form vollkommene, das nur im sprechenden Menschen offenbarte Drama, so ist auch die Schauspielkunst erst in der Renaissance geboren worden; und fast im selben Augenblick ist auch die Schauspielerin da. Bei den ver­schiedenen Nationen freilich verschieden schnell. Italien hat schon im frühen Barock (um 1600) in Isabella Andreini ein Stegreifkomödiantin, der Tasso und Ariost Verse widmen, die der Kardinal Aldobrandini zur Tafel lädt, und die mit ungeheuerem Erfolg am Hof von Versailles gastiert.
Zwei Generationen später hat die englische und französische Bühne Schauspielerin­nen von persönlicher Physlognomle. Shakespeare hatte für seine eben erst aus der mittelalterlichen Tradition gelösten Bühne bekanntlich noch keine weiblichen Darstel­ler; aber schon Corneille sah all seine Heldinnen von Aktricen dargestellt.
Bald darauf führt der Magister Velten in Deutschland zuerst bei seiner Truppe Schau­spielerinnen ein und wiederum eine Generation später erhält Deutschland in der Person der Karoline Neuber die erste bedeutende weibliche Persönlichkeit seiner Theatergeschichte. Seitdem ist die ebenbürtige Herrschaft der Frau in der Bühnenkunst nie wieder angefochten worden."

Bab, Julius:
'Die Frau als Schauspielerin'
Berlin 1915, Seite 24 - 26



Auf der Opernbühne setzten sich die Sängerinnen trotz Überlegenheit der Kastraten im Umfang und der Tonstärke durch Geläufigkeit und Geschmeidigkeit der Stimme, also mit den Gaben der Natur, durch, und Tosi rühmt:

"wie Frauen, wenn sie sich bemühen, nach denselben Gesetzen eine Kunst lernen können, wie sie selbst bei Männern von Ruf und Ansehen selten sind."

Browe, Peter S.J.:
Zur Geschichte der Entmannung
Breslau 1946, Seite 88 - 90


Die Namen der Sängerinnen, die sich neben Kastraten behaupten konnten und sie allmählich ver­drängten, haben bis heute ihren Glanz behalten, sei es auch nur in Anekdoten, die genüsslich wiederholt werden. Immer aber sollte man bedenken, in welch feindlichem Klima diese Frauen gearbeitet haben. Aus der stattlichen Zahl bedeutender Interpretinnen, denen man in den Hofchroniken begegnet (z.B. Moritz Fürstenau's Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe des Kurfürsten von Sachsen) greife Ich vier Weltberühmtheiten heraus, deren Lebensläufe uns ein Bild des Musiklebens der Zeit geben.


2.4 Biographien berühmter Sängerinnen

Marianna Bulgarelli-Benti, Sopran,
genannt 'La Romanina' geb. 1648, gest. 1734,

sang in den damaligen Musikmetropolen, vor allem in Rom, Genua, Neapel und Venedig. sie trat dort in den für diese Epoche modernen Opern von A. Scartatti, C.F. Pollarolo, L. Leo, Fr. Gasparini und anderer Meister auf, als deren Interpretin sie hohes Ansehen genoss.

Eine schicksalhafte Begegnung ließ sie mit Pietro Metastasio bekannt werden, dessen künstlerische Fähigkeiten sie erkannte und ihn veranlasste, bei N. Porpora Gesang und Komposition zu studieren. Auch wies sie ihm den Weg zur Operndichtung und trat In seinen Stücken auf. 1730 ging sie nach Wien, konnte dort aber nicht an ihre Erfolge in Italien anknüpfen. So kehrte sie nach Italien zurück, wo sie sich in Rom zur Ruhe setzte.

 

2. Faustina Bordoni-Hasse, Sopran (Mezzo),
geb. etwa 1695, gest. 1781,

stammte aus Venedig und war Schülerin von F. Gasparini und B. Marcello. 1716 hatte sie ein geradezu sensationelles Debüt in der Oper 'Ariodante' von C.F. Pollarolo In Venedig. Sie entfaltete dann eine brillante Karriere an den großen italienischen Opernbühnen dieser Epoche und wurde als die neue Sirene' apostrophiert. 1719 hörte man sie in Venedig zusammen mit Francesca Cuzzoni und dem Kastraten Bernacchi; 1722 gastierte sie in Neapel und Florenz, wo man für sie eigens eine Medaille prägte. 1723 triumphierte sie in München, 1725 in Wien.

Händel holte sie 1726 (für eine Jahresgage von 2500 Pfund Steriing) an die von ihm geleitete italienische Oper in London, die im King's Theatre am Haymarket unter dem Namen einer Royal Academy of Music auftrat. Das Debut als Sängerin am 5.5.1726 in der Uraufführung von Händels 'Allessandro' wurde ein überwältigender Erfolg für die Sängerin.

Allgemein bewunderte man ihre unfehlbare Gesangstechnik, ihre musikalische Intelligenz und ihre aparte Bühnenerscheinung. Dies führte zu turbulenten Auseinandersetzungen mit der bisherigen Primadonna des Ensembles, Francesca Cuzzoni. Die Handgreiflichkeiten der beiden Kämpferinnen während einer Aufführung der Oper 'Astianatte' von Bononcini am 6.6.1727 wurde in der Beggar's Opera, die 1728 herauskam, satirisch in der Szene Polly - Lucy vorgeführt.

Faustina Bordoni blieb Siegerin in dem Streit und sang in weiteren Uraufführungen von Händelopern.

11.02.1727 Admeto, Re di Tessaglia,

22.11.1727 Riccardo 1, Re d'lnghilterra,

17.02.1728 Siroe

30.04.1728 Tolomeo.

Nach dem Zusammenbruch der Academy of Music ging Faustina nach Auftritten in Paris, Mailand und München wieder nach Venedig zurück. Dort heiratete sie den deutschen Komponisten Johann Adolf Hasse (1699-1739).

Als dieser 1731 zum Direktor der Dresdner Hofoper ernannt wurde, ging Faustina Bordoni als gefeierte Primadonna an diese Bühne. Sie wirkte dort bis zu Ihrem Rücktritt von ihrer Karriere 1751 mit anhaltendem Ruhm und sang in zahlreichen Opern, die ihr Gatte für sie schrieb.

1742 sang sie in einer Galavorstellung anläßlich des Staatsbesuches von König Friedrich II. und seines Bruders, des Prinzen Heinrich in der Oper 'Lucio Papirio, Dittatore'.

Später gastierte sie auf Einladung des Königs in Berlin in 'Didone abbandonata' von J.A. Hasse. 1764 sang sie bei den Krönungsfeierlichkeiten Kaiser Joseph II. in Wien, wo sie von 1760 -1773 lebte und unterrichtete.

Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Faustina in Venedig, wo sie am 4. November 1781 verstarb, ohne daß die Welt, die einst so erfüllt von ihr war, Notiz davon nahm.

Ihre Stimme war nach heutigem Begriff ein Mezzosopran im Umfang von d'- a", von großer Beweglichkeit und Leuchtkraft, dessen Stimmbiographie wir an den für sie geschriebenen Arien ablesen können. Zudem priesen ihre Zeitgenossen (Oh. Burney, A. Zeno, P. Metastasio, de Brosses, Scheibe, u.a.) ihre achtbare Persönlichkeit, ihre Würde, - le sue cortesi e gentili maniere,- die sie befähigte, die heldenhaften und pathetischen Gestalten ihres Repertoires zu verkörpern.

Aus ihrer letzten Opernproduktion in Dresden sei als Beispiel hier die Arie der Attilia 'Goder con me' aus Attllio Regolo erwähnt.

An dieser Arie läßt sich - trotz des nicht allzu großen Tonumfangs - die außerordentliche Beweglichkeit von Faustina Bordonis Stimme ablesen, die sie in der damaligen musikalischen Welt zur Berühmtheit machten.

 

3. Vittoria Tesi-Tramontini, Alt,
geb. 1700 in Florenz, gest. 1775 in Wien,

studierte bei Francesco Redi in Florenz und In Bologna bei Campeggio. 1716 erfolgte Ihr Debut in Parma, 1717 war sie sehr erfolgreich in Bologna, 1718-19 wiederholten sich diese Erfolge bei Auftritten in Venedig, 1719 kam sie an den Dresdner Hof, von wo sie auch in Polen gastierte. in den zwanziger Jahren ist sie wieder In Italien anzutreffen. So werden von ihr 1727 glanzvolle Auftritte im Mailand gemeldet. Als das Teatro San Carlo am 4.11.1737 mit 'Achilie in Sirio' von Sarro eröffnet wurde, sang sie darin eine Hauptrolle. 1739 war sie in Mailand. 1747-50 hatte sie große Erfolge in Wien, wo sie sich danach als gesuchte Gesangslehrerin betätigte. Der Komponist und Berliner Hofkapellmeister Johann Joachim Quantz beschreibt ihre Stimme als

"einen Contralto von männlicher Kraft"

und rühmt ihren Vortrag von Musikwerken Händels. Charles Burney berichtet von ihr

"Durch die Aktion aber die Zuschauer einzunehmen, schien sie geboren zu sein, absonderlich in Mannsrollen, als welche sie zu ihrem Vorteil fast am glücklichsten ausführte.'

 

4. Francesca Cuzzoni, Sopran,
geb. etwa 1700 in Parma, gest. 1770 in Bologna,

war die Tochter des Violinisten Angelo Cuzzoni, wurde durch Petrinio Lanzi ausgebildet und ihr Debut erfolgte 1716 in ihrer Heimatstadt Parma. Nachdem sie in Bologna und Venedig mit glänzenden Erfolgen aufgetreten war, wurde sie 1722 durch den Impresario John Heidegger für das nach damaliger Vorstellung riesige Jahresgehalt von 2000 Pfund Sterling an das King's Theatre am Londoner Haymarket engagiert. Als sie nicht zeitig dort erschien, schickte Heidegger ihr seinen zweiten Cembalisten Pier Guiseppe Sandoni (1680-1748) entgegen, um sie nach London zu bringen. Auf der Reise dorthin heirateten die beiden. In London setzte sie sich vor allem für das Opernschaffen Händels ein und wirkte in zahlreichen Uraufführungen mit.

23.01.1723 'Ottone, Re di Germania' als Teofane,
02.03.172(3?) 'Giulio Cesare' als Cleopatra,
31.10.1724 'Tamertano' als Asteria,
13.02.1725 'Rodelinda' in der Titelrolle,
05.05.1726 'Alessandro' als Lisaura.

Nach dem skandalösen Streit mit Faustina Bordoni während der Oper 'Astianatte' von Bononcini am 6.6.1727 musste sie mit ihrem Mann, von dem sie sich 1737 trennte, London verlassen. Sie ging jetzt nach Venedig, dann nach Wien, kam aber 1734 nach London zurück, wo sie jetzt im Lincoln's Inn Fields Theatre, das Händels Gegenspieler Nicola Porpora, mit seiner Truppe bespielte, auftrat. Sie bleib hier bis 1737, sang um 1740 in der Operntruppe der Brüder Mingotti in Deutschland, kam 1748 nochmals nach London zurück, fand dort aber keinen Anklang mehr und mußte 1750 endgültig England verlassen. Sie verarmte jetzt sehr schnell, wurde in Holland wegen ihrer Schulden ins Gefängnis gesperrt und mußte schließlich in Bologna als Knopfmacherin ihr Brot verdienen.

Johann Joachim Quantz beschriebt ihre Stimme, die den Ehrennamen 'Die goldene Leyer' trug, so:

"Ein reiner, angenehm klingender Sopran, einen klare Intonation und ein feiner Ausdruck; der Stimmumfang reicht vom c' bis c".

Der Belcantismo, war also die Frucht einer denkwürdigen Leistung, die Vokalisten, Instrumentalisten und Komponisten gemeinsam, sich gegenseitig ergänzend, fördernd und anstachelnd, auf dem Gebiet der Phantasie, der virtuosen Technik erbrachten. Das italienische 'Melodramma' entwickelte sich hedonistisch und virtuosistisch, weil es ein Kind seiner Zeit war. Damit stellte es durchaus nicht ein isoliertes Phänomen dar; die gesamte Musik der barocken Ara war virtuosistisch und hedonistisch ausgerichtet; sie wollte die gleichen Emotionen, das gleiche Staunen erwecken, wie die Dichter, Maler, Bildhauer und Architekten.

Ebenso staunenswert waren die Frauen, die nach strenger Erziehung fähig waren, erfolgreich Lei­stungen auf der Bühne zu erbringen, Instrumente zu beherrschen, zu dichten, zu komponieren und sich der Gelehrsamkeit zu widmen, fragt doch Christian Franz Paulini in seinem Traktat:

'Das Hoch- und Wohlgelahrte Teutsche Frauenzimmer' (1705).
"Ob nemlich das Weibliche Geschlecht am Verstand dem Männlichen von Natur gleich, auch zu Verrichtung Tugendamer Wercke und Thaten ebenso fähig und geschickt sey."

Die großen Sängerinnen des 18. Jahrhunderts, von denen ich nur einige erwähnt habe, deren Wir­ken aber in Hof- und Stadtarchiven nachzulesen ist, haben sich einen unvergänglichen Platz in der Operngeschichte erkämpft, die scholastische Weiblichkeitsbestimmung als 'animal imperfectum' (Thomas von Aquin) überwunden, denn sie wurden als Mitglieder der compagnia anerkannt und waren Partnerinnen von Autoren und Komponisten.
Da sich aber die Kirche, selbst die Protestantische, noch gegen ihre Mitwirkung sträubte, schrieb Joh. Mattheson In den 'Critica musica' (1722-25)

"Es steht nicht zu begreifen, warum man diesem schönen Geschlechte verbieten will, das Lob Gottes an dem dazu gewidmeten Orte öffentlich in seinem Munde zu führen. Sagt einer: die Person singt in der Opera; so singen ja auch Männer allda. Sagt der andere: sie ist zu hübsch; so müssen nur alle affige Gesichter aus der Kirche bleiben. Sagt der Dritte: sie singt garzu lieblich; so hat man ja Ursache, Gottes Wunder in der Menschenstimme zu preisen etc.
Summa, ich bleibe noch wie vor 12 Jahren bei den Worten stehen, daß wir die Gaben Gottes mit Füßen treten, wenn wir unter nichtigen heuchlerischen Vorwänden kein Frauenzimmer zur Kirchenmusik lassen und den Gottesdienst also seines besten Schmuckes berauben."

Mattheson, Johann:
'Der vollkommene Kapellmeister'
Hamburg 1739
Nachdruck, 1954, Kassel, Band 2, Seite 230



(wird fortgesetzt)





Leserbrief


Sehr geehrte Frau Prof. Marie-Louise Gilles,

ich bin seit einiger Zeit Bezieher Ihres Mitteilungen. Ich bin in den 60er Jahren über eine Anstellung als Beleuchtungstechniker im Opernhaus Hannover zum Musiktheater gekommen. Mein letzter Besuch im Opernhaus galt "Hänsel und Gretel“, Ende Dezember 2017. Aber nur, weil die Oper noch in der Inszenierung von Steffen Tiggleler aufgeführt wurde.

Im Übrigen will ich Ihren Anmerkungen, was die Kritik am Regisseurtheater betrifft, inhaltlich vollständig zustimmen. Vieles habe ich selber erlebt, inclusive einer „Abwatschung“ durch Dr. Klügl, bei einer Fragestellung zum „Freischütz“. Bei ihm treffen offenbar die Eigenschaften „Publikumshasser“ besonders zu. Kann eine Stadt so einen Intendanten (Künstlerisches Betriebsbüro?) halten, die sich um einen Titel „Kulturhauptstadt" bemüht?

Kulturarbeit kann keine Nische sein, in der dorthin platzierte und bestallte Leute tun und lassen können, was sie wollen. Schließlich greifen sie oft in klassische Kunstwerke ein, verzerren sie und reißen sie aus dem Kontext der Schöpfungszeit, wobei deren Autoren sich oft nicht mehr wehren können.

Ich habe mit meiner Frau und Bekannten lange Jahre ein Abonnement für das Opernhaus belegt. Nachdem sich immer mehr die Verfremdung klassischer Opernwerke abgezeichnet hat, haben wir die Abo’s gekündigt. Wobei wir nichts gegen zeitgenössisches Theater haben, wir haben uns seinerzeit an modernen Werken erfreut.

Ich schlage deshalb die Entwicklung eines Ethik-Grundsatzes vor, nachdem ein vorgelegtes (klassisches) Werk prinzipiell nicht aus dem Kontext seiner Schöpfungszeit verändert werden darf, weil es i.d.R. zu einer Veränderung der Werkaussage führt. Das soll die Freiheit der Kunst nicht einschränken, nur einen Bestandsschutz bewirken. Wir schrauben ja auch an einen Barocktisch keine Gummirollen.

Ihr Journal lese ich mit großem Interesse, insbesondere die Vitae vieler, mir noch bekannter, Schauspieler, aber auch Ihre Beschreibung der aktuellen Situation im Musiktheater. Kleine Kritik: Sie schreiben von „Tänzerinnen“ und „Tänzer“. Ich halte das für etwas übertrieben: „Tänzer, die“ umfasst Personen beiderlei Geschlechts. (—> "Christen" und „Christinnen"?)

Mit freundlichen Grüßen
Bruno Hanne



Nachtrag
 

Hallo Frau Gilles,

wenn es nützlich ist können die Mail gern als Leserbrief veröffentlichen. - Auch gekürzt, wenn Sie wollen, das machen ja die Zeitungen auch.- Aber bitte nicht anonym, wir wollen uns doch nicht auf das Niveau von facebook begeben.
Ihr Vorschlag, einen Artikel für das Heimatland zu schreiben, ist sehr gut. Sie erreichen ca. 4000 Leser und vor allem die Generation, die noch im klassischen Theater schwelgen konnte.

Noch eine Anregung: Ich habe nicht nur Opern sondern auch Sprechtheater auf der großen Bühne erlebt, z.B. "Die Physiker", "Prinz Friedrich von Homburg", "Mutter Courage und ihre Kinder", u.v.m. Das waren packende Inszenierungen in Hannover. Vielleicht könnten Sie die Stückbeschreibungen (Inszenierungen?) in die „Mitteilungen“ schreiben.
Und „Mutter…“ könnte man, wg. des "runden“ Kriegsendes, mal wieder auf den Spielplan setzen auch weil es die Situation in den aktuellen Kriegsgebieten abbildet.

Mit freundlichen Grüßen und in der Hoffnung, dass ich Sie nicht in der Sonntagsruhe gestört habe.

Bruno Hanne

Stellvertr. Präsident u. Schriftführer Hematbund Niedersachsen e.V.
 



„Möge Gott dich vor dieser Oper beschützen“, schrieb Puccini an seine Freundin Sybil Seligman über seine zweite Oper Edgar, mit der ihm kein Glück beschieden war. Das Werk war bei der Uraufführung 1889 an der Scala beim Publikum durchgefallen, woraufhin Puccini zahlreiche Änderungen vornahm und den vierten Akt strich.
Mehr als 40 Minuten Musik – und zwar die beste des Werks. Gestrichen aufgrund vermeintlicher Schwächen des Librettos. Das ewige Herumfeilen an der Partitur verwehrte Edgar schließlich die Aufnahme in den Kanon von Puccinis All-time-Opera-Hits. Teile des verworfenen vierten Akts verwendet der Komponist in späteren Instrumental- und Vokalwerken, das Duett Amaro sol per te m’era il
morire! recycelte er 1900 für seine Oper Tosca. Ist Puccinis Bühnenerstling Le Villi von 1884 noch deutlich der Romantik verhaftet, hat Edgar bereits alles, was Puccini später und bis heute zu einem der meistgespielten Opernkomponisten machte.
Aber das Werk blieb ein „Ladenhüter“, lange Zeit galt der vierte Akt als verschollen. Erst als sich 2007 die amerikanische Puccini-Expertin Linda B. Fairtile daran machte, den erhaltenen Klavierauszug zu reorchestrieren, rückte Simonetta Puccini (1929–2017), die exzentrische Enkelin des Komponisten, die unversehrte Partitur heraus.

Simonetta, die uneheliche Tochter von Puccinis Sohn Antonio, klagte durch alle Instanzen, bis sie endlich im Alter von 66 Jahren den Namen „Puccini“ tragen durfte, jahrzehntelang prozessierte sie
um die Villa ihres Großvaters in Torre del Lago.
Im Juni 2008 wurde der vierte Akt von Edgar konzertant unter Riccardo Chailly beim Puccini-Festival in der Nähe von Lucca wiederaufgeführt. Nicht die Mailänder Scala, nicht Covent Garden und nicht die MET brachten vier Wochen später Puccinis „Ur-Edgar“ szenisch heraus, sondern das Teatro Regio Torino. Unverständlich auch, und ein unglaublicher Glücksfall für Regensburg, dass sich Berlin, Hamburg und München die Möglichkeit der deutschen Erstaufführung entgehen ließen.
2016 stand in Dortmund die vieraktige Fassung von Edgar als konzertante Aufführung auf dem Spielplan.
Ferdinando Fontanas Libretto nach einem Poème dramatique von Alfred de Musset mag zwar hinreichend absonderlich sein, schlecht ist es nicht.
Liebe, Eifersucht, Rache, Vortäuschung des eigenen Todes, Brandstiftung, Mord – Fontanas Vorlage hat alles, was das pralle Opernleben braucht, ausmacht und ist. Seine Rollengestaltung der „maurischen Waisen“ Tigrana ist unverkennbar inspiriert von Bizets Carmen. Müßig darüber zu spekulieren, ob Puccinis Oper tatsächlich ungleich erfolgreicher gewesen wäre, wenn sie – verdientermaßen
und wie Opernenthusiasten nicht müde werden zu beteuern – den Titel Tigrana erhalten hätte.
Im Mittelpunkt des Stücks, das im Flandern des Jahres 1302 spielt, steht der dem Alkohol verfallene Edgar, der sich mit dem engen Dorfleben und der treuen Liebe seiner Verlobten Fidelia nicht zufrieden gibt. Erst flüchtet er sich mit der Außenseiterin Tigrana in ein ausschweifendes Leben, bald darauf wendet er sich dem anderen Extrem zu: Er geht zum Militär. Als siegreicher Held kehrt er in sein Heimatdorf zurück – doch seine einstmals verzweifelte Suche nach Halt hat sich in zerstörerische Selbstgerechtigkeit gewandelt.
Das Regieteam Hendrik Müller und Marc Weeger, das in der letzten Spielzeit mit großem Erfolg Moritz Eggerts Oper Freax auf die Bühne gebracht hat, kehrt ans Theater Regensburg zurück und zeichnet Edgars Transformation vom Außenseiter zum glühenden Fanatiker in einem dystopischen Zukunftsszenario nach.

Zur Stückeinführungs-Matinee am Sonntag, 22. April um 11:00 Uhr
im Neuhaussaal ist der Eintritt frei.
Einführung in Werk und Inszenierung finden jeweils 30 Minuten
vor jeder Vorstellung im Foyer Neuhaussaal statt.
Es singen und spielen: Yinjia Gong, Mario Klein, Seymur Karimov / Adam Kruzel, Anikó Bakonyi, Vera Egorova-Schönhöfer, der Opernchor und der Cantemus-Kinderchor (Einstudierung Alistair Lilley) sowie das Philharmonisches Orchester Regensburg.
Die musikalische Leitung hat Tetsuro Ban, es inszeniert Hendrik Müller, für Bühne und Kostüme zeichnet Marc Weeger verantwortlich.

Edgar
Oper in vier Akten von Giacomo Puccini (1858–1924),
Libretto von Ferdinando Fontana.
Deutsche szenische Erstaufführung der vieraktigen Fassung.
Sa, 28. (Premiere) und Mo, 30. April, 19:30 Uhr
im Theater am Bismarckplatz




 

Wilfried Minks
…. am 13. Februar 2018 in Berlin gestorben
 

 

 

“Die Bühnenbilder von Minks in Bremen waren immer Bestandteil der Regie. Sie nahmen dem Spiel der Schauspieler alle Zufälligkeiten. Einfälle, die nicht vom Stücktext getragen wurden, gab es hier nie. Die Arrangements, Worte und Gesten mussten höchst genau sein und hatten auf der nackten Bühne gegenüber dem jeweiligen Spielgerüst sozusagen den Wahrheitsbeweis anzutreten. Minks wollte weg vom Kulissenillusionismus, er schuf immer realistische Räume, auch wenn
es künstliche Raumwelten waren.“


Klaus Völker – Mitglied der Akademie der Künste


Ja, damals in Bremen!
Ja, ich war dabei!
Sentimentales Getue liegt mir nicht und früher war ja auch nicht alles besser, aber die Jahre in Bremen bei Intendant Kurt Hübner waren prägend, unvergesslich.
Wir waren ein Ensemble-Theater im besten Sinne.
Wir kannten unsere Kollegen vom Schauspiel, vom Ballett – besuchten gegenseitig unsere Vorstellungen, arbeiteten miteinander, profitierten voneinander.

Das Publikum, die überaus wachen Bremer Bürger, liebten und feierten uns, luden uns nach Premieren ein oder schrieen Proteste wie “Aufhören“ gegen missglückte Inszenierungen – wie bei einer ’Frau Luna’ des Regisseurs K., der leider nach Frankfurt und Bayreuth ’gehyped’ wurde.

Wieviele Schauspieler hatte Kurt Hübner in Bremen versammelt, die wir heute als seltene Stars im Fernsehen erleben z.B. Bruno Ganz, die sich heute rar machen auf den Bühnen, um den Erniedrigungen des Regisseurstheaters zu entgehen.
Wir, das Opernensemble sangen nicht nur im Theater, wir waren in den großen Konzerten im Dom dabei z.B. bei einer unvergesslichen
Glagolytischen Messe von Leos Janáček, den Passionen und Kantaten, wir waren bei Radio Bremen mit Klaus Bernbacher dabei und so durfte ich in der Truppe des Erfinders des ’FLUXUS’ Wolf Vostell, im Funkhaus mit einem Rudel kanadischer Wölfe heulen, Salatblätter kauen, wobei das Geräusch mit einem Mikro an meiner Backe aufgenommen wurde. Das alles machte einen Mordsspaß und schließlich kam noch Stockhausen dazu.
Wir führten unter der Leitung von Klaus Bernbacher ’Gurre-Lieder’ und die ’Erwartung’ von Arnold Schönberg auf.
In diesem Brodeln von Talenten unter den ordnenden Händen des Intendanten Kurt Hübner und GMD Hans Wallat erlebte ich ’Orpheus und Eurydike’ und den ’Troubadour`im Bühnenbild und in den Kostümen von Wilfried Minks.
Im Rückblick war der ’Orpheus` ein Wunder an ewig gültiger Ästhetik (siehe Titelbild der Nr. 2 der ’Mitteilungen’) und der ’Troubadour’ eine phantastische optische Reise durch die Glücks-Phantasien und Ängste der Figuren.
Das alles hatte Sinn im Dienst des Werkes, und so denke ich gerne an die Zusammenarbeit mit Wilfried Minks zurück.

ML Gilles



 

Kommentar

In den 1970er Jahren schrieb sich die Sopranistin Ileana Cotrubas den Frust von der Seele, als es mit dem Regisseurstheater anfing.
Sie wurde als Sängerin, die ja angeblich keine Ahnung von Regie hat, in der Luft zerrissen.

 

 
1973 stieg sie in Wien aus einer Neueinstudierung der Oper Eugen Onegin aus, 1980 ebenso bei den Proben zu Don Pasquale an der Metropolitan Opera.1981 drohte sie aus einer Produktion der Oper La Traviata an der Metropolitan Opera auszusteigen, weil sie mit der szenischen Neueinrichtung des Regisseurs John Dexter nicht einverstanden war.

1987 wandte sie sich nach einer Aufführung der Oper La traviata am Opernhaus Zürich in einer Ansprache an das Publikum und bat um Nachsicht, dass sie in dieser für sie optisch unbefriedigenden Inszenierung des Regisseurs Nicolas Joel und des Bühnenbildners Pet Halmen hatte auftreten müssen.

Quelle: Wikipedia

 

Gelegentlich äußert sich heute der Eine oder der Andere, der nicht oder nicht mehr von Regisseuren oder Intendanten abhängig ist, zur Lage der Theater. Am 1. März 2018 erschien ein Interview in der Berliner Morgenpost, in dem René Kollo bekannt gibt, dass er nochmals auf Tournee gehen will.
Das ist der eine Punkt.

Er sagt auch, dass er nicht mehr in die Oper geht, weil er nach zehn Minuten schon böse sei, weil er gleich sehe, was alles falsch ist. Und wenn er dann in der Mitte der Reihe sitze, dann könne er ja nicht gleich wieder rausgehen, zumal alle ihn kennen. Und da gehe er eben gar nicht mehr hin.

Die heutige Regie sei zum größten Teil Unsinn. Es würden nicht die Stücke inszeniert, sondern der Regisseur inszeniere sich selber und fülle sein Bankkonto.

Wenn er heute in ’Tristan’ oder in ’Traviata’ gehe, dann habe das, was da gezeigt werde, meist mit den Werken nichts mehr zu tun.

In Bayreuth habe er ’Rheingold’ gesehen und nach der Vorstellung mit viel Rotwein zwei Stunden gebraucht, bis er wieder Mensch wurde.

Zitat
“Den hätte ich umbringen können. So viel Dummheit habe ich in meinem Leben noch nie gesehen, dazu war es beschissen musiziert. Es war ein furchtbarer Abend.“

Zitatende

© heerrufer.de


 

Schlussbemerkung

Der Krieg gegen das Publikum wird von den Intendanten und ihren Regie-Lieblingen ohne Rücksicht
auf Wirtschaftlichkeit und Zerstörung der Kunstform Theater geführt.
Gedrechselte ’Soziologen-Sprech-Artikel’ füllen die Programmhefte der Schauspieltheater und verbreiten sich epidemisch schleichend auch ins Musiktheater. In unverschämter Selbstüberschätzung drängen uns Autoren und Regisseure ihre Kindheitstraumata auf, für die wir sie zwar bedauern, aber wer will sich in Inszenierungen sich über Ekel-Performances ärgern?
Ist die Oper der Austragungsort ’sozioästhetischer’ Grundsatzfragen?
Ist das Werk, das Textdichter und Komponist mit größter Verantwortung geschaffen haben, nichts als ein Abbruchgebäude, an dem sich die Herrschaften per Dekonstruktion und Umfunktionierung, per Verheutigung, per Herunterbrechen, per Politisierung, per Sexualisierung, per Trivialisierung auch
noch zu unseren Lasten durch Verschwendung von Steuergeldern zu schaffen machen?

Oft frage ich mich, wieso dieser plumpe Unfug den meisten Dirigenten gleichgültig ist. Sie haben den Blick in der Partitur und im Orchester, schnippen sekundenschnell einen Einsatz zu den Sängern auf
die Bühne, die Musik ist schön, egal ob der Zuschauerraum voll oder leer ist.

Dass sich Christoph von Dohnanyi in Berlin von einer Neuenfels’schen Scheußlichkeit distanziert und
die ’Salome’ wegen "Künstlerischer Differenzen" nicht dirigiert, ist ein mutiger Schritt. Ob der erfahrene alte Herr, der alles in seinem Leben genossen hat, auch genügend Kollegen aufweckt, ist mehr als wünschenswert.

In einem Aufsatz über ’Parsifal’ von 1983 schreibt mein unvergesslicher Lehrer an der Folkwanghochschule und späterer Intendant, Günther Roth, für den die Bühne immer ein Ort der Ästhetischen Inspiration und des Zaubers war, der uns Mitwirkende und das Publikum über die miese kleine Welt hinaushob:

“Warum nun gerade Wunder dem Wundertheater Oper nicht anstehen sollen, sondern sich durch eben dieses Medium ganz selbstverständlich ergeben – ’das macht den Meistern Pein.“

Unsere heutigen Regisseure würde er wohl nicht mehr mit einem charmanten Meistersinger-Zitat bedenken, denn sie haben das Publikum so verärgert, dass die Theater leer sind.

Am 17. Februar 2018 pries die HAZ die Produktion ’Der Freischütz’ in ihrer Gruppierung ’AboPlus’
an: “Gewinnen Sie Ticket für die Oper ’Freischütz’“.
Trotz aller Bemühungen blieb der dritte Rang an jenem 6. März 2018 wieder einmal geschlossen. Und dies nicht wie das Nds. Ministerium für Kultur und Wissenschaft in mehreren Schreiben glauben machen will ’aus künstlerischen Gründen’, sondern weil das Publikum die ’Freischütz’-Produktion schon seit 2015, ihrem erstmaligem Erscheinen, ablehnt und laut Kassenpersonal kaum Karten im Falle der Wiederaufnahme abgesetzt werden können.

Der untenstehende Bildschirm-Ausdruck zeigt, wie wenig besucht die Nds. Staatsoper Hannover am 6. März 2018 anlässlich der Wiederaufnahme des ’Freischütz’ war.
Alles, was farbig – rot, grün, gelb, blau dargestellt ist, zeigt die nicht verkauften Karten zwei Stunden vor Beginn der Vorstellung am 6. März 2018.
Nur die grau kenntlich gemachten Plätze waren zu dem Zeitpunkt abgesetzt worden.
Der dritte Rang war von vorn herein  geschlossen.
 
ML Gilles





 



erscheint als Printmedium als nichtkommerzielles Beiblatt zu


 

   

Ich kommentieren Dinge des Zeitgeschehens,
ob es sich um Politik oder Veranstaltungen aller Art handelt.
Ich verstehe meine Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf nach meiner Meinung zu Geglücktem oder Misslungenem.
Neben Sachaussagen enthalten meine Texte auch Überspitztes und Satire.
Für diese nehme ich den Kunstvorbehalt nach Artikel 5 Grundgesetz in Anspruch.

ML Gilles