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'Eine Mitteilung an meine Freunde'

Ausgabe
Nr. 23

 

 
 

 

 

   
Der Bund der Steuerzahler Niedersachsen Bremen informierte
am 04. Oktober 2018:
     
 

 

 

 

Zitat

Zuschüsse an die niedersächsischen Staatstheater begrenzen
(Kapitel 0660, 0661, 0674)

Alle drei niedersächsischen Staatstheater erhalten 2019 höhere Zuschüsse aus dem Landesetat. Die Finanzhilfen an die Staatstheater Hannover GmbH für den laufenden Betrieb sollen 2019 auf 64,4 Millionen Euro (plus 2,25 Millionen Euro) ansteigen. Das IST 2017 lag noch bei 60,2 Millionen Euro. In der Spielzeit 2015/2016 betrug die Zuwendungshöhe 58,19 Millionen Euro (Angaben aus der Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins).

Das Staatstheater Braunschweig kann 2019 mit einer um 1,37 Millionen Euro erhöhten Zuwendung von 32,89 Millionen Euro rechnen. Allerdings steuert dazu die Stadt Braunschweig fast ein Drittel der Kultursubventionen (10,77 Millionen Euro) bei.

Für das Oldenburgische Staatstheater sind 2019 25,45 Millionen Euro (plus 838.000 Euro) an Landeszuschüssen vorgesehen, zu denen die Stadt Oldenburg 6,26 Millionen Euro beisteuert.

Vorschlag BdSt: Auf die Steigerung der Finanzhilfen sollte verzichtet werden. Den staatlichen Theatern müssen mehr und höhere Eigenanstrengungen zur Erhöhung des Kostendeckungsgrades zugemutet werden. Eine (steigende) Dauersubventionierung der Häuser lässt eigene Initiativen zu Kostensenkungen und Erlössteigerungen erlahmen. Dass die Staatstheater Hannover GmbH (und andere Häuser) die Zahl der angebotenen Plätze im Opernhaus bei einzelnen Vorstellungen (künstlich) verringert, um hohe Auslastungszahlen bei einzelnen Vorstellungen ausweisen zu können, sollten Landtag und Landesregierung nicht länger akzeptieren.

Einsparsumme: 4,46 Millionen Euro

Zitatende

 

Dass die Frage nach der Bezuschussung der Theater auch Eingang in die Schrift ’Der Steuerzahler’ gefunden hat, hilft, die Problematik einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen.

Auch hat die Nds. Landesregierung, wie in Nr. 22 der ’Mitteilung an meine Freunde’ auf Seite 30 und 31 berichtet, kein Interesse durch Erhöhung der Zuschüsse an einer Veränderung der Situation z.B. durch tägliche Aufführungen beizutragen.

Man hat offensichtlich das Haus abgeschrieben und die Behörde bezieht dies auf die gesamte deutsche Theaterlandschaft, wenn sie mit ihrer Mitteilung vom 18. Mai 2018 festschreibt:
 

 

Zitat

Unabhängig von der Höhe der finanziellen Förderung ist es allerdings faktisch unmöglich, jeden Abend im Monat eine Vorstellung zu geben. Dies gilt sowohl für die Staatsoper Hannover, als auch für alle übrigen Opernhäuser in Deutschland.

Durch die in einem Opernhaus erforderlichen Arbeitsvorgänge im Umfeld einer Aufführung ist es nicht realisierbar, auf derselben Bühne tagsüber künftige Stücke zu probieren und abends dem Publikum eine Aufführung eines anderen Stücks zu bieten.


Zitatende

 


Das bedeutet,
- dass, egal wie hoch die Subventionen sind, auf keinen Fall jeden Abend gespielt werden kann und das gilt für alle Opernhäuser Deutschlands.

Und weiter:
Es kann abends nicht gespielt werden, wenn morgens auf der Bühne probiert wird.

Proben blockieren somit für Wiederaufnahmen und für Neuproduktionen die Bühnen. Damit werden die Opernhäuser Deutschlands zu einzigen Geldfallen für die öffentliche Hand.

Nachfolgend eine Aufstellung der ersten drei Monate 2019 der Auslastung der Nds. Staatsoper Hannover.

Sie ist unbefriedigend und dokumentiert, dass das Haus schlecht geführt wird, was sich in einer außerordentlichen Unproduktivität zu Lasten der Steuerzahler dokumentiert, denn auch an den Leertagen läuft der Apparat mit Solisten, Chor, Orchester, Werkstätten, Bühnentechnik und Verwaltung mit normaler Kostenentfaltung weiter.

Aus den Leerständen ergibt sich auch die unbefriedigende Beschäftigung der Solisten und des Chores.
Das Orchester hat noch das Glück, sich neben dem kargen Betrieb des Musiktheaters in Sinfoniekonzerten präsentieren zu können.

Hinzu kommt, dass das Angebot an Werken außerordentlich kläglich und dem Ansehen einer Staatsoper als erstem Haus am Platze einer Landeshauptstadt abträglich ist.

Dass die Bevölkerung das Haus schon im Grundsatz ablehnt, zeigt sich auch an der Notwendigkeit, Vorstellungen mit dem Hinweis:
“Zahl eine, krieg’ste ’ne zweite Karte dazu!“
zu verhökern
oder bei der Produktion ’Was ihr wollt’ Schüler/Studenten unter 30 Jahren zu animieren, Karten zu kaufen nach der Maßgabe:
“Zahlt, was ihr wollt!!“

Kaufmännisch eine absolut fragwürdige Vorgehensweise, die darüber hinaus dem Ansehen des Hauses abträglich ist. Schlimm für die Bevölkerung, wenn sie zu Beginn der Spielzeit Karten kaufte und nun feststellt:

Ich bin Schüler/Student unter 30. Jetzt kriege ich eine Karte für’n Euro oder noch weniger! Im Vorverkauf habe wesentlich mehr bezahlt!

Wie argumentiert da Frau Achenbach von der Theaterkasse:
„Da haben sie eben Pech gehabt!“

Am 19. Januar 2019 wurde die einzige für den 20. Januar 2019 verbliebene Vorstellung von ’Was ihr wollt’ abgesagt. Wieder muss als Begründung einer aus dem Ensemble mit Krankheit den Kopf dafür hinhalten. Und dabei hatte die HAZ durch Roland Meyer-Arlt am 18. Januar 2019 beklagt, dass überhaupt nur sechs Vorstellungen vorgesehen waren.

Der künstlerische Wert des Spielplans ist im Bezug auf Erfüllung des Bildungsauftrages bei den Möglichkeiten der Opernliteratur geradezu lächerlich gering.
Die neue Intendanz übernimmt übrigens zehn der bisherigen Produktionen, was zweifellos die Wirtschaftlichkeit erhöht, allerdings sind Inszenierungen dabei, die bereits jetzt vom Publikum abgelehnt wurden und somit auch dann bei einer Wiederaufnahme kaum auf Akzeptanz stoßen werden.

Das mangelnde Interesse der Bevölkerung am Theater in Deutschland zeigt sich nicht nur in Hannover, sondern schließt den ganzen Raum von Flensburg bis Regensburg und von Trier bis Zwickau ein. Wobei die genannten Städte noch eine Alleinstellungsposition einnehmen, da um sie herum im näheren Umkreis kein Theaterangebot aufgezeigt wird.
 

 

 

Belegung Nds. Staatsoper Hannover

 

 

 

 

 

 

 

 

2019

Belegung

 

Szene

 

Konzert

 

Januar

 

Nr.

 

Nr.

 

Nr.

 

 

 

 

 

 

 

01.01.

 

 

 

 

Neujahrskonzert

1

 

 

 

 

 

Neujahrskonzert

2

02.01.

leer

1

 

 

 

 

03.01.

leer

2

 

 

 

 

04.01.

 

 

Traviata

1

 

 

05.01.

 

 

Was ihr wollt

2

 

 

06.01.

 

 

König Karotte

3

 

 

07.01.

leer

3

 

 

 

 

08.01.

 

 

Was ihr wollt

4

 

 

09.01.

leer

4

 

 

 

 

10.01.

leer

5

 

 

 

 

11.01.

 

 

Aida

5

 

 

12.01.

 

 

Traviata

6

 

 

13.01.

 

 

Zauberflöte

7

 

 

14.01.

leer

6

 

 

 

 

15.01.

leer

7

 

 

 

 

16.01.

 

 

Aida

8

 

 

17.01.

leer

8

 

 

 

 

18.01.

leer

9

 

 

 

 

19.01.

 

 

Nevermore

9

 

 

20.01.

 

 

 

 

Mädchenchor

3

 

 

 

Was ihr wollt
ersetzt durch Traviata

10

 

 

21.01.

leer

10

 

 

 

 

22.01.

leer

11

 

 

 

 

23.01.

leer

12

 

 

 

 

24.01.

 

 

Traviata

11

 

 

25.01.

 

 

West Side Story

12

 

 

26.01.

 

 

West Side Story

13

 

 

27.01.

 

 

 

 

Kinderfest

4

 

 

 

 

 

Kinderfest

5

28.01.

leer

13

 

 

 

 

29.01.

 

 

Sommernachtstraum

14

 

 

30.01.

leer

14

 

 

 

 

31.01.

leer

15

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Summen

 

15

 

14

 

5

 

 

 

 

 

 

 

 

15 x Leerstand

19 Nutzungen incl. 5 Konzerte

 

 

19 x 100 = 1900 : 31 = 61 % Nutzung

 

 

39 % Leerstand

 


 

 

Belegung Nds. Staatsoper Hannover

 

 

 

 

 

 

 

 

2019

Belegung

 

Szene

 

Konzert

 

Februar

 

Nr.

 

Nr.

 

Nr.

 

 

 

 

 

 

 

01.02.

leer

1

 

 

 

 

02.02.

 

 

Choreographien -
einmal zahlen und zu zweit ins Ballett gehen!

1

 

 

03.02.

 

 

Zauberflöte

2

 

 

04.02.

leer

2

 

 

 

 

05.02.

leer

3

 

 

 

 

06.02.

leer

4

 

 

 

 

07.02.

leer

5

 

 

 

 

08.02.

 

 

West Side Story

3

 

 

09.02.

 

 

West Side Story

4

 

 

10.02.

 

 

Sommernachtstraum
- einmal zahlen und zu zweit in die Oper gehen!

5

 

 

 

 

 

 

 

Kinderkonzert

1

11.02.

 

 

 

 

Kinderkonzert

2

12.02.

leer

6

 

 

 

 

13.02.

leer

7

 

 

 

 

14.02.

leer

8

 

 

 

 

15.02.

 

 

Choreographien 

6

 

 

16.02.

 

 

Faust

7

 

 

17.02.

 

 

Sommernachtstraum

 

 

 

18.02.

leer

9

 

 

 

 

19.02.

 

 

Faust
einmal zahlen und zu zweit in die Oper gehen!

8

 

 

20.02.

 

 

Sommernachtstraum

9

 

 

21.02.

 

 

Nevermore

10

 

 

22.02.

 

 

Faust

11

 

 

23.02.

 

 

West Side Story

12

 

 

24.02.

 

 

 

 

Sinfoniekonzert

3

25.02.

 

 

 

 

Sinfoniekonzert

4

26.02.

leer

10

 

 

 

 

27.02.

leer

11

 

 

 

 

28.02.

leer

12

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Summen

 

12

 

12

 

4

 

 

 

 

 

 

 

 

12 x Leerstand

16 Nutzungen incl. 4 Konzerte

 

 

16 x 100 = 1600 : 28 = 57 % Nutzung

 

 

43 % Leerstand

 



 

 

Belegung Nds. Staatsoper Hannover

 

 

 

 

 

 

 

 

2019

Belegung

 

Szene

 

Konzert

 

März

 

Nr.

 

Nr.

 

Nr.

 

 

 

 

 

 

 

01.03.

 

 

Opernball

1

 

 

02.03.

 

 

Opernball

2

 

 

03.03.

leer

1

 

 

 

 

04.03.

leer

2

 

 

 

 

05.03.

leer

3

 

 

 

 

06.03.

 

 

Faust

3

 

 

07.03.

leer

4

 

 

 

 

08.03.

 

 

Inferno

4

 

 

09.03.

 

 

König Karotte

5

 

 

10.03.

 

 

Inferno

6

 

 

11.03.

leer

5

 

 

 

2

12.03.

leer

6

 

 

 

 

13.03.

leer

7

 

 

 

 

14.03.

 

 

König Karotte

7

 

 

15.03.

 

 

Inferno 

8

 

 

16.03.

 

 

Faust

9

 

 

17.03.

 

 

 

 

Sinfoniekonzert

1

18.03.

 

 

 

 

Sinfoniekonzert

2

19.03.

 

 

Sommernachtstraum

10

 

 

20.03.

leer

8

 

 

 

 

21.03.

leer

9

 

 

 

 

22.03.

 

 

West Side Story

11

 

 

23.03.

 

 

West Side Story

12

 

 

24.03.

 

 

Faust

13

 

 

25.03.

leer

10

 

 

 

 

26.03.

leer

11

 

 

 

 

27.03.

 

 

Nevermore

14

 

 

28.03.

leer

12

 

 

 

 

29.03.

 

 

 

 

 

 

30.03.

 

 

Sommernachtstraum

15

 

 

31.03.

 

 

Faust

16

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Summen

 

12

 

17

 

2

 

 

 

 

 

 

 

 

12 x Leerstand

19 Nutzungen incl. 2 Konzerte

 

 

17 x 100 = 1700 : 31 = 61 % Nutzung

 

 

39 % Leerstand

 



 



Interview mit Chin-Chao Lin, Generalmusikdirektor des Theaters Regensburg

„Eine gute Konzert- oder Opernaufführung wird immer im Austausch entwickelt.“

 

Hat der Name Chin-Chao Lin eine Bedeutung?

Ja, das hat er. „Chin“ bedeutet so viel wie „fleißig, emsig“ und Chao heißt „super“ oder „enorm“. Es ist wohl irgendwie mein Schicksal, super fleißig zu sein – und das bin ich. Der Familienname „Lin“ ist in Taiwan sehr verbreitet, so wie in Deutschland etwa „Müller“.

Schon mit 16 Jahren haben Sie mit dem Dirigieren begonnen. Hätte es auch andere Berufsoptionen für Sie gegeben?

Musik hatte immer oberste Priorität, sie war immer meine Leidenschaft. Ich habe als kleiner Junge im Schulorchester Violine gespielt und durfte als Konzertmeister das Einspielen dirigieren. Nun ja, ich habe im Prinzip mehr oder minder herumgefuchtelt, aber immer mit vollem Einsatz für die Musik. Es gab einmal eine Phase, in der ich überlegt habe, Schauspieler zu werden, aber ich habe bald gemerkt, dass ich mich mit Musik einfach besser ausdrücken kann als mit Worten.

Sie haben mit herausragenden Orchestern und Dirigenten zusammengearbeitet – welche waren für Sie prägende Figuren und Ensembles?

Pierre Boulez, Kurt Masur, Peter Eötvös, Bernard Haitink, … das sind alles große Namen und natürlich herausragende Dirigenten, da kann man von jedem sehr viel mitnehmen. Doch auch von denjenigen, die nicht von Haus aus auch gute Pädagogen sind, kann man sich viel abschauen. Zum Beispiel, wie man die Dynamik des Klangs handhabt und wie man phrasieren kann. Ich sage immer, auch ein schlechter Lehrer ist ein guter Lehrer, weil er auch vormacht, was man nicht machen sollte. Oft erschließt sich dies aber erst nach Jahren und erst mit der Erfahrung kann man benennen, warum.

Was ich aber in den letzten Jahren auf jeden Fall gelernt habe, ist, dass man ein Quantum Gelassenheit an den Tag legen muss und ein Orchester auch mal loslassen, alleine laufen lassen muss. So können diese zauberhaften Momente entstehen, die uns allen in Erinnerung bleiben.

Mit 31 Jahren sind Sie einer der jüngsten Generalmusikdirektoren Deutschlands. Inwieweit erfordert diese Position Autorität und Durchsetzungsvermögen?

GMD zu sein ist kein Wettbewerb und schon gar keiner, in dem nach Lebensjahren gewertet wird. Ich glaube, dass ich allein mit Autorität und Durchsetzungsvermögen meinen Aufgaben nicht gerecht werden kann, denn letztendlich bin nicht ich es, der spielt oder singt, sondern die Musikerinnen und Musiker. Mein Job ist es, alles zusammenzuführen und zusammenzuhalten. Die Zeiten sind vorbei, als es hieß, ich will das so und nicht anders. Ich finde es zunächst einmal wichtig, zuzuhören – nicht nur beim Musizieren, sondern auch beim gemeinsamen Arbeiten. Jedes Orchester hat seinen charakteristischen Klang, sein eigenes Tempo und setzt sich aus vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammen. Man muss sich aufeinander einlassen, denn nur im gemeinsamen Prozess gelingt Großes. Eine gelungene Konzert- oder eine Opernaufführung wird immer im Austausch und Hand in Hand entwickelt. Zu meinem Verständnis von musikalischer Leitung ist auch eine gründliche Recherche essenziell, hiermit meine ich das Wissen um Hintergründe wie Zeitumstände und Biografisches zu den Komponisten. So entwickle ich Ideen, die ich mit dem Orchester diskutiere. Ich habe es mit gut ausgebildeten Musikerinnen und Musikern zu tun, deren Erfahrung und Know-how ich nicht ignorieren darf. Meine Aufgabe ist es, unsere Klangvorstellungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Wie unterscheiden sich Ihre Arbeits- und Herangehensweisen an Partituren bei Musiktheater und bei sinfonischen Konzerten? Haben Sie hier Präferenzen?

Jeder Abend, jedes Konzert, jede Opernvorstellung ist anders und besonders. Eine gewisse Routine ist bei Repertoirevorstellungen unvermeidlich, aber man muss immer wachsam und flexibel sein. Lassen Sie es mich anhand eines Alltagsbeispiels erklären: Wer täglich mit dem Auto zur Arbeit oder nach Hause unterwegs ist, muss auch stets umsichtig und vorausschauend fahren, obwohl man den Weg bereits auswendig kennt, es kann immer sein, dass man sich auf unvorhergesehenes Glatteis begibt. So ist es auch bei Vorstellungen. Das Orchester ist das Auto, das uns vorwärts bringt, Sängerinnen, Sänger und der Chor sind die Passagiere im Wagen, den der Dirigent lenkt. Man muss fokussiert sein, um die richtige Balance zu finden und einen homogenen Klangkörper erzeugen zu können.

In der Vokalmusik kommt auch noch die Frage der Artikulation hinzu, der ich mich aber sehr gerne stelle. Ich kann nicht sagen, das eine mag ich lieber, das andere weniger. Es kommt immer auf den Moment an. Sobald ein Stück öffentlich aufgeführt wird, muss man loslassen. Alle wissen, was zu tun ist, alles wurde probiert und einstudiert, der Vorhang geht hoch und man muss einfach vertrauen.

Am 8. Dezember feierten Sie Premiere mit der Operette Die Herzogin von Chicago, am 26. Januar leiteten Sie die Uraufführung der Oper Elizabetta. Wie bewältigen Sie diesen enormen Spagat? Und was unterscheidet das Dirigieren einer Operette vom Einstudieren zeitgenössischer Musik?

Viele Theater behandeln die Operette sehr stiefmütterlich, was meiner Meinung nach ein großer Fehler ist. Operette gut zu machen, ist in meinen Augen eine der anspruchsvollsten Herausforderungen, denen wir uns am Theater zu stellen haben. Sie lebt noch mehr vom Timing als die Oper, das heißt, man muss noch genauer arbeiten, denn jeder Takt hat seine eigene Farbe. Mir wurde vor Jahren einmal gesagt: „Überlasse die Operette jenen, in deren Adern Wiener Blut fließt! Du musst als Kapellmeister immer abwarten, bis die Dialoge zu Ende sind, die Musik ist ja nur hübsche Zutat ...“. Das denke ich nicht. Stattdessen habe ich den Ehrgeiz, auch das Genre der Operette mit Ernst, Charme und vollem Einsatz zu präsentieren. Die Stimmung bei den Proben zu Die Herzogin von Chicago ist sehr gut, wir verstehen uns alle prächtig und die Motivation vor und hinter der Bühne ist überwältigend. Die Thematik ist topaktuell. Es geht um das Aufeinanderprallen zweier Kulturen: Jazz aus der neuen Welt trifft auf ungarischen Csárdás, amerikanischer Lifestyle auf „Good old Europe“ et cetera. Und auch wenn Donald Trump in dem Stück nicht direkt personifiziert wird, zieht man unweigerlich Parallelen zu heutigen Geschehnissen.

Zum Thema zeitgenössische Musik muss ich sagen, dass es zu unserem Kulturauftrag gehört, diese zu pflegen und zu unterstützen. Wichtig ist hier natürlich auch, eine gewisse Neugierde mitzubringen: Was gibt es an neuen Klangsprachen? Wie artikuliert und präsentiert sich die Gegenwart in der Musik und welche Perspektiven ergeben sich daraus? Die Arbeit mit Gabriel Prokofiev ist sehr spannend, da sich hier zum klassischen Orchesterapparat elektronische Elemente und generierte Samples gesellen, die neue, zusätzliche Ebenen eröffnen. Dies ist ein unglaublich spannender Weg, mit den verschiedensten Stilen der Musik zu arbeiten, ebenso wie ich finde, dass der Komponist hier eine adäquate Tonsprache gefunden hat. Der Klavierauszug und die Gesangspartien sind fertig konzipiert und arrangiert. Prokofiev schreibt tonal, in einer Klangsprache, die nicht am gewöhnlichen Hörbedürfnis vorbeigeht. Und das sehr differenziert, mitunter hört man taktweise in der Tat seinen Großvater Sergej Prokofjew. Die Titelrolle der Blutgräfin gestaltet Vera Semieniuk, deren Partie tiefste Tiefen und höchste Höhen verlangt. Eine äußerst anspruchsvolle Partie, die ich bei ihr in besten Händen weiß.

Klassik, Moderne, Zeitgenössisches – was macht Ihnen am meisten Freude?

Ich wachse mit jeder neuen Aufgabe und will mich hier nicht entscheiden müssen und nichts davon vernachlässigen. Im Moment ist Emmerich Kálmán mein Thema, dem ich mich mit voller Hingabe widme. Morgen ist es die zeitgenössische Musik. Dann kommen Romantik und Moderne, in der Vergangenheit habe ich mich auch mit der historischen Aufführungspraxis befasst. Ich lasse mich nicht einengen, denn auch das Musikmachen lässt sich nicht auf Epochen oder Sparten beschränken. Am meisten Freude macht mir immer die Partitur, die gerade auf meinem Pult liegt.

Wie beurteilen Sie die Qualität Ihres Orchesters, das Niveau des Philharmonischen Orchesters Regensburg?

Es muss sich keineswegs verstecken und soll den Vergleich mit anderen Orchestern nicht scheuen. Wir haben bereits zwei Konzerte und die Wiederaufnahme der Oper Don Giovanni zur Aufführung gebracht, die meiner Meinung nach beide gelungen sind. Ich habe festgestellt, dass die Musikerinnen und Musiker offen für neue Ideen sind und sehr schnell reagieren. Dieses Orchester ist ein wachsamer Klangkörper, der seine Vielseitigkeit hinlänglich unter Beweis gestellt hat. Die sogenannten Baustellen gibt es natürlich immer, aber an diesen arbeitet man gemeinsam in den Proben.

Nominell sind die Philharmoniker als B-Orchester eingestuft. Das groß besetzte spätromantische, sinfonische Repertoire, hierzu zählen beispielsweise Werke von Mahler, Bruckner, Schostakowitsch oder Tschaikowsky, wofür eine größere Besetzung erwartet wird, ist für uns momentan nicht adäquat zu bewerkstelligen. Aber vielleicht wird mein Weihnachtswunsch ja erhört: vor allem eine Aufstockung bei den Streichern, die ja immer im Einsatz sind. Dies würde das Regensburger Musikleben meiner Meinung nach enorm bereichern.

Und wie sehen Sie das Niveau des Sängerensembles? Wie sieht es mit dessen Zusammensetzung in der nächsten Spielzeit aus?

Ich bin sehr glücklich mit diesem Ensemble, das ein ausgesprochen hohes Niveau an den Tag legt. Gesanglich, aber auch darstellerisch ist jede Solistin und ist jeder Solist ein absoluter Glücksfall für das Regensburger Theater. Was die Zusammensetzung des Ensembles in der kommenden Spielzeit angeht: „Never change a winning team!“ – auch, wenn mir natürlich bewusst ist, dass eine gewisse Fluktuation im Solistenensemble unumgänglich ist, da sich viele ja auch verändern wollen und nach neuen Herausforderungen suchen. Es ist demnach normal, dass es im Lauf der Zeit Veränderungen geben wird, trotzdem bedauern wir immer sehr, wenn uns jemand verlässt.

Haben Sie Lieblingskomponisten? Welche sinfonischen Werke und welche Opern möchten Sie unbedingt einmal realisieren?

Ja, immer der Komponist, mit dem ich mich gerade befasse. Gewiss gibt es auch hier die berühmte Liebe auf den ersten Blick, die Faszination, die einen unmittelbar packt. Auf der anderen Seite habe ich aber auch festgestellt, dass sich wahre Schönheit oft erst auf den zweiten oder gar erst dritten Blick voll erschließt. Werke, zu denen man nicht auf Anhieb Zugang findet, die erst nach einer eingehenden Beschäftigung ihren wahren Gehalt preisgeben, schätze ich heute ungleich höher als noch vor Jahren. Ich bedaure, dass ich hier nicht konkret werden kann und will, aber die Freiheit, offen für neue Herausforderungen zu sein, nehme ich mir.

Wie weit sind Ihre Planungen für die kommende Spielzeit bereits gediehen? Wie frei sind Sie in der Auswahl des Spielplans, inwieweit sind Sie an Vorgaben der Intendanz gebunden?

Ich bin neu in der Theaterfamilie Regensburg und bin sehr glücklich darüber, dass auch das Programm gemeinsam entsteht und auf Vorschläge, aber auch Einwände Rücksicht genommen wird. Zu verantworten hat den Spielplan aber in letzter Konsequenz die Intendanz. Da Herr Neundorff von Enzberg jahrelang als Dramaturg gearbeitet hat, hat er eine sehr umfangreiche Repertoirekenntnis. Die anspruchsvollen Programme der Kammerkonzerte und Sonatenabende können die Mitglieder des Philharmonischen Orchesters mitgestalten.

Neben der Musik: Bleibt Ihnen Zeit und Muße, sich auch anderen Tätigkeiten zu widmen?

Ich liebe es, durch die Stadt zu spazieren, besonders an der Donau entlang. Das macht den Kopf frei und frisch und hilft beim Sortieren der Gedanken. Ich lese auch gerne und ja – ich bin Asiate und mit Nintendo aufgewachsen: zum Abschalten dürfen es auch gerne mal Computerspiele sein. Die Musik ist aber auch von meiner Freizeit nicht zu trennen – ich lebe einfach mit der Musik!



Foto: Sebastian Stolz

Zur Person:

Chin-Chao Lin

·       1987 in Taitung (Taiwan) geboren

·       Im Alter von 16 Jahren Beginn des Studiums Orchesterdirigieren an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz

·       Fortsetzung der Ausbildung an der Zürcher Hochschule der Künste

·       2011 zweiter Preis beim Nationalen Symphonieorchester-Wettbewerb in Taiwan, dritter Preis beim Internationalen Witold-Lutoslawski-Wettbewerb für junge Dirigenten in Polen und Publikumspreis der Leipziger Volkszeitung beim Deutschen Operettenpreis 2014 an der Musikalischen Komödie, Leipzig

·       Meisterkurse bei Bernard Haitink, Pierre Boulez, Peter Eötvös, David Zinman, Kurt Masur und Marc Albrecht

·       2013 Stipendiat des Dirigentenforums des Deutschen Musikrats und Meisterkurse bei Markus Poschner, Kristjan Järvi, Johannes Kalitzke, Roland Seiffarth und Mark Stringer. Assistenz bei Daniel Raiskin am Staatsorchester Rheinische Philharmonie Koblenz, bei David Zinman an der Tonhalle Orchester Zürich, bei Günther Herbig am National Symphony Orchestra Taiwan, bei Peter Eötvös am Lucerne Festival Academy Orchestra und bei Lothar Zagrosek an der Jungen Deutschen Philharmonie

·       Chin-Chao Lin arbeitete mit so renommierten Orchestern wie dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie Koblenz, Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz, National Taiwan Symphony Orchestra (NTSO), National Symphony Orchestra of Taiwan (NSO), Lucerne  Festival Academy Orchestra, Janácek Philharmonic Orchestra, Musikkollegium Winterthur, Het Gelders Orkest, Bialystok Symphony Orchestra

·       2016 bis 2018 Erster Kapellmeister und stellvertretender GMD am Meininger Staatstheater

·       Seit der Spielzeit 2018/19 ist Chin-Chao Lin Generalmusikdirektor am Theater Regensburg

 

 

 

 



Was andere schrieben
 

Zitat

“[...] „LOHENGRIN“
Stuttgart: ... Árpád Schillings Stuttgarter Inszenierung - zur Eröffnung der Opernintendanz von Viktor Schoner - tritt zwar eigentlich als mausgraue Entzauberung des gottgesandten Helden an, birgt aparte Rätsel und erfrischende Behauptungen. Zum Dirigat des ebenfalls neuen Generalmusikdirektors Cornelius Meister, der Richard Wagner als großen, aber nicht simplen Romantiker zelebriert, ergibt sich eine schöne, durch den Abend tragende Spannung.

Die zentrale Behauptung betrifft Lohengrin selbst. Von Elsa herbeigefleht und von Jennifer Davis ( ... ) auch lieblich herbeigesungen, fällt er ad hoc aus der Menge: ein aus dem Kollektiv gestoßener Lemming, der es richten soll. Michael König, der waldschratig zerzaust auf einmal alleine dasteht, wirkt nicht begeistert, aber schon hat sich die Chorkugel geschlossen...

Kein Wunder, aber originell, dass es der Chor schließlich selbst ist, der Lohengrin zum Sieg drängelt und stupst. Der Sieg besteht dadurch in einem einzigen, halb zufälligen Schlag. Kann gefährlich sein, so eine Menschenmenge. Überhaupt führt Schilling den sensationell kompakten und noch in den martialischsten Männerszenen hochkultivierten Chor (geleitet von Manuel Pujol) detailliert. Das sind nicht einfach (in viele Pärchen aufgeteilte) Zuschauer und Jubelmassen, vielmehr versuchen sie hier selbst, ihr Ding zu drehen, ihr Glück zu forcieren...

Spannender als die offenbar gezielt penetrant heutige Kostümierung (Tina Kloempken) ist die Bühne von Raimund Orfeo Voigt, ein schwarzer, sich nach hinten verjüngender Schacht, an dessen Ende es nach unten geht. Ein gangbarer Abgrund. ein Ort auch für Wiedergänger. [...]“

Zitatende

Judith von Sternburg - FRANKFURTER RUNDSCHAU, 05.10.2018


 

Zitat
“[...] „LA FANCIULLA DEL WEST”

Leipzig: Leipzigs Intendant und Generalmusikdirektor Ulf Schirmer glättet nichts und zeichnet nicht weich. ( ... ) Bei ihm behält „La fanciulla del West“ den herben Grundton. Doch verliert er bei aller Lust an Detail und Zuspitzung nie das Ziel aller kompositorischen Kunstfertigkeit auf der Höhe der Zeit aus den Augen: die Seele... Das fett besetzte Gewandhausorchester ( ... ) lässt (fast) keine Chance ungenutzt, seine derzeitige Klasse unter Beweis zu stellen...

So kann Meagan Miller eine Minnie zeichnen, der man alles, wirklich alles glaubt... Gaston Rivero ist ihr ein ebenbürtiger Partner... Von Patrick Vogel als Nick und Randall Jakobsh als Ashby, Jonathan Michie als Sonora und Sejong Chang als Wallace bis hinunter zu Roland Schubert ( ... ) lässt die Besetzung nichts anbrennen. Überdies verschwimmen bei den zahllosen kleinen Rollen die Grenzen zwischen Solisten und sensationellem Chor (Einstudierung: Alexander Stessin und Thomas Eitler-de Lint). Was sich auch der Personen-Regie Cusch Jungs verdankt...
Wie Cusch Jung hier bei seinem Operndebüt die Goldgräber nicht in Halbkreisen auf die Bühne stellt und das Publikum anbrüllen lässt, sondern aufbricht in Individuen, das ist schon ziemlich große Inszenierungskunst. Eine verdammt gute Produktion, diese „Fanciulla del West“... […]“
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PETER KORFMACHER - LEIPZIGER VOLKSZEITUNG, 30.09.2018



 

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“[...] „DON GIOVANNI“
Trier: Sie erhoben sich respektvoll von den Plätzen. Sie jubelten. Sie demonstrierten applaudierend eine enorme Ausdauer... Der Trierer „Don Giovanni“ schlug ein beim Publikum. Und auf der Bühne strahlten die Akteure, an ihrer Spitze Dirigent Jochem Hochstenbach und Regisseur Jean-Claude Berutti, genau den Stolz und die Erleichterung aus, die zu einer gelungenen Premiere gehören... Jean-Claude Beruttis Trierer „Don Giovanni’“ gehört zu den Inszenierungen, die sich nicht spontan öffnen, die Fragen aufwerfen ohne gleich Antworten zu geben, die erst befremden, und dann doch überzeugen...

Dass ein kleines Theater wie das in Trier es geschafft hat, die so vielschichtigen und so individuellen Gesangspartien angemessen und regiekonform zu besetzen, ist ein kleines Wunder... Für Jochem Hochstenbach ist der „Don Giovanni“ die erste Produktion als Trierer Generalmusikdirektor. In seinem Dirigat bleibt auch bei der heiklen Mozart-Partitur nichts zufällig und nichts beliebig. Das Orchester glänzt mit Eindeutigkeit und Markanz... Wie viel Arbeit, wie viel Energie und persönlichen Einsatz haben die Solisten, der Chor und die Trierer Philharmoniker an diese Musik gesetzt! Die heftig applaudierenden Besucher müssen all das gespürt haben. Vielleicht ist nach einer guten Theatervorstellung tatsächlich die Welt ein wenig anders geworden. [...]“

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MARTIN MÖLLER – Trierer VOLKSFREUND, 01.10.18



 

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“[...] „TRI SESTRY”

Frankfurt/Main: ... Peter Eötvös serviert mit seiner Oper „Tri Sestry“ (Drei Schwestern) aus dem Jahr 1998 nach dem gleichnamigen Drama von Tschechow schwere Kost. Nicht nur musikalisch. Auch das Libretto, von Claus H. Henneberg gemeinsam mit dem Komponisten verfasst, hat seine Tücken. Es verdichtet die Abläufe zur Groteske...
 

Frankfurt folgt bei der Besetzung der drei Schwestern dem Plan des ungarischen Komponisten und präsentiert statt Frauen ( ... ) drei Countertenöre. Das hat seinen Reiz, da die Herren glänzend disponiert sind... Die musikalische Leitung hat mit dem amerikanischen Dirigenten Dennis Russell Davies ein Experte für neue Tonkunst übernommen. Das Opern- und Museumsorchester ist zweigeteilt. Davies führt im Graben ein 18-köpfiges Kammer-Ensemble mitsamt Akkordeonspielerin fürs russische Kolorit. 50 weitere Instrumentalisten spielen als Orchester unter dem Dirigat des Frankfurter Kapellmeisters Nikolai Petersen hinter der Szenerie...
 

Mittelkräftiger Applaus ( ... ) für das Stück und den anwesenden Komponisten, Bravorufe für die Sänger und viel Beifall für die tadellos aufspielenden Musiker.  [...]“
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MANFRED MERZ - FRANKFURTER NEUE PRESSE. 0809.2018



 

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“[...]
„DALIBOR” Augsburg: An dieser Oper klebt das Etikett vom „tschechischen Fidelio“. Richtig daran ist, dass sich Milada in Männerkleidern im Gefängnis einschleicht, um Dalibor zu befreien. Aber das war’s auch... Bedrich Smetanas 1868 in Prag uraufgeführte Oper „Dalibor“ braucht einen Spezialisten für das Düstere. Den hat das Staatstheater Augsburg in Roland Schwab gefunden... In der Ausweichspielstätte des Theaters, einer umgebauten Halle im Textilviertel, lässt er den Zuschauer spüren, wie sich eine Diktatur anfühlt ...
 

Schwabs Inszenierung ist nicht frei von Überspitzungen, aber letztlich gelingt ihr die Gratwanderung... Am Beginn blickt der Chor wie am Schluss einer „Götterdämmerung“ in eine gleißend neblige Helle, aus der nichts Gutes kommen kann...
 

Die Handlung tritt in „Dalibor“ gelegentlich auf der Stelle. Aber das stört in dieser sehr dichten Aufführung nicht, weil die Augsburger Philharmoniker alles zusammenhalten. Weil es im Martinipark keinen Orchestergraben gibt, sind sie besonders präsent. Unter ihrem Generalmusikdirektor Domonkos Héja kultivieren sie einen melancholischen Sehnsuchtsklang, der die Düsternis der Inszenierung zugleich unterläuft und steigert...  [...]“
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ROBERT BRAUNMÜLLER - ABENDZEITUNG, 16.10.2018



 

Zitat
„[...] „SAINT FRANçOIS D’ASSISE”
Darmstadt: ... Wenn Erwin Aljukic, ein schwerst behinderter Kleinwüchsiger mit großen Händen und Füßen sich entlang der Feuerschutzwand, die die Bühne vom Zuschauerraum trennt, schleppt und dann quietschend die Buchstaben O.A.M.D.G.” (Omnia ad Maiorem Dei Gloriam: Alles zur größeren Ehre Gottes) auf die riesige Fläche schreibt, sich umdreht und grinst, man ( ... ) irritiert. Diese Formel schrieben viele gläubige Komponisten um: ihre Partituren, auch Olivier Messiaen.

Dessen Oper „Saint François d’Assise, die hier Premiere hatte, ist ein spezielles Werk. 1983 in Paris uraufgeführt, weiß man nicht, ob man es „Oper” nennnen soll, und „Musiktheater” schon garnicht. Eher hat es etwas von einer religiösen Weihehandlung, einer Messe, und es könnte als Oratorium durchgehen... Texte und Dialoge hat der Komponist selbst aus Originalquellen zusammengestellt. Kontemplation und religiöse Meditation spielen dabei eine große Rolle... Regisseur Karsten Wiegand und Video‑Künstler Roman Kuskowski hüten sich davor, solche Meditationen mit zu viel Beiwerk - zu überladen...

Zu Beginn sind es vor allem die berühmten Giotto-Fresken aus Assisi, die zur Illumination des Raums (Bühne: Bärbel Hohmann; Licht: Nico Göckel) herangezogen werden und die eine ganz besondere Atmosphäre zaubern. Dagegen verzichtet man im Schlussbild auf die Darstellung des Todes und folgt er Messians Intention, Musik als Treppe zum Glauben zu stilisieren: Der Chor sitzt in Kreuzform im Zuschauerraum und übernimmt die Klangherrschaft der letzten Szene. Akustisch ist natürlich ein heikles Unterfangen und bleibt letztlich auch unbefriedigend. Nichtsdestoweniger herausragend sind die Leistungen aller Beteiligten (Choreinstudierung Johannes Püschel und Christian Rossi. […]”
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MATHIAS ROTH – RHEIN-NECKAR-ZEITUNG, 11.09.2018



 

Zitat
“[...] „MASS”

Gelsenkirchen: Leonard Bernsteins »MASS” gehört zu den zentralen Werken seines Schaffens und ist doch selten auf der Opernbühne zu sehen... Erschüttert vom Vietnam-Krieg, beeinflusst von den Protesten der späten 60er, stellt Bernstein in »MASS” den lateinischen Messe-Text, mit tiefer Skepsis und leiser Zuversicht, zur Diskussion...

Die Neuproduktion des Musiktheaters im Revier (MiR), deren Premiere zum Saisonstart begeisterte Zustimmung gefunden hat, zeigt, wie geschickt Bernstein selbst ein solch spirituell gefärbtes Thema bühnenwirksam aufbereiten konnte... Was in Gelsenkirchens Oper herausragt, ist die Bereitschaft des gesamten Ensembles, sich voll in den Dienst einer Gemeinschaftsleistung zu stellen, die trotz vieler Solo-Rollen niemandem Raum für exponierte Selbstdarstellung lässt.
 

Dabei hat das MiR nicht weniger als den erweiterten Opernchor, den vorzüglichen Knabenchor der Chorakademie Dortmund, die Neue Philharmonie Westfalen, das Ballett-Ensemble und eine fünfköpfige Jazz-Rock-Band aufzubieten. Da tummeln sich gut 180 Personen auf der Bühne! Der Chor ist aufgeteilt in Gottesdienstbesucher und einen »Street Chorus”, der die liturgischen Texte mit Zweifeln in Frage stellt, so dass die Gemeinde und selbst der fromme „Celebrant”, der den Gottesdienst zu organisieren versucht, in Gewissensnot geraten...
 

Als Stärke der Produktion erweist sich die homogene Gesamtleistung nahezu aller Kräfte des Hauses. Generalmusikdirektor Rasmus Baumann hat alle Hände voll zu tun, das Orchester, mehrere verteilte Instrumentalgruppen und den großen Chor zusammenzuhalten, was ihm mühelos gelang...[…]”
Zitatende

 

PEDRO OBIERA - WAZ, 08.10.2018



 

Zitat
“[...]
„MOSES UND ARON”

Dresden: ... Der Schweizer Peter Theiler, neu an der Spitze der Dresdner Semperoper, hat seine erste Spielzeit nicht mit der „Zauberflöte” begonnen, sondern mit einer der sperrigsten Opern der Moderne: Arnold Schönbergs Zwölftonwerk „Moses und Aron”. Donnerwetter... Der frühere Regie-Berserker Calixto Bieito, zwei hochrangige Protagonisten, ein fabelhaftes Chorkollektiv und Alan Gilbert am Pult wuchteten ein Experiment, das viel Beifall bekam. Die biblisch-spröde Gedanken- und Bekenntnisoper, inspiriert vom jüdischen Glauben inmitten des aufkommenden Antisemitismus der Zwanziger, erscheint aktueller denn je...

Die Szene der obszönen Goldene-Kalb-Anbetung ist noch jeder „Moses”-Inszenierung zum Realismus-Test geworden: Vier nackte Jungfrauen auf offener Bühne von Priestern töten zu lassen, die mystische Performance in Schönbergs akkurater Regieanweisung, darf selbst Bieito nicht zeigen. Stattdessen stampfen sich vier Chorgruppen um den Sächsischen Staatsopernchor in Alltagsfetzen in den wildesten Ausdruckstanz ruinöser Gefühle und Aktionen hinein. Die komplexe Intonation und Rhythmik meistern die Chöre dabei übrigens mit Bravour... […]
Zitatende

 

WOLFGANG SCHREIBER - SZ, 02.10.2018



 

Zitat
“[...] „CARMEN”

Meiningen: ... Musikalisch überzeugt der Abend vor allem, weil der Meininger GMD Philippe Bach im Graben am Pult der Hofkapelle kräftig zulangt und ohne falsche Zurückhaltung auf die Effekte der Musik und ihr melodisches Einschmeicheln hin dirigiert...
 

Martin Wettges und André Weiss haben die Chöre (neben dem hauseigenen Chor und Extrachor auch noch die Kinderchöre der Meininger Kantorei und des Evangelischen Gymnasiums) präzise einstudiert. Die Regisseurin freilich muss die Losung ausgegeben haben: Bewegt euch mal so zu der Musik, wie ihr das schon immer mal machen wolltet...
 

Musikalisch ist diese Produktion hoch zu loben. Hier ist ein Ensemble beisammen, das sich wirklich hören lassen kann und dem der GMD auch den Raum lässt, sich vokal in Szene zu setzen...

Meiningen hat eine „Carmen“, die sich szenisch zwar ein wenig zu sehr auf das Spiel mit den Klischees verlässt, aber niemanden richtig verärgern dürfte und musikalisch in jeder Hinsicht gelungen ist.
Zitatende
 

JOACHIM LANGE - NMZ ONLINE, 30.09.2018



 



 

Die Diktatoren der Oper
Fortsetzung von Heft 22, Seite 15 - 23
Genuss und Ekel

Die Natur hat uns mit fünf Sinnen ausgestattet. Wir hören, sehen, riechen, schmecken und tasten.
Wenn wir unseren Sinnen etwas Gutes tun, fühlen wir uns wohl.
Eine sahnig süße Kantilene von Montserrat Caballé oder die poetisch kraftvollen ’Winterstürme’ von Jonas Kaufmann gesungen, verzaubern uns. Der Anblick perfekter griechischer Statuen und edler Pferde beglückt uns, der Duft von Maiglöckchen und Rosen entzückt uns, ein feines Essen und einen guten Wein genießen wir, unsere Finger streichen gerne über Seide und Samt und über das weiche Fell einer Katze – so sind wir rundum zufrieden.

Die fünf Sinne haben aber auch eine lebenswichtige Warnfunktion.
Wird es uns zu laut, halten wir uns reflexhaft die Ohren zu. Jugendliche, die sich in ihren Klubs und Rock-Shows übermäßigem Lärm aussetzen, tragen irreparable Gehörschäden davon.

Die kostbaren Augen schützen wir mit Brillen bis auf die Zumutungen, die uns in Shows und ’modischen Inszenierungen’ mit Stroboskop-Blitzen zugefügt werden. Das Hinweisschild, dass es sich um solche Beeinträchtigungen während der Vorstellung handeln wird, steht dann hinter dem Einlass im Foyer, so dass der Besucher der Attacke nicht mehr entgehen kann, es sei denn, er verlässt das Haus, ohne seinen Eintrittsobulus abzusitzen oder zurückzuerhalten.

Unsere Nasen werden beleidigt, wenn wir gezwungen sind, stundenlang neben einem Menschen zu sitzen, der in verschwitzt-dreckigen Sport- oder Arbeitsklamotten in eine Vorstellung ins Kino oder Theater geht.

Auch nackte, schwitzende Darsteller, die sich in ’Blut und Exkrementen’ wälzen müssen, erzeugen einen Würgereiz.

Die Geschmacksnerven werden durch billiges Fastfood von Jugend an auf Industrieprodukte konditioniert, die sowohl Mangelerscheinungen, als auch Fettleibigkeit zur Folge haben.

Der Tastsinn, der uns mit hoher Empfindlichkeit vor Verbrennungen warnt und uns vor Schlägen zurückweichen lässt, wird durch Drogen reduziert oder sogar ausgeschaltet. Das ist segensreich in der Anästhesie, aber verhängnisvoll bei Schlägereien unter Bekifften.

Diese Gräuel aufzuzeigen ist Aufgabe des investigativen Journalismus und der Berichterstattung in Presse, Funk und Fernsehen.
Und was ist die Aufgabe des Theaters?

Die Diktatoren der Oper – Intendanten, Dramaturgen und Regisseure umgeben sich wie alle Vertreter dieser Spezies mit einem Kreis von ideologisch und rhetorisch geschulten Beratern, die mit einschüchternden Phrasen um sich werfend alles begründen und alles widerlegen, wie es gerade opportun ist.

Man trifft sich bei Tagungen und Symposien, um für fettes Honorar zu diskutieren und zu vernetzen, um schließlich in die ehrenwerte Gesellschaft der Intendanten aufzusteigen.

Eine fleißige Dokumentation eines Projektes namens: ’Die Zukunft der Oper – Zwischen Hermeneutik und Performativität’ gibt uns der Verlag ’Theater der Zeit’ Recherchen 2014 an die Hand, in der 37 Theatermacher ihre Meinung über die Oper kundtun.
Herausgeberin ist, neben Susanne Kogler, Roman Lemberg, die promovierte Dramaturgin und Professorin der Kunstuniversität Graz, Barbara Beyer.

Als praktisches Beispiel wurden drei ’Cosi fan tutte’ – Inszenierungen in Berlin erarbeitet.
Sie schreibt in der Einleitung:
 

Zitat
Es geht um das Gros der Inszenierungen im deutschsprachigen Raum, für die ich den gängigen Begriff des Regietheaters verwenden möchte - auch der Begriff des Regisseurs-Theaters wird heute zuweilen benutzt. Die Gemeinsamkeiten der nach außen sich unterschiedlich gebenden Inszenierungsstile legen diese Kategorisierung nahe. Ausführlich wird hierüber weiter unten die Rede sein. Die Frage ist, ob das Regietheater in seiner heutigen Form nach wie vor ein adäquater Ausdruck unserer Zeit ist. Das Regietheater, das in den siebziger Jahren mit einer radikalen Neuerung im Umgang mit den Opernpartituren begann und dabei kräftige Impulse freigesetzt hat, scheint nach einer dreißigjährigen Entwicklung erlahmt und zur Routine verflacht. Das heutige Regietheater hat mit den künstlerischen Innovationen von damals kaum mehr etwas gemeinsam.
Zitatende

Barbara Beyer, Susanne Kogler und Roman Lemberg (Hg.)
’Die Zukunft der Oper – Zwischen Hermeneutik und Performativität’
Theater der Zeit - 2014
 


Und was kommt jetzt?
Ein Ende der das Werk verfälschenden Scheußlichkeiten?

Aber nicht doch!
Jetzt wird diskutiert, ob die Opernregie hermeneutisch oder performativ sein soll. Bei diesen Begriffen lacht das Intellektuellenherz und der zahlende Opernfreund fragt:
“Was heißt denn das?“

In dem Wort ’Hermeneutik’ steckt der Gott Hermes, dessen Aufgabe es war, den Menschen den Willen der Götter zu überbringen und diesen zu deuten. Es ist also eine ausdeutende Wissenschaft, bezogen auf so genannte heilige Schriften, Kunst und Philosophie.
Theologen, Pfarrer, Popen und Imame leben gut und sorgenfrei davon.

Wohin Deutungen führen, erlebten und erleben wir in religiös begründeten Kriegen und in den abscheulichen Verbrechen gegen die Frauen, seit die Autoren und die Ausdeuter der Bibel in Eva eine Schuldige für alles Übel in der Welt fanden.

Die Hermeneutik birgt also, wie es Jahrtausende voller Verbrechen beweisen, ein gefährliches Potential in sich.

Der zweite titelgebende Begriff ’Performativität’.
Es ist ein zusammengeklebtes Wort z.B. für den ’Wertzuwachs des Vermögens einer Investmentgesellschaft oder eines Wertpapieres’ aus lateinischen Silben, dann übernommen für die künstlerische Aktion mit dem Charakter eines Happenings.
Mit andren Worten, es bleibt beim ’anything goes’ im Theater, in Produktions- und Dienstleistungsbetrieben – schlicht: ’Durchführung.’

Unter den Diskutanten in ‘Die Zukunft der Oper’ befinden sich acht aktive Regisseure. Ihre Ansichten sind für uns Opernfreunde natürlich besonders aufschlussreich, kann man ihre geistigen Wurzeln zumeist auf ’Stifterfiguren’ wie Heiner Müller oder Frank Castorf zurückführen. Diese sind vom DDR-Sozialismus selbstverständlich geprägt, sei es als Profiteure, Mitläufer oder Gegner, wie es in totalitären Regimen unvermeidlich ist.

Heiner Müller geb. 9. Januar 1929 in Eppendorf/Sachsen, gest. 30. Dezember 1995 in Berlin, ein Autor und Regisseur mit immensem Werksverzeichnis, zahlreichen unglücklichen Frauen, permanent rauchender Zigarre, darf denn auch den Initialspruch zur Diskussion liefern: „Wirkung und Erfolg schließen sich aus!“
Nach kurzem Schütteln geht der Musikfreund die Theatergeschichte im Geiste durch und kommt zu ganz anderen Ergebnissen. Im Vertrauen auf die Bildung meiner Leserschaft erspare ich mir eine Aufzählung.

Jetzt kommen die Regisseure zu Wort.
David Hermann – er studierte an der Hochschule für Musik ’Hans Eisler’ Berlin, gewann 2000 den Wettbewerb für Regie in Graz.
Er inszenierte u.a. in Bonn, Heidelberg, Gelsenkirchen, Mannheim, Amsterdam und Basel.
Er meint:


Zitat

…. „Die Frage ist: Was wirkt heute wie und wie schnell ändert sich das? Es beschäftigt mich, wie schnell die Theatersprachen sich verändern und die Stücke trotzdem immer die gleichen bleiben.“ ….
Zitatende
 


Das heißt für den zahlenden Opernfreund: Wir sind gezwungen, die wechselnden Moden zu ertragen und zu finanzieren.

Zur Zeit gibt es die Mode, Kunstmaler, die ’einen Namen haben’ für Bühnenbilder zu verpflichten. Ein äußerst trauriges Ergebnis sah man im Münchener ’Parsifal’ mit den Malereinen des Herrn Baselitz.

Als nächste soll Clara Hinterberger sich äußern. Sie studierte an der Bayerischen Theaterakademie ’August Everding’ in München, erarbeitete sich dort verschiedene Projekte und schloss ihr Studium mit einer Diplominszenierung von ’Cosi fan tutte’ ab. Inzwischen arbeitet sie an Performances und Klanginstallationen in München und Mannheim und im O-Ton-Theater im Tapetenwerk in Leipzig.

Sie fragt:

Zitat
„Was kann uns die Musik unabhängig von der werkimmanenten Handlung vermitteln? Wie definieren wir die Musik in unserer heutigen Zeit? Themen nicht nur sinnvoll anzureißen, sondern hörbar werden zu lassen, die Hör- und Sehgewohnheiten der Opernrezeption aufzubrechen und akustische Schichten freizulegen, um bewusst die Musik und ihren theatralen Stellenwert zu befragen.“
Zitatende


Nun, liebe Opernfreunde, nichts anderes geschieht in einer Ensembleprobe beim Studienleiter und in der Orchesterprobe mit dem Dirigenten. Dort wird mittels Abstufung der Lautstärken das Wichtige vom weniger Wichtigen herausgearbeitet und das richtige Tempo ausprobiert. Unter ’aufbrechen’ kann sich auch der ’aufgeklärte Opernbesucher’ nichts vorstellen, als dass es ich um wichtigtuerisches Geschwafel handelt.
Im vorliegenden Falle ist die Probe beendet und alle gehen nach Hause.
Michael von zur Mühlen – studierte Musikwissenschaft und Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin und Musiktheaterregie an der Hochschule ’Hans Eisler’ in Berlin. Er arbeitete an der Volksbühne, in Heidelberg, Weimar und Tübingen.

Er meint:
 


Zitat

Mich hat darum die Frage interessiert, inwieweit man auf dem Theater, in der Probe, Prozesse anstoßen kann, die sich irgendwann verselbstständigen. [… ] Der Prozess, dass erst einmal garnichts funktioniert und alle quasi herumirren, hat mich in besonderer Weise interessiert. Damit verbunden war die Hoffnung, auf diese Weise etwas Spezielles über ein Stück und die Menschen, die gerade an demselben arbeiten, herauszubekommen.“
Zitatende
 



Das Ganze nennt er dann ’Enthierarchisierung’:
Mit andren Worten: „Bietet mal an, ich suche mir dann was raus!“
Mit Studenten kann man das zur Anregung der szenischen Phantasie machen, aber Profis fragen:
„Wofür wirst Du eigentlich bezahlt?“

Zu seiner Holländer-Inszenierung in Leipzig gab es u.a. diese Kommentare in der NMZ
:

Zitat
Strafanzeige wegen umstrittener «Holländer»-Operninszenierung

23.10.08 (nmz/kiz) -

Leipzig (ddp-lsc). Die Leipziger Inszenierung der Wagner-Oper «Der Fliegende Holländer» wird ein Fall für die Justiz. Ein Sprecher der Leipziger Staatsanwaltschaft sagte am Donnerstag auf ddp-Anfrage, dass inzwischen eine Strafanzeige gegen Unbekannt vorliege. Geprüft werde unter anderem, ob durch die bei der Premiere am 11. Oktober gezeigten Videosequenzen gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen worden sei. Zu sehen waren darin eine Kampfhundeattacke und eine Schlachthausszene.

 

Leipzig: Regisseur hofft nach skandalträchtiger Oper auf Kompromiss

21.10.08 (nmz/kiz) -

Leipzig (ddp). Der Regisseur der umstrittenen Inszenierung der Wagner-Oper «Der Fliegende Holländer» in Leipzig, Michael von zur Mühlen, hofft auf einen Kompromiss mit der Theaterleitung. Der 29-Jährige sagte dem 3sat-Theatermagazin «Foyer» (Dienstag, 21. Oktober, 22.25 Uhr) dass er eine differenzierte Betrachtung der Vorwürfe fordere.

 

Leipzig: Oper prüft rechtliche Schritte gegen Regisseur von zur Mühlen

15.10.08 (nmz/kiz) -

Leipzig (ddp). Die skandalträchtige Inszenierung der Wagner-Oper «Der Fliegende Holländer» an der Leipziger Oper könnte ein juristisches Nachspiel haben. Dem Regisseur Michael von zur Mühlen sei schriftlich mitgeteilt worden, dass das Stück auf den Stand der Generalprobe zurückgeführt werden müsse, sagte eine Opernsprecherin am Mittwoch.

 

Zitatende

Der Skandal, den die von zur Mühlen – ’Holländer’-Inszenierung auslöste, wurde komplettiert, als
 


Zitat

“… Dirigent Leopold Hager öffentlich die Gattung Oper als durch das Regietheater gefährdete Kunstform wertete. Inmitten der Debatte, wie weit die Freiheit der Kunst gehen dürfe, hatte die Oper Leipzig noch glaubhaft zu vermitteln, dass zwei besonders strittige Videosequenzen, ein minutenlanger Einblick in die industrielle Rinderschlachtung sowie eine tödliche Kampfhundattacke, ohne Absprache mit der künstlerischen Leitung des Hauses erst unmittelbar vor der Premiere den Weg in die Inszenierung gefunden hätten.“
Zitatende
http://www.leipzig-almanach.de/



 

Frau ’Janna’ kommentierte die Diskussion im Netz:
 

Zitat
“Warum müssen Opernsänger/innen, die schon mit der hohen Kunst des Operngesangs genug zu kämpfen haben, auf der Bühne noch Akrobatik machen, sich entblößen oder sich selbst verstümmeln? Warum lassen wir sie nicht einfach singen?

Neigt das Theater momentan nicht zu sehr dazu, auf Teufel komm raus Skandale zu provozieren? Wird nicht oft schon von vornherein ein Skandal inszeniert, statt eines Kunstwerks?

Warum kommen so viele Inszenierungen nicht mehr ohne Nackte, das Verspritzen von Flüssigkeiten und vordergründiger Brutalität aus?

Lässt sich das Böse / Hässliche / Unfeine nicht subtiler gestalten als durch diese um sich greifende direkt platte Art des Exhibitionismus und des Schockierens?

Grenzt einiges an sogenannten Regieeinfällen nicht schon an Körperverletzung und der Vergewaltigung der Würde des Menschen? (Ich denke da mehr an die Darstellenden, weniger an die Zuschauenden).“
Zitatende

 

Wo bleibt unser humanistisches Bildungsideal?

Wer steht den Künstlern auf der Bühne bei, die all’ die Unsäglichkeiten mitmachen müssen, denn der Regisseur ist weisungsberechtigt. Diese Regelung ist Bestandteil der Anstellungsverträge zwischen Theater und Ensemblemitglied.

Edgar Selge kritisierte das in einem Interview mit der Zeitschrift ’Stern’ am 26. August 2016 mit den Worten:

“[…] Wenn ich daran denke, dass in meinem Vertrag steht, wie bei allen anderen Kollegen in Deutschland auch: "In künstlerischen Fragen ist der Schauspieler weisungsgebunden", dann sehe ich rot. Kreativität braucht Freiheit! […]“
 

Heidi Nenoff schrieb u.a.:

Zitat
“Kann die Kunst wirklich grenzenlos frei sein? Einerseits ja, sofern es sich tatsächlich um Kunst handelt. Diese lebt vom zweckfreien Spiel, das heißt vom Spiel der Gedanken ohne „niederes Werkzeug zu materiellen Zwecken“ (Schiller) zu sein. Insofern ist die Kunst tatsächlich frei. Aber wenn die Kunst lediglich zum Zweck der Provokation und vielmehr noch für eine Selbstprofilierung missbraucht wird, kann von Freiheit der Kunst keine Rede mehr sein. Herr von zur Mühlen beabsichtigte mit dem „Fliegenden Holländer“ die Provokation, daher ist sein Werk nicht frei. Überdies sind die Bilder dieser Inszenierung viel zu platt, um Kunst genannt werden zu dürfen.
Der Aneinanderreihung bloßer Gewalt- und Zerstörungsszenen fehlt es an Tiefe. Sie ermöglichen keine Assoziationen und Mehrdeutigkeiten mehr. Sie sind eindeutig, radikal.
[…]
Wagner verlegte die im Text enthaltene Todessehnsucht in eine mythologische Ebene. Dies schuf die notwendige Distanz zur Wirklichkeit, die das freie Spiel der Gedanken ermöglicht. Von zur Mühlen holt distanzlos das Grauen auf die Bühne mit dem Ziel, das Publikum zu schocken und ihm den Spiegel vorzuhalten: Seht her, so seid ihr Menschen – triebgesteuerte, geldgierige, fleischfressende, müllproduzierende, selbstzerstörerische Wesen, denen lediglich der Untergang als einziger Ausweg bleiben muss!
[…]
Die Aneinanderreihung von platten Phrasen und kurzschlüssigen, einseitigen Bildern kann daher tatsächlich nicht mehr Kunst genannt werden, sondern Dilettantismus, der gefährlich werden kann, weil er radikale Anschauungen bedient. Kunst dagegen ermöglicht Vieldeutigkeit und damit die Freiheit der Gedanken ohne bestimmte Zwecke.
[…]
Darüber hinaus ist die Freiheit nur als eine Freiheit mit selbst auferlegten Grenzen (moralischen Gesetzen) zu verstehen. (Kant). Auch aus diesem Grund kann das Werk von Herrn von zur Mühlen nicht mit künstlerischer Freiheit rechtfertigt werden. Von zur Mühlen übertritt mit seiner deutlich menschenverachtenden (bzw. publikumsverachtenden) Haltung die Grenzen des Vernünftigen. Wir können nicht wollen, dass es ein allgemeines Gesetz werde, dass jeder die Würde von jedem verletzt! Wenn aber von zur Mühlen dem Publikum die totale Vernichtung selbst noch auf ihrem Heimweg hinterherbrüllt, so hat er nicht nur die Würde der älteren Zuschauer, die all das schon einmal erleben mussten, zutiefst verletzt. Mühlens Vernichtungsbotschaft zeugt von Unreflektiertheit und Verachtung und damit hat er deutlich die Grenze der Freiheit überschritten. Von zur Mühlen hat sich zum Richter über die Menschen überhöht (Hybris), zumal seinen Bildern der große Atem der Geschichte fehlt.
Ein weiteres Problem der modernen Kunst (bzw. des modernen Regietheaters) besteht darin, dass alte Kunstwerke in die moderne Zeit transformiert werden. Dies provoziert den Streit, inwiefern alte Werke bis nahezu zur Unkenntlichkeit verändert werden dürfen. Bewahrer des alten Kulturgutes protestieren zurecht, dass somit der Wert der alten Güter und deren Geist mit Füßen zertreten wird.

Zitatende

 

 

Hier ein Auszug aus dem Berliner Tagespiegel:
 

Zitat
Heftiger Streit um Leipziger „Holländer
Nachdem Regisseur Michael von zur Mühlens Neuinszenierung von Wagners „Der Fliegende Holländer“ am Sonnabend an der Oper Leipzig heftige Zuschauerreaktionen hervorgerufen hatte, verteidigte gestern Leipzigs Kulturbeigeordneter Georg Giradet (FDP) die Kritik des Publikums als „substanziell und begründet“.
Der 29-jährige Regisseur habe seine moralische Position nur sehr vereinfacht und in Schwarz-Weiß dargestellt. Die Zuschauer reagierten mit lang anhaltenden, wütenden Buhrufen und knallenden Türen, Orchester und Solisten wurden streckenweise von den Tumulten im Saal übertönt.
Der Richard-Wagner-Verband Leipzig erklärte, es [sei] bisher nicht vorstellbar gewesen, dass ein Endzwanziger spätpubertäre Fäkalfantasien auf der Bühne umsetzen dürfe.
Zitatende



 

Elisabeth Stöppler studierte Klavier an der Musikhochschule Hannover, Schauspiel in Rom und Musiktheaterregie in Hamburg.

Sie inszenierte große Werke in Nürnberg, Oldenburg, Gelsenkirchen, Hannover, Dresden, Heidelberg und zuletzt die ’Götterdämmerung’ in Chemnitz (siehe auch Seite 51 in dieser Ausgabe)
Sie äußert sich folgendermaßen:
 

 


Zitat

“Es geht darum, bestimmte Wirkungsgesetze in Gang bringen. Wenn man behaupten würde, das ginge nur unbewusst vonstatten, würde man das Ganze verklären.
Es hat mit Handwerk zu tun, aber auch mit der Dringlichkeit, verstanden zu werden […] Es gibt Inszenierungen, die funktionieren sehr gut fürs Publikum, andere fürs Feuilleton, aber ob sie deshalb für mich funktionieren, für mein Team und alle Beteiligten, für den Prozess und hinsichtlich des Konzepts, das ist etwas ganz anderes.“

Zitatende
 

 

Das erscheint mir schlüssig, praktikabel und respektvoll. Ob es in ihren Inszenierungen erkennbar ist, können nur die zuschauenden Opernbesucher beurteilen.


 

Benedikt von Peter dekonstruiert auch den Zuschauerraum.
Er äußert sich wie folgt:

 

 


Zitat

“Ich versuche, an die zentrale Energie des Stückes zu kommen und die groß zu ziehen. Die Stoffrecherche ist sehr hermeneutisch, sehr analytisch. Aus dieser Auseinandersetzung mit dem Stoff entstehen irgendwann Thesen zu dem Stück, und darauf entsteht eine Form.“
Zitatende
 

 

Auf dieser Basis inszenierte er in Hannover die ’Traviata’, bei der nur die Violetta auf der Bühne war. Alle anderen Mitwirkenden saßen oder standen im Zuschauerraum oder sonst wo herum.

Leider versäumte er bei der Neuschaffung einer Form, das Orchester im ersten Rang zu positionieren und das Dirigat dort oben von der Bühne ab- und dem Orchester zugewandt absolvieren zu lassen.


 

In dieser Ausgabe soll noch Vera Nemirowa zitiert werden, deren Aussage man als beispielhaft ansehen muss. Wäre es nur überall so!
 

 

 


Zitat

“[…] Jeder künstlerische Prozess ist ein Schöpfungsakt, der sehr persönlich ist. Man kann damit die Menschen erreichen – wenn man das schafft, ist es gut – aber man kann es nicht auf Erfolg anlegen und sollte das auch nicht. Man kann es auch nicht darauf anlegen, die Leute zu provozieren, um dadurch einen Skandalerfolg zu erzielen, der in der heutigen Zeit wirkungsvoll ist. […] Es ist eine künstlerische, menschliche, humanistische Aussage und eine sehr persönliche Haltung, die hier zum Ausdruck kommt. […]“
Zitatende
 

Fortsetzung folgt


 

 
 

Kalenderblätter
 

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... am 02. Februar 1919 geboren / Foto DG

Nach einem Gesangsstudium in Bern und Zürich begann sie ihre Karriere 1941 als 22-Jährige am Theater Solothurn mit der Titelrolle von Puccinis ‚Butterfly’.

1943 folgte bereits Zürich wo sie bis 1950 als Mitglied des Ensembles auch die Mimi in der ‚Boheme’ und die Gilda in Verdis ‚Rigoletto’ sang.

1947 wurde sie Mitglied der Wiener Staatsoper.
Im gleichen Jahr sang sie die Zdenka in ‚Arabella’
bei den Salzburger Festspielen.
Die Titelpartie der Strauss-Oper wurde dann in Gesamtaufnahmen für die Nachwelt aufbewahrt. Eine leitete Georg Solti mit George London als Mandryka.
Von 1953 stammt eine Aufnahme unter Rudolf Kempe aus der Bayerischen Staatsoper wie auch die von 1963 unter Keilberth mit Anneliese Rothenberger, Dietrich Fischer-Dieskau, Ira Malaniuk, Karl-Christian Kohn, Georg Paskuda.
Diese gibt die ganze Kunst des Operngesanges wieder.

Diesen konnte sie auch in Mozart-Partien dem begeisterten Publikum darbieten. Die ’Figaro’-Gräfin, Donna Elvira, ’Capriccio’-Gräfin und die Pamina.
Von Strauss sang sie außerdem vier Hauptpartien im ’Rosenkavalier’ – Octavian, Sophie, Annina und Marschallin.
Auch die Ariadne gehörte zu ihrem Repertoire.
Hier gibt es eine Aufnahme mit Rudolf Schock als Bacchus.

In Bayreuth sang sie die Eva in ’Meistersinger’ und auch mal die Salome, Aber ihr Hauptbetätigungsfeld war die noble, damenhafte Lyrische.

In diesem Fach erstaunte sie auch von 1953 bis 1968 das Publikum an der Metropolitan Oper in New York.

Thomas Voigt erinnert sich an seine Begegnungen mit Lisa della Casa

Zitat

[…]
Auch wer sie »nur« von Aufnahmen kennt, von der Fernsehaufzeichnung aus dem Prinzregententheater in München oder von diversen Mitschnitten, kann sich die kapriziöse Figur von Strauss/Hofmannsthal kaum mehr anders vorstellen. So sehr eins sind Sängerin und darzustellende Figur, dass man sich ins Gedächtnis rufen muss, was es neben dieser Arabellissima noch alles von Lisa della Casa zu hören und zu sehen gibt: eine Ariadne, die die heikle Phrase »Ein Schönes war« mit scheinbar endlosem Atem singt, eine »Capriccio«-Gräfin aus dem Bilderbuch, eine jugendlich-hitzige (wenn auch vokal leicht gefährdete) Salome und sogar eine Chrysothemis: In der Salzburger High-Voltage-»Elektra« unter Dimitri Mitropoulos ist Lisa della Casa der lyrische Gegenpol zur ekstatischen Inge Borkh in der Titelrolle. Ein besonderes Kapitel in ihrer Vita ist »Der Rosenkavalier«. Wahrscheinlich ist sie die einzige Sopranistin von Weltrang, die in dieser Oper vier Rollen gesungen hat: Annina, Sophie, Octavian und Marschallin. Drum gibt es von della Casa derzeit sieben »Rosenkavaliere« auf CD, oft in spannenden Konstellationen mit berühmten Kolleginnen und Konkurrentinnen. […]
Zitatende

https://www.fonoforum.de/portraets/interpreten/lisa-della-casa/

 



 

   Hildegard Behrens
                                                                             ... am 09. Februar 1941 geboren / Foto EMI

Aufregend jetzt im Herbst 2018 der 1981 vom Bayerischen Fernsehen aufgezeichnete ’Tristan’ aus dem Herkules-Saal der Residenz in München.
1981 war Leonard Bernstein zu Gast bei Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. An drei Abenden im Januar, April und November dirigierte er im Herkulessaal der Münchner Residenz Richard Wagners Liebesdrama ’Tristan und Isolde’ in einer konzertanten Aufführung.
Peter Hofmann war Tristan, Hildgard Behrens die Isolde, Bernd Weikl Kurwenal.
Gesendet wurde 2018 eine korrigierte Aufnahme, die den, zum Entsetzen des damaligen TV-Publikums, die Isolde im dritten Akt schüttelnden Hustenanfall, nicht zeigte. Sehr wohl aber war sie in der Live-Übertragung zu sehen.

Hildegard Behrens wurde in Varel in Niedersachsen geboren, ging nach Freiburg zum Jurastudium, das sie nach dem ersten Staatsexamen beendete, um sich der Ausbildung ihrer Stimme zu widmen.
Nach ersten Auftritten an der Musikhochschule Freiburg wurde sie an die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg und später an die Städtischen Bühnen Frankfurt/Main verpflichtet.
An der Met sang sie 1975 die Giorgetta im ’Mantel’ von Puccini und die Elettra in Mozarts ’Idomeneo’.

1977 sang sie unter Karajan die Salome, die ihr die Möglichkeiten zu einer internationalen Karriere mit Strauss-Partien eröffnete.
Von 1983 bis 1985 war sie die Brünnhilde im ’Ring’ in Bayreuth.

Später kamen die Katarina Ismailowa in Schostakowitschs ’Lady Macbeth von Mzensk’ und die Jenůfa aus Leoš Janáčeks gleichnamiger Oper sowie die Emilia Marty in dessen ’Die Sache Makropulos’ hinzu.

Sie überzeugte als Agathe, Sieglinde, Tosca, Elektra nicht nur durch ihre hohe Musikalität und Stimmführung, sondern besonders mit dieser gepaart die Erfassung der Partien durch ihr rollengrechtes intensives Spiel.

Zitat
Gipfelstürmerin

[…] „Maria Callas zählt neben Birgit Nilsson zu ihren Vorbildern, wie die Callas stürzt sie sich rückhaltlos in jede neue Rolle: „Meinem Temperament entspricht das Aggressive, ich schone mich nie“, erklärt sie stolz. „Je mehr ich mich in einer Rolle verausgabe, desto mehr Kraft kommt mir nach.
Ich bin wie eine Flamme: Die saugt sich beim Brennen auch immer neuen Sauerstoff an.“
[…]
Zitatende

https://www.zeit.de/online/2009/34/hildegard-behrens-nachruf

 


   Maria Cebotari
                                                         ... am 10. Februar 1910 geboren /
Foto: Der Illustrierte Filmkurier

Die in Bessarabien aufgewachsene Tochter aus einer kinderreichen Familie studierte 1929 Gesang in Berlin und erhielt bereits 1931 einen Vertrag an die Dresdener Staatsoper, wo sie mit der Mimi debütierte und im gleichen Jahr von Bruno Walter eingeladen bei den Salzburger Festspielen gastierte.

1935 war sie an der Uraufführung von Richard Strauss’ ’Die schweigsame Frau’ als Aminta beteiligt.
Schwierigkeiten mit der Reichskulturkammer (RKK) führten dazu, dass die Oper nach nur drei Wiederholungen vom Spielplan verschwinden musste.
Strauss hatte den Namen des Juden Stefan Zweig als Textdichter ins Programmheft schreiben lassen.

Bis 1943 war sie in Dresden wie auch in Berlin engagiert und trat auch in einigen Filmen auf.
 

Zitat

Neben ihrer Berühmtheit als Sängerin wurde Maria Cebotari Mitte der 1930er Jahre auch zum Leinwandstar: Bereits 1929 hatte man sie als Sängerin in dem Film „Troika“ (1930) erleben können, 1936 folgte „Mädchen in Weiß“ und ein Jahr später das Melodram „Starke Herzen“, ein Streifen, der jedoch erst am 13. Januar 1953 zur Uraufführung gelangte. Während der Dreharbeiten zu letztgenanntem Film lernte sie den prominenten Filmschauspieler Gustav Diessl (1899 – 1948) kennen und lieben. Seinetwegen ließ sie sich von Alexander Vyrubow scheiden, was einen gehörigen Medienrummel auslöste; 1938 heiratete das Paar.

Im gleichen Jahr erschien sie erneut als Partnerin von Beniamino Gigli in „Mutterlied“ auf der Leinwand, in der italienischen Produktion „Drei Frauen um Verdi“ (1938, Giuseppe Verdi Filmlexikon) mit Fosco Giachetti in der Titelrolle des Giuseppe Verdi) mimte sie die Sopranistin Teresa Stolz1), die später Verdis Geliebte wurde, und in Carmine Gallones „Il Sogno di Butterfly“ (1939, Premiere der Butterfly → Filmlexikon) sang sie die Titelpartie der Madame Butterfly. Unter der Regie von Carmine Gallone mit dem sie bereits einige Filme gedreht hatte, folgten die Romanze „Amami, Alfredo!“ (1940, Melodie der Liebe) und das Kriegsepos „Odessa in fiamme“ (1942, Odessa in Flammen), 1943 verkörperte sie die Titelfigur in Guido Brignones Melodram „Maria Malibran“ über die französische Opernsängerin María de la Felicidad Malibran). Ihren letzten Filmauftritt hatte Maria Cebotari in Werner Malbrans Dokumentarfilm mit Spielhandlung „Leckerbissen“ (1948).
Zitatende

http://www.steffi-line.de/archiv_text/nost_buehne/03c_cebotari.htm

 


1946 konnte sie ihre Karriere an der Wiener Staatsoper mit ihren großen Mozart und Strauss-Partien fortsetzen.
 

Zitat
Als sie in Wien starb, war sie 39 Jahre alt und noch lange nicht am Ende ihrer erstaunlichen Entwicklung. Maria Cebotari besaß keine Stimme, die man sofort unter Hunderten heraushört. Die Eigenart ihrer künstlerischen Leistung liegt in der staunenerregenden Vielfalt ihres Repertoires, dem von der Zerlina und Sophie über die Arabella und Salome bis zur Carmen nichts Sopranhaftes fremd war – einzig die Wagnerschen Rollen lagen außerhalb ihrer Spannweite. Die Schallplattenaufnahmen, die ohne die Attraktivität ihrer Bühnenerscheinung auskommen müssen, lassen dennoch das Fluidum dieser Sängerpersönlichkeit spüren, eine Aura von nervöser Gespanntheit, von in höchstem Grade vibrierender Intensität, die das eigentliche Markenzeichen der Cebotari war. Streicht man Glamour und Tragik einer ungewöhnlichen Karriere ab, bleibt musikalisch-sängerisch immer noch genug zu bewundern, und selbst die unerträglichen Spielfilme, in denen sie mitwirkte, vermitteln etwas vom Magnetismus dieser Persönlichkeit, verbunden mit dem Reiz eines süßen lyrischen Soprans, ohne jede gutturale Beimischung, wie sie so viele Frauenstimmen aus Osteuropa aufweisen.
Zitatende

“Große Stimmen“ von Jens Malte Fischer)
https://www.amazon.de/Gro%C3%9Fe-Stimmen-Enrico-suhrkamp-taschenbuch/dp/351838984X

 



 

   Anny Schlemm
                                                                                          
... am 22. Februar 1929 geboren / Foto Walhalla

Geboren wurde sie in Neu Isenburg, einem Städtchen unmittelbar vor den südlichen Toren der Mainmetropole Franfurt.

Der Vater wurde 1941 als Sänger nach Halle engagiert, so dass sich ihre Jugend in der Saalestadt abspielte.

Sehr früh begann dort auch das Gesangsstudium, dem 1946 das erste Engagement an das dortige Landestheater mit der Bastienne folgte.

Schon 1948 erhielt sie je einen Vertrag in Berlin, für die Staatsoper und die Komische Oper.
1950 ging sie nach Köln und nach Frankfurt am Main und später wieder nach Berlin.

Hier wurde sie zu einer der wichtigsten Felsenstein-Bühnendarstellerinnen. Unvergessen ihre Desdemona mit Hanns Nocker als Otello, die alte Gräfin in Pique Dame und, vor allem, die Boulotte in dessen Inszenierung von Offenbachs ’Ritter Blaubart’. 235 Mal war sie an der KO in der Rolle zu sehen. In der Titelrolle wieder Hanns Nocker. Später übernahm Günter Neumann die Partie des Frauenmörders.

Dank ihrer ungeheuren Bühnenpräsenz, der richtigen Einschätzung der Rollen war sie immer der Mittelpunkt einer szenischen Darstellung – gleich welche Figur sie zu verkörpern hatte.
Über die Jahre wechselte sie vom Oscar im ’Maskenball’ bis zur Erda im ’Rheingold’. Sie war in der Lage alle Rollen zu interpretieren und stimmlich zu präsentieren.

Eine ihrer letzten Auftritte in Frankfurt war die Quickly im ’Falstaff’ im Schauspielhaus, da die Oper gleich zu Gary Bertinis Übernahme der Intendanz abbrannte. Juan Pons war ihr Falstaff.
Dort – in dem Provisorium – sang René Kollo seinen ersten Otello.

Harry Kupfer, der damalige Intendant der KO, nahm sie 1978 mit nach Bayreuth. Dort dang sie sieben Jahre lang neben der Balslev als Senta die Mary im ’Holländer’.
 

Der fliegende Holländer

Besetzungen 1978 - 1985

Musikalische Leitung

Dennis Russell Davies / Woldemar Nelsson / Peter Schneider

Regie

Harry Kupfer

Bühnenbild

Peter Sykora

Kostüme

Reinhard Heinrich

Chorleitung

Norbert Balatsch

 

Daland

Matti Salminen

 

Senta

Lisbeth Balslev / Gwyneth Jones

 

Erik

Robert Schunk / Hermin Esser

 

Mary

Anny Schlemm

 

Der Steuermann

Francisco Araiza / Graham Clark / David Kuebler

 

Der Holländer

Simon Estes / Donald McIntyre

 

 

 

 


Auf vielen Tonträgern ist Anny Schlemm ’verewigt’. Ob nun in der Operette oder Oper
z.B.:

’Don Giovanni’
Margaret Harshaw, Sena Jurinac, Anny Schlemm, Benno Kusche, James Pease, Leopold Simoneau, Royal Philharmonic Orchestra, Georg Solti

’Der letzte Walzer’
Anny Schlemm, Franz Fehringer, René Deltgen, Friedel Münzer, Rita Bartos, RSO Köln, Franz Marszalek

’Der Zigeunerbaron’
Sena Jurinac, Marianne Schröder, Peter Anders, Karl Schmitt-Walter, Ilse Hollweg, Ingeborg Lasser, Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, Franz Marszalek

’Jenufa’
Rosl Zapf, Ernst Kozub, Gerald McKee, Christel Goltz, Anny Schlemm, Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Lovro von Matacic

’Die Gräfin Dubarry’
Arthur Schröder, Martin Held, Anny Schlemm, Edith Schneider, Agnes Windeck, Georg Thomalla, RIAS Unterhaltungsorchester, Fried Walter

’Les Contes D’Hoffmann’ (in dt. Spr.)
Rudolf Schock, Rita Streich, Anny Schlemm, Josef Metternich, Maria Reith, Royal Philharmonic Orchestra, Thomas Beecham

’Schön ist die Welt’
Hubert Marischka, Rudolf Schock, Hertha Worell, Anny Schlemm, Willy Hofmann, Brigitte Mira, Ludwig Bender, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Werner Schmidt-Boelcke

’Paganini’
Peter Anders, Günther Lüders, Anny Schlemm, Irmgard Först, Willy Schneider, Alwin Joachim Meyer, Kölner Rundfunkorchester, Franz Marszalek

und so weiter.
Alle erschienen unter https://www.jpc.de/s/anny+schlemm



 

   Joseph Schmidt
                                            ... am 04. März 1904 geboren
                                               
Foto: Schmitt-Archiv -  http://www.josephschmidt-archiv.ch/#!/page_home


Als einer der populärsten Sänger des Deutschen Rundfunks war seine Karriere zeitlich beschränkt auf die Nicht-Nazi-Zeit in Europa.

Als Kind sang er in der Synagoge von Czernowitz. In Wien erhielt er eine Gesangsausbildung, die ihm sein Onkel Leo Engel ermöglichte.

In Berlin debutierte er in einer Rundfunkproduktion von Mozarts ’Idomeneo’. Das Radio und die Schallplatte wurden sein Podium. Dann kam der Film.

Bis 1933 konnte er sich entfalten, dann übernahmen die Nazis die Macht.

’Ein Lied geht um die Welt’, hieß die Produktion, die am 9. Mai 1933 in Berlin das Publikum begeisterte.
 

 

Filmdaten

Originaltitel

Ein Lied geht um die Welt

Produktionsland

Deutschland

Originalsprache

Deutsch

Erscheinungsjahr

1933

Länge

96 Minuten

Stab

Regie

Richard Oswald

Drehbuch

Heinz Goldberg
Ernst Neubach

Produktion

Richard Oswald

Musik

Hans May

Kamera

Reimar Kuntze

Schnitt

Friedel Buckow

     

 

Besetzung

 



Auch Joseph Goebbels soll im Publikum gewesen sein, der den Sänger angeblich liebte, ihn sogar ’arisieren’ wollte, wozu es nicht kam.

Am Tag nach der Film-Premiere brannten an der Lindenoper in Berlin und in ganz Deutschland auf den Straßen und Plätzen Bücher und Zeitschriften, in einer „Aktion wider den undeutschen Geist.“
 

 

Zitat

Was wir wollen (und erreichen werden!), sieht wahrlich anders aus“, schreibt der Völkische Beobachter über die kommende Zeit:

[…] “Das Lied, das heute durch Deutschland klingt, hat anderen Rhythmus, hat schärferen Marschtritt, hat aufpeitschendere Melodien, kommt aus ehrlicherem Herzen als das, was wir in dem Film hörten. Der Marschtritt eines Millionenvolkes hat nichts mit dem zu tun, was uns ein Volksfremder vortäuschen will! Möge dieses Lied um die Welt gehen, es wird übertönt werden vom Lied der nationalen Revolution.“ […]
Zitatende
 

 

Da verließ Joseph Schmidt Deutschland, es gelang ihm noch in Österreich aufzutreten, dann aber musste er nach 1938 auch dieses Land verlassen, floh nach Frankreich und dann in die Schweiz.

Dort wartete er in einem Internierungslager auf eine Arbeitserlaubnis. Er erkrankte, die Ärzte behandelten eine Halsentzündung, beachteten aber nicht die Herzschmerzen, die den Kranken plagten, entließen in aus dem Krankenhaus.
Angeschlagen brach er auf der Straße zusammen, wurde in einen Gasthof gebracht, wo er an Herzversagen verstarb.

Beigesetzt wurde er auf dem jüdischen Friedhof von Zürich.

“Die Nachwelt flicht dem Mimen keine Kränze.“
Nur wenige kennen noch die markante Tenorstimme mit der und ihren sicheren hohen Tönen er das Publikum begeisterte.

Einige Schallplattenaufnahmen beweisen die Natürlichkeit der Tongebung, des Ausdrucks, mit der die Partien gestaltet wurden.
 

 

Joseph Schmidt - Ein Lied geht um die Welt

 

Joseph Schmidt singt Arien & religiöse Lieder

 

Joseph Schmidt - Das Zauberlied

 

 

Joseph Schmidt singt Arien


Joseph Schmidt singt Arien & Lieder

 


   Kiri Te Kanawa
                                                                           ... am 06. März 1944 geboren / Foto EMI

Als eine Nachfahrin der Urbevölkerung Neuseelands nahm sie in Auckland ersten Gesangsunterricht, den sie mithilfe eines Stipendiums in London fortsetzen konnte.
Ihre erste größere Rolle war die Elena in 'La donna del lago' von Rossini, nach der sie nach Neuseeland zurückkehrte, wo sie an der New Zeeland Opera Company engagiert war.

1970 erhielt sie einen Vertag mit der Londoner Covent Garden Opera, der sie bis in die 1990 Jahre band und zu einer großen Karriere führte.

U.a. wurden die ’Figaro’-Gräfin, Arabella, Desdemona, Violetta, Marschallin, Michaela, Fiordiligi, Elvira, Pamina, Manon ihre Glanzpartien, die sie an allen großen Bühnen der Welt sang.

1984 engagierte sie Leonhard Bernstein für die Maria in seiner Studio-Produktion der ’West Side Story’. José Carreras war ihr Partner als Tony.

2010 gab sie ihren letzten Auftritt in Deutschland. In Köln sang sie noch einmal die Marschallin und in Wien und in New York konnte man sie in Donizettis Oper 'La fille du régiment' als Duchesse de Crakentorp noch einmal erleben.

Auch das Fernsehen wollte nicht gänzlich auf sie verzichten. In der TV-Serie ’Downton Abbey’ spielte sie die australische Sopranistin Nellie Melba.



 

   Martha Mödl
                                                                                      ... am 22. März 1912
geboren / Foto Walhalla

Sie war die seelenvollste aller Sängerinnen. Ihre Brünnhilde, ihre Isolde waren vor allem in Bayreuth – dort in dem Zauberkasten mit den heute scheußlichsten Inszenierungen – sanktioniert durch ’Katherina, die Grobe’ - https://www.infranken.de/ueberregional/kultur/katharina-die-grobe;art182,232548
- aber der grandiosesten Akustik – gab es keine Frau, die ihre Rollen mit größerer Inbrunst erfüllte.

Angefangen hat sie spät, erst mit 28 Jahren, aber es war gut, sonst wäre sie viel früher verglüht.

In Remscheid begann sie 1943 mit Hänsel, Mignon und kurz darauf, 1945, war sie in Düsseldorf die Carmen. Dann Hamburg und die Welt, die ihr dann zu Füßen lag.

 

 


 

Zitat

[…] „Auch die Brünnhilde hat sie nicht, wie zuweilen zu lesen, zuerst in Bayreuth gesungen (1953), sondern im März 1952 und im April 1953 unter Hans Knappertsbusch in Neapel. In Mitschnitten von RING-Aufführungen unter Joseph Keilberth (Bayreuth, 1953) und Wilhelm Furtwängler (RAI, 1953) ist sie in dieser Rolle zu hören. Am 30. Januar 1957 debütierte sie als SIEGFRIED-Brünnhilde an der Met (neben‚Wolfgang Windgassen). Sie litt unter einer Erkältung, deren Folgen noch bei der Rundfunkübertragung am 16. Februar unüberhörbar waren.

Paul Jackson: »Der ewige Fluch des zum Sopran gewordenen Mezzo lag über ihr« - die Unsicherheit der hohen Lage. Der Erfolg der Darstellerin, insbesondere in GÖTTERDÄMMERUNG und TRISTAN UND ISOLDE, machte für die Besucher die Grenzen der Stimme (fast) vergessen.“
[…]

In Bayreuth wurde sie zur Institution.
Sie sang Brünnhilde im RING (alternierend mit Varnay) von 1953 bis 1956, dann wieder 1958, Kundry von 1951 bis 1957, Isolde 1952, 1953 und 1962. Wieland Wagner übertrug den auf Wilhelmine Schröder-Devrient gemünzten Satz - »Kundry! Brünnhilde! Isolde! Keine wie Du!« - auf seine »unpathetische Hochdramatische«.
Dabei ist sie eine im besten Sinne pathetische Darstellerin.
Ein weiterer Höhepunkt ihrer Karriere: die Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper (05.11.1955) als Leonore in FIDELIO unter Karl Böhm - der Mitschnitt liegt vor.
Acht Jahre später sang sie die Amme in einer der Aufführungen von DIE FRAU OHNE SCHATTEN, mit denen das Münchner Nationaltheater wiedereröffnet wurde. Es war die Zeit, in der sie in ihr ursprüngliches Fach zurückkehrte, bevor sie in den siebziger Jahren Triumphe im Charakterfach feiern konnte: als Klytämnestra, Küsterin, Herodias, Mutter in BLUTHOCHZEIT (Wolfgang Fortner), Mrs. Begbick in MAHAGONNY, in der Titelpartie von Gottfried von Einems BESUCH DER ALTEN DAME, Gräfin Geschwitz, Carolina in ELEGIE FÜR JUNGE LIEBENDE und als alte Gräfin in PIQUE DAME.
Tiefen Eindruck machte sie auf Aribert Reimann, der sie (über die Platte) als Lady Macbeth kennenlernte und sie in Wien als Jokaste (neben Jean Cocteau als Sprecher) und in Berlin in Henzes ELEGIE FÜR JUNGE LIEBENDE erlebte.
[…]
Zitatende

Jürgen Kesting – aus ’Die großen Sänger’ -


Und die Tagespresse äußerte sich gleichfalls enthusiastisch.
 

Zitat
Martha Mödls Isolde ... bleibt immer wieder neu erregendes Ereignis, weil das elementare, ja beinahe vulkanische Naturell der Sängerin verhindert, dass sich die Patina der Routine um ihre Gestalten legt. Wie genau disponiert, wie unverwechselbar Wagners zugleich irdischste und geistigste Frauengestalt bei der Mödl auch jedesmal erscheint, jedesmal bleibt die Unberechenbarkeit des improvisatorischen Augenblicks, bleibt das Wagnis das künstlerische Abenteuer der Rolle spürbar.
[…]
Zitatende

Berliner Tagesspiegel, 1957
 


Ihre ’Fidelio’-Leonore – einmalig.
Die Klytämnestra, die alte Gräfin in ’Pique Dame’.
Sie spielte und sang – sie lebte die Rollen.
Dann noch die Golde in 'Anatevka'.
Und 1978 die Titelrolle in 'Bernarda Albas Haus' von Federico García Lorca.
Neben der Nilsson und der Varnay war sie die herausragendste Wagner-Interpretin.
 


 

 

   Elisabeth Grümmer
                                                                     ... am 31. März 1911
geboren / Foto: JPC / BR

Anlässlich der Eröffnung der Deutschen Oper Berlin sang sie am 24. September 1961 die Donna Anna in Mozarts ’Don Giovanni’ neben Dietrich Fischer-Dieskau in der Titelrolle, Donald Grobe als Ottavio, Walter Berry als Leporello, Pilar Lorengar als Donna Elvira, Josef Greindl als Comtur, Erika Köth als Zerlina und Ivan Sardi als Masetto mit Chor der Deutschen Oper Berlin, Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Ferenc Fricsay.
Dabei war sie damals schon 50 Jahre alt.

Und eben in diesem Alter sang sie in Bayreuth das Evchen in ’Die Meistersingern von Nürnberg’. Sie konnte es. Sie sang ihr Lebensalter einfach weg und gestaltete die Pogner-Tochter perfekt.

Neben ihr als Evchen und Sebastian Feiersinger als Stolzing war ich in Bremen die Magdalene und war begeistert von ihrer - als Endfünfzigerin - musikalischen und rollenmäßigen Gestaltung einer jungen Frau aus dem mittelalterlichen Nürnberg.

Sie sang ’Figaro’-Gräfin, Marschallin, Elsa ’Tannhäuser’-Elisabeth, Elsa und Agathe.

Erst spät kam sie überhaupt zum Singen.
Ende des Ersten Weltkrieges musste sie mit den Eltern Lothrigen verlassen, das an Frankreich angegliedert wurde.
Der Vater, ein begeisterter Chorsänger, ging nach Meiningen, wo er am Theater neben seiner Tätigkeit als Schlosser im Bahnausbesserungswerk der Reichsbahn sein Geld verdiente, im Opernchor sang.

Elisabeth erhielt eine Ausbildung als Schauspielerin, spielte die typischen Rollen der Sentimentalen.

Sie heiratete den Konzertmeister des Meiniger Theaters und ging mit ihm nach Aachen, wo sie ein Gesangstudium aufnahm und 1941 von Herbert von Karajan, dort damals GMD, als Blumenmädchen im Parsifal eingesetzt wurde.
Es folgten 1942 Duisburg, dann 1944 Prag.

Als ihr Mann bei einem Bombenagriff auf Aachen getötet wurde, verließ sie die Stadt, konnte aber 1946 schon in Berlin ihre Karriere fortsetzen, die sie zu einer internationalen ausbauen konnte.

1972 sang sie in Berlin noch einmal die Marschallin.

Sie blieb bei ihrem Fach. Sie meinte nicht, auch noch die Tosca oder die Amelia oder die Aida oder die Madeleine singen zu müssen.

Lange Jahre war sie die Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Berlin e.V.

Ihre Gesangskunst klingt auf vielen Tonträgern nach, die auch heute noch im Handel sind.

 

https://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/-/art/die-schoenste-stimme-der-romantik/hnum/6883581



 



Kommentar zu einer Produktion am Theater Chemnitz

Zitat

Chemnitz – ein Wintermärchen

Die GÖTTERDÄMMERUNG an der Oper Chemnitz

Die Presseabteilung der Oper Chemnitz hatte einen fulminanten Höhepunkt des RINGs versprochen. Die Erwartungen waren vor der Premiere von GÖTTERDÄMMERUNG entsprechend hoch.
 

Die Fotos im Programm versprachen ein Wintermärchen. Die Regisseurin Elisabeth Stöppler hatte mit ihrer Bühnenbildnerin Annika Haller eine beginnende Eiszeit als Vorboten des Weltuntergangs geschaffen. Die drei Nornen waren wie bei einer Expedition durch den Schicksalsfaden miteinander verbunden. Gesanglich ist unter ihnen vor allem Anja Schlosser mit ihrem warmen Mezzo hervorzuheben. Auch das Feuer rund um Brünnhildes Berg war längst erloschen. Die kühle Atmosphäre setzte sich an Gunthers Hof fort, an dem eine gelangweilte, übersättigte Gesellschaft in einer gleichermaßen eleganten wie sterilen Halle lebt. Hagen versorgt alle mit verschiedenen Drogen. Er sucht nach Anerkennung, doch zeigen ihm alle, dass er nicht dazu gehört. Auch sein Vater Alberich nennt ihn zwar einen Helden, aber so wie er es singt, merkt man, dass er von seinem Sohn nicht viel hält. Nachdem Gutrune erkannt hat, dass Siegfrieds Tod auf einer Intrige von Hagen beruht, erschießt sie ihn. Die verzweifelte Brünnhilde wird von ihrem eigentlichen Plan durch das Erscheinen von Urmutter Erda abgebracht. Am Ende sieht man Erda im Kreis all ihrer Töchter; auch die Rheintöchter, Waltraute und Gutrune gesellen sich dazu.

Endlich gab es mal eine Regie, die nicht gegen die Musik oder den Text gebürstet ist und doch etwas Neues wagt, ganz im Sinne Richard Wagners. Dazu gelingt Elisabeth Stöppler in allen Szenen eine wohltuend genaue Personenführung. Zu Recht wurde sie – abgesehen von zwei unverbesserlichen Buh-Rufern – mit Standing Ovations gefeiert.

Dass es musikalisch auch ein großer Wurf wurde, ist vor allem GMD Guillermo Garcia Calvo zu verdanken, der in kongeniale Weise die Musik Wagners umzusetzen wusste. Auch die gelegentliche Unruhe bei den Blechbläsern störte den Gesamteindruck der geradezu perfekten Interpretation nicht. Der Chor in der Einstudierung von Stefan Bilz war schon lange nicht mehr so präzise wie an diesem Premierenabend.

Stars des Abends waren unbestreitbar Stéphanie Müther als Brünnhilde und Daniel Kirch als Siegfried, die beide scheinbar mühelos und mit unglaublicher Kraft ihre Partien meisterten. Auf gleichem Niveau, aber eben mit deutlich kleineren Partien sind Anne Schuldt als Waltraute und Weltstar Jukka Rasilainen im Rollendebüt als Alberich zu nennen. Cornelia Ptassek gab mit ihrem herrlichen Sopran eine überzeugende Gutrune. Der Gunther von Pierre-Yves Pruvot überzeugte vor allem im zweiten Aufzug, während Marius Bolos als Hagen mit seinem kräftigen Bass gerade hier einen kleinen Durchhänger hatte. Auch die Rheintöchter Guibee Yang, Sylvia Rena Ziegler und Sophia Maeno haben makellos zusammen gesungen und so zu dem überaus gelungenen Abend beigetragen.

Nutzen Sie die Gelegenheit und machen Sie sich selbst ein Bild.
Ich kann es Ihnen nur empfehlen!

Am 22.04. |und am 10.06.2019 steht GÖTTERDÄMMERUNG erneut auf dem Spielplan.

Matthias Ries-Wolff
Präsident Richard Wagner Verband Chemnitz

Zitatende
 

 

 


 


 

Die Frauenstimmen in der neapolitanische Oper
4. Der Aufbau des Opernschemas

4.1 Ursprung des Dramenaufbaus


Aristoteles definiert in der 'Poetik' die Tragödie als aus sechs Teilen bestehend, diese sind:


1.       Mythos

2.       Charakter

3.       Sprache

4.       Erkenntnlsfähigkeit

5.       Inszenierung

6.       Melodik

"Die Epik und die tragische Dichtung, ferner die Komödie und die Dithyrambendichtung sowie größtenteils das Flöten- und Zitherspiel: sie alle sind, als Ganzes betrachtet, Nachahmungen …"

Die Mittel, mit denen nachgeahmt wird, sind zwei: Melodik, Sprache die Art wie nachgeahmt wird ist eine Inszenierung die Gegenstände, die nachgeahmt werden, sind drei: Mythos, Charaktere, Erkenntnisfähigkeit und darüber hinaus gibt es nichts …

Der wichtigste Teil ist die Zusammenfügung der Geschehnisse. Denn die Tragödie ist nicht Nachahmung von Menschen, sondern von Handlung und von Lebenswirklichkeit.
 

Georg Philipp Harsdörffer (1607-58) stiftete in Nürnberg zusammen mit Johann Klaj (1616-56) den 'Pegnesischen Blumenorden', eine der bekanntesten Sprachgesellschaften des Barock und entwickelte eine Dichtungstheorie. In seinem als 'Nürnberger Trichter' sprichwörtlich gewordenen 'Poetischen Trichter':'die Teutsche Dicht- und Reimkunst ohne Behuf der Lateinischen Sprache, in sechs Stunden einzugießen, 1647-53.
 

“… Das Trauerspiel sol gleichsam ein gerechter Richter seyn / welches in dem Inhalt die Tugend belohnet / und die Laster bestraffet. Daher wird es auch ein wolgefälliger Betrug genennet / welcher dem Bürger Ehre wegen seiner kunstrichtigen Arbeit / und den Betrogenen viel Nutze durch die Lehre zuwege bringet. Solches auszuwürken ist der Poet bemühet / Erstaunen / oder Hermen und Mitleiden zu erregen / jedoch dieses mehr als jenes. Durch das Erstaunen wird gleichsam ein kalter Angstschweiß verursacht / und wird von der Furcht unterschieden / als welche von grosser Gefahr entstehet; dieses aber von einer Unthat und erschröcklichen Grausamkeit / welche wir hören und sehen. Solche Gemütsbewegung findet sich / wann wir ein Laster scheuen ernstlich und plötzlich straffen / daß wir in unsrem Gewissen auch befinden; und wir werden zu Mitleiden veranlasst / wann wir einen Unschuldigen viel Übel leiden sehen. Der Held / welchen der Poet in dem Trauerspiel aufführet / soll ein Exempel seyn aller vollkommenden Tugenden / und von der Untreue seiner Freunde / und Feinde betrübet werden; jedoch dergestalt / daß er sich in allen Begebenheiten grossmütig erweise und den Schmertzen / welcher mit Seufftzen / Erhebung der Stimm / und vilen Klagworten hervorbricht / mit Tapferkeit überwinde..." (Leipzig 1751).
 

In seiner Poetik, 'Versuch einer Christlichen Dichtkunst vor die Deutschen' (1730), bemüht sich Johann Christoph Gottsched (1700-66) um die Erneuerung des deutschen Dramas durch Anpassung an die klassizistische französische Dramatik. In Anlehnung an die Dichtungstheorie Bolleaus (1636 bis 1711, L'Art poétique 1674) huldigt Gottsched einem antibarocken, strengen Formideal und wird mit seinem poetischen Rationalismus zu einem Wegbereiter der deutschen Aufklärung.
 

13. §. Diese Fabel (des 'Ödipus' von Sophokles) ist nun geschickt, Schrecken und Mitleiden zu erwecken, und also die Gemüthsbewegungen der Zuschauer, auf eine der Tugend gemäße Weise, zu erregen. Das Erstere erregen seine Schandthaten, und die unverhoffte Entdeckung derselben: dieses aber, die Betrachtung, daß er sie unwissend begangen hat. Durch seine guten Eigenschaften erwirbt sich Ödipus die Liebe der Zuschauer; und da er seine Laster wider Willen ausgeübet hat, so beklaget man ihn deswegen. Da er aber gleichwohl sehr unglücklich wird, so bedauret man ihn um desto-mehr; ja man erstaunet über die strenge Gerechtigkeit der Götter, die nichts ungestraft lassen. Man sieht auch, daß der Chor in dieser Tragödie dadurch bewogen wird, recht erbauliche Betrachtungen, über die Unbeständigkeit des Glückes der Großen dieser Welt, und über die Schandbarkeit der Laster des Ödipus anzustellen ….

14. §. Sonderlich ist das englische Theater insgemein in der Einrichtung der Fabel fehlerhaft, als welche größtenteils nichts besser sind, als die altfränkischen Haupt- und Staatsaktionen der gemeinen Komödianten unter uns. Das kömmt aber daher, daß ein Trauerspiel eine dreyfache Einheit haben muß, wenn ich so reden darf: Die Einheit der Handlung, der Zeit, und des Ortes. Von allen dreyen müssen wir insonderheit handeln.

15. §. Die ganze Fabel hat nur eine Hauptabsicht; nämlich einen moralischen Satz: also muß sie auch nur eine Haupthandlung haben, um deswegen alles übrige vorgeht. Die Nebenhandlungen aber, die zur Ausführung der Haupthandlung gehören, können gar wohl andere moralische Wahrheiten in sich schließen: wie zum Exempel im 'Ödipus' die Erfüllung der Orakel, darüber Jokasta vorher gespottet hatte, die Lehre giebt: Daß die göttliche Alwissenheit nicht fehlen könne. Alle Stücke sind also tadelhaft und verwerflich, die aus zwoen Handlungen bestehen, davon keine die vornehme ist.' (Nürnberg 1648)
 

Die Gelehrten und Poeten des 18. Jahrhunderts kannten selbstverständlich die Regeln des antiken Dramas und der Rhetorik, trotzdem ist ein Libretto nicht einem gesprochenen Drama gleichzusetzen. Es bedarf einer einfachen, einheitlichen, klar überschaubaren Handlung, die auch in enger Verbindung mit der Komposition noch verständlich bleibt und einer Ausdrucksweise, die sich im Ganzen gut zur Vertonung eignet.
 

4.2 Argomento und persona

Der erste, der das Libretto systematisierte und den Typ des Intrigendramas zu einem feststehenden Schema formte, war der Venezianer Giovanni Faustini (1619-1651). Er beendete die Zeit des Experimentierens der Gelegenheitsdichter, indem er die Personenzahl beschränkte und ein Handlungsgerüst mit zweit Liebespaaren, deren Vereinigung durch schematisch auftretende Ereignisse verhindert und dann ganz am Schluss des dritten Aktes plötzlich herbeigeführt wird, festlegte. Dies Schema war zwar ein schmaler, aber für Publikum, Dichter und Komponist gangbarer Weg, auch für die Organisation einer Opernkompagnie, den Nutzen der Übersichtlichkeit erbrachte.

Das von sechs oder sieben Personen, in der Regel einem Protagonistenpaar, einem weiteren, untergeordneten Paar und Vertrauten (confidente) getragene, in drei Akte gegliederte Drama dramaturgisch ganz der Tragédie classique verpflichtet. Die Folge von Exposition, Verwicklung (noeud) und die Lösung des Konflikts (dénouement) ist beibehalten; der von den Protagonisten getragenen Handlung sind Nebenhandlungen untergeordnet, die erstere beeinflussen und den Verlauf der dramatischen Entwicklung mitbestimmen. Die Lösung des Konflikts vorausgehende Wende der Handlung (péripétie) beruht in der Regel auf einer vom Schicksal verfügten Beseitigung der den Konflikt auslösenden Hindernisse (obstacles). Bis auf wenige Ausnahmen enden die Dramen gemäß dem ästhetischen Ideal positiv (lieto fine). Gegenstand der Handlung sind Stoffe aus der antiken Geschichte oder - bei Metastasio selten - der antiken Mythologie.

Als Beispiel seien die 'personaggi' zweier Opern Metastasio's aufgeführt.

'Didone abbandonata'

Didone,

regina di Cartagine, amante die Enea

Jarba,